Hallo Sitaara.
Danke für Deine Gedanken. Die erste edle Wahrheit des Buddha ist Wahrheit vom Leiden. Der Begriff Leiden ist vielleicht etwas irreführend, weil damit unter Umständen nur das Gefühl von körperlichem oder seelischem Schmerz assoziiert wird. Der gehört zwar auch dazu, zumindest unter der Bedingung, dass er zu einem Gefühl von Hass oder Ablehnung führt, aber eigentlich geht es mehr um die Rastlosigkeit, die durch ein Gefühl ausgelöst wird, das man mit Unzufriedenheit, Frustration übersetzen könnte. Wenn ich auf einem Stuhl sitze, muss ich immer wieder die Position wechseln, weil es sonst zunehmend unangenehm wird. Wenn ich in einer warmen Stube sitze, muss ich irgendwann an die frische Luft, wenn ich an der frischen Luft bin, wird es mir irgendwann kalt, und ich muss wieder in die Wohnung. Wenn ich lange Zeit einen bestimmten Job mache, sehne ich mich nach Veränderung, in der Veränderung sehne ich mich nach Stabilität. Wenn ein Bedürfnis befriedigt ist, vergeht nicht viel Zeit, und das befriedigte Bedürfnis wird Gewohnheit. Neue Bedürfnisse entstehen.
Die Dynanik dahinter hat der Buddha in der zweiten edlen Wahrheit beschrieben. Selbst wenn ich wollte, könnte ich aus diesem Kreislauf von Werden und Vergehen (von Wünschen, Ängsten, Selbstbildern, Vorstellungen, Verkörperungen, Leben, etc...) nicht aussteigen, weil mich Anhaftung, Ablehnung und Unwissenheit in ewiger Rastlosigkeit gefangen halten. Das wäre auch in Ordnung, wenn es nicht eine Möglichkeit gäbe, nicht nur die Rastlosigkeit und die Frustration zu beenden, sondern die auch noch zu einem unvergleichlich anderen Seinszustand führen würde. Diese Möglichkeit bringt Buddha in der dritten edlen Wahrheit zum Ausdruck. Die Wahrheit von der Beendigung des Leidens. Diese Erfahrung kann entstehen, wenn es gelingt, das ständige Wollen und Tun, Nicht-Wollen und Fürchten, das Getriebensein generell zumindest für kurze Zeit mal auszusetzen.
Den Weg zu dieser Erfahrung und zur Verwirklichung im eigenen Leben hat der Buddha in der vierten edlen Wahrheit zusammengefasst, im achtfachen Pfad.
Das Leben, wie wir es hier vor allem im reichen Westen kennenlernen, ist völlig in Ordnung. Es bietet viele Möglichkeiten, viel Freude, viel Aufregendes und Spannendes. Und doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass es tief in mir drin immer eine Strömung gab, die ein anderes Leben wollte, eine andere Erfahrung von Wirklichkeit. Und das wirklich Erstaunliche für mich war und ist, dass diese Wirklichkeit umso näher rückt, je weniger ich versuche, etwas zu erreichen, je weniger ich nach Erfüllung, Sicherheit, Glück, Freude suche, je weniger ich etwas ablehne oder herbei sehne.
Auch seelischer oder körperlicher Schmerz hört auf Dukkha zu sein, wenn ich nicht länger versuche, vor ihm wegzulaufen, denn das ist eine der Ursachen für Dukkha: die Ablehnung, der Hass.
Liebe Grüße
Thorsten