Lieber Vincent,
Ärger und Enttäuschung wegen Fehlverhaltens von Anderen und einem selber ist ja nichts ungewöhnliches, es ist Hass im weitesten Sinn, bekanntlich eine der drei Geistestrübungen (Gier, Hass und Verblendung). Würde sich jeder damit auseinandersetzen und Lösungen finden würde die Welt anders aussehen.
Wir empfinden etwas als Fehlverhalten, als falsch, unmoralisch oder unethisch, weil ein natürliches Bedürfnis nach Frieden in uns ist. Es ist nicht schwer einzusehen wie unvernünftig es ist, Schaden und Leid zu verursachen und sich selbst und andere damit zu belasten, aber die tief wurzelnden Geistestrübungen überwältigen immer wieder die Vernunft, trüben eben den Geist und die Reinheit des Herzens.
Wenn man so weit gekommen ist das einzusehen hat man da schon eine rechte Erkenntnis gewonnen, das betrifft den ersten Teil des achtfachen Pfades. Jetzt kann man sich bemühen die entsprechende Gesinnung zu entwickeln, den zweiten Teil. Sehr hilfreich finde ich dabei die Entwicklung von Metta. Wenn klar ist dass Wohlwollen und Güte das Beste bei allen Begegnungen mit Menschen und auch allen anderen Lebewesen ist, kann man sich üben diese Haltung einzunehmen: 'Ich wünsche dir alles Gute, Glück und Einsicht, mögest du nicht leiden'. Ehrlich von Herzen gewünscht, fühlt man es und so können sich die Brahmavihara entwickeln - liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut bei Kränkungen.
Rechte Erkenntnis und rechte Gesinnung sind auch unter "Weisheit" zusammengefasst. Ohne Weisheit kann Metta zu Sentimentalität werden, mehr eine Gefühlsduselei, oder zu einer übetriebenen Opferrolle. Richtig entwickelt führt es zu ethischem Handeln, die nächsten drei Teile des Pfades und begünstigt Sammlung und Meditation, die übrigen drei Teile.
Metta ist ein wesentlicher Schlüssel zur Beendigung von Dukkha, gepaart mit Panna kann dieser Ansatz wohl sogar bis zum Ziel endgültiger Befreiung, zu Nibbana führen. Aber ich sehe mich auch als Anfänger und muss mir Metta auch selber entgegenbringen, Geduld mit mir haben und Nachsicht üben, wenn Hass gegen mich selber aufsteigt wegen hartnäckiger Geistestrübungen.