Beiträge von Schmu im Thema „Die vier edlen Wahrheiten“

    Das ist eben die Schwierigkeit, wenn ich das Wort dukkha mal eben mit einem einzigen deutschen Wort (Leiden) übersetze. Was wir so auf Anhieb / vordergründig unter "Leiden" verstehen, ist nur ein kleiner Teil dessen, was gemeint ist.


    Du sprichst hier zum Beispiel noch diese Dimension an:

    Neben der Ebene des Leid des Schmerzes wird hier eine weitere Ebene der Leiderfahrung in Samsara angesprochen: Das Leid des Wandels. Das wirklich zu erkennen ist, finde ich, schon sehr schwierig, denn dieses Leid des Wandels ist ja nach unserer weltlichen Auffassung genau das samsarische Glück nach dem wir immer wieder streben.

    Wir leiden bei genauer Betrachtung auch unter Wandel, wie du ja hier schreibst, dass alles ununterbrochen in Veränderung begriffen ist. Wir ergreifen gerne Dinge und wollen sie festhalten. Auch das widerspricht dem, wie die Wirklichkeit ist.


    Und diese Art des Leidens ist noch schwieriger zu erkennen, wie du ja auch schreibst:

    Und dann gibt es ja auch noch das Leid, immer wieder unfreiwillig aufgrund von karma und klesas in den verschiedenen Daseinsbereichen geboren zu werden. Das ist meines Erachtens noch schwieriger zu erfassen und zu verstehen.

    Das kann ich z. B. gar nicht mehr richtig in Worte fassen, davon habe ich nur ein vages Gefühl.

    Deshalb musste als Erstes die erste edle Wahrheit gelehrt werden, damit erkannt wird, dass das was in Samsara als Glück aufgefasst wird, in Wirklichkeit Leiden ist.

    Ja, deshalb musste sie als Erstes gelehrt werden. Weil das die Grundlage, das Fundament der ganzen Lehre ist. Sie zeigt das zugrundeliegende Problem des Daseins auf. Die erste edle Wahrheit nicht zu erkennen, bedeutet, den Buddhaweg gar nicht beschreiten zu können.

    Und es ist nicht einfach, wie mukti sagt:


    Es ist ja nicht so leicht zu erkennen, dass Sinnesfreuden Leiden in sich bergen. Gewöhnlich erfreut man sich gerade deshalb daran, um dem Leiden zu entkommen, denn wenn Freude da ist, ist kein Leid da.

    Die ganze Gesellschaft, das ganze Menschengeschlecht lebt so, dass es diese Wahrheit verdrängt und geradezu leugnet. Das ist das, was ich im Kern unter Verblendung / Unwissenheit verstehe. Das ist der Grund, warum wir die Wirklichkeit verzerrt wahrnehmen, man könnte fast sagen: Wir nehmen sie in ihren wesentlichen Merkmalen so entstellt wahr, dass wir wie Ahnungslose verzweifelt strampeln, um zufrieden und glücklich zu sein. Ein Unterfangen, das einer gewissen Komik nicht entbehrt.


    Meiner Meinung nach braucht es auch eine gewisse Lebenserfahrung, um das alles zu durchschauen. Auch große, einschneidende, schmerzhafte Erlebnisse können dabei helfen. Das kann mich an den Punkt bringen, dass ich sozusagen vollkommen innehalte und sehe: "Hier stimmt etwas nicht, hier stimmt etwas ganz entschieden nicht. So geht es nicht, so wird es niemals funktionieren können."

    Schmu Ich schrieb über Unterschiede der verschiedenen Lehren/Erklärungen (besser: ich widersprach deiner gegenteiligen Einschätzung). Nicht über Unterschiede von Menschen die du anscheinend ziehen/erklären magst.

    Ja, wir schrieben (scheinbar) über verschiedene Dinge. Ich wollte einen Aspekt beisteuern, über den du nicht so gerne sprechen möchtest, der dein Interesse nicht berührt. Kein Problem.


    Die vorhandenen bedeutenderen Unterschiede verschiedener Lehren lebt man evtl gut in der Gemeinsamkeit gegenseitiger Wertschätzung und Respekts. Und in der Überzeugung, dass das Vorhandensein anderer Auffassungen einen selbst auch weiterbringen kann.

    Du siehst bedeutende Unterschiede, ich sehe vor allem bedeutende Gemeinsamkeiten. Natürlich kann man auch über die Unterschiede sprechen. Da hält sich mein Interesse wiederum in Grenzen. Nicht, dass ich keine sehe, nur stecke ich da nicht sonderlich viel Energie rein. Der Gewinn, den ich daraus ziehe, hält sich eben in Grenzen.


    Die Verneinung dieser Unterschiede (ob nun der Unkenntnis oder einem übergrossen Bedürfnis nach Harmonie geschuldet) mithilfe von Psychologisierung verschiedener Menschentypen hilft am Ende niemanden, denn die Unterschiede kriegt man damit nicht weg.

    Das ist ein bedeutender Abschnitt, den du hier schreibst. Darüber sollten wir bei Gelegenheit mal einen eigenen Thread aufmachen, das sprengt die Grenzen dieses Threads erheblich.


    Besonders bemerkenswert finde ich diesen Teil (aber nicht nur den!), deshalb hebe ich ihn nochmal gesondert hervor:

    (ob nun der Unkenntnis oder einem übergrossen Bedürfnis nach Harmonie geschuldet)

    Wie gesagt, da bin ich der Meinung, dass das einen eigenen Thread wert ist. Da werden viele Dinge angedeutet, die sehr spannend sind.


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    Ich hatte nur eine Konversation mit Helmut über das Thema

    Wenn du dich speziell mit Helmut unterhalten möchtest, denn es ist ja auch sein Thread, ist das dein gutes Recht. Ich hatte jetzt zwischendurch nur den Eindruck, dass du auch an einem Gespräch mit anderen interessiert bist. Also, ich zum Beispiel fühlte mich angesprochen.

    Da möchte ich dir widersprechen, wenns sonst kein anderer macht. Im Gegenteil gibt es zT bedeutende, und für den der die Sache ernst nehmen mag auch ernstzunehmende Differenzen. Sogar innerhalb einer sog Tradition.

    Ja, die Welt ist voller Menschen, die ihre Aufmerksamkeit auf die Differenzen zu anderen und deren Meinung / Anschauung / Glauben richten. Und sie ist voller Menschen, die ihre Aufmerksamkeit auf die Gemeinsamkeiten, das Verbindende richten. Das ist für mich ein Persönlichkeitsmerkmal.

    Die Zweiteren kommen nach meiner Auffassung der Wahrheit näher. Sie sind näher dran an dem, wie die Dinge sind, wie sich die Wirklichkeit darstellt.

    Bei den Ersteren ist das aktiver, was der kauzige Eckhart Tolle den "Schmerzkörper" nennt. Sie sind (meistens unbewusst) auf der Suche nach jemandem / etwas, der / das nicht gut, nicht richtig ist; das anders sein sollte.


    Wir haben alle beide Seiten. Bei manchen ist dieses etwas stärker, bei anderen jenes.


    Bei den Meistern und Meisterinnen der verschiedenen buddhistischen Traditionen ist der "Schmerzkörper" weitgehend überwunden, transformiert. Sie erkennen das Wesentliche mühelos und sehen, dass ihr Gegenüber einer anderen Tradition ebenfalls im Wesentlichen verweilt. Und bei denen, die das nicht tun, sondern viel im Unterscheiden, Vergleichen, Abgrenzen verweilen, sind sie milde und gleichmütig. Sie wissen: Es ist nur eine Frage der Zeit... Sie kennen den eigenen Weg, den sie beschritten haben, sie können sich an eine Zeit erinnern, als auch sie selber noch viel im "Widerstand" waren.

    Dann sei doch bitte so gut, und erkläre mir: Worin, wenn nicht in der Lehre Buddhas, liegt es begründet, dass das Praktizieren der Lehren aller buddhistischen Traditionen zur Erleuchtung führen?

    Ich will erklären, ich will erklären! :grinsen:


    Das liegt daran, dass die Buddhalehre so durch und durch stimmig ist und keine Lücke, keinen Mangel aufweist. Egal auf welchen zentralen Aspekt ich meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit richte, alle anderen Aspekte (von denen vielleicht einer in einer anderen Tradition scheinbar zunächst eine größere Rolle spielt) ergeben sich automatisch auch mit der Zeit.

    Es ist ein so schlüssiges Ganzes, dass es gar nicht möglich ist, einen Punkt herauszugreifen und die anderen beiseite zu lassen. Deshalb gibt es auch keine echten, ernstzunehmenden Differenzen zwischen Zen-Meistern, Theravada-Meistern, Tibetischen Meistern usw. usw.

    Er hat also immer die Wirkung vor der Ursache erklärt. Gibt es einen gewichtigen Grund, warum Buddha Sakyamuni die Wahrheiten in dieser Reihenfolge erklärt hat?

    Ich glaube, das ist die Reihenfolge, wie es einem auch selbst auffällt auf dem eigenen Lebensweg. Das erscheint mir "natürlich / organisch", es in dieser Reihenfolge zu Bewusstsein zu bekommen.


    Es fällt einem irgendwann erstmal auf, dass überall Leiden ist. Vorher wird einem ja geradezu das Gegenteil erzählt, wohin man auch schaut. Ich schalte den Fernseher an, ich höre ein Musikstück mit Gesang, ich betrachte ein Werbeplakat – überall wird einem vorgegaukelt, was für unzählige Sachen es gibt, die einen glücklich machen. Geld, Güter, ein/e Partner/in, ein Urlaub, ein Film, Delikatessen zum Essen, ein Auto, eine Fußballmanschaft. Alles mögliche macht wahnsinnig "glücklich". Es geht so weit, dass sie einem allen Ernstes erzählen wollen, eine Zahncreme oder eine Margarine sei total toll, hocherfreulich, sexy, extrem zufriedenstellend... :lies: Das ist für mich alles Teil der großen menschlichen Verblendung. Wir erzählen uns Märchengeschichten. Kurz hinter der Fassade sieht es aber ganz anders aus.


    Die nächsten Schritte sind dann auch nur folgerichtig:


    2. Wie kommt das eigentlich, was ist der Grund?

    3. Ist es möglich, da auszusteigen?

    4. Wenn ja, wie ist es möglich?