Beiträge von Sudhana im Thema „Doch alles Eins!?“
-
-
Railex : you lost me at "göttliche Wahrheit" ...
Alle Phänomene unserer Welt, seien es die Phänomene mit denen wir in unserem Alltag zu tun haben oder die verschiedenen Religionen auf der Welt, sind nicht eins. Wenn alle Phänomene eins sind, dann sind sie identisch und könnten somit nicht voneinander unterschieden werden. Aber in dem Sinne steht es ja im zitierten Text nicht.
Das Problem des Textes ist meines Erachtens, dass man alle Religionen auf einen Ur-Anfang zurückführen will. Dies ist aber jüdisch-christliches Denken. Das finden wir in der Genesis. Dieses Denken gilt aber für andere Religionen nicht. Im Buddha-Dharma wird ja immer wieder betont, dass es keinen Ur-Anfang gibt, denn wenn es in gäbe, hätte er ohne Ursachen entstanden
Da müsste man mittels inhaltlicher Analyse erst einmal nachweisen, ob diese verschiedenen angestrebten Ziele wirklich inhaltlich gleichbedeutend sind.
... was ziemlich schwerfallen wird. Das Zitierte ist bestenfalls ein vulgär-strukturalistischer Ansatz. Ich will dem gar nicht die Nützlichkeit absprechen, so lange es um soziologische Fragestellungen geht, speziell nach der Funktion von Religion. Das Manko dieses Ansatzes liegt freilich darin, dass er für epistemische Fragestellungen völlig ungeeignet ist. Die für die Vertreter solcher La-Le-Lu-Philosophie (benannt nach der heiligen Dreifaltigkeit Lacan, Lévy-Strauss und Luhmann) ja auch gar nicht von Interesse sind, was man ehrlicherweise einräumen sollte. Was für mich nicht gilt, weswegen ich so etwas für intellektuelle Masturbation halte.
Natürlich hat man sich insbesondere im ostasiatischen Buddhismus schon früh mit der Problematik beschäftigt, die Konkurrenz mit dem Daoismus und dem Konfuzianismus zwang dazu. Wegweisend wurde hier die auf dem Lotossutra beruhende Ekayāna-Lehre des Zhiyi, der das theoretische Fundament dazu mit einer Erweiterung von Nagārjunas Theorem der 'zwei Wahrheiten' zu einem der 'drei Wahrheiten' legte. Ohne nun in Einzelheiten zu gehen - aber damit lassen sich nicht nur verschiedene buddhistisch - epistemische Ansätze, sondern alle religiösen Ansätze als upāya des 'einen Fahrzeuges' Ekayāna subsumieren. Nicht nur das - Alles ist upāya, bis hin zu mörderischen politischen Ideologien. In diesem Sinn ist "alles eins".
Das (offensichtliche) Problem: bei upāya gibt es ein breites Spektrum an Wirksamkeit. Weswegen die auf Zhi Yis Lehren aufbauende Tiantai Zong bzw. deren japanischer Ableger Tendai Shu eine Art Hierarchie der upāya (Doktrinen und Praktiken) entwickelt haben, wie später auch Guifeng Zongmi. Vorgegeben ist die Hierarchie durch die potientielle Wirksamkeit des upāya. Was nun wiederum nicht bedeutet, dass das höchste upāya in der konkreten Anwendung für Jeden das optimale ist. Das upāya muss den Bedingungen, auf die es angewandt wird, entsprechen. Nur dann kann es auch sein Potential entfalten.