Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Diskussion zu "Was ist säk. Buddhismus"“

    Säkularisation ist leider oft genug verbunden mit Banalisierung und Verflachung. Viele scheinbar metaphysische Inhalte sind dicht komprimierte Formen, unsagbares intuitiv zu vermitteln. Säkularisation begrenzt religiöse Inhalte auf das, was denen verständlich ist, die sich am Anfang eines Weges befinden. Damit sind auch die Grenzen des Weges gesetzt.

    Wir reden hier in der Samutti sacca, was hier im Forum glaube ich als relative Warhheit bezeichnet wird.

    Wenn etwas überweltlich ist, dann ist es ja gerade die sogenannte relative Wahrheit – auch wenn wir diese Sichtweise im Rahmen der allumfassenden Verblendung für die Welt halten. Konzepte, Vorstellungen, Meinungen, metaphysische Spekulationen sind ja gerade nicht das, was die klare Erkenntnis ausmacht. Der Buddhismus beschreibt mit Shunyata die absolute Diesseitigkeit, wie es Keiji Nishitani beschreibt, absolute Diesseitigkeit, in der es nicht einmal ein Ding an sich hinter den Erscheinungen gibt. Weltlicher, säkularer geht es kaum.

    Dass dann aber trotzdem im Laufe der letzten 2500 Jahre metaphysische Spekulationen wie Pilze aus dem Boden des Palikanon geschossen sind, hat viel damit zu tun, dass reine Diesseitigkeit wenig erbaulich scheint, weil damit Hoffnungen auf eine bessere Welt und ein Leben nach dem Tod aufgegeben werden müssen.

    Was sollte Buddhismus anderes sein als säkular? Dieser Begriff des säkularen Buddhismus kommt mir wie eine überflüssige Abgrenzung vor – nochmal ein neuer Verein, nochmal ein neues Grüppchen für eine spezifische Interessensgruppe, für die Dinge, die angeblich jenseits der Vernunft liegen, nicht zumutbar sind. Dabei liegen diese Dinge meist einfach nur jenseits der jeweiligen persönlichen Erfahrung. Ok – wenn's pressiert und die Praxis dadurch besser wird... _()_


    Die Lehre ist ja schon von Buddha weitgehend säkular angelegt. Es geht um kein Jenseits, keine Götter, keine Zauberei, keine Dogmen, kein Paradies, etc.. Klar, Kulturen, die auf den Buddhismus getroffen sind, haben ihre tradierten Vorstellungen in das buddhistische Lehrgebäude eingebaut, und auch die religiösen Vorstellungen zu Buddhas Zeit sind als kulturelle Färbung eingeflossen, aber letztlich sind das Beifügungen, die die Kernlehre nicht weiter betreffen. Was hat das also mit unserer Praxis hier zu tun? Es ist natürlich schwierig, wenn jemand aus einem europäisch kulturellen Hintergrund glaubt, er müsse wie ein japanischer, burmesischer, chinesischer oder tibetischer Buddhist denken, handeln und fühlen, um den Dharma zu praktizieren. Aber andererseits: warum auch nicht? Jedem Tierchen sein Pläsierchen. :heart:


    Was die Streitpunkte Karma und Wiedergeburt angeht:

    Karma ist letztlich nichts anderes als die Lehre von Ursache und Wirkung in der Welt. Was sollte daran nicht säkular sein? Und was die Wiedergeburt der Person angeht, so ist da der Buddhismus auch recht eindeutig. Es gibt sie nicht. Wiedergeburt als Bewusstseinskontinuum ohne spezifische Persönlichkeitsmerkmale ist eine Möglichkeit, der ich agnostisch begegnen kann (und nach der Lehre des Buddha auch sollte), die aber – wie z.B. David Chalmers zeigt – wissenschaftlich durchaus eine Option darstellt.


    Mein Handeln heute wird von der Vorstellung von Wiedergeburt kaum ‭bestimmt. Sollte jemand den Dharma praktizieren, weil er oder sie auf eine gute Wiedergeburt schielt, so ist diese Person eh auf dem falschen Dampfer.

    Aber für mich hieße säkularer Buddhismus in letzter Konsequenz gerade die Leugnung des Transzendenten, und die Schaffung einer immanenten Religion (so etwas Ähnliches sehe ich auch bei Laozi und Zhuangzi). Religion als Rückkehr zum Immanenten. (So verstehe ich das, was sie als Ablehnung der Metaphysik meinen - auch im Zen seh ich eine steten Hinweis auf das Immanente).

    Weil ich nicht erreiche, wovon die Alten erzählen, baue ich mir meinen eigenen Raum, der mir Identität und Selbstwert gibt, ok – warum nicht. Ich müsste sonst weitergehen – mit ungewissem Ausgang – und vielleicht ist da ja NICHTS mehr? Weil ich nicht weiß, wovon die Alten reden, behaupte ich, es seien Erfindungen, wovon sie reden. Damit bin ich jedenfalls auch die Last des Wortlosen los. Ohne Worte in der Welt – oh, das macht machtlos und bedeutungslos – der schlimmste aller Abgründe!


    Die Religion war nie immanent, nie transzendent, daher kann sie auch dorthin nicht zurückkehren. Die Religion macht Blindheit bewusst und lehrt das Sehen. Klar, auch in der Blindheit kann ich mich gut einrichten. Es ist nur unsinnig, aus dieser Position heraus Farbe zu leugnen.