Ich weiß, ich bin ein One-Trick-Pony, aber mal wieder mein Senf aus praktischer Sicht:
Alle Traditionen sind sich darin einig, dass es darum gehe, Dukkha zu überwinden. Was aber Dukkha im Detail ist, da ist man sich überhaupt nicht einig.
Das erschient mir richtig. Aber wenn man praktiziert, dann erkennt man doch nach relativ kurzer Zeit, was für einen selbst Dukkha ist, wenn man offen genug für Hinschauen und Erfahrung ist. Und umgekehrt, was nicht. Um diese Geistesschulung kommt man doch überhaupt nicht herum, da sind die Schriften oder Lehren der jeweiligen Tradition nur ein Anhaltspunkt. Und es ist überhaupt nicht nötig, das sofort trennscharf entscheiden zu können. Das merkt man dann mit der Zeit schon, ob man auf dem richtigen Dampfer ist.
Verkürzt: Der Theravadin möchte so schnell wir möglich aus dem Wiedergeburtskreislauf treten. Samsara ist Dukkha. Der Zenni strebt eine nicht-dualistische Sichtweise der Wirklichkeit an. Dualismus ist Dukkha.
Auch diesen scheinbaren Widerspruch, der hier konstuiert wurde (nicht in Deinem Post, Hendrik), halte ich für, äh, konstruiert. Ich kann mir eine Theravadapraxis ohne Überwindung von Dualität überhaupt nicht vorstellen. Auch das passiert IMHO mit der Zeit von alleine. Auch Dukkha, Anhaftung, Gier, Hass und Verblendung sind Konzepte. Und natürlich lässt man die mit der Zeit hinter sich, so wie alle anderen Konzepte auch. Nicht, weil man meint, das tun zu müssen, um zu erwachen, sondern weil man sie einfach nicht mehr braucht.
Wenn das Floß ausgedient hat, lässt man es selbstverständlich zurück. Und ich denke, man merkt das nicht einmal bewusst.
Liebe Grüße,
Aravind.