Beiträge von Hendrik im Thema „Kann man Lehrer und Lehre trennen?“

    Und ein Schüler sollte (unter Berücksichtigung der gegebenen kulturellen Unterschiede) einen Lehrer intensiv prüfen, ob dieses Mindestmaß vorhanden ist und nicht danach entscheiden, wie bekannt oder berühmt oder exotisch ein Lehrer ist. In keinem Fall jedoch sollten Schüler oder Schülerin vor lauter devoter Verzückung das Hirn und den eigenen Willen ausschalten. Das ist aber wohl – folgt man den Erfahrungen des einen oder anderen Lama – ein sehr westliches Phänomen.

    Das sehe ich wie Du. Aaaaber in der Praxis ist der Hinweis darauf, dass der Schüler den Lehrer doch bitte kritisch prüfen solle, oft nicht hilfreich.


    Es ist für einen westlichen Schüler nicht möglich, irgendeinen Lehrer zu untersuchen, wenn die Urteilsfähigkeit des Schülers als „mit einer moralischen Ethik überzogen“ (Dzongsar Khyent-se) verunglimpft wird. Der Schüler begibt sich in eine Kultur, die sich zur Aufgabe gemacht hat, den eigenen moralischen Kompass zu erschüttern. Wie soll ein Schüler urteilen, wenn seine Wahrnehmung von Richtig und Falsch angezweifelt wird? Es wird Glauben gefordert.

    Ich hatte das ja bereits an anderer Stelle schon mal geschrieben, dass der Autor, Künstler, Schöpfer von seinem Werk nicht getrennt werden kann.

    Gott behüte uns vor einer Zeit, in der nur gute, politisch korrekte, woke Künstler ohne einen Hang zu Perversion, Totalitarismus, Revolte, Gewalt, sexueller Ausschweifung und Wahnsinn rezipiert werden dürfen. Die Kunst wird aus all dem geschaffen, was Zutaten zum menschlichen Drama sind, ebenso wie das Erwachen.

    Aus meiner Sicht sind Kunst und Künstler aber von einem bud. Lehrer zu unterscheiden. Letzerer sollten doch ein Mindestmaß an ethischem Lebenswandel mitbringen. Das fordert nicht nur westliche Kultur sondern auch bud. Sila.

    Nein, ich verstehe deinen Hass auf den tibetischen Buddhismus nicht.

    Oh! :shock:


    Wie kommt es dazu, dass bei berechtigter Kritik gegenüber bud. Lehrern angenommen wird, es gäbe einen "Hass" gegen die gesamte Tradition? Das wird immer wieder unterstellt. Ich habe an anderer Stelle auch kritisch über Zen-Lehrer geschrieben. Deshalb "hasse" ich doch Zen oder Vajrayana nicht. Das kann ich mir nur als Verteidigungsmechanismus erklären: "Da hasst einer unsere Tradition, deshalb schreibt der das." Mit dieser Einstellung muss man sich inhaltlich mit der Kritik dann nicht mehr auseinadersetzen.


    Ich kann Dir versichern, dass diese Annahme nicht stimmt! Möchtest Du Dich inhaltlich mit der Kritik auseinandersetzen?

    Für mich ist es ein Fall von "Lost in Translation" und nichts, was man einseitig zum Anlass nehmen sollte, den tibetischen Buddhismus als Kult zu sehen - als böse autoritäre Lamas die unsere Jugend verderben.

    Das sehe ich ebenso.


    Gerade Pema Chodrön hat ja gezeigt, dass es immer auch einen anderen Weg gegeben hätte, wo man vollständig innerhalb der Karma Kagyü Tradition die Kurve hatte schaffen können.

    PC hat Shambhala erst verlassen, als die Umstände, die Rückkehr Sakyong Miphams, ihr keine andere Wahl mehr liessen. Ihr Ansehen und damit ihre „Karriere“ als bud. Lehrerin wären zu ende gewesen. Sie hat aus meiner Sicht strategisch, nicht aber mitfühlend, gehandelt. Genauso wie die Jahrzehnte zuvor.

    Ich bezweifle, dass auch nur ein einziger Mensch durch seine Methoden irgendwas gewonnen hat.

    Ich bezweifle, dass er so ein hohes Ansehen hätte, wenn seine Methoden ohne Gewinn wären.

    Und falls "durch seine Methoden irgendwas gewonnen" eine transitive Relation ist, möchte ich mich hier bei Pema Chödrön für den Gewinn bedanken, den ich aus ihren Büchern ziehe. _()_

    Schau, Gurkenhut, ich will es bewusst zuspitzen: Lehrer XY hat zwar Kinder vergewaltigt, aber seine und die Bücher der Leute, die jahrzehntelang dem Missbrauch zugesehen haben, geben mir so viel, um mein persönliches Leid zu lindern.


    Verstehst Du, was ich meine?

    Igor, Du wirfst da einiges durcheinander. Es geht erstens nicht um Künstler, sondern um Lehrer, die mit dem Anspruch antreten, Leid zu überwinden. Und dann schaffen sie noch mehr Leid. Ein Künstler hat diesen Anspruch nicht. An einen bud. Lehrer sind andere Massstäbe anzusetzen.


    Zweitens ist das Bethooven-Beispiel völlig daneben.


    Drittens sagt niemand, dass das Dharma nichts tauge, weil es einige Scharlatane gibt. Das ist häufig ein Missverständnis, dass Buddhisten meinen, wenn man Missbrauch öffentlich macht und anprangert, greife man das Dharma an.


    Viertens sollte man sich generell vor einem Whataboutism hüten: Andere waren noch schlimmer.


    Erkenne einfach an, das Trungpa ein Scharlatan war. Ein Täter. Jemand der das Buddhadharma sicher nicht verstanden hat.

    Ich will nochmal erklären, was ich mit dem Threadthema meinte. Nehmen wir das traurige Beispiel Chögyam Trungpa. Über seine Alkoholexzesse wissen ja alle Bescheid, Koks soll ebenso im Spiel gewesen sein. Darüber hinaus wird ihm sexuelles Fehlverhalten, sexueller, körperlicher und emotionaler Missbrauch, sowie sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgeworfen. Hier ein erschütternder Bericht:

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.


    Das hatte dann auch üble karmische Folgen für die von ihm gegündete Gruppe Shambhala. Hier die verheerende Bilanz:

    • Ösel Tendzin – erster Nachfolger von Trungpa bei Shambhala: sexuelles Fehlverhalten, steckt etliche seiner Schüler mit HIV an.
    • Sakyong Mipham (Ösel Mukpo) – Sohn von Trungpa und späterer Leiter Shambhalas : Alkoholmissbrauch, sexuelles Fehlverhalten, sexueller Missbrauch.
    • 2019 tritt Sakyong Mipham wegen der erwiesenen Missbrauchsfälle zurück, um kurz darauf, 2020, seine Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen.
    • Pema Chödrön tritt 2020 als Lehrerin von Shambhala zurück, aus Protest gegen Sakyong Mipham Rückkehr – nachdem sie allerdings jahrzehntelang das Missbrauchssystem gestützt hatte.


    Trungpa hat nicht nur sich selbst Leid zugefügt, sondern dutzenden, ja hunderten von Menschen. Ich bezweifle, dass auch nur ein einziger Mensch durch seine Methoden irgendwas gewonnen hat. Dennoch halten viele Trungpa auch außerhalb von Shambhala, ja außerhalb des tib. Buddhismus, für einen großen Lehrer.


    So etwas wäre ausserhalb des Buddhismus nicht möglich. Kein Therapeut, keine therapeutische Einrichtung, würde nach all dem diesen Ruf genießen. Die Täter wären im Gefängnis, hätten ein lebenslanges Berufsverbot und die Einrichtung wäre für immer geschlossen.

    Ich habe Igors Beitrag hierher verschoben, weil ich das angesprochene Thema für diskussionswürdig halte:


    Kann man Lehre und Lehrer trennen?


    Ich persönlich meine: Nein.


    In einer anderen Weisheitstradition heißt es nicht umsonst: „An den Taten sollt ihr sie erkennen.“


    Ich nenne gern das Beispiel des Fahrlehrers, der selbst nicht Auto fahren kann. Der Typ, sehr bekannt, ja fast berühmt, hat vieke Schüler, kennt die gesamte Straßenverkehrsordnung auswendig, kann Dir genau erklären, wie man ein Auto fährt und kennt sich dazu noch ausgezeichnet mit Motoren aus. Er ist allerdings nicht in der Lage, selbst ein Auto auch nur annähernd sicher durch den Stadtverkehr zu bewegen. Würde ich mich einem solchen Fahrlehrer anvertrauen? Keinesfalls. Da nehme ich lieber den wenig bekannten Konkurrenten, der nicht alles weiss, aber ein exzellenter Praktiker ist.