Beiträge von Mabli im Thema „Die Irrlehre vom lieben was gerade ist“

    Die Akzeptanz erst gibt einen Ansatz zur Überwindung, weil sie eine neutrale, nicht von Hass und Gier, von Ablehnung und Liebe verzerrte Sicht in die Natur des Leidens ermöglicht.

    Da würde ich absolut zustimmen. Paradoxerweise schafft die Akzeptanz die Möglichkeit zur Transformation. Jetzt kann man natürlich streiten, inwieweit Akzeptanz und Liebe zusammen fallen. Oder was da noch an Weltbejahung mitschwingt in der Formulierung.

    Ich würde nicht sagen "richtig" - aber genau um diese Haltung geht es mE hier und darum, ob sie im Sinne des buddhistischen Weges angemessen (heilsam) ist. Um so mehr, wenn man das 'akzeptieren' flugs in ein 'lieben' umdeutet (was ja wohl nicht dasselbe ist).

    Man kann vermuten, dass Vertreter der Position, keine weltablehnende Haltung im Sinne des Buddhismus propagieren, sondern möglicherweise wo etwas wie eine "Erlösung" in der Welt.

    Das Verständnisproblem liegt wohl darin, in 'Auflehnung' den Ansatz zur Überwindung zu suchen.

    Die Auflehnung (Verleugung) wäre in meinen Augen jedenfalls kein Ansatz zur Überwindung von Leid. Wenn man hier den Trauerprozess als Modell nimmt, ist die Verleugnung die erste Phase nach dem Verlust.

    Was ist denn gerade? Nach SN 22.90 gilt "dass alles, was entsteht, nur entstehendes Leiden ist und alles, was aufhört, nur aufhörendes Leiden ist" und SN 12.17 konkretisiert: "Leiden ist wirklich".

    Wobei hier schon ein Widerspruch darin besteht, dass in den zitierten Stellen von Entstehen und Aufhören die Rede ist, was einen Prozess in der Zeit impliziert, und der Satz von dem jetzigen Moment spricht.


    Das Problem, das ich auch sehe, ist, dass die Formulierung "was gerade ist" eine leere Funktion darstellt. Man kann theoretisch vieles einsetzen. Vielleicht sind die drei Daseinsmerkmale und deren Erkenntnis gemeint. Vielleicht ein zeitloses Jetzt. Ich würde den Satz auf jeden Fall nicht ontologisch verstehen in dem Sinne, dass es um unabhängig vom Bewusstsein Seiendes geht, sondern um etwas das in Bezug auf das Bewusstsein gerade ist.

    Die eingangs kritisierte Aussagen, "das zu lieben, was gerade ist" führt zu der irrigen Aussagen wir sollten das Leiden lieben und das Wesen lieben.

    Die Verwendung des Begriffs "Lieben" spricht meiner Meinung nach tatsächlich für eine weltbejahende Haltung. Ob man das nun als Irrlehre brandmarken muss weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es aus einer orthodoxen Position so zu bezeichnen.

    Im Kontext der Geistesschulung heißt es in MN20: "Falls dann immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen—während er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet—dann sollte er mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge das Herz mit dem Gemüt niederwerfen, es zu Boden zwingen und überwältigen" und in AN 4.114 heißt es weiter: "Und wie vernichtet eine Nonne? Es ist, wenn eine Nonne einen sinnlichen, boshaften oder grausamen Gedanken, der aufgekommen ist, nicht duldet. Sie duldet keine schlechten, untauglichen Eigenschaften, die aufgekommen sind. Sie gibt sie auf, macht sich von ihnen los, beseitigt sie und merzt sie aus".

    Daraus spricht natürlich eine gewisse Kompromisslosigkeit und Härte sich selbst gegenüber in der rechten Anstrengung bei der Überwindung unheilsamer Gedanken. Wo ich mich schon frage - ist das ein Weg, der heute noch und für Alle so funktionieren kann. Und ich würde fragen, gibt es auch einen sanfteren und weniger brachialen Weg? Oder ist das der einzige Weg, um zum Ziel zu gelangen?

    Ich habe nochmal über den Satz "das Leiden lieben" und was er bedeuten könnte nachgedacht. Dabei bin ich auf folgende Lesarten gekommen:


    1) etwas lieben, das Leiden verursacht, ohne zu wissen, dass es Leiden verursacht

    2) etwas lieben, weil es Leiden verursacht (sich im Leiden/Selbstmitleid suhlen)

    3) an etwas festhalten, obwohl es Leiden verursacht, weil man einen Gewinn daraus zieht

    4) sich nicht gegen das Leiden auflehnen (es nicht verleugnen), sondern es als Teil des Lebens akzeptieren


    Ich habe in der Diskussion stillschweigend die Lesart 4 als richtige unterstellt. Welche habt ihr gemeint?

    Die "Grenzen" sind personal. Die appamaññā sind ein Training, richtig mit diesen personalen Grenzen umzugehen - speziell, wo sie sich mit anderen personalen Grenzen berühren.

    Ja, das klingt sinnvoll für mich.

    Man muss die Dinge bewusst annehmen, so wie sie sind, in ihrer Begrenztheit, um das Herz darin zu üben, jene Begrenztheit zu transzendieren.

    Was ich bemerkenswert finde ist der in dieser Formulierung hervorstechende paradoxe oder dialektische Umgang mit der Begrenztheit. Man muss sie annehmen, wie sie ist, um sich darin zu üben sie zu transzendieren. Und genau das steckt auch in dem Zitat von der guten Frau Zölls - meine ich zumindest.

    Man kann natürlich auch soziale Tatsachen als etwas Seiendes begreifen.

    Was sie ja auch zweifellos sind. Aber sie sind nicht das Seiende, sondern nur ein Aspekt (unter anderen) des Seienden.

    Es ist in meinen Augen wichtig, dass es sich bei den Dingen ("das, was gerade ist") nicht bloß um physische Gegenstände handelt, sondern, wie in dem von Thorsten Hallscheidt zitierten Text angeführt, auch um eigene Grenzen, die Grenzen anderer oder den Gang des Lebens handeln kann. Das beinhaltet in aller Regel einen sozialen Aspekt.

    Der buddhistische Weg - auch der des Zen - ist jedoch dreifach. Hier in diesem Thread geht es um prajñā / paññā, 'Weisheit'.


    Ok, dann nehme ich das mit der Praxis zurück. Es geht also darum, ob ihre Aussage als buddhistische Weisheit verstanden werden kann, richtig

    Gedō Zen (j外道) halt. Dagegen ist nichts einzuwenden - außer, dass das mit Buddhismus nichts zu tun hat. Ein Missverständnis, das dieser Film fördert.

    Das ist glaube ich eine der Aussagen um die hier und in den anderen threads zu dem Themenfeld gestritten wird. Darf man im Fall einer solchen liberalen oder heterodoxen Auslegung - wenn das denn so ist wie du sagst - noch von Buddhismus oder von einem christlichen Buddhismus sprechen oder verbietet sich das von selbst. Ich habe da selbst noch keine klare Meinung zu.

    Ansonsten - etwas annehmen, wie es kommt ist nicht 'lieben', genau wie etwas loszulassen, wie es geht, nicht 'lieben' ist. In keinem Sinn. Das nennt sich im Buddhismus khanti pāramī / kṣānti pramita und lässt sich mE am besten mit 'tolerierender Akzeptanz' übersetzen. Es impliziert Abwesenheit von Hass und Liebe, auch in subtilster Form.

    Der Begriff der Liebe in der Aussage erscheint wirklich seltsam. Er steht anscheinend im Gegensatz zu Vorlieben und Ablehnung und wird mit einer Unvergänglichkeit in Verbindung gebracht. Und es geht darum alles gleichermaßen anzunehmen. Es erscheint fast wie eine Beschreibung von Gleichmut in meinen Augen. "was ist" bezieht sich anscheinend dann auf eine komplexere Situation oder Tatsache und nicht bloß auf Dinge. Und "lieben" weniger auf eine anhaftende Relation zu den Dingen als in der Diskussion an mancher Stelle unterstellt wurde.

    Offensichtlich ging es mir um die Frage, wie der Theravada zu der Aussage steht.

    Ich bezog mich da ja auf die Aussage von Sudhana. Ich verstehe dein Anliegen in dem thread schon glaube ich. ;) Wobei ich versucht habe darzulegen, dass in Bezug auf die zugrunde gelegte Aussage nicht sauber argumentiert wurde beziehungsweise die Aussage nicht gerade nach dem Principle of Charity ausgelegt wurde, sondern eher nach einer Hermeneutik des Verdachts.

    Natürlich, so ist es von der Theologin Zölls gedacht. Hat bloß mit Buddhadharma nichts zu tun.

    Offensichtlich geht es um die Frage, ob Frau Zölls für sich in Anspruch nehmen kann Zen im Besonderen beziehungsweise Buddhismus im Allgemeinen zu praktizieren oder nicht. Dazu kann ich wenig sagen, da ich weder Frau Zölls näher kenne noch die Kriterien für diese Entscheidung zur Hand hätte.

    Was mir aber auffällt ist eine in meinen Augen leicht tendenziöse Auslegung ihrer wenigen Worte aus dem Interview. Die Aussage "das lieben, was gerade ist", umzudeuten zu "die Dinge lieben" und schließlich zu "das Leiden lieben", ist zumindest keine besonders wohlwollende Interpretation. Was hat sie denn eigentlich gesagt?

    Der Sinn des Lebens sei nicht, Kinder zu kriegen, Geld zu verdienen oder große Werke zu tun, ist sie überzeugt. „Das ist alles vergänglich. Der Sinn des Lebens ist es, dass Du fähig wirst, das[sic] du das, was gerade ist, lieben kannst.“ Sie wolle weder eine Abneigung noch eine Vorliebe haben, sondern stattdessen alles, was ist, anzunehmen[sic]. Ihr helfe dabei Handarbeit. Sie mag nicht unterscheiden zwischen sich und den anderen, sondern: „Das andere bin ich.“

    Mit dem Sinn des Lebens nimmt sie natürlich ein großes Thema in Angriff. Erstmal sagt sie, was nicht der Sinn des Lebens sei: Nachkommen zu zeugen und groß zu ziehen (sexuelle Reproduktion), beruflicher Erfolg (materielle Reproduktion) oder etwas Bleibendes zu schaffen. Warum fällt das für sie raus? Weil diese Dinge vergänglich sind. Also muss der Sinn, den sie im Folgenden formuliert etwas unvergängliches sein. Was auch immer das sein mag. Sie spricht dann von einem Prozess der Befähigung dazu, das was gerade ist lieben zu können. Wobei lieben für sie anscheinend im Widerspruch zu einer Wertung im Sinne einer Ablehnung oder Bejahung steht. Stattdessen möchte sie alles, was ist, annehmen. Wie ihr jetzt Handarbeit dabei hilft, wäre tatsächlich noch interessant zu erfahren.

    Nachdem Gier, Hass und Verblendung die Wurzeln aller Leiden sind, macht es nicht viel Sinn (für mich) sie zu bejahen in dem Sinn dass man sie liebt. Ein Verneinen im Sinne von hassen ist auch nicht der richtige Weg, im Theravada u vermutlich im gesamten Buddhismus geht es um Loslösung durch die Entwicklung von Sammlung und Weisheit.

    Meine Lesart ist, dass es bei der Liebe zu dem gegenwärtig Seienden um eine annehmende und akzeptierende Haltung und eine transformative Kraft geht. Um sich von Hass und Gier lösen zu können, muss man sich erstmal eingestehen können, dass man diese Gefühle in sich trägt. Sonst können sie bei einer oberflächlichen Loslösung im Untergrund weiter gären und rumoren. In Verblendung steckt das ja auch schon drin, dass man sich über den eigenen Zustand täuschen kann. Durch eine annehmende Haltung können diese Gefühle eingestanden werden und eine Loslösung wird möglich. Dazu bedarf es einer Transformation, wozu wiederum die Liebe beitragen kann.