Beiträge von void im Thema „Nirvana und Nicht-Selbst, geht das zusammen?“

    Was für einer buddhistischen Praxis folgst du denn?


    Ich mache tantrische Praktiken, habe aber zuvor mich nur auf den Palikanon bezogen und dort halt die Übungen gemacht. Da der Buddha ja auch "Hinduismus" gemacht hat finde ich es nicht abträglich oder ungewöhnlich, sich auch damit zu beschäftigen. Für mich sind das wie gesagt letztlich keine Widersprüche, aber da muss ja keiner zustimmen. Wenn wir aber von 3 Raddrehungen sprechen, dann ist solche ein Gedankengut auch innerhalb des Buddhismus präsent, aber so weit wollte ich erstmal nicht gehen, da hier ja wahrscheinlich auch eher wenige Tantriker sind bzw. es ist mir noch nicht aufgefallen (von 2,3 Ausnahmen mal abgesehen)

    Ich denke, dass sich tantrischen Hinduismus und tantrischen Buddhismus sehr nahe kommen können. Gerade in Nepal gibt es ja da richtige Mischformen , wo Buddhaspekte und Hindugötter parallel gesetzt werden.


    Auf der Wikipediaseite zu Trikaya, wird die Vajrayana Sicht auf die "Trikaya"Lehre beschrieben:

    Dharmakāya bezeichnet die ursprüngliche erleuchtete Natur des Geistes selbst. Der Dharmakaya steht repräsentativ für die allumfassende Einheit und Leerheit des Geistes. Seine Natur ist ungeboren und todlos, offen und weit, ohne Zentrum und ohne Begrenzung. Die klassisch ikonographische Darstellung zeigt den Dharmakaya (auch: Körper der Leerheit) als nackten Buddha ohne Schmuck in Vereinigung mit seiner Partnerin (tib.: Yab-Yum) vor tiefblauem Hintergrund (sanskr.: Samantabhadra/Samantabhadri, tib.: Küntu Zangpo/Zangmo). Aus der reinen, offenen und zugleich potentiellen Seinsdimension des Dharmakaya erheben sich spontan (tib.: lhündrup) leuchtende, in allen Regenbogenfarben schillernde Formen und bilden den Sambhogakaya, das ursprüngliche Mandala der fünf Dhyani-Buddhas. In diesem sind die fünf Geistesgifte der fühlenden Wesen (Unwissenheit, Hass, Gier, Neid und Stolz) in die ihnen zugrundeliegenden fünf Weisheitsaspekte transformiert und werden als die fünf ursprünglichen Buddhas dargestellt. Es finden sich verschiedentlich auch die Begriffe Wahrheitskörper, Raumkörper oder transzendenter Buddhakörper zur Beschreibung des Dharma-kāya. Buddhas, die den Dharma-kāya repräsentieren, werden daher als Adibuddhas bezeichnet.

    Ich denke, hier werden dem Dharmakaya durchaus ähnliche Attribute zugestanden wie Brahman im Hinduismus.


    Aber auch wenn Dharmakaya die ursprüngliche Natur des Geistes repräsentiert, ist damit keine "Weltseele" gemeint.

    Begriff wie "Atman" und "Brahman" sind hinduistisches Gedankengut.


    Von daher verstehe ich nicht ganz, wie du wenn du an solche Gedanken hängst einer buddhistischen Praxis folgen kannst, wo es ja beständigt darum geht nichts als ein Selbst zu betrachten. Wenn ein.ein Atman und Brahman Konzept in seiner Praxis sinnvoll findet, dann kann man doch einem hinduistischen Weg folgen.


    Da hat man doch dann alles was das Herz begehrt. Ein Tranzendentes, Ewiges, Göttliches, Unstetrbliches, einen Urgrund, ein unendliches Bewusstsein usw.


    Was für einer buddhistischen Praxis folgst du denn?

    Ich fände es gut, klar zu machen, was jeweils gemeint ist und dann zu schauen, welche Begriffe angemessen sind.


    Was man wohl sagen kann ist, , dass die Welt eben nicht nur objektiv ist sondern auch subjektive Aspekte hat. Es ist auch eine "fühlende Welt".


    Dies führt zu begrifflicher Verwirrung weil wir eben gewohnt sind Subjektivität mit einem Selbst zu assoziieren. Ein Selbst beruht zwar auf Subjektivität, erfordert aber zusätzlich den Prozess des "Anhaftens an einem Selbst" in dem Grenzziehungen vollzogen werden,


    Dieses Errichten von Grenzen hat sehr viel mit Ausweitung ( Hier ) und Abstoßung (Hass) zu tun, weswegen das Verlöschen von Gier und Hass die Aufhebung der Grenzziehung - das Ende eines Selbst ist. Ohne dass damit Subjektivität oder geistige Prozesse wegfallen wurden..


    Der Begriff Brahman ist ein höchst unscharfer Begriff der sehr verschiedene Sachen unter einen Hut zwingt.


    Brahman ist ein unpersönliches Konzept vom Göttlichen, das keinen Schöpfer und keinen Lenker beinhaltet, ein Urgrund des Seins, ohne Anfang und ohne Ende. Und doch bildet es den gedacht chronologischen Anfang allen Seins. Denn dies, so die Philosophen der Upanishaden, ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass alles Materielle und Geistige überhaupt erst entstehen kann. Obwohl attributlos, wird Brahman doch als Sat-Chit-Ananda (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit) beschrieben. Wie sonst, so die frühen Überlegungen, hätte es selbst Bewusstsein erzeugen können. Demnach kann es auch nicht gänzlich als substanzlos bezeichnet werden. Denn geht man davon aus, dass es Materie hervorbringen kann, muss es selbst Substanz besitzen. Brahman ist omnipräsent, in Geist und Materie, als unsichtbare, unhörbare und undenkbare Kraft. Es ist auch das Unsterbliche, das über den Göttern steht. Es wird auch als Avyaktabrahman (Sanskrit n., अव्यक्तब्रह्मन् avyaktabrahman) genannt, das ist der „göttliche Urgrund“ (Brahman) in seiner, für den Menschen, nicht offenbaren Form.

    Es ist also ein metaphysischen Wolpertinger - mal ein Prinzip , mal eine Kraft, mal einfach nur ein Wort für die Realität, dann auch Bewusstsein oder der Ursprung der Götter, vielleicht auch Substanz. Und unsterblich sowieso. Und nachdem man Attribut an Attribut gereit hat, erklärt man es für attributlos.


    Von daher erscheint mir das Wort "Brahman" als eine Art Nebel.

    Nirvana hat keine Basis, das es eine Basis hat ist das Glauben Wollen, Verblendung.


    Wenn das so wäre, dann kann auch niemand Nirvana erreichen und Nirvana ist dann tatsächlich "ein Nichts". Ich weiß ja dass viele Buddhisten in Wirklichkeit Nihilisten sind und von einer kompletten Verlöschung träumen, aber dann könnte man auch ganz einfach die Einstellung eines Weltling vertreten ("Man lebt nur einmal, dann stirbt man und dann ist alles dunkel").

    Nirvana ist ein Begriff für das Verlöschen von Gier und Hass. Warum es ohne Gier dunkel werden soll, erschließt sich mir nicht. Es ist ja kein Verschwinden von Lichtschaltern.

    Für mich besteht ein sehr großer Unterschied zwischen dem was ich faktisch/empirisch bin und den Selbstkonstrukten - die ja immer Konzepte sind, die darauf basierend konstruiert werden.


    Der Begriff "Selbst" bezeichnet für mich hauptsächlich so eine Konzeption / Identifikation. Es ist der Anspruch eines "Ich und Mein". Und daran dass ja z.B Buddha nach seiner Befreiung noch ewig lebte, sieht man doch, dass solche Ansprüche einfach abgelegt werden können, ohne das deswegen der Mensch verschwindet, ohne das seine geistigen Zustände, sein Name verschwinden würde. Das empirische Ich, das Territorium auf dem die Selbst-Konzepte ihr Identifikationsbereiche abstecken bleibt vollständig erhalten.


    Und weil es eben mit dem "Selbsten" - mit dem Abstecken der Claims von Ich und Mein ein Ende hat, wäre es dann doch sehr verfehlt, dann dieses ganze Territorium als ein Selbst zu sehen.


    Nicht weil es falsch wäre - sondern weil es in dem Projekt dem "Selbsten" ein Ende zu machen, nicht dienlich ist. Jede Idee eines Selbstes trägt in sich die Spaltung zwischen Selbst und Anderem. Wenn man dieser Spaltung ein Ende setzt, dann macht es keinen Sinn das Wort noch zu verwenden. Vielleicht ist das der Grund dafür dass Buddha nicht einfach sagt "das Selbst existiert nicht".

    Und da ist es eben so, dass im hinduistischen Kontext die Wahl hin zu einem "wahren Selbst" geht, während im Buddhismus größtenteils anders gewählt wird - und das eben aus der Sicht heraus, dass jede Idetifikation, jedes "das bin ich" die Gefahr einer Anhaftung mit sich bringt und Anhaftung eben die Ursache von Leid ist.

    Genau, aber man trifft sich im Endeffekt wieder am Schluss, das ist ja der Witz.

    Wenn ein Berg nur einen Gipfel hat, dann kann es sich gut ergeben, dass sich alle Bergsteiger - egal welche Route sie genommen haben - am Gipfel treffen. Ist der Berg dagegen zerküftet und hat viele Nebengipfel kann man sich am Gipfel wähnen obwohl man es nicht ist. Unterschiedliche Bergsteiger gelangen auf unterschiedliche Vor- oder Nebengipfel.


    Im Thervada gibt es die 8 jhanas - unterschiedlich tiefgreifende Versendungsstufen der Meditation:


    Wie du siehst, ist die Wahrhehmung der Welt als "unendliches Bewusstsein" zwar eine ganz hohe Form der Versenkung aber noch eben nicht nicht der Weisheit letzter Schluss.


    Shakyamuni hatte ja zunächst brahmanische Lehrer bei denen er studiert - Āḷāra Kālāma und Uddaka Rāmaputta - letzterer gelangte sogar bis zur 8 Versendungsstufe - aber auch hier hatte Shakyamuni die Einsicht, dass damit noch nicht der letzte Schleier gelüftet ist weswegen er seinen Lehrer verließ. Von daher muß es nicht so sein, dass alle Wege zum gleichen Ziel führen. Selbst ein Vertiefungszustand des ersten jhana ist ja wie gesagt ein Zustand tiefster Verzückung und tiefsten Friedens - etwas wo der ein oder andere gleich ein Türschild mit "erleuchtet" anfertigen läßt, ein Buch schreibt und Jünger um sich sammelt. Und von auch Nummer 6 - wo alles Ich weggefallen scheint und nur mehr unendliches Bewußtsein da ist, birgt ebenfalls das Risiko, dies als das Ziel zu betrachten.

    Ein "Selbst" ist ja zu allererst eine Festlegung die sich aus einem Akt der Identifikation ergibt


    Angenommen es gibt so etwas wie einen Bewusstseinsraum in dem sich Bewusstseinsinhalte ereignen, dann ist es ja immer noch eine Entscheidung ob man diesen "subjektiven Hintergrund" als ein "Selbst" sieht - als ein wahre Subjektivität die hinter meiner Subjektivität steht . Aber genauso kann man - selbst wenn es so einen Bewusstseinsraum gibt - dieses nicht als ein Proto- Selbst sehen sondern eben lediglich als ein geistiger Raum in dem sich Bewusstseinsinhalte ereignen. Und es mit dieser Feststellung sein lassen.


    Die Wahl ob man das eine tut oder das andere ist eine pragmatische Wahl. Es ist keine Frage von "ist es so oder so" sondern "welche Sicht ist im Bezug auf die Erlangung der Befreiung hilfreicher".


    Und da ist es eben so, dass im hinduistischen Kontext die Wahl hin zu einem "wahren Selbst" geht, während im Buddhismus größtenteils anders gewählt wird - und das eben aus der Sicht heraus, dass jede Idetifikation, jedes "das bin ich" die Gefahr einer Anhaftung mit sich bringt und Anhaftung eben die Ursache von Leid ist. In einigen Teilen des Buddhismus ging man aber eben so weit Leerheit mit reinem Bewusstsein assoziieren. Ich glaube im tibetischen Buddhismus geht Rigpa in so eine Richtung:


    Rigpa (tib.: Rig pa; skt.: Vidya) eigentlich „Intelligenz“, ist ein Begriff, der im Dzogchen, einer Tradition des tibetischen Buddhismus, verwendet wird und mit „innerste Natur des Geistes“ übersetzt werden kann.[1][2] Im Gegensatz zum gewöhnlichen Geist, Sems (diskursives Denken, Unterscheiden, Urteilen, Verstand, Geist), dessen Tätigkeit nach dem buddhistischen Verständnis aus dem Projizieren auf falsch wahrgenommene Bezugspunkte besteht, ist Rigpa das ursprüngliche, reine Gewahrsein, die Intelligenz, die jenseits aller Begrenzungen stattfindet und durch die man zum Zustand der Allwissenheit und Erleuchtung kommen kann.

    Aber es ist wichtig, dass es auch hier eben um "reines Gewahrsein" geht - also etwas was man nur im weitesten Sinne als ein "Selbst" sehen könnte und nicht um irgendetwas wie eine Seele oder ein Denkapparat. Während man im Hinduismus noch einen Schritt weiter geht - zu "Weltseele" und "Gottheit".


    Der Hauptpunkt ist der dass der Buddhismus im Großen und Ganzen der anatta Lehre folgend jegliche Identifikation mit einem Selbst - aus pragmatischen Gründen, weil das Anhaften an einem Selbst als Ursache des Leidens gesehen wird - ablehnt.


    Jede Sicht eines "wahren Selbst" zu dem es zu gelangen - dass es aufzudecken gilt - führt im Schlepptau automatisch zu einer anderen Art der Praxis.