Bis hierher:
Nagarjuna beweist ganz nebenbei, dass Nibbana nicht beständig ist, sondern auch dem ersten Satz unterworfen ist. Nagarjuna bestätigt Buddha, den er wohl doch angezweifelt hatte, warum sollte er sich sonst so eine Arbeit gemacht haben?
... meine Zustimmung.
Nun ja - dann kann ich nicht mehr so ganz folgen. 'Beständig' (nitya) oder 'nicht-beständig' (anitya, Pali anicca) sind Urteile, die allenfalls auf saṃsāra anwendbar sind. Anitya, also unbeständig, sind 'zusammengesetzte Seinsmomente' (saṃskṛtadharma), weil sie durch das 'Zusammensetzen' in der Anschaung (die Funktion des samskāra skandha) bedingt sind. Nirvāṇa hingegen ist definiert als asaṃskṛta - nicht 'zusammengesetzt' und daher auch nicht anitya. Entsprechendes gilt für die anderen beiden Seinsmerkmale, anātman und duhkhatā. Auf nirvāṇa als Nicht-Zusammengesetztes, Nicht-Ergiffenes, sind schlicht keine Kriterien für ein Urteil wie 'beständig' oder 'nicht-beständig' anwendbar.*
Wobei sich Nagārjuna ja einige Mühe gibt, darauf aufmerksam zu machen, dass solche Urteile (er geht ja etliche beispielhaft durch und dekonstruiert sie) ins Leere fallen - weil sie implizit eine Substanz als zu Beurteilendes voraussetzen und nicht einen Funktionsprozess, dessen momentane Form ein sich ständig aktualisierender Konditionalnexus (pratītyasamutpāda) ist.
Er entlarvt sie als rein apriorische Urteile, als 'Ergriffenes'. Wenn man sich solcher Urteile enthält**, zeigt sich, dass die 'Seinsgrenze' (bhūtakoṭi) von nirvāṇa und saṃsāra in eins fällt. Was nicht heisst, dass nirvāṇa und saṃsāra dasselbe sind (wie gerne etwas verkürzt behauptet wird), sondern dass es sich um unterschiedliche Modi von Sein handelt - identisch sind sie nur an der Seinsgrenze, an der sie sich treffen.
* Wobei ich der Vollständigkeit halber anmerke, dass das Mahāyāna Mahāparinirvāṇa Sūtra da eine andere, dualistische (und heterodoxe) Position vertritt und nirvāṇa explizit die 'spiegelbildlichen' Qualitäten ātman, nitya und sukha zuspricht. Im Kontext Madhyamaka ist das allerdings ohne Belang.
** Was fast schon als Definition von Zazen gelten könnte - und damit auch darauf verweist, für wen Nagārjuna seine MMK verfasst hat. Nicht für spekulative 'Nur - Philosophen', sondern als Hinweis für Dharma-Praktizierende. Erst in und durch solche Praxis lassen sich die MMK in ihrer Tiefe ausloten.