Beiträge von Leonie im Thema „Soto Zen ohne Lehrer reine Zeitverschwendung?“

    Wenn du mal mit Jemandem ein Rohatsu gesessen hast, dann 'kennst' du ihn, auch wenn ihr kaum ein paar Worte gewechselt habt. Um das "gemeinsam" nochmals aufzugreifen ...

    Ein gemeinsames langes Sesshin schafft eben Gemeinsamkeit jenseits von Worten. Wenn man dann aber wieder zu Worte kommt, kann die Gemeinsamkeit ganz schnell wieder futsch sein.

    Deshalb sind auch Vorstellungen von Gemeinschaft zunächst mal Projektion und werden erst da konkret, wo sie zu gemeinsamer Tätigkeit übergehen können. Daher ist "samu" als Zazen ebenso bedeutend, wie das andere Zazen - das Sitzen.

    Und mit dem "ins Herz sehen" - dazu lässt sich einfach auch sagen, dass viele ihr Herz auf der Zunge haben und sie allen erzählen, was sie denn auf und im Herzen haben. Und gerade das Schweigen erzeugt auch ein starkes Bedürfnis nach Reden.

    Zrebna


    Die Frage ist aber nun, ob man sich um eine ernsthafte Beziehung zu einem lebenden Dharma-Lehrer bemühen soll und ob das für die Zen-Praxis notwendig sei?


    Hilfreich sicherlich - ob notwendig, dass erscheint mir zumindest diskutabel. Gerade im digitalem Zeitalter. Evtl. muss man Heute auch den Begriff "Lehrer" anders definieren und ihn nicht an eine Person festmachen. Es gibt einfach so viele Ressourcen Heute und wann man sich etwas um Selektion und Filterung durch Recherche bemüht, dann scheint mir das schon Heute generell eine gute Situation zu sein.


    Zunächst mal ist das der Weg, den jeder selbst gehen muss - da ist niemand, der das an deiner Stelle tut oder tun kann. Auch die Erfahrung eines alten Meisters ist keine Autorität und befreit nicht davon selbst zu erfahren.

    Es ist also eher so, wie ein Berater oder Coach, der sieht, wenn man sich verheddert hat oder irgendwie fest steckt. Was man annehmen sollte, ist, dass man sich helfen lassen kann und es geht nicht um Belehrung, sondern um Begleitung oder Hilfe, wenn sie gewünscht ist.

    Allerdings kann man das auch nicht hervor zaubern, sondern sie ergeben sich, wenn man sich auf den Weg macht - man kommt dann mit Sicherheit an eine Stelle, wo es hakt. Und es hakt vor allem deshalb, weil man seine Haltung/ Einstellung nicht selbst erkennt und nicht selbst korrigieren kann. Das kann man vielleicht, wenn man diese ständige Korrektur eingeübt hat, aber dazu braucht es eben anfangs jemanden, der auf einen von außen guckt und einem zeigt, WIE es geht. Und zwar face-to-face - Auge in Auge. Das sieht einer nämlich, wie es um einen steht. Schon wenn man ins dokusan rein kommt. Das hat man dann eben nicht, wenn man sich im Netz nur bewegt. Zen ist körperlich. Es wird verkörpert. Im Sitzen, gehen und so weiter.


    Buddha hat das am klarsten im Kalamer-Sutta ausgeführt:

    Zitat

    Geht Kálámer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters!

    Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: ›Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‹, dann o Kálámer, möget ihr sie aufgeben….

    Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: ‚Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl‘, dann, o Kālāmer, möget ihr sie euch zu eigen machen.

    Es geht also um das selbst erkennen, was heilsam ist UND um den Abgleich mit Verständigen und dann noch mit dem Abgleich zur Praxis - .

    Und deshalb gehört eben auch ganz wesentlich für das Verständnis auf dem Weg die Praxis selbst - das meinte Kosho Uchiyama, wenn er vom Zazen als wahren Lehrer sprach.

    Aber geht das Gegenteil? Dass ich eine spritueller Erfahrung habe und niemanden verfügbar hat, der weiter als ich? So dass ich selber rätseln muß, ob das jetzt eine Vertiefung oder eine Illusion ist? Ob ich etwas an meiner inneren oder äußeren Haltung ist.

    Das ist genau die Falle, in die man mit einem "Lehrer" tappen kann, sofern er auf Bestätigung aus ist.

    Aber in so einem Fall - mit der "spirituellen Erfahrung" gibt es ein sehr einfaches Rezept: Sieh dich einfach bei dir zu Hause um und "wasch deine Essschalen" - wie das Joshu als Antwort gegeben hat.

    Ich persönlich habe niemals jemanden gebraucht oder benutzt, um eine Bestätigung für mich und meine Erfahrungen zu haben - es sind außerdem makyo - Erfahrungen von "Erleuchtung" sind makyo - Spinnereien.

    Interessant hierbei ist, dass die unbedingte Notwendigkeit eines Lehrers nicht bei allen Richtungen als "Muss" gilt - so wird dieser Punkt nicht als ein "Muss" bei der Vipassana-Bewegung oder in dem Theravada Buddhismus angesehen.

    Das ist - streng genommen - eine irrtümliche Sichtweise. Ein Lehrer ist ja nichts anderes als eine Person, die eine Lehre vertritt und diese anderen mitteilt. Deshalb ist der Hinweis auf Buddha, Dharma und Sangha auch wesentlich für den Buddhismus, jedweder Richtung.

    Woher weiß denn einer, dass das, was er da macht, Zen ist und wo der Unterschied zwischen Soto und Rinzai ist? Hat er das aus Google oder sonst woher? Alle buddh. Texte die wir so kennen, sind von Leuten verfasst, die den Dharma verbreiten - entweder sind sie dazu aufgerufen oder machen das aus eigenen Interessen.

    Wenn sich dann einer in der Zen-Haltung hinsetzt, dann hat er evtl. das Fukanzazengi gelesen und wendet es wie eine Gebrauchsanleitung an.

    Wir haben heutzutage also eine ungeheure Menge an Material zur Lehre (Dharma) und eher das Problem der Auswahl und der mangelnden Expertise. Da ist dann wiederum so ein Asso-Blog hilfreich, in dem eine Vorsortierung der guten und schlechten "Linsen" gemacht werden und man erfährt, dass die toten Patriarchen und Meister allemal besser sind, als die lebenden, von denen wir noch nicht wissen, ob sie die nächsten Jahrhunderte überdauern.


    Die Frage ist aber nun, ob man sich um eine ernsthafte Beziehung zu einem lebenden Dharma-Lehrer bemühen soll und ob das für die Zen-Praxis notwendig sei?

    Eine Zen-Praxis hat unterschiedliche Tiefen und wenn ich es ernsthaft angehen will und ich "auf den Punkt" kommen will, dann komme ich nicht drum herum einen Lehrer zu suchen. Es gibt aber auch übers Internet jede Menge gute Möglichkeiten Kontakte zu guten Lehrern zu finden, falls man nicht unmittelbar in der Nähe lebt. Da kann man dann die Zeit zwischen den Begegnungen in Sesshins überbrücken, falls man Fragen hat.

    Mit einem Lehrer gibt es dann auch Verpflichtungen und die Annahme der Bodhisattva-Gelübde gehören da im Soto dazu.


    Wenn man im Rinzai einen Lehrer sucht, dann kann damit ein jahrelanges Koan-Studium verbunden sein und das heißt, dass es einem mit der Zen-Praxis wirklich Ernst sein muss.

    Kosho Uchiyama hat in seinen sieben Punkten der Praxis folgendes als Vermächtnis hinterlassen (es war sein letzter öffentlicher Vortrag )

    Zitat

    1. Lass dich beim Studium und der Praxis des Buddhadharma nur vom Buddhadharma selbst leiten, nicht von deinen persönlichen Gefühlen oder weltlichen Ideen.

    2. Der Gegenstand deines Respekts muss Zazen selbst sein, denn Zazen ist dein wahrer Lehrer.

    3. Zazen bedeutet die Lehre "Gewinn ist Illusion, Verlust ist Erwachen" konkret umzusetzen. Zazen muss sich in den beiden Praktiken des Gelübdes und der Reue manifestieren und durch die drei Herzen im Alltag lebendig sein: das freudige Herz, alte Herz und große Herz.

    4. Mach die Gelübde zu deinem Leben und lass ihre Wurzeln in die Tiefe wachsen.

    5. Sei dir darüber im Klaren, dass es nur an dir selbst liegt, ob du mit deiner Praxis voran kommst oder Rückschritte machst. Tue deshalb dein Bestes, um voranzukommen.

    6. Sitz erst einmal schweigend für zehn Jahre und dann weitere zehn Jahre. Im Anschluss sitz noch einmal zehn Jahre.

    7. Arbeite mit anderen zusammen um einen Ort für die Praxis zu schaffen, an dem ernsthafte Übende ohne unnötige Sorgen sich der Praxis widmen können.