Beiträge von Metta im Thema „Soto Zen ohne Lehrer reine Zeitverschwendung?“

    Es ist wirklich absurd, die zuvor genannten Ratschläge von Uchiyama (Studium des Buddhadharma, Zazen etc.) nicht als religiös zu betrachten, zumal er auch noch Bettelgänge betrieb.


    Natürlich war er Mönch - aber mir ist er damit eben nicht auf den Pelz gerückt. Genau das war doch deine Frage "konkret" an mich. Ich kann hier nur für mich antworten, wie andere (persönlich) "Dogen-Zen" betreiben, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Schon einfach deshalb, weil ich nie in einer dieser Deshimaru-Gruppen war, und mir auch niemals einfallen würde, da hinzugehen, möglicherweise aus ähnlichen Gründen wie du sie hier vorbringst.

    Das Wort "Übung" ist ein Lieblingswort im Dogen-Zen. Gemeint ist damit in der Regel Zazen. Womit wir wieder bei rituellem Tun wären. Und womit diese Aussage falsch ist, denn die durch Erwachen erreichte Freiheit entbindet von jedem Ritual.


    Also ich weiß nicht, was "Erwachen" ist, noch interessiert mich das brennend. Das ist vielleicht etwas, was ich durch Zazen aufgegeben habe. Für mich war Zazen auch niemals das bloße "Sitzen". Muho hat mal überschlagen, dass wir in Antaiji durchschnittlich 5h/Tag gesessen haben, aber da blieben ja dann noch durchschnittlich 11h Klosteralltag. Genau das hat mich geprägt. Wenn du was "Privates" machen wolltest, ging das von der Schlafzeit ab.
    Ich persönlich bin auch damit durch, der Zusammenhang, in dem ich das getan habe, existiert nicht mehr für mich. Ich möchte das auch nirgendwo anders simulieren, noch habe ich Anlass iwas zu verteidigen, das du hier kritisierst.


    Mit anderen Worten, alles Dinge, die man auch ansonsten mit anderen gemeinsam tun kann. Niemand wird allein dadurch zu meinem Meister oder Lehrer, nur weil er mit mir isst, saubermacht oder ein Feld bestellt.

    Ja, könnte man. Und ja, niemand wird allein dadurch zum "Meister", aber vielleicht dadurch, wie er das tut. Da gibts nach meiner Beobachtung erhebliche Unterschiede. Meist fängt es schon allein damit an, dass der "Meister" es nicht mehr für notwendig erachtet, mit den anderen auf dem Feld rumzubuckeln.

    Was einen das aber lehren kann, ist klar ("ich nehme die Umstände an")

    Ja, und manche realisieren das eben nie in ihrem Leben.

    "Wenn ich auch gegen meinen Widerwillen dies und das und jenes tun und ertragen kann, dann bin ich ein besserer Mensch geworden."

    Nö, dann geht es sich einfach leichter. Das mit dem "besseren Menschen" beurteilen, wenn überhaupt, andere. Was sie da an Maßstäbe anlegen, liegt außerhalb meiner Zugriffsmöglichkeiten.


    Menschen, die am Zazen hängen, empfinden in meinen Augen offensichtlich einen Mangel, den sie mit Zazen aufheben wollen.

    Jup, zumindest ist das bei allen Anfängern so, wer würde schon derartige Verrücktheiten ohne Not tun wollen. Aber wie schon gesagt, sowohl Shakyamuni als auch Muho haben eine symbolische Zahl für die Zeitspanne genannt, in der der Groschen gefallen sein sollte.

    Nun mal her mit den Beispielen. Das möchte ich ganz konkret haben. Und bitte komm mir nicht mit: "Er macht jeden Tag 8 Stunden Zazen."

    Ich hätte nicht unbedingt auf deinen Beitrag antworten wollen, aber da du mich persönlich angesprochen hast, seis drum.
    Zunächst, ich wäre wohl nie im Leben zu Zen und Zazen gekommen, hätte ich nicht zufällig Uchiyama 5 Jahre vor seinem Tod persönlich kennengelernt. Ich wusste damals überhaupt nicht, wer er war, was er vorher getan hat, noch hätte mich das iwas geschert und ich habe auch erst nach seinem Tod realisiert, dass er für mich tatsächlich mein erster Lehrer war (ein formelle Schüler-Leher-Verhältnis gab es nicht). Für mich war er zu seinen Lebzeiten einfach ein lieber Opa mit unglaublicher Verschmitztheit, tiefer Anteilnahme und großem Verständnis für gerade zu lächerlichen Probleme einer zu früh mit seiner Midlife-Crisis hadernden Langnase. Meistens haben wir einfach gemeinsam Tee getrunken. Religion, Religiöses, naaaaa, das war eh für mich ein rotes Tuch. Die durch Uchiyama geprägte Zen-Praxis habe ich erst 15 Jahre später praktisch kennengelernt und auch da gabs auch nichts Religiöses, einfach schon aus Zeitgründen, ich habe sie als sehr ganzheitlich erlebt. So wie ich es sehe, gibt es sie in Europa eventuell nur noch bei den italienischen Nachkommen von Watanabe Kōhō, ansonsten steht hier das Meiste in der Tradition von Deshimaru und es ist ja kein Geheimnis, dass sich diese beiden nicht grade grün waren, die "sieben Punkten der Praxis", vorher von Leonie erwähnt, gehen nicht zuletzt darauf zurück.

    Der Hinweis auf Buddha ist in diesem Zusammenhang wichtig, denn er riet ja angeblich sogar, seine Jünger sollten sich selbst ein Licht sein.

    Komischerweise wird dann aber kaum die nachfolgende Passage erwähnt, was es explizit bedeutet, "sich selbst ein Licht zu sein" - nämlich nichts anders, als Satipattana auszuüben. Sich ganz dieser Praxis hinzugeben, und was das beinhaltet, kann man ja dann in MN10 nachlesen.
    Ich finde da keine Differenzen zu Uchiyamas Aufforderungen, abgesehen von solchen, die einfach den historischen Umständen geschuldet sind.

    Ansonsten sollte man korrekter von Dogen-Zen reden, und das ist tatsächlich in Deutschland vorherrschend. Merkmal: Zazen wird wie Religion betrieben, als unabdingbares Ritual, um das sich alles andere dreht.

    Ich hab nix gegen die Zuschreibung "Dogen-Zen" und mich interessiert auch eher weniger, ob das ein authentisches "Caodong" ist, diese Diskussion ist für mich höchstens von akademischer Relevanz. Andere Umstände, andere Zeiten führen zwingend zu anderen Schwerpunkten in der Zen-Praxis.
    Nach meiner Erfahrung werden da eher Unterschiede herausgestellt, die sich allein aus dem theoretischen Studium ergeben. Wir hatten hier schon mehrmals Diskussionen über Huineng vs. Dogen, aufgehängt an Zitaten-Pickerei, das führt eigentlich zu überhaupt nix. Mein zweiter Lehrer kommt aus dem Jogye und auch da gibt es Mönche, die scheinbar nix anderes tun, als Zazen sitzen, andere wählen eine andere Hauptpraxis - das eine ist so gut wie das andere, wenn es nur mit ganzer Hingabe ausgeführt wird.

    Prämisse des Zen und auch Dogens, dass wir von Anfang an erwacht sind

    Alter Hut, nur entbindet uns das nicht von der Übung, nirgendwo im Zen.

    Aber das machen sich die Schüler nicht genug klar, also gehen sie auch ins Soto mit der Vorstellung, ich muss mich von A nach B entwickeln. Und immer so weiter.

    Jup, die Tragik bei dieser Geschichte ist, dass sie nicht wissen (können) was "B" eigentlich sein soll. Sie setzen dabei nur auf das, was sie sich darunter vorstellen. Und dahin bringt dich eben Zazen nicht, nützt dafür nicht (wenn du das bei Sawaki bitte im Kontext bitte nachlesen möchtest).

    Und es heißt, dass jeder gute Meister, sich eine Schüler wünscht, der über ihn hinauswächst. Vorbehaltslos.

    genau, das hatte ich vergessen. Und dabei auch akzeptiert, dass dieser Schüler notwendigerweise nicht sein Abziehbild sein kann.


    Ein guter Roshi/Lehrer, sieht dir ins Herz. Vorbehaltslos.


    Hm, ob das nicht eher so ne romantisierende Vorstellung ist, die sich der Schüler bastelt?
    Erinnere mich noch gut an mein erstes Berliner Semester, da lungerten in den Bierkneipen nicht wenige Typen rum, die auch den Eindruck erweckten dir ins "Herz zu sehen", weil sie dir nur das an den Kopf warfen, was eh immer stimmt.

    Ich habs leider nicht dabei, aber es gibt im Zuimonki gleich zu Beginn eine Stelle, in der Dogen seine Mönche aufforderte, etwas mehr zu tun, als nur das, was ein kleines Mädchen mit dem berühmten Kindermund offenbaren könnte. Und Uchiyama macht ja ausdrücklich "deine Familie" zum Gradmesser "deines Zazen".

    Nach meinen Erfahrungen ist der beste Korrekturfaktor das tätige Vorbild des Lehrers - und nicht einfach seine Hinweise, das kann nämlich das soziale Umfeld und die Familie mindestens ebenso gut und/oder die Sangha. Das entspricht übrigens der ostasiatischen Tradition - gelernt wird im Wesentlichen durch Beobachtung, nicht einfach durch mündliche Unterweisung. Ich hatte das wirklich riesige Glück, dass ich zwei Lehrer hatte, die das genauso hielten, und zuletzt eine Sangha, in der man nicht ausbüxen konnte. Selbst meine ersten akademischen Lehrer waren von diesem Schlag. Scheint aber eine aussterbende Gattung zu sein.
    Die üblichen "Zen-Meister" scheinen eher das zu simulieren, was sie aus den alten Zen-Geschichten zu ziehen glauben.