Na ja, wenn selbst hier – unter Buddhisten – dieser "Skandal" auf so fruchtbaren Boden fällt, muss man sich über die Hasskommentare unter diversen Medien nicht wundern. Mich ermüdet das zusehends.
Deutlich wird, dass, wenn ein Verdacht erst einmal gefasst ist, wenn die Medien ein Urteil vorgeben und gefällt haben, es entsetzlich schwer wird, das entstandene negative Bild wieder zu revidieren. Das erinnert mich an den Roman: die verlorene Ehre der Katharina Blum, den der eine oder die andere vielleicht kennt. Der Roman zeigt sehr anschaulich, wie ein Person medial Schritt für Schritt dekonstruiert und vernichtet wird.
Ich habe den Dalai Lama nie für einen Heiligen gehalten. Dennoch hat mich seine Person seit meiner Jugend begleitet. In Hamburg habe ich ihn einmal live gesehen, viele Bücher von ihm gelesen und Vorträge von ihm angeschaut oder gehört. Es erfüllt mich in diesen dunklen Zeiten mit Hoffnung, dass seine Botschaften auch bei vielen Nicht-Buddhisten so viel Aufmerksamkeit gefunden haben. Seine Unermüdlichkeit, diese Botschaften zu vermitteln, macht mir Mut.
Um so mehr schmerzt es mich, dass er wegen so einer Sache derart durch den Kakao gezogen wird – und damit auch das, wofür er steht. Dass eine Person, die so sehr für all das steht, was ich für sinnvoll und zukunftsfähig halte, binnen kürzester Zeit derart vernichtet werden kann, lässt auch nichts Gutes hoffen für andere Menschen, die zukünftig den Mächtigen dieser Tage mit ihren Botschaften oder Taten im Weg stehen.
Es ist offenbar sehr einfach geworden, einen Menschen (inkl. Lebenswerk) zu diskreditieren und medial mundtot zu machen, indem man schlicht eine virale Empörungskultur nutzt, die nach geschehenem Skandal nicht weiter daran interessiert ist, was wirklich geschehen, was wahr oder falsch ist. Der mediale Skandal selbst hat maximale Aufmerksamkeit. Die Richtigstellung oder Relativierung findet kaum Beachtung – zu mühsam ist der sorgfältige Blick, das Abwägen und Durchdringen der Informationen und Fehlinformationen. Das ist wirklich frustrierend.
Zudem ist es scheinbar auch lustvoll, gerade die "guten" oder "konstruktiven" Persönlichkeiten aus Umweltschutz, Politik, Religion oder Kultur (die "Gutmenschen") stürzen zu sehen. So zumindest scheint es, wenn man die Kommentare zu solchen Skandalen liest. Eine Freude am Zynismus, an der gerechten Wut, an der Empörung, eine Freude daran, das, was einem höher, mutiger, engagierter, feier, besser als man selbst erscheint, herunterzureißen, zu egalisieren oder besser noch sich darüber zu erheben. Und dann dieser Hass auf alles Religiöse ...
Mir ist der Dalai Lama wichtig geworden in meinem Leben. Ich schätze ihn sehr für alles, was ich von ihm bekommen habe. Er hat mir etwas vom Kostbarsten vermittelt, das mir in meinem Leben begegnet ist. Darum bewerte ich dieses Geschehnis auch im Vertrauen auf seine Person. Das mag naiv erscheinen, doch ist dieses Vertrauen nicht blind, sondern gewachsen durch all die unzähligen Informationen, Worte und Geschichten, die ich in den letzten 35 Jahren von ihm und durch ihn erfahren habe.