Beiträge von mukti im Thema „Sind die klassischen Texte insgesamt für jeden Buddhisten verbindlich?“

    Normalerweise heisst es in den Fällen von siddhis, Kreislauf von Geburt, Altern und Tod bis hin zu den Erklärungen über Daseinsbereiche in denen die skandhas deutlich verschieden von denen sind, die wir Menschen teilen (...) : ich weiß es nicht - ich denke aber es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so/ich glaube das kann nicht sein. Man stellt diese eigene Einschätzung aber desöfteren so hin als wäre es bewiesen und beweisbar dass diese Erklärungen falsch sind, als wäre es ein objektiver und ein für immer geltender Tatbestand dass Bewusstsein ein Produkt äusserer Bedingungen ist, und dass äussere Bedingungen den Bewusstseinslauf auch einmal beenden werden. Dabei kann man das eben nur vermuten. Buddha erklärte solches zur festen Ansicht gewordenes Vermuten (so dass es sich wie Wissen anfühlt) als Vernichtungsansicht.


    Wenn man offen hinsieht könnte man es ja auch erkennen: dass es eine Form der Egozentrie ist, an eine eigene Entstehung und Vernichtung zu glauben.

    Das Bewusstsein ein Produkt äußerer Bedingungen - was für äußere Bedingungen? Eine für mich akzeptable Sichtweise ist, dass Bewusstsein durch die Objekte bedingt ist, über die es bewusst ist. Demnach bedeutet Bewusstsein über etwas bewusst sein. Wenn nichts da wäre über das es bewusst sein kann, könnte es nicht existieren. Dieses etwas ist immer verschieden vom Bewusstsein.

    Eine andere Möglichkeit wäre dass Bewusstsein über sich selbst bewusst wäre, also unabhängig von anderen Objekten existieren könne. Das widerspricht aber nicht nur der Lehre des Buddha, sondern auch der gewöhnlichen Erfahrung, indem wir nur deshalb wissen dass Bewusstsein vorhanden ist, weil wir über etwas von ihm verschiedenes bewusst sind. Indirekt wissen wir das, über die Objekte, nicht direkt, das Bewusstsein hat sich nicht selber zum Objekt. Ein bekannter Vergleich ist dass das Auge alles mögliche sehen kann, aber nicht sich selbst.


    Was ist aber die unmittelbare Ursache des Bewusstseins? Dass es vom Gehirn erzeugt wird scheint mir unwahrscheinlich, indem es eine völlig andere Qualität hat, eine geistige, keine physische. Denken, Fühlen, Wollen und Bewusstsein sind nicht mit den fünf Körpersinnen wahrnehmbar, werden nicht als etwas Körperliches erlebt und unterscheiden sich grundlegend von Zellen, elektrischen Strömen usw. Vielmehr scheint es sich um eine enge Verbindung von körperlichen und geistigen Phänomenen zu handeln.


    Wenn es nun so ist dass der Tod den Bewusstseinsablauf nicht beendet verliert das Bewusstsein bei seinem Eintreten seine physischen, aber nicht seine geistigen Objekte. Die Identifikation mit dem Körper ist zwangsläufig beendet, aber nicht die Ursachen der Identifikation, nämlich Unwissenheit und Begehren. Demnach wäre der Tod eine Veränderung der Identität, was sich vereinfacht als Wiedergeburt bezeichnen lässt.


    Was wiedergeboren wird ist die vermeintliche Identität, die während des Lebens als etwas Bleibendes inmitten der körperlich/geistigen Veränderungen empfunden wird: 'Ich war ein Kind, dann ein Jugendlicher, jetzt bin ich alt. Ich war Postbeamter, jetzt bin ich Pensionist. Ich war Ehemann, jetzt bin ich Witwer' usw. Ebenso war ich dieses und jenes Wesen, nach diesem Leben bin ich das, wohin mich Karma und Begehren führen, falls in diesem Leben die Unwissenheit nicht zu einem Ende kommt.

    In den klassischen Texten finden wir Lehren, die

    1. nicht zeitgemäß sind, etwa zum Thema Gender oder Queerness
    2. oder etwa sich wiedersprechende Aussagen, z.B. zu Karma: Einmal heisst es, dass konkrete Taten zu klaren konkreten Konsequenzen führen, an anderer Stelle wird genau das Gegenteil gesagt, dass man dies nicht feststellen könne.
    3. Oder es finden sich fantastische Erzählungen, etwa über die Umstände der Geburt Buddhas, die eindeutig herbeigesponnene Märchen sind: Buddha sei aus der Seite seiner Mutter geboren und nicht durch das weibliche Organ, das eigentlich dafür zuständig ist.
    4. Dann gibt es da die ganzen nachträglichen Bearbeitungen, die der Überlieferungsgeschichte geschuldet sind.


    Wie geht ihr damit um?

    1. Damit bin ich nur am Rande konfrontiert weil ich alleine lebe. Wenn es erforderlich ist achte ich einfach darauf niemanden zu verletzen.

    2. Karma führt meines Erachtens zu Konsequenzen. Dass man das nicht feststellen könne, dazu kenne ich im Palikanon nur eine Stelle, A.IV.77., wo es heißt dass die Wirkung der Taten (kamma-vipaka) unfassbar ist, weshalb das Nachdenken darüber nur zu Verwirrung führt. Das bedeutet dass kamma-vipaka unentwirrbar kompliziert ist, nicht dass es das gar nicht gäbe. So sagt es auch der Vedanta.

    3. Das mögen Ausschmückungen und Legenden sein.

    4. Die Lehre ist nicht verlorengegangen, vielmehr ist alles da was zum Erwachen nötig ist.

    Es ging mir hier jedoch eher um einen Nebenaspekt - nämlich das Befördern solcher Missverständnisse durch inkorrekte, interpretierende Übersetzungen. Und jati mit "Wiedergeburt" zu übersetzen, ist genau das. Ich halte das nicht für hilfreich und auch hinsichtlich intellektueller Redlichkeit für bedenklich.

    Werter Sudhana,


    ich habe weder punnabhava mit Wiedergeburt übersetzt noch jati sondern im Beitrag 31 geschrieben:

    Zitat

    Das Wort "Wiedergeburt" habe ich nicht im Sinne von punnabhava verwendet, wenn es auch damit zusammenhängt, sondern im Sinn von jati.

    Ein Wort in einen bestimmten Sinnzusammenhang zu stellen ist keine Übersetzung. Der Zusammenhang Wiedergeburt-jati ergibt sich aus mehreren Lehrreden, z.B.:


    Zitat

    18. "Als mein konzentrierter Geist auf solche Weise geläutert, klar, makellos, der Unvollkommenheit ledig, gefügig, nutzbar, stetig und unerschütterlich war richtete ich ihn auf das Wissen von der Erinnerung an frühere Leben. Ich erinnerte mich an viele frühere Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: 'Dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.' So erinnerte ich mich an viele frühere Leben mit ihren Aspekten und Besonderheiten."

    M.19.

    Ob das stimmt oder nicht, darüber lässt sich wie in Beitrag 19 gesagt diskutieren. Aber immerhin darin stimmen wir ja überein:


    Werter mukti - ich stimme Dir ja zu, dass das letzlich kein Thema ist, das sich argumentativ klären lässt.

    Um Missverständnisse zu beseitigen bin ich in der Rolle mich rechtfertigen zu müssen, außerdem habe ich zur Zeit ständig Internetausfälle. Wenn du das jetzt wieder nicht für hilfreich hältst oder/und weiterhin Bedenken bezüglich intellektueller Redlichkeit mitteilen möchtest, gestehe ich dir gerne "die Kunst recht zu behalten" zu.

    So lange man sich davor drückt, deutlich zu sagen, was denn eigentlich angeblich "wiedergeboren" wird, ist der Begriff Wiedergeburt schlicht eine Mogelpackung. Und nur "kein atta" ist da als Antwort ein wenig dünn ...

    Gründe dass man sich drückt können sein dass in diesem Kontrovers-Bereich zuviel Streitlust und Drang zur Selbstbestätigung ist. Weiters weil es bereits ausführliche Erklärungen gibt wie Wiedergeburt im Buddhismus aufgefasst wird. Schließlich weil sich die Argumente und Gegenargumente jeweils widerlegen lassen ohne dass dabei die Wahrheit ans Licht kommt. Der im Palikanon vorgeschlagene Weg in dieser Sache die Wahrheit zu finden ist das Erreichen des vierten Jhana.

    Man muss den Begriff ja nicht im Sinne einer Atta-Lehre auffassen.

    Das wollte ich Dir auch nicht unterstellen. Nur kann man man sich schon fragen, warum dann eigentlich Du (oder die Person, von der Du das so übernommen hast) ohne Not aus jāti ein punajāti macht, aus der 'Geburt' eine 'Wiedergeburt'. Das lädt nur zu (freilich recht populären) Missverständnissen ein und ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass es genau das auch soll. So etwas ist Irreführung durch inadäquate Übersetzung.

    Sorry ich habe übersehen dass wir hier im Kontrovers-Bereich sind. Auf diese Art interessiert mich das nicht weiter.

    Mir nicht und ich habe auch kein Problem damit wenn jemand etwas als authentisches Buddhawort ansieht.

    Was mir langsam unklar wird ist dass jemand alle Traditionen in ein Forum einlädt um ihnen dann rigoros und auch mit groben Worten entgegenzutreten.

    mukti : Deine Verwendung der Übersetzung "Wiedergeburt" für punnabhava (wieder werden) zeigt das von mir angedeutete Problem schon an.

    Das Wort "Wiedergeburt" habe ich nicht im Sinne von punnabhava verwendet, wenn es auch damit zusammenhängt, sondern im Sinn von jati.

    Zitat

    "Und was, Freunde, ist Geburt (jati)? Die Geburt der Wesen in die verschiedenen Klassen der Lebewesen, ihr Geborenwerden, Herausstürzen aus dem Schoß, Erzeugung, die Manifestation der Daseinsgruppen, das Erlangen der Sinnesgrundlagen - dies wird Geburt genannt."

    M.141.


    Anatta heisst eben gerade nicht, dass da etwas "wiedergeboren" wird, was vorher schon in irgendeiner Weise existent war. Es wird etwas wieder - nämlich das Ergreifen aus der Grundbedingung avijjā - und ergriffen wird eine Form, die Entstehen und Vergehen unterworfen ist, Geburt und Tod.

    Demnach gibt es Geburt und Tod solange es avijjā gibt. Immer wieder Geburt - Wiedergeburt. Man muss den Begriff ja nicht im Sinne einer Atta-Lehre auffassen.

    Zitat

    Der Buddhismus ist eine der fünf großen Weltreligionen mit geschätzten 450 Millionen Anhängern. Besonders stark ist er in Asien verbreitet, in Österreich bekennen sich mehr als 20.000 Menschen zum Buddhismus. Im Zentrum stehen die Lehren des Buddha.

    Lexikon der Religionen

    Was wir von der Lehre des Buddha haben ist die Überlieferung, z.B. der Palikanon. Darin sind viele Lehrreden enthalten in denen es eindeutig um das fortgesetzte Dasein (Wiedergeburt) gemäß der Handlungen (Karma) geht. Diese Lehre wird von den meisten Buddhisten, hunderte Millionen, anerkannt.


    Ob sie stimmt oder nicht, darüber lässt sich ja diskutieren. Was mich betrifft, so halte ich es für wahrscheinlicher dass sie stimmt als dass sie nicht stimmt. Dafür gibt es zu viele Gründe als dass ich sie in einer Diskussion ausführen könnte, weshalb es mir kaum sinnvoll erscheint, mich an einer solchen zu beteiligen.


    Schon gar nicht wenn sie mit Herabsetzungen Andersdenkender verbunden ist.

    Das vor allem deshalb weil ich es auch für sehr wahrscheinlich halte, dass niemand in diesem Forum die Wirklichkeit in dieser Hinsicht tatsächlich wahrnehmen kann. Ein respektloser Kleinkrieg der Ansichten ist mir aber zutiefst zuwider.