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Beiträge von Sudhana im Thema „Buddhismus und Evolution“
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Leonie - ja, Danke auch meinerseits. Interessanter Austausch; für mich ist insbesondere diese Hyperzyklus-Geschichte neu. Ist jetzt vielleicht auch deutlicher geworden, warum ich auf Breithaupt recht gespannt bin - da geht es wohl u.a. um neuronale Korrelate zu 'Narrativen'. Wechselwirkungen im namarupa-System. Selbst ein spannendes Narrativ (jedenfalls für mich). Mal schau'n ...
Worum es (mir) letzlich geht, möchte ich an einem Zitat Chomskys (a.a.O.) erläutern, wo er sich an einer Definition der Grundeigenschaft (in buddhistischer Diktion: dem lakṣaṇa / svalakṣaṇa) von Sprache versucht:
Zitat... es handelt sich bei der Grundeigenschaft um die Generierung eines unbegrenzten Spektrums hierarchisch strukturierter Ausdrücke, die auf die konzeptuell-intentionale Schnittstelle abgebildet werden, für die sie eine Art »Sprache des Denkens« (SDD) liefern – und möglicherweise ist dies die einzige solche SDD, obwohl sich hier interessante Fragen stellen.
Hierzu der Hinweis, dass Chomsky die Struktur der Sprache und die ihr analoge Struktur des Denkens trotz "unbegrenzten Spektrums" ihrer Ausdrücke implizit als Begrenzung auffasst. Eine der interessanten Fragen (wenn nicht die interessanteste) wäre die nach einer Möglichkeit, die strukturelle Begrenzung des Denkens aufzugeben, wodurch es kein Denken mehr wäre - die o.g. Grundeigenschaft bestünde nicht mehr. Wobei ich natürlich Dōgens hishiryō ('Undenken', 'Denken aus dem Grund des Nichtdenkens') im Hinterkopf habe, das sich entsprechend als 'unstrukturiertes Denken' (natürlich ein Oxymoron) deuten ließe. Doch noch etwas weiter mit Chomsky:
ZitatWenn all dies generell richtig ist, gibt es gute Gründe, zu einer traditionellen Auffassung der Sprache als "Werkzeug des Denkens" zurückzukehren und das Diktum von Aristoteles entsprechend zu revidieren; bei der Sprache handelt es sich nicht um Laute mit Bedeutung, sondern um Bedeutung mit Lauten – oder, allgemeiner gesprochen, mit irgendeiner Form der Externalisierung, wobei dies meistens Laute sind, obwohl auch andere Modalitäten zur Verfügung stehen. Die Forschung der letzten zwanzig bis dreißig Jahre zur Zeichensprache hat deren bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit gesprochener Sprache hinsichtlich Struktur, Erwerb und neuraler Repräsentation demonstriert, obwohl der Externalisierungsmodus natürlich ein ganz anderer ist.
Es ist auch der Erwähnung wert, dass von der Externalisierung selten Gebrauch gemacht wird. Der bei weitem größte Teil des Gebrauchs der Sprache wird nie externalisiert. Er ist eine Art von innerem Dialog, und das Wenige, was es zu diesem Thema an Forschung gibt und was auf einige Beobachtungen von Lew Wygotski zurückgeht,[18] bestätigt das, was die Introspektion – zumindest meine – nahelegt: Das, was das Bewusstsein erreicht, sind verstreute Fragmente.
[18] Charles Fernyhough, »The Voices Within: The Power of Talking to Yourself«, New Scientist, Vol. 218, Nr. 2919, 3. Juni 2013, S. 32-35.
... aus denen wir uns nach den Bauplänen des konditionierten samskāraskandha mehr schlecht als Recht das Narrativ der Welt basteln. In diesem Sinn einen schönen Sonntag noch ....
Zur Feier des Tages gibt es jetzt erst mal einen '23er Shincha (Aprilpflückung) aus Chiran in Kagoshima, vor der Ernte eine Woche beschattet (kabuse), tief bedämpft (fukamushi) und als Rohtee (aracha) belassen. Eine Cuvée aus Yutakamidori, Asanako und Yabukita. Nur kurz haltbar, aber was ōika angeht kaum zu toppen. Mehr als Euch den Mund wässrig zu machen ist leider nicht drin.
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da hat halt die Kognitionswissenschaft und auch Chomsky schlechte Karten in diesem Spiel.
Nun - technische und ökonomische Bedingungen eines "Vorranges" sind ein Thema für sich; da fragt sich immer, wer solche Rangordnungen in wessen Interesse erstellt. Hat aber mit einem Superioritätsanspruch der Naturwissenschaften, den ich meinte, recht wenig zu tun.
Jedenfalls hatte ich den (möglicherweise falschen) Eindruck, Du übersiehst den interdisziplinären Ansatz der Kognitionswissenschaft. Ich versuche mal, den an einem Beispiel zu erläutern, wobei ich nicht allzusehr ausholen will - ich hoffe, es gelingt mir trotzdem, verständlich zu machen, wie so etwas z.B. im Bereich Neurolinguistik aussieht.
Insbesondere Chomsky geht ja von der internalisierten Sprache als einem Teil des genetischen Programms und vom Gehirn als Organ (im weiten, biologischen Sinn) dieser speziellen Fähigkeit aus - und auch davon, dass die sensomotorische 'Schnittstelle' (über die wir 'Laute mit Bedeutung' erzeugen und verstehen) evolutionär sekundär zur konzeptuell-intentionalen 'Schnittstelle' (verkürzt: dem Denken) ist.
Der linguistische Ansatz ist nun (stark verkürzt) der, zunächst empirisch möglichst viele und morphologisch möglichst verschiedene externalisierte (E-)Sprachen auf gemeinsame Grundstrukturen hin zu untersuchen. Wenn die Fähigkeit zur E-Sprache genetisch bedingt ist, müssen alle E-Sprachen logischerweise gemeinsamen Prinzipien folgen. Anders gesagt: Deutsch, Chinesisch, Sumerisch, Yanomami, Klingonisch usw. usf. sind Externalisierungen einer allen Wesen mit dem genetischen Programm 'Mensch' gemeinsamen I-Sprache. Die 'Regeln' dieser I-Sprache als Grundbedingung aller E-Sprachen bezeichnet man als universale Grammatik (universal grammar, UG). Ohne nun zu sehr ins Detail zu gehen (liest noch jemand mit?) - solche Regeln oder besser (Verknüpfungs-)Prinzipien sind beispielsweise minimale Berechnung, minimale strukturelle Distanz, externe / interne Verknüpfung usw. usf.
Nun kann man UG als generative Grammatik benutzen - also damit Kunstsprachen konstruieren / 'erfinden', die diesen Prinzipien folgen. Und man kann Kunstsprachen konstruieren, die andere Prinzipien nutzen - etwa minimale lineare statt strukturelle Distanz, was besonders interessant ist, als dies eine deutlich einfachere Operation erfordern würde, die aber unser genetisches Programm anscheinend nicht draufhat.
Dann kann man harmlose Probanden solchen Kunstsprachen (die sie natürlich nicht verstehen) als Stimuli aussetzen und dabei mit einem Elektroenzephalographen messen, was bei den Probanden in den sog. 'Sprachzentren' des Gehirns los ist. Dann stellt man im Fall der Konformität der erfundenen (unverständlichen) Sprache mit UG normale Aktivität in den Sprachregionen des Gehirns fest, bei 'Regelwidrigkeit' hingegen deutet die Hirnaktivität darauf hin, dass die Aufgabe als nicht-sprachliches Rätsel interpretiert wird.
(Mariacristina Musso, Andrea Moro et al., »Broca's Area and the Language Instinct«, Nature Neuroscience 6, 22. Juni 2003, S. 774-781, doi:10.1038/nn1077).
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Nun - Müller ist ungeachtet meines ontopic-Hinweises auf ihn auch für mein Empfinden thematisch so breit aufgestellt, dass das (gerade bei einem populärwissenschaftlichen Buch) Zweifel an der Tiefe weckt. Dass er die Evolutionstheorie widerlegt oder auch nur mit diesem Anspruch auftritt (was mir neu wäre), ist natürlich albern. Aber er stellt berechtigte Fragen bzw. zeigt offene Fragen zur Evolutionstheorie auf.
Was das 'Fach' angeht - es ist sicher kein Zufall, dass Müller (Latinist) wie Breithaupt (ursprünglich Germanist) und Chomsky (Linguist) ihre wissenschaftlichen Wurzeln in den Sprachwissenschaften haben, wobei insbesondere die Beziehung zwischen Sprache und Denken Gegenstand des Interesses ist - selbstverständlich unter Berücksichtigung sowohl biologisch / genetischer wie auch sozialer Bedingungen. Wegweisend war da Chomskys Differenzierung von externalisierter und internalisierter Sprache entsprechend den Grundbedingungen der sensomotorischen (rupa) und der konzeptuell-intentionalen (nama) 'Schnittstellen' des Menschen.
Also - das mit dem 'Fach' ist so eine Sache. Wenn ich das richtig verstehe, wird mit solch einer Bemerkung implizit ein Superioritätsanspruch der Naturwissenschaften erhoben. Wobei es ja nun nicht so ist, dass die Kognitionswissenschaft die biologische Basis, den rupakaya, ignorieren würde - im Gegenteil. Und andersherum legt die Kognitionswissenschaft die Grundlagen / Bedingungen der Naturwissenschaft frei. Wobei ich da konkret weniger an die geistige Revolution Darwins denke als an Newton. Chomskys oben empfohlenes Buch enthält dazu einige nette Anmerkungen, die etwa Newtons Postulierung einer ohne Kontakt wirkenden mysteriösen 'Schwerkraft' als metaphysischen Realismus (ich fände 'pragmatische Metaphysik' eine ehrlichere Bezeichnung) charakterisieren. 'Schwerkraft' ist eine (sehr) plausible Erklärung, ein Narrativ (nach Breithaupts Ansatz), und zwar vor allem ein pragmatisch nutzbares. Schwerkraft selbst liegt jedoch außerhalb der unserer Kognition durch biologische Bedingungen gesetzten Grenzen - sie lässt sich lediglich postulieren.
Wenn das Kriterium 'Plausibilität' als entscheidend angesehen (bzw. mit 'Wahrheit' verwechselt) wird, wirft das das Problem auf, dass das, was als plausibel / pragmatisch nutzbar gilt, historischem Wandel unterworfen ist. Plausible Narrative werden ständig durch (oft, nicht immer) noch plausiblere ersetzt - so gesehen ist auch 'Schwerkraft' nur ein Mythos, der einen älteren ersetzt hat und vermutlich auch sein Verfallsdatum hat.
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Leonie : stammt der handschriftliche Vermerk über der Inhaltsangabe von Dir?
Spass beiseite, ich kenne es nicht, werde es aber mal zumindest anlesen, Danke für den Link. Mein erster Eindruck nach Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses ist allerdings weniger der eines eines "entsetzlichen Sammelsuriums", als dass der Vorwurf des Reduktionismus (wenn man einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus ...) wie bei dem Kulturwissenschafter Huizinga wohl auch hier angebracht ist.
Derzeit warte ich (meine Biblothek hat es noch nicht angekauft) auf Breithaupts 'Das narrative Gehirn', das ja derzeit für Furore sorgt - wobei Burkhard Müllers Verriss in der Süddeutschen in Richtung desselben Vorwurfs geht. Da es zum Thema gehört - Müller selbst wiederum hat 2000 eine (mE die erste) bemerkenswerte Kritik der Evolutionstheorie veröffentlicht (hier Rezensionen von ZEIT, SZ und FR).
Bei Breithaupt verspreche ich mir ein paar Hinweise zu einem kognitionswissenschaftlichen Zugang, wobei ich da speziell auf Chomsky aufbaue - dessen Konzept (genetisch-)struktureller Begrenzung der Kognition und seine Unterscheidung von "problems" und "mysteries" ich nützlich finde. Literaturempfehlung hier.
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Die Katze spielt, das ist ihr Wesen.
Sagen wir mal, es ist einer der Aspekte, die wir in den 'Wesen' (sattvah), die wir "Katze" nennen und nicht grundlos in der biologischen Nomenklatur als 'Beutegreifer' (und nicht als 'Spieler') einordnen, wiedererkennen; in dem wir uns spiegeln. Das ermöglicht Empathie. Wobei solch eine Sichtweise natürlich grundsätzlich das Problem hat, dass da menschliche Kategorien auf nichtmenschliche Phänomene angewandt werden. Dessenungeachtet beruht Empathie mit Tieren nicht auf reiner Illusion; die moderne Verhaltensforschung hat auch bei vielen Tieren zumindest Ansätze zu Empathie nachgewiesen.
Der Hauptunterschied zum Menschen ist der, dass dieser die Genzen, die der Anwendung dieser evolutionär vorteilhaften Fähigkeit gesetzt sind, erweitern kann. Objekte, auf die diese Fähigkeit bezogen wird, beginnen idR mit dem engsten Abstammungsverband (Familie/Sippe, Rudel). Insbesondere der Mensch hat diese Grenzen zunehmend auf soziale Konstrukte wie Stamm, Ethnie, Nation, Religion, Rasse usw. ausgedehnt - was die moralische Ambivalenz von Empathie verdeutlicht.
Immerhin ist der Mensch mittlerweile auf einer Kulturstufe, die es ihm (nun ja, einigen - mit derzeit anscheinend schwindender Zahl) ermöglicht, die Grenze der Empathie auf die Spezies 'Mensch' auszudehnen - und selbst Ansätze, nach dem Rassismus auch den Speziesismus zu überwinden, gibt es ja auch. Wobei die nicht neu sind - das ist der Bodhisattva-Ansatz. Die 眾生無邊 shu jō mu hen - "zahllose Wesen, unbegrenzt" - des ersten der vier großen Bodhisattva-Gelübde.
Erstaunlicherweise gibt es jedoch Fälle, wo Empathie auch bei Tieren die Grenze 'Spezies' überspringt; insbesondere wenn sie durch positive Erfahrungen mit der anderen Spezies geprägt sind. Insbesondere gelingt dies bei Hunden, wobei ihr ererbtes soziales Grundmuster (hierarchisch organisiertes 'Rudel') natürlich hilfreich ist. Bei Katzen (zu deren Sozialverhalten immer noch sehr hilfreich: Paul Leyhausen, für 'Einsteiger' speziell Katzen - eine Verhaltenskunde) ist das etwas schwieriger. Die Fähigkeit von Haustieren zur Empathie mit (manchen) Menschen ist Grundlage ihrer psychohygienischen Funktion, die - ebenfalls moralisch ambivalent - gerade bei Hunden häufig zu deren Schaden genutzt wird; als Mülleimer für Triebabfuhr.
Doch zurück zum Spiel - das sicher die wichtigste Form der Interaktion von Menschen mit Haustieren ist (für Menschen, für die Tiere ist es natürlich das Füttern). Spiel ist nicht nur eine wichtige anthropologische Kategorie menschlichen Handelns; insbesondere seine Rolle bei der menschlichen Kulturbildung hat Johan Huizinga in 'Homo ludens' analysiert - recht luzide, wenn auch für meinen Geschmack etwas monomanisch / reduktiv.
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Herzlichen Dank, Martin - als Jemand, der zuletzt diesen Frühling einen langjährigen Hausgenossen begraben musste, hat mich das sehr bewegt. Eine "Glückskatze", die im Nachbardorf streunte. Wie sich herausstellte, viel zu früh sterilisiert (und wohl auch schon zu früh aus dem Wurf genommen) und dann zu Beginn des Winters ausgesetzt - ich vermute, weil es nicht die erwartete Schmusekatze war. Katzen und Hunde reagieren auf so etwas nicht viel anders als Menschen; sie sind erst einmal ziemlich "gestört" und so ganz wächst sich das auch nie raus. Das muss dieses gemeinsame evolutionäre Erbe sein, von dem man so viel hört .... Immerhin hat sie sich nach anfänglicher Verärgerung ein Jahr später sogar mit einer Hündin als Hausgenossin abgefunden und ging mit uns gemeinsam Gassi; meine Hund-und-Katze-Sangha. Die Hündin stammte aus dem Wurf eines schwangeren spanischen Gassenköters, den man kurz vor der Geburt eingefangen hatte. Die Spanier fackeln da nicht lange, was nach einem Jahr nicht vermittelt ist, geht durch den Schornstein. Sie ist jetzt 11, wird wohl das letzte Tier sein, für das ich Verantwortung übernehmen und vielleicht etwas Wiedergutmachung leisten kann.
Der Umgang mit Tieren war und ist für mich auch eine Art Psychohygiene - und sie waren und sind großartige 'Übungsobjekte'; insbesondere für Empathie. Das mag jetzt etwas kalt klingen - aber Empathie funktioniert auch nicht ohne Sympathie - so, wie karuna auch nicht von maitri zu trennen ist. Ich tue mich da bei Tieren leichter als bei Menschen - die sind für mich sehr viel schwerer zu 'lesen' und zu lieben. Man darf nur nicht vergessen, auch bei denen nicht aufzugeben :).
Doch zurück zum Thema. Erstaunlicherweise hat schon der frühe Buddhismus eine Art kosmologischer 'Evolutionstheorie' entwickelt. Was für sich noch nicht so bemerkenswert wäre (die gibt's im Dutzend billiger) - dass diese Theorie allerdings ohne einen mythischen Ursprung, einen 'Schöpfer', auskommt, schon. Ich bin ohnehin etwas verwundert, dass noch nicht auf dieses interessante Sutta hingewiesen wurde.
In moderner kosmologischer Diktion könnte man hier von einer Theorie sprechen, die ein modernes Echo zum einen im anthropischen Prinzip findet, zum anderen im Modell eines zyklischen Universums.