Beiträge von Tai im Thema „Loslassen“

    Na klar, für Anfänger wohl erstmal eher geeignet als das Diamant Sutra. Aber da Asod55 nach dem Loslassen des Ichs fragte, das ein so zentrales Thema dieses Mahayana-Sutras ist, und er als Buddhistische Richtung "Mahayana" angibt, fand ich den Bezug gerechtfertigt.


    :) liche Grüße zurück


    Dein ursprüngliches Wesen zu schauen (was, wie du sicher weißt, ein Synonym für Erwachen bzw. die Erleuchtung ist) wirst du nicht verwirklichen, indem du dir noch so kluge Gedanken über dich oder die Dinge machst. Du musst dich schon mit Haut und Haar auf diese unmittelbar gegebene Soheit einlassen oder, um es mit einer anderen Metapher auszudrücken: Das Studieren der Landkarte ist noch keine Wanderung durch die wirkliche Landschaft (auch wenn die Landkarte zweifellos nützlich sein kann).


    Solange du dir die Landkarte vor Augen hälst, kannst du die wirkliche Landschaft nicht sehen. Ähnliches gilt für die Vorstellungen, die wir uns über uns und die Welt machen. Sie stellen irgendwann eine Art Leben aus zweiter Hand dar, an dem wir anhaften und das uns daran hindert, uns auf die genau jetzt gegebene unmittelbare Soheit des Augenblicks ganz und gar einzulassen. Wenn gefordert wird, von Augenblick zu Augenblick ganz im Hier und Jetzt zu bleiben, dann ist unser permanenter Zwang, ständig Gedanken und Vorstellungen zu erzeugen, genau der Grund dafür, dass uns dieses Gegenwartsgewahrsein meist nur sehr begrenzt gelingt.


    Die buddhistische Lehre ist keine Philosophie, sondern eine Erleuchtungslehre. Sie hat nicht den Anspruch, die Welt zu erklären. Stattdessen zeigt sie einen radikalen Ausweg aus dem Dilemma unserer Anhaftungen auf. Mit den vier Arten von Vorstellungen, die ein Bodhisattva nicht aufkommen lassen soll, beschreibt der Buddha nichts anderes als den unmittelbaren Erleuchtungsgeist:


    Zitat

    Subhuti, weil ein Bodhisattva, der die Vorstellung von einem Selbst, die Vorstellung von einer Person, die Vorstellung von einem fühlenden Wesen oder die Vorstellung von einer Lebensspanne hat, kein Bodhisattva ist. (Dimant Sutra, Kap. 3)


    Was du mit deiner Argumentation "Gedanken loszulassen ... ich weiß nicht ... etc." machst, ist im Grunde ein rhetorischer Trick (wenn auch vielleicht nicht unbdingt beabsichtigt): Du nimmst eine Verschiebung ins Prinzipielle vor (Gedanken sind schließlich grundsätzlich wichtig), um damit diese Lehre von dir zu weisen. Natürlich sind Gedanken grundsätzlich wichtig, das streitet doch (hoffentlich) niemand ab. Aber dennoch beinhaltet nach Buddhas Lehre der Weg zum unmittelbaren Erwachen das Loslassen der Gedanken (was übrigens auch einem Loslassen von Anhaftung entspricht).


    Überdies möchte ich daran erinnern, dass dies hier der Anfängerbereich des Forums ist. Natürlich dürfen wir alle unterschiedlicher Meinung sein. Aber eine so grundsätzliche Aussage der buddhistischen Lehre infrage zu stellen und das mit relativ drastischen rhetorischen Formulierungen ("Alles absolut abzuschalten, finde ich nicht hilfreich" - als wenn das hier irgendwer gefordert hätte! Als wenn das überhaupt möglich wäre!), finde ich in diesem Bereich schon etwas grenzwertig. Wir wollen hier die wichtigsten Fragen der Anfänger beantworten und nicht durch scharfe, spitzfindige Diskussionen noch mehr Verwirrung stiften (in anderen Bereichen des Forums finde ich scharfe Diskussionen allerdings schon okay - nur meine Meinung).


    ... man kann es alles auch als die Überwindung der Dualität beschreiben.

    Und dann lässt man alles los ...

    Das trifft es sehr gut. :like:

    Durch das Ich hab ich Begehren. Wenn es nicht so läuft wie ich es will werde ich manchmal wütend.


    Wie lasse ich das Ich los?

    Treffend beschrieben und gute Frage. Um sie zu beantworten, ist es vor allem erst mal wichtig, zu klären, was im Buddhismus unter "Ich" verstanden wird.


    Dass das Ich eine Illusion ist, ist schon schwer zu realisieren.

    Das sehe ich, ehrlich gesagt, anders. Probleme entstehen hier vor allem, wenn wir nicht wissen, dass mit "Ich" im Buddhismus unser Selbstbild gemeint ist (also die Vorstellungen, die wir uns über uns selbst machen) und wenn wir uns gleichzeitig mit diesem Selbstbild identifizieren.


    Das führt dann schnell zu Verwirrungen in dem Sinne, als würde die buddhistische Praxis unser eigentliches Wesen infrage stellen, wie es vielleicht ein wenig aus diesen Äußerungen herausklingt(?):


    Ich (bin) aufgewachsen als Ich und hatte immer eine Persönlichkeit. Und jetzt soll es das nicht richtig geben? ...


    ... Aber wenn Ich nicht Ich ist, was bin ich dann?


    Dasjenige, das alles, was du jemals erlebt hast und erlebst, genau jetzt erlebt, sollte für dich ja wohl außer Frage stehen. Es ist gewissermaßen das Einzige, was du mit absoluter Gewissheit bezeugen kannst und du bist der/die Einzige, der/die es bezeugen kann.


    Dieses 'Wesen' ist aus deiner Sicht absolut grenzenlos und allumfassend, da es nichts gibt, das du jemals erleben könntest, was von dir (bzw. diesem 'Wesen', das du bist) getrennt wäre. Natürlich trifft das (z.B.) auf die Empfindungen deines Körpers zu; sie sind Teil von dir und nehmen Augenblicke deines Lebens ein. Dasselbe gilt aber auch für jeden beliebigen anderen Gegenstand, den du wahrnimmst, z.B. den Bildschirm, auf den du gerade schaust. Auch der ist nicht getrennt von dir und ist Teil dieses Augenblicks in deinem Lebens. Auch jeder Gedanke und was du dir vorstellst, ist zwangsläufig auch Teil von dir. In diesem Sinne kann man auch sagen, dass es aus deiner Perspektive betrachtet nichts gibt, dass nicht auch du bist.


    Die Vorstellungen, die wir uns von uns selbst als ein 'Ich' machen, können diesem Wesen (also demjenigen, das alles, was du jemals erlebt hast und erlebst) in keiner Weise gerecht werden. Das fängt schon damit an, dass die Vorstellung von einem "Ich" einen dualitären Gegensatz zu einem "Du" oder "anderem" impliziert und damit eine künstliche Trennung erzeugt, die deiner wahren Natur nicht entspricht und dem Erwachen (nach Buddas Lehre) im Weg steht. Die Vorstellung von einem "Ich" ist folgerichtig eine der vier Vorstellungen, die (gemäß Diamant Sutra) ein Bodhisattva nicht aufkommen lässt.


    In diesem Kontext ist der Begriff 'Nicht-Ich' zu verstehen. Er gibt einen Hinweis auf dein wahres Wesen in seiner Soheit, wenn du es nicht in das Korsett einer Ich-Vorstellung presst. Sind also Begriffe wie 'Nicht-Ich', 'Wesen' oder 'meine wahre Natur' bessere Bezeichnungen für das, was ich bin, als 'Ich'? Nein. Diese Begriffe sind nur Hilfsmittel, um genau diese Lehre zu beschreiben. Auch sie erzeugen Vorstellungen und keine Vorstellung kann dem, was du bist, wirklich gerecht werden.

    Wie lasse ich das Ich los?

    ...
    Wie meditiert man über das Nicht-Ich?

    Das Ich kannst du nur loslassen, indem du (gemäß deiner jeweiligen Praxismethode) jede Vorstellung loslässt. Über das Nicht-Ich meditieren, bedeutet das Ich, das Nicht-Ich und auch jede andere Vorstellung loszulassen.