Ich will ja nicht fundamental widersprechen aber Einsicht und Einübung korrelieren durchaus. Und so kann man - ohne Einsicht - auch mal mit der Übung beginnen und dann mag die Einsicht leichter fallen, oder andersrum mit der Einsicht starten; die ist aber nur durch die Übung zu vollenden.
Ich möchte mich noch einmal kurz einschalten und eine Frage stellen: Warum übe ich überhaupt? Welchen Sinn hat das alles für mich? Ich möchte es so erklären, dass es jeder verstehen kann.
Die Ereignisse in der Welt liegen außerhalb meines Einflusses. Der Krieg im Zentrum Europas geht weiter, und die USA haben den russischen Präsidenten nun als besten Freund – zwei narzisstische Diktatoren ohne Skrupel und Gewissen verstehen sich eben gut. Man könnte diese Liste globaler Probleme endlos fortsetzen. Die AfD wird immer stärker, und was das für unser Land in einigen Jahren bedeutet, darüber sollte man lieber nicht zu viel nachdenken – es bringt ohnehin nichts.
Ein normaler Mensch kann auf all das nur mit Ärger, Wut und Ohnmacht re-agieren. Doch der Buddhismus lehrt uns, bewusst und angemessen zu handeln, a-gieren, ohne von unseren eigenen Konditionierungen verblendet zu sein. Es geht darum, diese Ohnmacht nicht weiter zu nähren.
Wenn der erste Pfeil – der Schmerz – unvermeidlich ist, dann liegt es in meiner Macht zu entscheiden, ob ich mir selbst den zweiten Pfeil abschieße. Manchmal ist das wirklich das Einzige, was ich kontrollieren kann. Ansonsten folge ich dem Gelassenheitsgebet:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Man muss nicht unbedingt an Gott glauben, aber an das Gute in der Natur des Menschen – so wie an die Buddha-Natur. Meiner Meinung nach ist das essenziell, um sich in unserer turbulenten Zeit nicht von destruktiven Emotionen und Gedanken versklaven zu lassen. Es geht um innere, existenzielle Freiheit.