Namaste!
Tatsuo:
Ich denke, dass das Reine Land des Adlergipfels nicht nur eine Metapher für die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben ist und ich konnte auch bis jetzt keine Stelle in Nichirens Schriften oder wissenschaftlichen Artikeln zu dem Thema finden, die diese Interpretation nahe gelegt hätte.
Ob Nichiren das Reine Land des Geiergipfels nun als Metapher/Upaya ansah oder nun selbst an eine "sonst wie geographische" bzw. "sonst wie physische", nachtodliche Existenz in einem solchen Paradies glaubte, wird schwerlich zu belegen sein.
Ich muss vorab zugeben, dass ich von seinen hinterlassen Schriften bislang noch nicht viele gelesen habe (von meinen vier Gosho-Bänden gerade mal das erste durchgelesen, und das ist auch schon ein paar Jährchen her).
Allerdings sehe ich viele dieser Werke, insbesondere die Briefe an einzelne Gläubige, nicht als hinreichende Belege an, Nichirens eigene Glaubensvorstellungen zu repräsentieren. Gerade diese Briefe sind, wie auch viele andere religiöse Texte/Predigten, Lehren für eine bestimmte Zielgruppe, in einem bestimmten Kontext, in einer bestimmten Situation - also keineswegs universelle und repräsentative Lehren.
Die Vorstellung eines "Reinen Landes des Geiergipfels", welches anderorts/-zeits existiert als im "Hier-und-Jetzt", widerspricht aus meiner Sicht klar der Doktrie von Ichinen Sanzen, welche ich gegenüber anderen Lehren schon als universell ansehe.
Von diesen Doktrien her kann das "Reine Land des Geiergipfels" eigentlich nur als Synonym für die Zehnte Welt -also die Buddhaschaft- verstanden werden.
< gasshô >
Benkei
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Zum Begriff "Ichinen Sanzen" hier eine kurze Übersetzung von der Seite Buddhist Centre Namo-Myoho-Renge-Kyo:
"Im Buddhismus gibt es ein Konzept welches Ichinen Sanzen genannt wird. Dies ist das Prinzip, das jeder Moment des Lebens [Ichinen] alle 3000 möglichen Welten beinhaltet. 'Ichinen' beinhaltet Lebensessenz und 'sanzen', die Phenomene, welche sie manifestiert. Dieses Prinzip, welches im Lotos Sutra enthalten ist, wurde von dem chinesischen Meister T'ien Tai auf der Basis des Lotos Sutra entwickelt. In jedem Moment erfährt das Leben eine von zehn Lebensstadien, welche "Die Zehn Welten" genannt werden. Jede dieser "Welten" beinhaltet das Potenzial für alle Zehn Welten in sich selbst, was 100 mögliche Welten ergibt. Jede dieser 100 möglichen Welten beinhaltet zehn Faktoren. Die zehn Faktoren sind Prinzipien um die Wesenheit des Lebens und sein Wirken zu klären; sie beinhalten: Erscheinung, Natur, Substanz, Kraft, Funktion, Ursache, Bedingung, Auswirkung, Ergebnis und Folgerichtigkeit vom Anfang bis zum Ende.
Letztlich sind alle Wesen verschieden von allen anderen, was durch die Drei Reiche der Existenz, welche Individuum, Gesellschaft und Umwelt beinhalten, ausgedrückt wird. Das Individuum besteht aus den Fünf Aggregaten, nämlich Benennung, Vorstellung, Wille, Bewusstsein und Form. Das Wesentliche ist das Dasein. Dasein ist weder Existenz noch Nicht-Existenz und steht in direktem Kontakt mit der Wahren Wesenheit."
Ich hoffe meine schnelle Übersetzung ist nicht allzu schlecht. Nach kurzer Recherche zum Begriff 'Ichinen Sanzen' befand ich den vorgenannten Text als kurzen Umriss doch recht treffend.
Die "Zehn Welten" sind übrigens: Hölle, Hunger, Animalität, Ärger, Ruhe, Vorübergehende Freude, Lernen, Teilerleuchtung, Bodhisattvaschaft und Buddhaschaft. Die ersten sechs Welten entsprechen den Sechs Daseinbereichen in der geänderten Reihenfolge: Hölle, Pretas, Tiere, Asuras, Menschen und Devas; die letzten vier Welten entsprechen: Sravaka, Pratyekabuddha, Bodhisattva und Buddha.