Beiträge von Karnataka im Thema „Gibt es Reinkarnation oder Wiedergeburt?“

    Sonnenschein,


    theoretisch kann ich verstehen, wovon du sprichst. Das „Jetzt“ ist das Realste und doch kein Begriff der Naturwissenschaft. Dazu möchte ich sagen, dass unser Geist ja von vornherein das Dauern der Zeit in unsere Wahrnehmung legt, wir also von uns heraus die Empfindung Zeit schaffen. Denken und Zeit sind daher gar keine so unterschiedlichen Dinge, sondern haben wohl den gleichen Ursprung. (In Verbindung mit unserem Thema der Wiedergeburt müsste man vielleicht die Wiedergeburt des ewig Gleichen… wie dem auch sei… Heidegger hat das zu denken versucht)


    praktisch sehe ich aber, dass ich ohne eine Reflexion meiner Gedanken in der Meditation nicht auskomme. Mein Geist ist eine Wunschmaschine und ein großer Prozentsatz meiner Gedanken gründet in ständigen Wünschen, Begierden, „Anhaften“ oder auch Ängsten, Ablehnung, Neid und so weiter. Diese Gedanken sind jedoch tatsächlich für meine Zufriedenheit nicht notwendig und vielmehr sehr oft eine Wurzel der Unzufriedenheit, des Leides, für mich und meine Umwelt, so interpretiere ich Buddhas Lehre.
    So gründet vielleicht jene Zufriedenheit, die mich im Alltag etwas mehr im Hier und Jetzt verweilen lässt, in der Reflexion meiner Gedanken, die in der ersten Phase der Meditation auftauchen und mein Geist kann sich schließlich, mit der Empfindung von Wahrheit, in einen meditativen Gedanken versenken.

    Sonnenschein,


    du schreibst: „Die eigenen Gedanken beobachten zu lernen und zu erkennen, dass wir nicht unsere Gedanken sind halte ich für die beste Praxis…“ Diese Bemerkung scheint mir nicht fremd und ich antworte, indem ich meine Gedanken dazu formuliere. Ich hoffe, nicht gänzlich an dem von dir gemeinten vorbei zu schwadronieren.


    Zur Selbsttätigkeit des Denkens, dessen Beobachtung und zum aktiven Leiten der Gedanken:
    Wenn es in der Meditation gelingt, sich von störenden Emotionen (Wut, Angst, Gier, Neid…) frei zu halten, so fassen meine Gedanken schlussendlich von selbst einen wohltuenden Inhalt und der Geist versenkt sich durch das Festhalten dieses Inhalts, beispielsweise ein liebendes Gefühl für einen Menschen, mit dem ich zu tun habe. Vielleicht entspricht diese Beruhigung des Geistes seiner eigenen Natur. Hier sehe ich die Selbsttätigkeit des Denkens.
    Die Auswahl für das Festhalten sehe ich aber im Zusammenhang mit (buddhistischer) Weisheit und das ist dann doch eine aktive Tätigkeit, die von mir ausgeht. Es verlangt also ein aktives Erkennen, was dem Geist gut tut, nämlich beispielsweise Liebe zu einem Mitmenschen, für andere da sein, Besinnung auf Vergänglichkeit, Dankbarkeit für das Leben (…) oder auch die illusorische Seite des Selbst und das Schaffen von Unglück.


    Zu Vergänglichkeit und etwas, das nicht vergänglich ist:
    Du schreist: „Erkennen wir die Vergänglichkeit aller Dinge, so erkennen wir auch, dass es etwas geben muss das nicht vergänglich ist um die Vergänglichkeit zu erkennen...“ Dies ist auch für mich ganz entscheidend, allerdings war es weniger eine philosophische Argumentation, die mich schlussendlich zu diesem Glauben gebracht hat, sondern es war eine Lebenskrise. Erst nachdem der Gedanke so stark wie eine Erfahrung und überraschend zu mir getreten ist, gewannen die philosophischen Erklärungen erneut an Bedeutung. Dies ist auch der Grund, weshalb ich gerne von mir berichte und mich scheue, philosophische oder buddhistische Modelle allzu schnell hervor zu graben. Aber natürlich prägt das das Nachdenken und Erklären, keine Frage.


    Zusammenhang Praxis und Alltag:
    Der Zusammenhang von Praxis und Alltag ist, wie du schreibst, kritisch zu beobachten. Das tatsächliche Lernen des Geistes hinkt wohl der meditativen Praxis hinterher, doch bei kontinuierlichem Üben, einem optimistischen Geist und Rahmenbedingungen, die Achtsamkeit zulassen, ist dieser Zusammenhang praktisch ein Naturgesetz, oder?

    ich möchte zur Frage der Reinkarnation meine Meinung beisteuern und entschuldige mich zugleich, nicht im Sinn eines Gesprächs auf die vorherigen Beiträge einzugehen, die ich aber mit Interesse gelesen habe.


    ich persönlich bin vom „Geist des klaren Lichtes“ (tibet.: Ösel) sehr überzeugt. Damit ist etwas Lichthaftes gemeint, das nicht vom Tod dahin gerafft wird. Die Tibeter bezeichnen dies als Grundbewusstsein und man kann viele Überlegungen dazu anstellen. Ist dieses Licht für sich in der Zeit? Ist es dasjenige Grundbewusstsein, das die Welt in ihr Erscheinen bringt? Wie verhält sich diese Lichthaftigkeit zur großen Ruhe, dem Nirvana? etc.


    Ich denke, solch eine Überzeugung von einem lichthaften Substrat kann der Meditation nützen und durch die Meditation vertieft werden. Sie dürfte in allen Religionen zu finden sein. Vielleicht kann man von hier aus die Frage nach Reinkarnation stellen? Kann sich aus diesem Grundsubstrat eine neue Existenz d.h. Leben gründen? Könnte diese Lichthaftigkeit auch individuelle Eigenschaften, beispielsweise unser mitfühlende Verbundenheit, tragen?


    Ich meine aber, dass die mitfühlende Verbundenheit und das Reduzieren von Egozentrik und Selbstsucht, wie dies dem buddhistischen Weg entspricht, nicht unbedingt durch mögliche Konsequenzen einer Wiedergeburt argumentiert werden müssen, sondern dass diese Qualitäten für sich selbst sprechen und überzeugen, weil sie doch für ein glückliches Leben notwendig sind.