Wie lange wird es dauern?
Es muss noch etwas zur Dauer der benötigten Zeit gesagt werden in der man diese Stufen
meistert. Im Gegensatz zu dem was in moderner Meditations-Literatur oft impliziert oder
offen Behauptet wird, muss die Meisterung der zehn Stufen weder viele Jahre oder Dekaden
dauern, noch sind ausgedehnte Retreats eine absolute Notwendigkeit. Als ich begann
Meditation zu lehren, dachte ich die meisten fleißig praktizierenden Menschen würden es in
weniger als einem Jahr schaffen. Seitdem habe ich gelernt, dass dies nicht nur in Bezug auf
die meisten Menschen total unrealistisch ist, aber auch, dass solche Aussagen zur Ursache für
Frustration und Entmutigung bei denen führen kann, die trotz noch längerer Zeiten
ernsthafter Praxis einen solchen Grad der Meisterung nicht erlangt haben. Andererseits gibt
es wirklich Leute, die durch den Einsatz der beschriebenen Methoden alle zehn Stufen in
weniger als einem Jahr vollendet haben und andere in weniger als drei Jahren – resultierend
aus einer regulären täglichen Praxis von 1 bis 2 Stunden, plus den hier vorgeschlagenen
Nebenleistungen und ergänzt von kürzeren oder längeren Retreats, die aber nicht unbedingt
Monate oder gar Jahre dauern müssen. Ihr könnt euch also auf jeden Fall sicher sein, dass es
zumindest für einige Haushälter möglich ist in ein paar Monaten oder Jahren regulärer,
fleißiger und täglicher, gelegentlich ausgedehnter Praxis.
Es gibt eine Reihe von Faktoren die über die Rate des eigenen Fortschritts entscheiden,
einige die beeinflussbar und einige die es nicht sind. Zunächst gibt es verschiedene
Menschen mit verschieden Neigungen, karmischen Prädispositionen wenn ihr so wollt, für
Konzentration und Gewahrsein. Genauso gibt es Lebensstile und berufliche Karieren die
eben auf diese förderlich wirken können. Dieser Unterschied zwischen Individuen wird vom
Fakt weiter verstärkt, dass eine Person mit einer von Natur aus starken
Konzentrationsfähigkeit, auch höchstwahrscheinlich Interessen und Aktivitäten nachgehen
wird wo eben dieses Talent gefragt ist. Und diese Aktivitäten werden wiederum diese
natürliche Konzentration enorm erweitern. Es gibt also offensichtlich erhebliche
Unterschiede zwischen den Menschen die sich schon vor dem Eintritt in ein meditatives
Leben bemerkbar machen.
Eine weitere große Variation unter den Leuten besteht in der Fähigkeit sich zu einer
rigorosen Praxis zu disziplinieren und auch wie schnell sich die Praktizierenden entmutigen
lassen. Die benötigte Zeit um überhaupt die erste Stufe zu meistern wird einen enormen
Einfluss darauf haben wie schnell wir die anderen Stufen schaffen können und nicht alle
Praktizierenden werden das erste Stadium gleich schnell meistern. Als ich munter davon
ausgegangen bin, dass es alle in weniger als einem Jahr schaffen könnten, habe ich diesen
Punkt nicht vollständig erfasst und irrtümlicherweise angenommen der Startpunkt des
gesamten Prozesses wäre jener den ich nun als Stufe zwei betrachte. Etwas was ich seit dem
Beginn des Lehrens von Meditation entdeckt habe, ist wie viele Menschen über Jahre hinweg
durch die Bewegungen der Meditation durchschreiten, sowohl in Retreats als auch in der
täglichen Praxis. Tatsächlich verbrachten sie den größten Teil ihrer Zeit damit zu grübeln,
planen, träumen, fantasieren oder in Trance zu sitzen!
Aber sobald man eine Praxis etabliert hat die durch Fleiß und Regelmäßigkeit charakterisiert
wird, wird der wichtigste Faktor das klare Verständnis der natürlichen Reihenfolge der
Entwicklung von mentalen Fähigkeiten die kultiviert werden, der die Geschwindigkeit des
Fortschritts beeinflusst und die Kenntnis von simplen Methoden die Hemmnisse auf eine
geschickte Weise überwinden können und nicht durch rohe Gewalt. Man kann nicht Rennen
bevor man das Gehen gelernt hat und genauso muss ein ununterbrochener Fokus vorhanden
sein bevor Einspitzigkeit eintritt, eine aktiv beschäftigte Aufmerksamkeit bevor es zu einer
nicht-konzeptuellen Beobachtung kommt und die Kontrolle der Aufmerksamkeit vor der
Beruhigung der Sinne. Leider beeinträchtigen sehr viele Meditierende ihren Fortschritt auf
eine enorme Weise indem sie endsprechend versuchen ein triple-axel (schwieriger
Skateboardtrick) zu vollbringen bevor sie das Skaten gelernt haben. Genauso wie ein Skalpell
manchmal effektiver sein kann als ein Hammer, wird geschicktes Anwenden und positive
Vertiefung der natürlichen Tendenzen des Geistes bei weitem mehr bringen als der Versuch
den Geist durch blinde Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit zu unterjochen. Ich hoffe aufrichtig,
dass ich diese Punkte auf eine Weise klarstellen konnte, die ernsthaften Praktizierenden zu
Erfolgen verhelfen wird, die innerhalb von wenigen Monaten oder Jahren und nicht Dekaden zu
schaffen sind. Wenn der Meditierende die Stufen des Kultivierens von Konzentration und
Gewahrsein und wieso sie sich in eben dieser Reihenfolge entwickeln müssen, klar verstehen
wird, wird er sich hunderte wenn nicht tausende von Stunden vergeblicher Mühe sparen
können.
Und dann gibt es noch die oben genannten Lebensfaktoren und stressvollen Ereignisse, die
dazu tendieren jeden vollzogenen Fortschritt zu stören und uns wieder an einen früheren
Punkt zu bringen. Bis zu einem gewissen Grad hat fast alles was außerhalb der Meditation
stattfindet diesen potentiellen Effekt. Und das kann der Hauptfaktor sein der bestimmt wie
lange die Meisterung der zehnten Stufe braucht. Es gibt die übliche Tendenz die Praxis vom
restlichen Leben zu trennen. Wenn jedoch alles was gelernt wurde und die aus dem Sitzen
gewonnenen Fähigkeiten nicht außerhalb des Kissens für den Rest des Tages zum
fortwährenden Einsatz kommen, ist es so als wenn man eine Badewanne mit Wasser füllen
und weggehen würde, ohne den Stöpsel einzusetzen. Sobald man zurückgekehrt ist, wird die
Wanne fast wieder leer sein und der Füllprozess kann ewig so weitergehen. Ich glaube, dass
das der Grund für die Annahme ist, lange Retreats würden für einen Fortschritt zwingend
notwendig seien. Aber ohne der Erweiterung und Erhaltung aller Elemente der Praxis im Rest
des täglichen Lebens, wäre es das gleiche Unterfangen mit dem Unterschied, das die Wanne
größer geworden ist. Auch wenn der Anschein stimmen mag, dass das Nachfüllen der
größeren Wanne über einen großen Zeitraum und kürzere Perioden der Abwesenheit zu
einem Fortschritt führen kann, in anderen Worten längere und häufigere Retreats, so wäre
der bloße Einsatz eines Stöpsels erheblich effektiver! Verlängerte Retreats sind wundervoll
und können den eigenen Fortschritt enorm beflügeln, aber ihr größter Wert kann nur dann
realisiert werden, wenn das Herz der Praxis jeden Aspekt vom Leben des Meditierenden
durchdringt. Es gibt gewisse wichtige Zusatzleistungen außerhalb der formalen Praxis, über
die später diskutiert werden wird, die dem Meditierenden gerade bei dieser Angelegenheit
helfen werden.