Die Authentizität eines Kindes vs. Zen-Praxis

  • Ich nehme dorn's Aussage "dass Erwachen nicht dazu führt, einen Menschen perfekt zu machen, sondern sich so anzunehmen, wie man ist" hier mal als Anlass, um eine Frage zu stellen die im Buddhismus immer wieder auftaucht.


    Man hört, liest oder begegnet immer wieder (von) langjährigen (nicht nur Zen) Praktzierenden, die ab einem gewissen Zeitpunkt hauptsächlich nur noch das machen wonach ihnen ist. Sie sehen das aber nicht als Verlassen des Weges an, sondern gerade als dessen Vervollkommnung. Sie begründen das aus Sicht der Praxis meist so, das sie ihren Bedürfnissen ja nun bewusst, achtsam, ganz, ungetrennt, ohne Anhaftung, ohne Gier, ohne Ich-Illusion, usw. nachgehen, so das man diese Handlungen nicht mit denen eines Nicht-Praktizierenden verwechseln dürfe.


    Da stellt sich mir die Frage, wenn (Zen)-Praxis bei manchen Praktizierenden hauptsächlich nur zu Selbstverwirklichung führt, wo ist da der Unterschied zu einem Kind, das, mit ungeteilter Hingabe, auch nur das tut wonach ihm gerade ist?


    Und was hat diese Art der Selbstverwirklichung mit der triebfreien Gemütserlösung zu tun, von der der Buddha ganz grundlegend sprach?


    Zitat

    »Selbst wenn, o Herr, einem derart vollkommen geisteserlösten Mönche gar eindringlich sichtbare Formen in den Gesichtskreis treten . . . hörbare Töne in das Hörgebiet treten . . . riechbare Düfte in das Riechgebiet treten . . . schmeckbare Säfte in das Schmeckgebiet treten . . . körperliche Eindrücke in das Körpergebiet treten . . . geistig erkennbare Dinge in den Denkkreis treten, so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.«


    http://www.palikanon.com/angutt/a06_055-060.html


    Zitat

    Da betrachtet man zwar nicht Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen, Bewußtsein als das Selbst und hat auch nicht die Ansichten: 'Dies ist das Ich...' oder 'Würde ich nicht gewesen sein...', aber man hat Unsicherheit und Zweifel, ist nicht zur Gewißheit gelangt im guten Gesetz. Solche Unsicherheit aber, solcher Zweifel und solche mangelnde Gewißheit im guten Gesetz, eine (geistige) Gestaltung ist dies. Von solcher (geistigen) Gestaltung aber, was ist ihre Ursache, ihre Entstehung, ihre Herkunft, ihr Ursprung? - Das Begehren, das in einem unerfahrenen Weltmenschen aufsteigt, wenn er ein Gefühl empfindet, entstanden aus einem mit Nichtwissen verbundenen Sinnen-Eindruck: daraus entstanden ist solche (geistige) Gestaltung. So ist denn, Mönche, diese (geistige) Gestaltung vergänglich, zusammengesetzt, bedingt entstanden; und auch dieses Begehren ist vergänglich, zusammengesetzt, bedingt entstanden; und auch dieses Gefühl ist vergänglich, zusammengesetzt, bedingt entstanden; und auch dieser Sinnen-Eindruck ist vergänglich, zusammengesetzt, bedingt entstanden; und auch dieses Nichtwissen ist vergänglich, zusammengesetzt, bedingt entstanden. - So wissend, so verstehend, ihr Mönche, kommt es unmittelbar zur Versiegung der Triebe."


    http://www.palikanon.com/samyutta/sam22_090.html

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:


    Man hört, liest oder begegnet immer wieder (von) langjährigen (Zen) Praktzierenden, die ab einem gewissen Zeitpunkt hauptsächlich nur noch das machen wonach ihnen ist.


    Wer ist da man? Und wer hat so eine Einstellung zur Praxis? Kannst du da mal ein paar Namen nennen?

    Zitat


    Sie sehen das aber nicht als Verlassen des Weges an, sondern gerade als dessen Vervollkommnung. Sie begründen das aus Sicht der Praxis meist so, das sie ihren Bedürfnissen ja nun bewusst, achtsam, ganz, ungetrennt, ohne Anhaftung, ohne Gier, ohne Ich-Illusion, usw. nachgehen, so das man diese Handlungen nicht mit denen eines Nicht-Praktizierenden verwechseln dürfe.


    Also wie schon gesagt - wen bitte meinst du da?

    Zitat


    Da stellt sich mir die Frage, wenn (Zen)-Praxis bei manchen Praktizierenden hauptsächlich nur zu Selbstverwirklichung führt, wo ist da der Unterschied zu einem Kind, das, mit ungeteilter Hingabe, auch nur das tut wonach ihm gerade ist?


    ich würde mal sagen - Nicht-Selbst verwirklichung wäre da der bessere Begriff. Der Unterschied zum Kind ist einfach. Wenn man nicht gerade von Essensspenden der Laien lebt, muss man seinen Lebensunterhalt entsprechend der Sila sich erarbeiten.
    Das Kind kann ja das noch nicht und tut das auch nicht. Es tut nicht wonach ihm ist, sondern es wächst heran und wird in die Gesellschaft integriert - dabei muss es das tun, was die Erwachsenen wollen. Schon früh lernt es, dass es sich langweilt, wenn es keine Anregung von außen bekommt. Und wenn es noch ganz klein ist und noch nicht sprechen kann, dann tut es das, was es tut - es brabbelt. Quengelt und gluckst.
    Alles andere ist hinein geheimst.


    Zitat


    Und was hat diese Art der Selbstverwirklichung mit der Trieb-Befreiung zu tun, von der der Buddha ganz grundlegend sprach?


    Garnichts. Langjährige Zen-Praktizierende tun das, was sie tun - wenn ich esse, esse ich. Wenn ich sitze, sitze ich.

  • Aiko:


    Wer ist da man? Und wer hat so eine Einstellung zur Praxis? Kannst du da mal ein paar Namen nennen?


    Das kann und möchte ich nicht, abgesehen von dorn's Eingangszitat. Er möge es mir verzeihen. Man trifft im "Buddhismus" immer wieder darauf, auch wenn das natürlich nur bedingt bis keine Auswirkung auf die eigene Praxis hat, bzw. haben sollte. Aufschlussreich ist es allemal.


    Zitat

    Garnichts. Langjährige Zen-Praktizierende tun das, was sie tun - wenn ich esse, esse ich. Wenn ich sitze, sitze ich.


    Das sehe ich, aber was verstehen denn Zen-Praktizierende, oder du konkret unter Trieblosigkeit, wie sie vom Buddha dargelegt wurde?

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Zitat

    Das sehe ich, aber was verstehen denn Zen-Praktizierende, oder du konkret unter Trieblosigkeit, wie sie vom Buddha dargelegt wurde?


    Wie kommst du darauf dass der Zenmeister triebhaft handeln würde? Nur weil er handelt und das tut wonach ihm ist, heißt es ja nicht dass er triebhaft handelt.


    Ich praktiziere zwar Dzogchen, aber ich glaube in diesem Punkt sind die Schulen sich recht ähnlich:
    Der Punkt ist die geistige Flexibilität die eine enorme Freiheit schafft. Frei von Anhaftung und Ablehnung in purer Präsenz zu sein führt dazu dass man tut wonach einem eben ist. Der Unterschied zum Kind und das Kennzeichen der Trieblosigkeit so wie ich dein Zitat aus dem Palikanon verstanden habe, ist die fehlende Anhaftung des Zenmeisters.


    Wenn z.B. ein Dzogchen-Meister traurig ist, dann ist er so traurig wie ein Kind. Aber die Traurigkeit kann sich eben nicht lange halten. Denn durch seine fehlende Anhaftung und ausgeprägte Achtsamkeit lässt er jedes Gefühl los nachdem er es intensiv wahrgenommen hat. Der Grund seiner Traurigkeit ist von Natur aus Vergänglich. Das Potenzial für Glück und Trauer ist immer vorhanden. Es ist wahrscheinlich dass er durch Nichtanhaftung und Achtsamkeit schnell etwas sieht was ihn glücklich macht. Da er dieses Gefühl genau so annimt wie die Trauer kann er in diesem Moment sehr glücklich sein.


    Diese Leistung kann das Kind nicht erbringen weil es die traurigen und glücklichen Momente nicht so leicht loslassen kann im Gegenteil.


    Liebe Grüße
    Tobias

  • Geronimo:

    Ich nehme dorn's Aussage "dass Erwachen nicht dazu führt, einen Menschen perfekt zu machen, sondern sich so anzunehmen, wie man ist" hier mal als Anlass, um eine Frage zu stellen die im Buddhismus immer wieder auftaucht.


    Im Palikanon jedenfalls werden ein paar Aktivitäten für Erwachte explizit ausgeschlossen:



    Sollte jemand also sagen "Ich bin vollständig erwacht (oder befreit) und wenn ich töte, dann töte ich, wenn ich stehle, dann stehle ich und wenn ich lüge, dann lüge ich", dann wäre das zumindest dem Palikanon zufolge ein Widerspruch in sich.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • gero:

    Zitat

    Ich nehme dorn's Aussage "dass Erwachen nicht dazu führt, einen Menschen perfekt zu machen, sondern sich so anzunehmen, wie man ist" hier mal als Anlass, um eine Frage zu stellen die im Buddhismus immer wieder auftaucht.


    Das ist Unsinn. Wobei natürlich die "perfekte Person/Ego" tatsächlich nicht das Ziel ist, sondern die Verwirklichung des Prinzips, des Dhammas . Anzunehmen wie man im Moment ist, ist ein Ausgangspunkt, umvon Moment zu Moment zu praktizieren. Das heißt Vergegenwärtigung ohne Zuneigung und Abneigung. Allerdings ebdeutet das nicht den aufsteigeneden Impulsen, Gefühlen oder Gedanken einfach stattzugeben, denn das wäre Begehren( Zuneigung ) bzw.Identifikation.Es ist halt die Übung, das fallenzulassen, wachsam zu sein, bei genügend Klarheit: zu betrachten.
    Das Verhalten von Dorn und Co beruht auf einer oberflächlichen Interpretation der Zen-Buddhistischen Philosophie und Dhamma zum eigenen Nutzen, zur eigenen Befriedigung . Ehrlich gesagt: uninelligent und widersprüchlich .


    Zitat

    Man hört, liest oder begegnet immer wieder (von) langjährigen (nicht nur Zen) Praktzierenden, die ab einem gewissen Zeitpunkt hauptsächlich nur noch das machen wonach ihnen ist.


    Mir fällt das nur bei Youngsters auf ( also ohne langjährige Praxis ), auch bei Leuten ohne Anbindung an Sanghas, Einzelgängern oder Korrupten, die Fehverhalten kaschieren wollen. Allerdings selten und noch nie in so einer extremen Ausprägung wie Dorn sie vom Stapel gelassen hat. Hatte selber mal so eine Phase, hat mich freier gemacht in jeder Hinsicht, von inneren Hemmungen erlöst, von Eigenaggressionen ( von meiner Erziehung und Prägung sozusagen ), aber ich habe niemandem dabei geschadet . Weil ich so eine mehrjährige Phase hatte, weiß ich auch wo die Fehlinterpretationen liegen, die zu so skurrilen Auswüchsen führen. Es überfordert mich aber das Leuten zu erklären, die sich nicht mit der Zen-Mahayana-Philosophie und Praxisansatz auskennen . Ist mir zu anstrengend, wenn die Basics fehlen.


    Liebe Grüße
    Ji

  • Moin Geronimo,


    Geronimo:

    ...
    Da stellt sich mir die Frage, wenn (Zen)-Praxis bei manchen Praktizierenden hauptsächlich nur zu Selbstverwirklichung führt, wo ist da der Unterschied zu einem Kind, das, mit ungeteilter Hingabe, auch nur das tut wonach ihm gerade ist?


    Und was hat diese Art der Selbstverwirklichung mit der triebfreien Gemütserlösung zu tun, von der der Buddha ganz grundlegend sprach?
    .........


    Ich mache das, wonach mir ist. Ich kann nur hoffen, du machst das auch. :lol:
    Die Frage ist, wonach ist mir/dir denn?


    Ein Selbst, wenn man darunter ein autonomes Konstrukt versteht, gibt es nicht. Und etwas, das es nicht gibt, kann ich auch nicht verwirklichen.
    Und ein Nicht-Selbst kann ich auch nicht verwirklichen, denn es ist ja schon. Denn wenn ich etwas verwirklichen will, impliziert das für mich, das es noch nicht so richtig da ist. Anatta ist aber ein Daseinsmerkmal und das ist schon. Das brauche ich nicht zu verwirklichen.


    Dein Palikanonzitat hier

    Geronimo:
    Zitat

    »Selbst wenn, o Herr, einem derart vollkommen geisteserlösten Mönche gar eindringlich sichtbare Formen in den Gesichtskreis treten . . . hörbare Töne in das Hörgebiet treten . . . riechbare Düfte in das Riechgebiet treten . . . schmeckbare Säfte in das Schmeckgebiet treten . . . körperliche Eindrücke in das Körpergebiet treten . . . geistig erkennbare Dinge in den Denkkreis treten, so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.«


    http://www.palikanon.com/angutt/a06_055-060.html


    widerspricht dem nicht. Auch der geisterlöste Mönch, auch der Buddha, macht das, wonach ihm ist.
    Auch hier die Frage, wonach ist ihm denn?
    Der "Weltling" und der "Buddha" unterscheiden sich hier meiner Meinung nach nicht.


    Geronimo:

    ........ was verstehen denn Zen-Praktizierende, oder du konkret unter Trieblosigkeit, wie sie vom Buddha dargelegt wurde?


    Für mich bedeutet das, dass ich wahrnehme, was sich bei mir so regt, wenn sich etwas regt und das ich dann entscheiden kann, wie ich damit umgehe.


    LG
    Ji'un Ken

  • Gut geschrieben , Milam. Den letzten Satz würde ich beenden mit: ist er frei darin . In der Loslösung, der Nicht-Anhaftung liegt ja jenes Glück von dem Buddha spricht -Gemüts,-Geisterlösung . Es dringt nichts mehr in seinen Geist ein . Dzogchen und Zen sind sich sehr ähnlich.


    jiun:

    Zitat

    Anatta ist aber ein Daseinsmerkmal und das ist schon. Das brauche ich nicht zu verwirklichen.


    Genau :)


    Nur die Theras hier vermeinen, daß das was Anatta ist, eine Art leere Zone ist . So wie ein unergründlicher Abgrund oder so .
    Glaube ich. Geist,-und Witzlos vielleicht ? Keine Ahnung. Für uns ist halt Buddhanatur, unergründlich, aber unzerstörbar - heilend und tragend !


    Zitat

    so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.«

    Genau . :)

  • Elliot:
    Geronimo:

    Ich nehme dorn's Aussage "dass Erwachen nicht dazu führt, einen Menschen perfekt zu machen, sondern sich so anzunehmen, wie man ist" hier mal als Anlass, um eine Frage zu stellen die im Buddhismus immer wieder auftaucht.


    Im Palikanon jedenfalls werden ein paar Aktivitäten für Erwachte explizit ausgeschlossen:
    Sollte jemand also sagen "Ich bin vollständig erwacht (oder befreit) und wenn ich töte, dann töte ich, wenn ich stehle, dann stehle ich und wenn ich lüge, dann lüge ich", dann wäre das zumindest dem Palikanon zufolge ein Widerspruch in sich.


    Viele Grüße
    Elliot


    Natürlich ist das ein Widerspruch, nicht nur laut Palikanon. Wenn jemand voll erwacht ist geht ihn der ganze Palikanon nichts mehr an. Dein Einwand ist also getragen von der Illusion das Buddha, der der die Lehrreden des Palikanon gehalten hat, der einzige jemals existierende voll Erwachte war. Damit gibst Du mir bekannt das die Vermutung die ich von Dir hatte zum größten Teil wirklich ist: Du haftest am Palikanon. Du haftest nicht an deinem Leben das ordnest Du unter den Palikanon und somit unterwirfst Du dein Leben der Illusion zu einem einzigartigem Wesen dem Du sein Menschsein beraubst. Das ist anhaften an Regel und Riten.

  • Ellviral:

    Wenn jemand voll erwacht ist geht ihn der ganze Palikanon nichts mehr an.


    Aha. Also Du meinst, die Inhalte der Lehrreden haben nur für Unerwachte Gültigkeit? Warum sollte das so sein?


    Es mag zwar eine Wiederholung sein, aber da steht nun mal:



    Warum sollte das jemanden, der voll erwacht ist, nichts mehr angehen?


    Natürlich kann jemand von vornherein sagen, dass ihn sowieso nicht interessiert, was im Palikanon in Zusammenhang mit Erwachen steht, das wäre konsequent. Aber zu sagen: Das gilt zwar für Unerwachte, aber nicht mehr für Erwachte ... scheint mir jedenfalls unsinnig.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    Einmal editiert, zuletzt von Elliot ()

  • Geronimo:
    Aiko:


    Wer ist da man? Und wer hat so eine Einstellung zur Praxis? Kannst du da mal ein paar Namen nennen?


    Das kann und möchte ich nicht, abgesehen von dorn's Eingangszitat. Er möge es mir verzeihen. Man trifft im "Buddhismus" immer wieder darauf, auch wenn das natürlich nur bedingt bis keine Auswirkung auf die eigene Praxis hat, bzw. haben sollte. Aufschlussreich ist es allemal.


    Schade. Denn wie ich bei Ji'un's Beitrag sehe, ist der Punkt meines Widerspruchs genau der, dass ich nicht mache, wonach mir ist.
    Die Fehler im Gedankengang sind von mir unterstrichen:

    Ji'un ken:

    Ein Selbst, wenn man darunter ein autonomes Konstrukt versteht, gibt es nicht. Und etwas, das es nicht gibt, kann ich auch nicht verwirklichen.
    Und ein Nicht-Selbst kann ich auch nicht verwirklichen, denn es ist ja schon. Denn wenn ich etwas verwirklichen will, impliziert das für mich, das es noch nicht so richtig da ist. Anatta ist aber ein Daseinsmerkmal und das ist schon. Das brauche ich nicht zu verwirklichen.


    Es geht nicht um Autonomie bei der "Verwirklichung" - und hier ist natürlich Buddha-Natur gemeint - sondern um das Abfallen dieser behaupteten Autonomie. Wenn meine Fenster dreckig sind, dann putze ich sie - oder: wenn es klingelt, dann öffne ich die Tür - wenn ich mich stoße, dann sag ich Autsch - Das alles ist nicht " ich tue, wonach mir ist" - sondern - ich tue was zu tun ist. Das mir oder ich ist in dieser Aktivität aufgehoben.
    Verwirklichen heißt dann, dass ich - sofern da noch ein ich oder mir ist - das 1. erkenne und 2. es dann "töte", also auslösche. Und das ist nun meine Erfahrung - ich muss noch immer das aktiv tun - dieses "Ja, ja" - oder "nein, nein" - meine Triebe sind nicht erloschen. Ich bin keine Heilige. Da ist immer noch ein Wille. ich bin nicht vollendet oder erwacht.


    Zitat
    Zitat

    Garnichts. Langjährige Zen-Praktizierende tun das, was sie tun - wenn ich esse, esse ich. Wenn ich sitze, sitze ich.


    Das sehe ich, aber was verstehen denn Zen-Praktizierende, oder du konkret unter Trieblosigkeit, wie sie vom Buddha dargelegt wurde?


    Ich hoffe, ich hab' das oben erläutert.

  • Aiko:

    ... Wenn meine Fenster dreckig sind, dann putze ich sie - oder: wenn es klingelt, dann öffne ich die Tür - wenn ich mich stoße, dann sag ich Autsch - Das alles ist nicht " ich tue, wonach mir ist" - sondern - ich tue was zu tun ist....


    Hier handle ich ähnlich.
    Wenn meine Fenster dreckig sind, entscheide ich, ob ich sie putzen will oder nicht, wenn es klingelt, entscheide ich, ob ich öffne oder nicht....
    Das ist für mich "Ich tue, wonach mir ist".


    Bei "ich tue, was zu tun ist", so wie ich dich in deinem Posting verstehe, muss es meinem Empfinden nach eine Art Reglement geben, dass z.B. besagt, dass dreckige Fenster geputzt werden müssen oder dass man beim Klingeln öffnen muss.


    Erst beim "Tun" selbst, also nachdem ich z.B. entschieden habe, das Fenster zu putzen, kann die Ich-Vorstellung in der Aktivität aufgehoben sein. Es kann dann sein, muss aber nicht, dass dann da nur noch Fensterputzen ist. Es kann aber auch sein, das ich putze und mir dabei wünsche, meine Frau hätte es getan. 8)

  • Ji'un Ken:
    Aiko:

    ... Wenn meine Fenster dreckig sind, dann putze ich sie - oder: wenn es klingelt, dann öffne ich die Tür - wenn ich mich stoße, dann sag ich Autsch - Das alles ist nicht " ich tue, wonach mir ist" - sondern - ich tue was zu tun ist....


    Hier handle ich ähnlich.
    Wenn meine Fenster dreckig sind, entscheide ich, ob ich sie putzen will oder nicht, wenn es klingelt, entscheide ich, ob ich öffne oder nicht....
    Das ist für mich "Ich tue, wonach mir ist".


    Bei "ich tue, was zu tun ist", so wie ich dich in deinem Posting verstehe, muss es meinem Empfinden nach eine Art Reglement geben, dass z.B. besagt, dass dreckige Fenster geputzt werden müssen oder dass man beim Klingeln öffnen muss.


    Ja - dieses Reglement gibt es. Nennt sich Konventionen.
    http://dharani-aiko.blogspot.d…lentin-konvention_13.html

    Zitat


    Erst beim "Tun" selbst, also nachdem ich z.B. entschieden habe, das Fenster zu putzen, kann die Ich-Vorstellung in der Aktivität aufgehoben sein. Es kann dann sein, muss aber nicht, dass dann da nur noch Fensterputzen ist. Es kann aber auch sein, das ich putze und mir dabei wünsche, meine Frau hätte es getan. 8)


    Schon die Vorstellung, du entscheidest, dass ..... erzeugst das Ich.

  • Zitat

    »Selbst wenn, o Herr, einem derart vollkommen geisteserlösten Mönche gar eindringlich sichtbare Formen in den Gesichtskreis treten . . . hörbare Töne in das Hörgebiet treten . . . riechbare Düfte in das Riechgebiet treten . . . schmeckbare Säfte in das Schmeckgebiet treten . . . körperliche Eindrücke in das Körpergebiet treten . . . geistig erkennbare Dinge in den Denkkreis treten, so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.«


    so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.
    so vermögen sie seinen Geist nicht mehr zu fesseln; sein Geist ((( der nachdenkende, verfolgende, ergründen wollende))) bleibt unberührt, standhaft, unerschütterlich, und in all dem sieht er die Vergänglichkeit.
    Er kann handeln ohne das er eine Spur hinterlässt. Er handelt ohne Gier Hass Verblendung denn dann würde er eine Spur hinterlassen.


    Das Kind hinterlässt Spuren die es im nach Kind Zeitalter erkennen kann, wenn er sich seines Dukkha bewusst wird und sich fragt: Warum bin ich Verletzt, beleidigt, jammernd, anklagend, rachsüchtig, hasserfüllt.
    Beschäftigt sich der so Denkende mit den Spuren wird er ab jetzt anders handeln und die Spuren die er jetzt hinterlässt werden immer unsichtbarer ohne das er an den Spuren der Vergangenheit irgendetwas ändern kann. Er wird erkennen das gerade das nicht ändern können der geschaffenen Spuren Mitgefühl/Metta erscheinen lässt. Es ist das Lieben seiner Spuren, ohne Diese wäre er Nie das geworden was er jetzt ist. Er ist sich sicher das er ohne bedingtes Entstehen und ohne das bedingte Geschehen das ihn geschaffen hat nicht fähig das zu tun was jetzt zu tun ist, immer befreiter von Gier Hass Verblendung.


    Ich weiss das ich Handlungen begangen habe die ich nicht anders hätte begehen können, doch das heißt nicht das diejenigen die meine Handlungen betroffen haben mir die Handlungen nicht vorwerfen. Ich kann nichts tun um die Betroffenen zum Erkennen zu bringen wenn diese mich als Katalysator ihrer Vergeblichkeit, ihre Spuren zu erkennen, benutzen WOLLEN. Ob sie das wissen das sie das wollen ist nicht von Bedeutung für die Folgen dieser Handlung. Aber ohne Bedeutung für mich: Ich tue das was ich zu tun habe.

  • Geronimo:

    Ich nehme dorn's Aussage "dass Erwachen nicht dazu führt, einen Menschen perfekt zu machen, sondern sich so anzunehmen, wie man ist".


    dem stimme ich zu.


    Zitat

    Man hört, liest oder begegnet immer wieder (von) langjährigen (nicht nur Zen) Praktzierenden, die ab einem gewissen Zeitpunkt hauptsächlich nur noch das machen wonach ihnen ist.


    lieber Geronimo, ich will dir aus meiner sicht diesen satz mal erleutern.
    es geht nicht darum zu machen "wonach mir gerade ist", das klingt für mich nach willkür, beinhaltet auch zu deutsch "ein loch in die welt zu leben ", keine verantwortung für mein denken und tun zu übernehmen.
    so ist das nicht, das gegenteil ist der fall.
    wenn ich sozusagen aus freien stücken, also so frei von dem "schutz" einer autorität, egal in wecher form sie erscheint, denke und handle, übernehme ich voll die konsequenzen für meine handlungen.
    wenn einer, also ich "tue woach mir ist" dann liefere ich mich den vielfältigen möglichkeiten aus, das bedeutet nicht das ich mein fähnchen gerade so in den wind hänge, wie es für mich güntig ist. es gibt das vorteilsdenken, konkurenzdenken nicht, oder wenn solche gedanken aufkommen bin ich mir dessen bewust und bei mir setzt ein hinterfragen ein..."warum geschiet das mit mir", ich lasse nicht locker bevor ich das mit mir geklärt habe, damit ist das "problem" vom tisch...
    das ist ein leben ohne netz und dopelten boden.


    meine signatur ist ein spigel meiner inneren haltung, ein steiniger acker, aber für mich von jeher die einzige möglichkeit .
    für mich ist die Buddhalehre eine inspiration und kein gestezt....sie ist ein mailenstein, eine richtschnur, der rote faden der meine innere haltung sanft oder auch mal hart in frage stellt, hinterfragt und je nach ergebniss ach korrigiert.
    sie ist für mich ein dialog partner.
    erwachen ist nichts spektakuläres, erwachen ist da wenn es da ist, kein zustand der erreicht werden kann soll....
    Chan wird gerne als "lebens-haltung" bezeichnet, dass ist für mich die "essenz" der lehre.


    ich bin kein mensch der worte, ich hab meine formullierungs schwierigkeiten, aber vieleicht versteh doch jemand was ich sagen wollte.


    LG


    _()_
    .

  • Aiko:

    ..Schon die Vorstellung, du entscheidest, dass ..... erzeugst das Ich.


    Das macht nichts. Im Rahmen der Konventionen kann ich damit gut leben. :)

  • Elliot:
    Ellviral:

    Wenn jemand voll erwacht ist geht ihn der ganze Palikanon nichts mehr an.


    Aha. Also Du meinst, die Inhalte der Lehrreden haben nur für Unerwachte Gültigkeit? Warum sollte das so sein?
    Warum sollte das jemanden, der voll erwacht ist, nichts mehr angehen?
    Natürlich kann jemand von vornherein sagen, dass ihn sowieso nicht interessiert, was im Palikanon in Zusammenhang mit Erwachen steht, das wäre konsequent. Aber zu sagen: Das gilt zwar für Unerwachte, aber nicht mehr für Erwachte ... scheint mir jedenfalls unsinnig.


    Viele Grüße
    Elliot


    Der Palikanon erfüllt sich in ihm. Der Palikanon geht ihn nichts mehr an weil er der Palikanon ist und nicht mehr das Buch.

  • Ji'un Ken:
    Aiko:

    ..Schon die Vorstellung, du entscheidest, dass ..... erzeugst das Ich.


    Das macht nichts. Im Rahmen der Konventionen kann ich damit gut leben. :)


    _()_

  • Ein Erwachter wird einfach ein paar Dinge, ohne dass er überlegen muss, einfach nicht mehr machen, da er sie als nicht heilsam, nicht gut tuend für sich und andere und/oder als nicht (entgültig) befriedigend erkannt hat.
    Er hat, nach dem Erwachen und restlosem Aufheben der Verblendung/Unwissenheit "was Besseres" gefunden.
    Etwas, was nicht auf Gier und Hass basiert, bzw. daraus resultiert.



    Ji'un Ken:

    Auch der geisterlöste Mönch, auch der Buddha, macht das, wonach ihm ist.
    Auch hier die Frage, wonach ist ihm denn?

    .


    Nach manchem ist ihm eben nicht mehr.


    Liebe Grüße
    Kusala

  • Zorița Câmpeanu:


    ich bin kein mensch der worte, ich hab meine formullierungs schwierigkeiten, aber vieleicht versteh doch jemand was ich sagen wollte.


    Hi Zorita,
    ich finde, das hast Du gut und deutlich ausgedrückt. Deine und auch Aikos Sichtweise ähneln meiner. Deshalb kann ich dem nichts hinzufügen, außer:


    Ich kann tun, was ich will, denn ich will ja, was ich tue.
    _()_ Monika

  • Ji'un Ken:
    Aiko:

    ..Schon die Vorstellung, du entscheidest, dass ..... erzeugst das Ich.


    Das macht nichts. Im Rahmen der Konventionen kann ich damit gut leben. :)


    So sehe ich das auch - da sind Konventionen und niemand sonst. Und wie ist das mit Konventionen, die unheilsam sind?

  • Ellviral:

    Der Palikanon erfüllt sich in ihm.


    Gut, also muss für ihn doch gelten:


    Zitat

    Ein Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, ist unfähig, absichtlich einem Lebewesen das Leben zu nehmen; er ist unfähig zu nehmen, was nicht gegeben wurde, das heißt zu stehlen; er ist unfähig, sich dem Geschlechtsverkehr hinzugeben; er ist unfähig, wissentlich die Unwahrheit zu sprechen; er ist unfähig, Sinnesvergnügen zu genießen, indem er sie ansammelt, wie er es früher im Laiendasein getan hat [4].


    (MN 76)


    Ellviral:

    Der Palikanon geht ihn nichts mehr an weil er der Palikanon ist und nicht mehr das Buch.


    Zumindest muss er nicht ständig darüber nachdenken, was er noch tut und was er nicht mehr tut:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Aiko:
    Ji'un Ken:

    Das macht nichts. Im Rahmen der Konventionen kann ich damit gut leben. :)


    So sehe ich das auch - da sind Konventionen und niemand sonst. Und wie ist das mit Konventionen, die unheilsam sind?


    wenn niemand sonst da ist, wer bezeichnet sie als "unheilsam" oder "heilsam" ?
    das ist keine provokative frage!


    LG
    _()_
    .

  • Kusala:

    Nach manchem ist ihm eben nicht mehr.


    Was nicht zuletzt an der entsprechenden Praxis liegt:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Geronimo:


    ...
    Da stellt sich mir die Frage, wenn (Zen)-Praxis bei manchen Praktizierenden hauptsächlich nur zu Selbstverwirklichung führt, wo ist da der Unterschied zu einem Kind, das, mit ungeteilter Hingabe, auch nur das tut wonach ihm gerade ist?
    ...


    Heißt es nicht: "Zengeist ist Anfängergeist"?


    Insofern gibt es in diesem Falle keinen Unterschied zum Kind.


    Lg


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."