Toleranz üben

  • Hallo zusammen,


    aus verschiedenen Gründen bin ich vor Jahren aus der Kirche ausgetreten, weil es einfach nicht mehr "meine" Religion war.


    Naiverweise dachte ich früher immer, der Buddhismus wäre eine so "lockere" Religion, "das möchte ich auch", aber - weit gefehlt...
    Bis jetzt habe ich nur Beobachtungen auf meinen Reisen durch Asien angestellt und auch Vieles nachgelesen. Das Einzige, was mir auffällt ist die Tatsache, dass ich Dinge bewusster in Angriff nehme, seitdem ich mich mehr und mehr mit dem Buddhismus beschäftige. Ich versuche, dieser "Zerstreuung" zu entkommen, ich meine damit, dass ich nicht mehr Vieles auf einmal mache, sondern nur eine Arbeit nach der anderen und die aber richtig bewusst.


    Ab und an "meditiere" ich, wenn man das überhaupt so nennen kann, ich versuche, zur Ruhe zu kommen, dieses "Geplappere" in meinem Hirn auszublenden, bzw. "anzugucken" und dann gehen zu lassen wie eine dunkle Wolke. Dann überdenke ich mein Verhalten anderen gegenüber und spüre deutlich, dass ich da schon an meine Grenzen komme, ich beherrsche mich zwar, aber in mir drinnen spüre ich mal mehr, mal weniger eine "Intoleranz" anderen Verhaltensweisen der Menschen gegenüber, da komme ich an den Punkt, wo ich mir denke:"Aha, so locker ist das wohl doch nicht, denn Toleranz zu üben, ist gar nicht mal so einfach." (Nur so als Beispiel).


    Tja, irgendwie möchte ich den Buddhismus in mein Leben integrieren, weiß aber dummerweise gar nicht so recht, wie und wo ich überhaupt anfangen soll.


    Könnt ihr mir bitte einen Tipp bzw. Rat geben?


    Freue mich über jede Antwort!


    Vielen Dank,


    eure Joella

  • Joella:

    Tja, irgendwie möchte ich den Buddhismus in mein Leben integrieren, weiß aber dummerweise gar nicht so recht, wie und wo ich überhaupt anfangen soll.


    Sieht ganz so aus als wärst du bereits mitten drin im "Integrieren". Oder meinst du, dass Integrieren dann anfängt, wenn alles ideal, den eigenen Vorstellungen entsprechend, läuft? Integrieren ist doch Üben im Alltag und wenn du da deine Grenzen bemerkst, dann ist das doch gut, weil es dir was zum Üben gibt. Grenzen gilt es aufzulösen, deswegen ist da immer von "Befreiung" die Rede. Diese Grenzen sind idR selbst-auferlegte Begrenzungen. 8)

  • Hallo Grund,


    lieben Dank für den Denkanstoß! Ich werde ihn in meine Meditationen aufnehmen und noch mehr die Situationen im Alltag beobachten, die mir einfach Grenzen aufzeigen!


    Viele Grüße,


    Joella

  • Hi.
    Wir suchen ja unentwegt nach Zufriedenheit und Glück. Das ist völlig normal,
    nur Buddha hat gesagt, es gibt nirgends Zufriedenheit und Glück, das nicht vergeht,
    außer in der Erlösung, im Nirvana.
    Wir lehnen ab, was uns nicht gefällt, weil uns das kein Glück und Frieden bringt oder verspricht.
    Der "Spitzenbegriff" im Buddhismus ist Hass; wir lehnen alles ab, was unser Bedürfnis nicht stillt oder stillen könnte.
    Auch das ist völlig normal.
    Das Problem ist, dass wir anderen und uns selbst damit schaden, obwohl Ablehnung ja eigentlich ein Schutzfaktor sein soll.
    Wir wollen uns schützen mit Ablehnung oder Intoleranz.
    Was passiert aber in Geist und Körper, wenn wir intolerante, ablehnende, negierende Gefühle und Gedanken aufgreifen
    und fortspinnen und das tun wir ja normalerweise ganz unbewusst und unreflektiert...
    Denk mal an jemanden, den Du nicht leiden kannst, steiger dich richtig rein,
    dann halt inne und schau Dir den Schlamassel an.
    Wenn Dein Kopf wieder klar ist und du wieder entspannt bist, denk wieder an jemanden, den Du nicht leiden kannst,
    aber diesmal beobachtest Du wertungsfrei den aufkeimenden Ärger, die aufkeimenden Vorstellungen und Gedanken.
    Nimm diese Impulse nicht auf, betrachte sie nur eine Weile.


    Wo ist der Unterschied in deiner geistigen und körperlichen Verfassung ?


    Der Einstieg ist die Betrachtung, die Bewusstwerdung. Ein besserer Einstieg ist die Betrachtung mit GÜTE.
    Sonst verwickeln wir uns in Ablehnung gegen uns Selbst. Ablehnung gegen die eigene Intoleranz. Das bringt im Ergebnis
    aber dasselbe Unheil wie o.g., denn es ist egal, ob wir unsere eigene Einstellung ablehnen oder die der anderen, es ist
    dieselbe Energie.

  • hallo Joella, sehe ich das richtig, dass du zunächst einfach ein paar tips suchst, wie man ganz praktisch anfängt, die lehre des Buddha in seinen alltag einzubauen?


    wenn ja, empfehle ich die das Buch von Volker Zotz " Mit Buddha das Leben meistern". hier werden viele kleine übungen beschrieben, die man tag für tag und woche für woche ausbauen kann. du wirst dabei sicher auf einzelne aspekte der lehre stoßen, die dich besonders ansprechen. darüber kannst du dann gezielt nachlesen oder hören.


    buddhismus setzt ein kleines bisschen kenntnis der lehre voraus. einfach um einen ausgangspunkt zu haben. der weg zur "weisheit" wird oft als dreiteilig beschrieben: erst kommt das lesen oder hören über ein thema, dann das reflektieren und nachdenken und schließlich das aneignen in der meditation.


    man kann das mit dem essen vergleichen: das kauen, schmecken und schlucken der nahrung entspricht dem lesen und hören, das verdauen in magen und darm dem reflektieren, und mit der "aneignung" wird die nahrung ein teil von dir selbst. das geschieht in der meditation.

    _()_
    donyman

  • Hallo Onyx 9 und donyman,


    vielen Dank für eure lieben Zeilen, habe mich so gefreut!


    Das Buch von Volker Zotz werde ich mir besorgen als erste Anleitung für den Alltag, denn ich denke, das hilft mir schon ein großes Stück weiter. Habe zwar einige Bücher, aber bin immer auf der Suche nach sowas gewesen.
    Irgendwie spüre ich, dass da ein gewaltiger Prozess an Umdenken bei mir erforderlich ist und das wird noch ein schönes Stück Weg sein, den ich da vor mir habe, dennoch freue ich mich auf die Veränderung und auf das bewusstes Anschauen in manchen Situationen. Das Ding ist, dass ich irrationale Verhaltensweisen meiner Mitmenschen zwar vom Kopf her verstehe, ich habe aber eher gefühlsmäßig damit zu tun, sie getrennt auf meine eigene Vergangenheit zu betrachten. Diese Verhaltensweisen, die mich stören, wurden in meiner Kindheit schwer bestraft und heute kommt die Menschheit frech und locker so durch das Leben...


    Aber ich möchte nach vorne blicken, was meinen Lernprozess betrifft, bzw. möchte ich die Vergangenheit ruhen lassen, die Zukunft als das sehen, was sie ist: eine Zeit, die niemand vorhersehen kann.
    Meine Konzentration möchte ich in erster Linie auf die Gegenwart richten, auf das Hier und Jetzt, dadurch meine ich, "verändert" man schon automatisch die Vergangenheit, kann das schlecht erklären, ein Beispiel: ich rege mich heute über irgendwas auf und weiß in einer Woche, dass mich das wieder viel Kraft und Energie gekostet hat.
    Nun möchte ich versuchen, die Situationen, die mir den Nerv rauben, anders zu betrachten, damit ich eben in einer Woche z. B. sagen kann:"Okay, das hat dich dieses Mal gelehrt, dass es auch ohne den ganzen Ärger und Verdruss geht."
    Ich denke, die Umsetzung wird nicht immer leicht sein, aber ein Lernprozess kann auch nicht von heute auf morgen stattfinden. Wichtig ist für mich erstmal, dass ich einen anderen, bewussteren Weg einschlage, mich im Hier und Jetzt mit den Dingen auseinandersetze und nicht "unke", was die Zukunft bringt bzw. was alles in der Vergangenheit falsch war.


    Vielen Dank nochmals für eure Hilfe, das bedeutet mir sehr viel!


    Viele Grüße,


    Joella

  • Buddhist zu sein bedeutet nicht alles hinzunehmen. Wenn jemand etwas sagt oder macht was zu Leid führt sollte man sehr bewusst eingreifen so gut es geht. Es gibt dabei sicher klare Grenzrn wenn es um körperlicher Gewalt oder plumpe unwahrheiten oder manipulationsversuche geht. Auch politische diskussionen sollten nicht aus politisch korekkter sicht durch den Buddhismus begründet werden. Schwieriger ist es sicher bei sich selbst anzufangen und das innere geplapper solange geduldig und tollerant zuzuhören bis es von alleine aufhört. Bei anderen Menchen konnte ich oft die Erfahrung machen, das ein wirkliches zuhören, egal was sie gerade sagen mögen und wie unbewusst dies auch ist oft dazu führt, dass den Menschen selbst während ihres monologes bewusst wird wie intollerant sie eigentlich selber sind. Dies ist die Kraft der Gegenwart bei jedem Gespräch. Der Raum der Bewusstheit transzendiert sozusagen jede Störung ohne ein zutun. Dann ergeben sich auch keine GEdankliche Konflikte ob dies nun tolleranz ist oder nicht. Ich finde es aber auch wichtig klar den Leuten einen Spiegel vorzuhalten. Das kann auch bedeuten sich unbeliebt zu machen und dass sie dann versuchen einem das Wort zu verbieten, wie das hier ja auch gerne im Forum mal geschieht.

  • Hallo!


    Auch euch lieben Dank für eure Zeilen, habe mich sehr gefreut und finde diese Gedankenansätze auch sehr interessant und spannend und werde mir den kompletten Thread insgesamt in allen Einzelheiten nochmals überdenken, denn er hat mir sehr viele Gedankenrichtungen eröffnet und mal andere Meinungen zu hören, finde ich klasse!


    Eure Joella :D