Leere & Natur der Wirklichkeit - Erleuchtung

  • n'Abend :),
    Ich bin gerade etwas verwirrt. Und zwar ist meine Frage:...
    Was hat die wahre Natur der Wirklichkeit/abhängiges Entstehen und die Leere für einen Bezug auf die Erleuchtung ???
    Ich dachte immer, dass Erleuchtung das Loslösen von allem Begehren ist, doch jetzt las ich, dass wenn man das abhängige Entstehen und die Leere der Wirklichkeit begreift, man die Wahrheit der Beendigung und den Weg dahin sich erschließen kann. Das hat doch nichts mit dem Begehren zu tun...oder doch?


    Kann sein, dass die Frage vielleicht blöd wirkt..bin auch noch Anfänger ;)...
    Danke für alle Antworten!


    LG Hǔ Lóng

    高贵的,你必须见你生病... ~Edelgeborener, du sollst dich als krank sehen (-"Sûtra, das angeordnet ist wie ein Baum")

  • Hǔ Lóng:


    Ich dachte immer, dass Erleuchtung das Loslösen von allem Begehren ist, doch jetzt las ich, dass wenn man das abhängige Entstehen und die Leere der Wirklichkeit begreift, man die Wahrheit der Beendigung und den Weg dahin sich erschließen kann. Das hat doch nichts mit dem Begehren zu tun...oder doch?
    LG Hǔ Lóng


    Ich glaube, damit ist gemeint, dass das Verstehen der Leerheit und des abhängigen Enstehens zum Verstehen der Vier-Edlen-Wahrheiten beitragen. Bei denen dreht es sich ja dann ganz konkret um das Leiden, welches aus Begehren (usw.) ensteht. Und auch darum, wie man dieses Leiden beenden kann, indem man dessen Ursachen (wie z.B. Begehren) beendet.

  • Hǔ Lóng:


    Was hat die wahre Natur der Wirklichkeit/abhängiges Entstehen und die Leere für einen Bezug auf die Erleuchtung ???
    Kann sein, dass die Frage vielleicht blöd wirkt..


    Zu 1: Die Erleuchtung zeigt Dir diese Wahre Natur, und der Weg dahin geht nur über Loslassen von Vorstellungen und Konditionierungen. Deswegen sagen die Soto-Leute, daß in Zazen- wenn Du also alles loslässt und nur "Du bist"- bereits Erleuchtung erreicht ist.
    Zu 2: Keine ernstgemeinte Frage ist blöd.
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

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  • Okay. Jetzt ist es mir wieder klarer! Danke an alle eure Antworten :)

    高贵的,你必须见你生病... ~Edelgeborener, du sollst dich als krank sehen (-"Sûtra, das angeordnet ist wie ein Baum")

  • Mit dem Begehren hat es nicht viel zu tun, aber mit Gier, Hass und Verblendung (mangelndem Durchblick). Gier und Hass und unsere mangelnde Einsichtsfähigkeit in die Natur der Dinge bestimmen unser Denken und Handeln im Alltag. Begehren geht auch ohne zwanghaftes Anhaften, Abneigung geht auch ohne Hass und seine Zwangs- und Rachegedanken. Wenn die Bedingtheit des Entstehens solcher Gefühle verstanden ist, relativieren sie sich. Dies ist ein Erkenntnisprozess. Ich selbst glaube zwar, dass Meditation bedeuten sollte, diesen Erkenntnisprozess zu befördern, also ein Nachsinnen im klassischen Sinne enthalten darf. Wenn man nur sitzt, wird sich diese Erkenntnis nicht automatisch ergeben, z.B. dann nicht, wenn man die Zeit mit Hassgedanken verbringt oder mit der geistigen Durchsicht des neuesten Nobelwagenkatalogs, aus dem man sich nach der Meditation was kaufen will. Die Bedingtheit wird einem dann klar, wenn man die eigene Gedankenkette verfolgt und wie da eines zum anderen führt.


    Ich gehe auf einiges ein, was meine Vorredner sagten. Ich glaube nicht, dass es eines Verständnisses der vier edlen Wahrheiten bedarf, um bedingtes Entstehen der Gefühle und Gedanken, die ich eben andeutungsweise schilderte, zu begreifen. Auch sind die im Weblink gegebenen Erklärungen unter "mula" nach meiner Erfahrung teils kontraproduktiv. Da wird z.B. geraten: "Zur Überwindung der Gier ist die Vorstellung der Unreinheit (des Körperlichen) zu entfalten, zur Überwindung des Hasses die Güte, zur Überwindung der Verblendung die Einsicht." Wiederholt habe ich erlebt, dass Übende sich aufgrund der Worte Vorstellungen machen - so und so habe Unreinheit zu sein, so und so Güte, so und so Einsicht. Damit begeben sie sich - ich weiß, das ist eine typische Zen-Warnung - erneut in Gedankenketten, die sich als unvorteilhaft erweisen. Dies geschieht übrigens auch vielen Zazen-Übenden. Am Ende von Sesshin haben sie dann genauere Vorstellungen von dem, was da geschrieben steht, als vorher. Ganz abgesehen davon, dass es m.E. besser ist, das Körperliche als vollkommen und eine Gnade anzusehen (was für die meisten von uns gilt, selbst wenn wir unsere Zipperlein haben), statt sich darüber ablehnende Gefühle einzureden.


    Daher ist mein Rat, genau darauf zu achten, wie man selbst denkt und fühlt, ohne irgendwas dagegenzusetzen (Unreinheit, Güte etc.).


    Im nächsten Zitat des Weblinks wird der Unterschied zum Mahayana deutlich, und da wir hier "Allgemeines zum Buddhismus" verhandeln, möchte ich die Mahayana-Sichtweise als gesunde Alternative anbieten: "Töten, Stehlen, Ehebrechen, Lüge, Zwischenträgerei, rohe Rede, törichtes Plappern, Habgier, Übelwollen, böse Ansichten (siehe kammapatha) sind alle entweder durch Gier, oder durch Haß, oder durch Verblendung bedingt." Ich lebe nun schon so ein halbes Jahrhundert und kann dem nicht zustimmen. Es ist möglich, viele dieser Dinge ohne Gier, Hass und Verblendung (also irgendeine Selbsttäuschung) zu begehen. Hier wird in altem Stil (wie wir ihn auch aus dem Alten Testament kennen) eine Ethik im Schwarzweiß-Schema entwickelt. Manchmal ist es auch möglich und nötig, aus Mitempfinden zu lügen oder zu töten (z.B. beim Tyrannenmord).


    Wenn jemand sagt, es ginge darum, die "Leere" zu erkennen, dann ist also gemeint, gerade nicht mit solchen Konzepten sich aufzuhalten, sondern den Dingen gedanklich auf den Grund zu gehen, bis es nicht mehr weitergeht. Dann erschließt sich, dass die Dinge keine Substanz, keinen Kern haben, dass alles vergänglich ist. Das ist mit Leere gemeint. Dass es nichts gibt, woran sich einer klammern könnte oder müsste.


    Die "absichtslose" Zenmeditation ist nur eine von mehreren. Es gibt auch die Möglichkeit, von Anfang an mit der Absicht, Erleuchtung zu erleben, die buddhistische Praxis aufzunehmen, also z.B. die Meditation, das Rezitieren, oder einfach das Nachsinnen, die Koan-Arbeit, die tägliche Alltagshandlung (begleitet vom meditativen Nachsinnen) usw. Was ich oben beschrieben habe zeigt wohl, dass ich Zen als ideale Methode der Selbstanalyse begreife.




  • Wow, klasse Beitrag! Ich bin zwar nicht wirklich Zen-Orientiert, doch anscheinend ist es wirklich eine ,ich zitiere, gute Methode der Selbstanalyse. Dir auch vielen vielen Dank für den konstruktiven Beitrag. Hat mir noch weiter geholfen!

    高贵的,你必须见你生病... ~Edelgeborener, du sollst dich als krank sehen (-"Sûtra, das angeordnet ist wie ein Baum")