Die Herzessenz der Grossen Meister

    1. Kostbarster und freundlichster Wurzel-Guru,
      Herr des Mandala, einzig unfehlbare und dauerhafte Zuflucht,
      Halte mich mit Deinem Mitgefühl!
      Ich sorge nur für dieses Leben und ignoriere den Tod,
      So verschwende ich diese freie und kostbare menschliche Geburt.
    2. Dieses vergängliche menschliche Leben ist wie ein Traum -
      Möge es glücklich sein, oder traurig.
      Ohne nach Freuden zu verlangen oder Kummer zu fliehen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    3. Dieses menschliche Leben ist wie ein Kerzenlicht im Wind -
      Möge es lang währen, oder kurz.
      Ohne den festen Griff des Ich zu verstärken,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    4. Ein Leben im Luxus ist wie ein bezauberndes Traumbild -
      Möge es sich ergeben, oder nicht.
      Indem ich die acht weltlichen Dharmas wie Spreu wegwerfe,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    5. Dieses ganze Gefolge ist wie ein Vogelschwarm in einem Baum -
      Möge es um mich versammelt sein, oder nicht.
      Ohne mich von anderen an der Nase führen zu lassen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren
    6. Dieser illusorische Körper ist wie ein verfallendes hundertjähriges Haus -
      Möge er dauern, oder in Staub zerfallen.
      Ohne mich in Bemühungen um Nahrung, Kleidung oder Medizin
      zu verstricken,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    7. Dieses religiöse Verhalten ist wie ein Kinderspiel -
      Möge es weitergehen, oder aufhören.
      Ohne mich selbst mit Dingen zu betrügen, die nicht wirklich zählen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    8. Diese Götter und Dämonen sind wie die Bilder eines Spiegels -
      Mögen sie hilfreich sein, oder schädlich.
      Ohne meine eigenen täuschenden Visionen als Feinde anzusehen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    9. All dies konfuse Gerede ist wie ein spurloses Echo -
      Möge es interessant sein, oder nicht.
      Indem ich die drei Juwelen und meinen eigenen Geist als Zeugen nehme,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    10. In der Zeit wirklicher Not erweisen sich viele Dinge
      als so nutzlos wie ein Hirschgeweih -
      Möge ich diese Dinge kennen, oder nicht.
      Ohne mein Vertrauen nur in die Wissenschaften und Künste zu setzen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    11. Diese Geschenke und Spenden der Gläubigen sind wie ein tödliches Gift -
      Möge ich sie erhalten, oder nicht.
      Ohne mein Leben damit zu vergeuden,
      unheilsam erworbene Einkünfte anzuhäufen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    12. Diese angesehene Stellung ist wie in Satin eingewickelter Hundekot -
      Möge ich sie erlangen, oder nicht.
      Indem ich meiner eigenen Verdorbenheit klar gewahr bin,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    13. Freunde und Familie sind wie Reisende,
      die zu einem Fest zusammenkommen -
      Mögen sie boshaft sein, oder liebevoll.
      Indem ich die festen Fesseln des Anhaftens
      in meinem Herzen abschneide,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    14. All dieser Besitz ist wie ein im Traum gefundener Reichtum -
      Möge ich ihn besitzen, oder nicht.
      Ohne anderen mit Höflichkeiten und Schmeicheleien
      den Kopf zu verdrehen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    15. Dieser Rang in der Hierarchie
      ist wie das Hocken eines kleinen Vogels auf einem Ast -
      Möge er hoch sein, oder niedrig.
      Ohne mich durch das Verlangen
      nach einer besseren Position unglücklich zu machen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    16. Diese schwarzmagischen Kräfte sind wie tödliche Waffen -
      Möge ich sie beherrschen, oder nicht.
      Ohne das Messer zu kaufen, das meine eigene Kehle durchschneidet,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    17. Diese Rezitationen sind wie das "OM Mani Padme HUM" eines Papageien -
      Möge ich sie ausführen, oder nicht.
      Ohne mich meiner Praxis zu rühmen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    18. Diese Dharmabelehrungen sind wie ein rauschender Strom -
      Möge ich ein Experte darin sein, oder nicht.
      Ohne bloße Sprachgewandtheit für das Dharma zu halten,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    19. Dieser schnell urteilende Intellekt ist wie ein grabendes Schwein -
      Möge er scharf sein, oder stumpf.
      Ohne die Stacheln von sinnlosem Ärger und Anhaftung
      aufsteigen zu lassen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    20. Diese Meditationserfahrungen des Yogi
      sind wie Brunnenwasser im Sommer -
      Mögen sie zunehmen, oder abnehmen.
      Ohne wie ein Kind den Regenbögen nachzujagen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    21. Diese reine Wahrnehmung ist wie Regen auf einem Berggipfel -
      Möge sie erscheinen, oder nicht.
      Ohne illusorische Erfahrungen für wirklich zu halten,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    22. Diese Freiheiten und günstigen Bedingungen
      sind wie ein wunscherfüllendes Juwel -
      Wenn sie fehlen, so gibt es keinen Weg
      das heilige Dharma zu verwirklichen.
      Ohne die Dinge wegzuwerfen, die mir zur Verfügung stehen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    23. Der ehrwürdige Guru ist wie ein Licht, das den Weg der Befreiung erhellt -
      Wenn ich ihm nicht begegne,
      so gibt es keinen Weg die wahre Natur zu verwirklichen.
      Ohne in den Abgrund zu springen,
      wo ich doch den zu gehenden Weg kenne,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    24. Das heilige Dharma ist wie ein Heilmittel, das die Krankheit beseitigt -
      Wenn ich es nicht höre, so gibt es keinen Weg zu entscheiden,
      was ich tun und was ich lassen sollte.
      Ohne Gift zu schlucken,
      wo ich doch Wohl und Wehe unterscheiden kann,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    25. Der Wechsel von Glück und Leid ist wie der Wechsel der Jahreszeiten,
      Wenn dies nicht gesehen wird,
      so gibt es keinen Weg Entsagung zu entwickeln.
      Da mir mit Sicherheit eine Zeit des Leidens begegnen wird,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    26. Samsara ist wie das Versinken eines Steins im Wasser -
      Wenn ich da jetzt nicht herauskomme, dann auch später nicht.
      Indem ich mich selbst an der Rettungsleine
      der mitfühlenden Drei Juwelen herausziehe,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    27. Die guten Qualitäten der Befreiung sind wie eine Insel voller Juwelen -
      Wenn diese nicht erkannt werden,
      so gibt es keinen Weg Bemühen zu entwickeln.
      Indem ich den Vorteil eines dauerhaften Sieges erkenne,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    28. Die Lebensgeschichten der großen Meister
      sind wie die Essenz von Amrita -
      Wenn sie nicht bekannt sind,
      so gibt es keinen Weg Vertrauen zu entwickeln.
      Ohne die Selbstzerstörung zu wählen,
      wo ich doch zwischen Gewinn und Verlust unterscheiden kann,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    29. Bodhicitta ist wie ein fruchtbares Feld -
      Wenn es nicht kultiviert wird,
      so gibt es keinen Weg Erleuchtung zu erlangen.
      Ohne untätig zu verweilen,
      wo es doch ein großes Ziel zu verwirklichen gibt,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    30. Meine eigenen Gedanken sind wie die Dummheiten eines Affen -
      Wenn sie nicht bewacht werden,
      so gibt es keinen Weg, schmerzliche Gefühle zu vermeiden.
      Ohne unbeherrscht zu handeln wie ein Verrückter,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    31. Das Ich ist wie ein natürlicher Schatten -
      Wenn es nicht losgelassen wird,
      so gibt es keinen Weg, einen Ort wirklicher Freude zu erreichen.
      Ohne mich mit dem Feind anzufreunden,
      wenn er in meinen Händen ist,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    32. Die fünf Gifte sind wie heiße Gluten in der Asche -
      Wenn sie nicht ausgelöscht werden,
      so kann man nicht im natürlichen Zustand des Geistes verweilen.
      Ohne giftige Schlangenbabies in meinen Taschen zu züchten,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    33. Dieser Geistesstrom ist wie die harte Haut eines Butterbeutels -
      Wenn er nicht gezähmt und besänftigt wird,
      so können der Geist und das Dharma sich nicht vermischen.
      Ohne dieses von selbst geborene Kind zu verziehen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    34. Diese tief verwurzelten schlechten Gewohnheiten
      und karmischen Muster
      sind wie die starke Strömung eines Flusses -
      Wenn sie nicht abgeschnitten werden,
      so ist es unvermeidlich, gegen das Dharma zu handeln.
      Ohne meinen Feinden Waffen zu verkaufen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    35. Diese Ablenkungen sind wie endlose Wellen -
      Wenn sie nicht aufgegeben werden,
      so gibt es keinen Weg, Stabilität zu entwickeln.
      Ohne mich Samsara hinzugeben, wenn ich frei wählen kann,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    36. Der Segen des Guru ist wie der Frühling,
      der Erde und Wasser erwärmt -
      Wenn er mich nicht durchdringt,
      so gibt es keinen Weg die Natur des Geistes kennenzulernen.
      Ohne einen großen Umweg zu nehmen,
      wenn es doch eine Abkürzung gibt,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    37. Dieses Retreat in der Einsamkeit
      ist wie der Sommer an einem lieblichen Platz voller Heilkräuter -
      Wenn ich nicht hier bleibe,
      so gibt es keinen Weg, daß gute Eigenschaften entstehen.
      Ohne in die dunklen Städte zurückzukehren,
      wenn ich hoch oben in den Bergen bin,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    38. Dieses Verlangen nach Vergnügen
      ist wie ein unheilsamer Geist im Haus -
      Wenn ich davon nicht frei bin,
      so werde ich nie aufhören, Leiden zu schaffen.
      Ohne einem gefräßigen Dämonen
      Opfer wie meinem Yidam darzubringen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    39. Achtsamkeit ist wie das Schloß eines Festungstores -
      Wenn sie fehlt,
      kann man die Bewegungen der Illusionen nicht aufhalten.
      Ohne zu vergessen das Tor zu verschließen,
      wenn der Dieb doch mit Sicherheit erscheinen wird,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    40. Die wahre Natur ist unwandelbar wie der Himmelsraum -
      Solange sie nicht verwirklicht wird,
      lassen sich Zweifel in Bezug auf die Sicht nicht vollständig klären.
      Ohne mich von Theorien fesseln zu lassen,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    41. Das Bewußtsein ist wie ein makelloser Kristall -
      Solange es nicht erkannt wird,
      kann absichtsvolle Meditation sich nicht auflösen.
      Ohne nach jemand anderem zu suchen,
      wenn es doch diesen untrennbaren Gefährten gibt,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    42. Das Antlitz des natürlichen Geistes ist wie das eines alten Freundes -
      Wenn es nicht erkannt wird, so führt alles Tun nur in die Irre.
      Ohne mit geschlossenen Augen in der Dunkelheit herumzutasten,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    43. In Kürze, ohne die Beschäftigungen dieses Lebens loszulassen,
      Gibt es keinen Weg, die heiligen Lehren nach dem Tod zu verwirklichen.
      Indem ich mich entschlossen habe, zu mir selbst freundlich zu sein,
      Möge ich wirklich das wundervolle Dharma praktizieren.
    44. Möge ich nicht falsche Sichtweisen in Bezug auf den Guru haben,
      der mir Anweisungen in Einklang mit dem Dharma gegeben hat.
      Möge ich nicht das Vertrauen in den Yidam verlieren,
      wenn ich Schicksalsschläge erfahre.
      Möge ich nicht die Dharma-Praxis aufgeben,
      wenn die Umstände schwierig sind.
      Mögen keine Hindernisse auftreten
      beim Verwirklichen des Erwachens.
    45. All diese Aktivitäten sind so sinnlos
      wie das Herumwandern in einer Wüste.
      All dieses Bemühen macht meinen Geistesstrom nur noch rigider.
      All dieses Denken verstärkt nur meine Illusionen.
      All diese Weitergabe des Dharma an weltliche Menschen
      ist nur die Ursache weiterer Fesseln.
    46. So viel Aktivität - es bringt nichts.
      So viel Denken - es ist sinnlos.
      So viel Verlangen - es ist Zeitverschwendung.
      Indem ich dies alles aufgebe, möge ich fähig sein,
      in Einklang mit den Anweisungen zu praktizieren.
    47. Wenn ich etwas tun will,
      so möge Buddhas Lehre mein Zeuge sein.
      Wenn ich etwas tun will,
      so möge mein Geistesstrom sich mit dem Dharma vermischen.
      Wenn ich etwas verwirklichen will,
      so möge ich die Lebensgeschichten der alten Meister lesen.
      Was ist der Sinn von anderen Dingen? Du verzogenes Kind!
      Nimm einen niedrigen Sitz ein und werde reich an Zufriedenheit.
      Streng dich an, frei von den acht weltlichen Sorgen zu werden.
    48. Möge der Segen des Guru mich durchdringen,
      Möge meine Verwirklichung dem Himmelsraum gleichwerden.
      Gebt Euren Segen, so daß ich Kuntuzangpo's Thron erreiche.

    Niedergeschrieben von Jigdral Yeshe Dorje (Dudjom Rinpoche) für seine eigenen Gebete, als eine Zusammenfassung des tiefen Sinns der Vajraworte der Ermahnung der alten großen Meister.