Sinn des Zazen/eine Sammlung

  • Zazen (Meditation im Sitzen) im Gehen?

    War für mich in meiner Verblendung ein Widerspruch, bis ich erkannte, dass ich das schon lange mache. Gehen ist ein Weg zu einem Ziel, auch wenn dieses Ziel der Ausgangspunkt ist. Auch wenn scheinbar ein Ziel dazwischenliegt, ist das Ziel immer mein Ausgangspunkt.

    Ein Alter Gedanke taucht auf: Ich stehe nach dem Aufwachen auf und gehe, um später am Abend wieder im Bett zu liegen.


    Den „Tag“ könnte ich auch im Bett verbringen, wenn ich ohnehin wieder dahin gehe. Den Tag könnte ich in heutiger Zeit fast ganz im Bett verbringen, zwischendurch benötige ich nur Zeit und Aktivitäten, damit ich den Körper am Leben halte. Doch die meiste Zeit kann ich heute im Bett verbringen. Meine Mutter war ein sehr gutes Beispiel, dieses zu erkennen.


    Für Zen/Die Kunst sein Leben zu leben, ist ritualisiertes Sitzen nur hilfreich, wird es nicht zu einem dogmatischen Ritual, dann ist es ein Hindernis.


    Shikantaza ist kein Zazen oder Zen, es ist eine Anweisung, hier, für Zazen und für alle möglichen Tätigkeiten nur dieses zu tun: „Nur Hinsetzen, Nur Sitzen, Nur Aufstehen, Nur Gehen“. Zazen kann nur wirken, wenn man Zazen immer anwenden kann. Zazen überall und immer machen zu können, lernt man durch Erlernen des ritualisierten Sitzes, eigentlich die sequenzierten Handlungen des Zazen. Oder durch sein Hanwerken.


    Das „Nur Das tun“ Shikantaza, wird dann übertragen auf alles Tun.

    Die Sequenz des Zazen: Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen. Eine komplette Sequenz des Rituals besteht immer aus diesen vier Tätigkeiten. Es können mehrere Sequenzen des Rituals hintereinander gemacht werden.

    Das soll so geübt werden, bis keine Gedankenfolge sich mit dieser Sequenz beschäftigt, von Anfang bis zum Ende. Das abschließende Wegehen ist der Beginn der auch gedanklichen Tätigkeiten mit den Anforderungen der Umwelt.


    Das ist die Technik Soto, die für alle Zenschulen gilt und damit für alle Schulen des Buddhismus.

    Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen ohne jeden Gedanken an Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen. Während des Zazen werden keine Gedanken gemacht oder gar nachgedacht, kontempliert. Natürlich kann man das beim Sitzen in der Haltung des Zazen machen, aber das ist nicht Zazen. Zazen ist Konzentration auf die Handlung und ihre Wirkungen.


    Diese Tätigkeiten des Zazen, sind absolut individuell an einen Körper und seinen Möglichkeiten anzupassen. Jeder Zwang ist zu vermeiden, alles, was zu Schmerzen führt, ist verboten. Wenn Schmerzen auftreten, muss der Meister sich um mögliche Haltungsfehler oder ein sich in eine Haltung zwingen, des Schülers kümmern. Da ist kein Schüler, sondern ein individuell gebauter Körper, der zu einem Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen verholfen werden muss, wie er diese schmerzfrei ausführen kann.


    Wenn ein Meister das System seines eigenen Körpers, auch nur ansatzweise, durchsetzen will, ist er kein Meister, sondern ein Zuchtmeister. Verblendet ist ein Schüler, der einer Haltungsanweisung aus Schriften unbedingt folgen will, denn dieser Schüler erschafft sich selbst einen Diktator seines Körpers.

    Auch die Anmerkungen des Buddha zu seiner angemessenen Haltungen sind niemals auf einen anderen Körper zu übertragen, jeder Körper hat seine angemessenen Haltungen, die im Laufe der Übung immer besser werden. Natürlich kann jeder diese Haltung anstreben, aber wenn es nicht weitergeht, muss man den Wunsch aufgeben und zufrieden den eigenen Weg gehend finden.


    Der Schüler soll angeleitet werden, sich in den Sequenzen nur um die jeweilige Tätigkeit zu kümmern. Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen. Genaues Betrachten des Körpers IM Körper, um alle seinem Körper unangemessenen Haltungen zu erkennen. Damit Schmerzen durch Zazenübung/Tätigkeitsausübung vermindert und vermieden werden können.


    Einen Schmerzen aushalten müssen, der durch Übung entsteht, ist barbarisch und verhindert durch Schmerzunterdrückung das handeln gegen organisch und geistig begründete Schmerzen. Dass es immer Schmerzen beim Zazen gibt, die man eben aushalten muss, ist eines der schädlichsten Dogmen von Zuchtmeistern des Zen, aller Meister.

    Verachtung des Körpers und Geistes ist Verachtung des Lebens an sich. Verblendung zu Selbstverachtung, Unterwerfung, Harakiri und Kamikaze, Selbstmord führend.

    Ein Lehrer der ein Zuchtmeister ist weiß, dass er einen Schüler, der sich nicht an Schmerz gewöhnen will, niemals beherrschen kann, er wird ihn zu einem verachtenswerten Menschen machen und öffentlich verbannen und den, der sich dem Schmerz unterwirft, mit Ehren überschütten.


    Da taucht die Frage auf: wie erkenne ich meine angemessene Haltung?

    An der ersten Übung des Satipatthana.


    Zazen ist die zweite Stufe des Satipatthana, die erste Stufe ist überhaupt das Erkennen des Atems, durch Betrachten des Atems im Atem.

    Der universellen Zen-Übung. Der Betrachtung des Atems im Atem. Die einzige Übung, die ohne jede andere Anweisung auskommt; als Atmen des Atems.

    Jedes, wirklich jedes über die Betrachtung hinaus gehendes Verhalten ist den Atem behindernd. Zählen, tief oder flach oder so einatmen, so Pause machen, so Ausatmen behindert den Atem und führt zu einem Verlassen des Objektes des Interesses: Die Sequenz des Zazen, die Tätigkeiten ganz Jetzt tun. Atmen ist nie, absolut nie eine gewollte geistige Tätigkeit! Atmen ist die Natur jedes Lebewesens. Nur der Mensch kann in seinen Atem, durch Wollen eingreifen.


    Meine Haltung kann ich dadurch angemessener machen, wenn ich spüre, dass der Atem freier wird. Der Atem erfüllt dann wirklich den ganzen Körper, bleibt weder in der Nase, Hals, Lunge, Zwerchfell, Bauch, Tandem noch am After hängen. Jeder Versuch auf eines dieser Gebiete zu atmen, ist Atem-Behinderung durch Gier, Hass, Verblendung/Ignoranz der eigenen Natur.


    Die Handlungen im Zazen, Hinsetzen, Sitzen, Aufstehen, Gehen, sollen sich niemals mit dem Atmen zentrieren, die Atemkonzentration ist ungeheuer wichtig außerhalb der Sequenzen des Zazen, also im Zen, der Meisterung des Lebens. Kann ich die Atem-Betrachtung im Handeln mit der Umwelt erkennen und üben, so stört sie nicht bei den Zazen-Sequenzen-Übungen. Zazen wird so natürlich wie jede andere Handlung. Zazen ist nichts Besonderes mehr, wenn sie vom Atmen getrennt wird.


    Schmerzen unterbrechen den freien Atem und lenken die Gedanken auf den Schmerz und nicht auf die Ursache des Schmerzes, der nur eine Wirkung der Fehlhaltung dieses Körpers, durch Zwang, Geistesgifte zu einer bestimmten, nicht angemessenen Haltung bewirkt wird.

    „Haltung“ bezieht sich hier auf körperliche und geistige Haltungen.


    Zum Urgedanken.


    Zwischen Aufstehen und dem Hinlegen: Geburt, Altern, Krankheit, Sterben.

    Vor dem Start Leerheit, nach dem Ziel Leerheit.

    Bewusstlosigkeit, Aufwachen, Tätig sein, Hinlegen, Bewusstlosigkeit.

    Aus der Leerheit heraus Geburt, die Geburt bedingt das Altern, Krankheit, Sterben, das Sterben bedingt den Tod.

    (( „leer“ ist hier nicht angemessen, dieser ist nur dort hilfreich, wenn es um das Leer sein aller Dhamma von einem unveränderlichen Selbst/Ich geht.))


    Wo, wer oder was bist du, wenn du schläfst?

    Es kann in der Leerheit keinen Ort, keine Zeit, kein Sein geben.

    Leerheit gleich Bewusstseinslosigkeit.


    Dieses Verborgene ist nicht von Interesse im Zen. Zen ist die Kunst sein Leben mit so wenig geistiges Leid wie möglich zu leben.


    Dogen, Genjokoan: Leben ist ein Zustand und Tod ist ein Zustand, beide haben ein Vorher und nachher, jeder für sich. Leben ist nur Leben und Tod ist nur Tod.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

  • Danke für Deine Übersicht.


    Das Genjokoan-Zitat habe ich kürzlich hier auch bemüht. Man kann aber "im Leben" durchaus feststellen, dass da immer wieder aufkommende Kräfte, die Joshu Sasaki gern als Plus und Minus bezeichnete, miteinander abwechseln und nicht unbedingt klar getrennt sind. Für Leben und Tod find ich die Metapher treffender.


    Seltsam fand ich heute erneut die wie selbstverständliche Gleichsetzung von Muho in seinem aktuellen Video, wo er die Frage beantworten sollte, was Zen sei. Er meinte, im Zen habe man sich wieder darauf besonnen, sich wie der Buddha hinzusetzen (dabei sitzen doch die Theravadins etc. auch). Das ist natürlich seiner Fixierung auf Dogen geschuldet, sowie der Legende von Bodhidharma und seinen neun Jahren vor einer Höhlenwand bei Shaolin. Aber tatsächlich wendete sich das schon mit den folgenden Generationen und klar bei Huineng in eine stärkere Betonung der Geistesübung. Man sollte die Frage, was Zen sei, nicht mit "Zazen" beantworten. Zazen ist Zazen. Ansonsten z.B.: "Zen ist Leben", wie ausgerechnet ein lebender Shaolin-Meister sagte.


    Der Buddha sagte an mehreren Stellen, warum er noch saß. Man solle bloß nicht glauben, ihm fehle noch was (d.h.: einmal erwacht, für immer erwacht - was im Zen nicht gelten muss). Und er wolle für zukünftige Generationen ein Vorbild sein. Er sagte also weder, sein Sitzen sei nötig zum Erwachen, noch, das Sitzen symbolisiere Erwachen (da er ja deutlich machte, dieses bereits "hinter sich" zu haben). Man kann diesen Buddha aus dem Palikanon also gar nicht für ein solches Verständnis von Zazen heranziehen, ohne den komplizierten Umweg über Metaphern, Allegorien usw.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)