ZitatDu sprichst von "Unterscheidungsfähigkeit"; zweifelsohne ein lohnendes Übungsobjekt. Aber Du meinst "Parteinahme", das ist etwas anderes. Wobei das schon ein Euphemismus ist, nach meiner Beobachtung ist das zumeist kein aktiver Prozess, sondern ein passiver - ein "rekrutiert werden" bzw. "sich rekrutieren lassen". Man geht doch nicht auf dem Markt, um sich dort in die nächstbeste Schlägerei verwickeln zu lassen.
Buddhi, Unterscheidungskraft, schon vom Wortstamm her mit erwachter Sicht verbunden, erlaubt einem die Rückkehr zur Benennung von "Falschem" oder "zu sagen, was wahr ist". Glücklicherweise muss man dafür kein Buddhist sein, wie kürzlich ein freier Journalist mit seinen Recherchen aufzeigte. Wenn es nicht wahr ist, dass Babys in die Mikrowelle gesteckt wurden usw. usw., dann darf das als Lüge benannt werden, wenn hier schon aktuelle Bezüge geschaffen werden, und da Unterscheidungskraft auch ganz banale Ratio einschließt, darf man nach den Motiven und der Strategie hinter diesen Lügen fragen usw.
Sicher sind wir da alle "parteiisch", das sehe ich bei mir wie bei Diskutanten und Zen-Lehrern (aus anderen Gründen habe ich gerade in einen Vortrag eines Mitglieds der Rei-Bande reingehört, der meinte, er sähe in der Regierung niemanden, der "frei" wäre, und Brad Warner nannte - offenbar ohne wirkliche Zahlenverhältnisse zu kennen - die Nazis "the biggest losers" überhaupt ... aber er meinte das wohl anders ...). Vor dieser "Parteinahme" muss man sich nicht fürchten, weil die Folge der Unterscheidung den Bodhisattva sehr wohl zum HANDELN führen darf, wobei sich dann, wenn man über die Unterscheidung aktiv hinausgeht, Parteinahme kaum vermeiden lässt. Man kann keinen Premierminister stützen, der mit dem besten Geheimdienst der Welt seine eigenen Leute nicht vor einem durchschaubaren Angriff schützen konnte und ein Lügner vor dem Herrn ist. Man darf das auch nicht "Staatsräson" nennen, ohne dafür aufs Heftigste kritisiert zu werden.
Ich habe auch nichts dagegen, wenn die lebenden "Bodhisattvas" zu unterschiedlichen Ansichten und Handlungen kommen. Aber dass man ggf. auf dem Marktplatz handfeste Lösungen findet, ist natürlich inbegriffen, genaus wie die Entscheidung, Nicht-Eingreifen könne das rechte Handeln sein. Mir ist es zu einfach, das als Gewissensfrage zu deklarieren, weil das Gewissen in unserem Kulturkreis etwas anderes ist als das, was den (Zen-)Buddhisten zu Reue veranlassen könnte.