Das hat ja wenig zu tun mit Loslassen, wenn man an Leid und Elend bedauernd vorbei geht und gerade das noch mit der Geschichte von Hakuin zu vergleichen, ist doch sehr abwegig
Wenn ein Kind sich an eine Bezugsperson gewöhnt hat und man gibt es mir nichts, dir nichts auf, geht man auch an potentiellem "Leid und Elend" vorbei.
Diese Geschichte ist eben nicht so perfekt, wie sie scheint. Zwar soll die Obhut nur ein Jahr gedauert haben, aber das ist ja eines der wichtigsten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Hakuin (der wohl nie formell Dharma-Übertragung erhielt) so einen Wert auf den bodhicitta-Geist legte.
(Ich habe mich mal um ein weiteres Kind als das von mir zuvor erwähnte nur am Rande gekümmert, im Grunde hatte ich es als Baby nur eine Stunde auf dem Arm und kurz nach der Geburt ein Weilchen, und es gab diverse nur sporadische gemeinsame Unternehmungen mit (seiner) Familie. Der Vater war nicht bekannt. Mit ca. 5 Jahren ist es bei einem Ausflug in einen Spielpark aus etwa 80 cm Höhe auf den Kopf gefallen und blutete deutlich. Es ist in meine Arme gerannt und nicht in die seiner leiblichen Mutter. Deshalb werfe ich diesen Aspekt auf.)
Da ist eben durch diese Tat wie üblich was hängen geblieben - man hätte ja auch anders handeln können
Ja, eine Erinnerung. Und genau darum, dass man "auch anders handeln kann", geht es mir ja. Allerdings unterstelle ich nicht, a) dass die Abgabe von Katzen in irgendeinem hiesigen Tierheim das einzig richtige Handeln darstellt, b) dass dies KEINE Erinnerung erzeuge, c) dass es irgendeine höhere Form von "Loslassen" darstelle.
Um nur ein Beispiel zu geben: Ich habe vor vielen Jahren in einem ähnlichen Fall einer Putzhilfe zwei solche Kätzchen überlassen. Am nächsten Tag bekam ich sie wieder. Eine davon hatte offenbar einen Hirnschaden, weil ihre kleine Tochter sie in der Toilette unter Wasser gedrückt hatte. Mit dem "Weggeben" habe ich es also nicht mehr so.
und wenn man dann als Beispiel das Erlebnis mit ausgesetzten Katzen am Straßenrand wieder erinnert, dann ist das eben ein geistiges Anhaften und kein Loslassen.
Ich habe den Eindruck, dass du völlig verkennst, wie unser Denken funktioniert. Du setzt hier Loslassen mit Nicht-Erinnern gleich, also praktisch mit Demenz. Das ist eine Krankheit. Der gesunde Mensch kann sich willentlich an vieles erinnern, wenn auch an etliches nicht, und er wird sich auch unwillentlich erinnern.
Die Geschichte von dem Frauentragenden Mönch funktioniert nur deshalb, weil man Mönchen damals noch unterstellte, sie sollten nichts mit Frauen zu schaffen haben (im heutigen Zen-Kontext in Japan ist das ja erlaubt). Der andere "trägt" also nicht eigentlich die Frau, sondern noch ein moralisches Problem mit sich herum. Das führt dann auch zu solchen Erörterungen. D. h. die Geschichte mit Hakuin übersieht einen Aspekt der Moral (Bindung durch Fürsorge), die andere Geschichten hat einen spezifischen Aspekt buddhistischer Moral zur Grundlage.
enthalten einen positiven oder negativen Rest, der an einem hängen bleibt und den man loslassen soll, ansonsten gibt es da keine Befreiung.
Wir haben da ein unterschiedliches Verständnis von Loslassen und Befreiung. In meinem Verständnis erwirbt man sich durch die Zen-Übung (eine Geistesübung) eine Fähigkeit zum Loslassen von dem, was als "leidhaft" empfunden wird. Wenn das klappt, fühlt man sich befreit.
Da man auch von Erinnerungen lebt und Gefühlen, ist das, was "positiv" oder "negativ" ist, also ein wesentlicher Teil des Menschseins. Sich davon zu befreien, ist ziemlich uninteressant und würde jegliches Brainstorming, kreative Denken, Liebe und andere Gefühlsaufwallungen zerstören. Ich habe daran kein Interesse. Mein Weg ist lediglich, davon lassen zu können, wenn ich sie als "leidhaft" empfinde, nicht, wenn sie irgendjemand als leidhaft per se definiert, und sei es ein Shakyamuni. Auch "Erwachen" und selbst "Großes Erwachen" ist für mich nur ein momentanes Ereignis, d. h. es steht für mich fest, dass nichts ein für alle Mal und für den Rest des Lebens dadurch "erledigt" wird. Ich kenne, wie ich schon oft sagte, keine lebenden Beispiele für so etwas und habe selbst genug Erfahrung, um zu wissen, wie es wirklich läuft. Es bleibt eine Übung bis zum Schluss.
Im Falle des Leides von Wesen, über das man stolpert, ist es z.B. viel wahrscheinlicher, dass dem Wesen geholfen wird, wenn ein Gefühl entsteht, als wenn nur rein sachliches Denken stattfindet (die Katzen sind entbehrlich etc.). Das heißt für den bodhicitta-Geist ist auch Anhaften nötig, nicht nur Loslassen.
Wenn ich mich frage, woher diese Vorstellungen rühren oder sich verstärken, ist es mir allerdings klar. Z. B. sagt ein Lehrer zu Schülern, die kein Zazen mehr machen: "Schön, wenn du so loslassen kannst, an nichts mehr haftest ..." Damit unterstellt er genau das, was ihn selbst aufs Kissen zurückbringt: Die immer wieder neue Notwendigkeit zum Loslassen, weil etwas einen "zu sehr beschäftigt", zu viel Platz im Denken einnimmt, zu starke Gefühle verursacht usw. Mit anderen Worten, der Lehrer glaubt oder gibt vor, es gäbe einen Idealzustand, in dem das alles weg sein müsse, und erst dann könne man von einer bestimmten Übung lassen.
Was man dabei nur verstehen muss, ist, dass deshalb auch der Lehrer immer wieder Zazen macht. Dem geht es nicht anders. Tatsächlich ist es m.E. so, dass für individuelle Menschen nicht alles in gleichem Maße Leid erzeugt und sie darum auch nicht die gleichen Bedürfnisse nach Loslassen von all dem haben. Der Zen-Lehrer ist da in einer Zwickmühle, denn er soll ja einerseits diesen Idealzustand absoluter Befreiung manifestieren, kann aber nur allzu leicht widerlegt werden. Er strebt nach Unmöglichem.