Ist Zen eine buddhistische Fehlentwicklung ?

  • Liebe Grüße,


    gerade kam mir der folgende Gedanke:


    Alle Zen-Schulen begründen ihren Ursprung des Zen in der Szene, wo der Erwachte Gotama aus dem Hause der Sakyer seinen Schülern als Vortrag wortlos die Blume zeigt.


    Dies waren seine fortgeschrittensten Schüler.
    Wie kann man eine einzige Geste zu Grundlage einer Lehrmethode machen und alles andere von ihm Gelehrte ausser acht lassen.
    Fügt etwas hinzu oder lasst etwas weg vom Buddhadhamma und die Reise dauert noch länger.



    Mögen Herz & Geist offen & leicht sein,
    mit Metta,
    Mirco

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  • Mirco,


    wann ist eine Entwicklung eine Fehlentwicklung?


    Als Zen sich in Fernost entwickelt hat, war die Blume wahrscheinlich laengst vertrocknet. Genauso wie die Schriften, sofern es denn welche gab.


    Soweit ich das verstehe, beruht die Uebertragung ausserhalb der Schriften auf der direkte Erfahrung dessen, was der Buddha auch erfahren hat. Denn anders als bei Blueten oder Schriften ist die Erfahrung lebendig solange es Menschen gibt die sie erfahren koennen.


    Dieter



  • Vielleicht ist das das einzig „Wahre“, etwas das nicht durch Worte verfälscht ist.


    Ich habe immer große Schwierigkeiten wenn ich, vor allem hier im Forum Aussagen wie…“ Buddha hat das gesagt“….“Buddha hat das nicht gesagt…“ lese oder höre.
    Was von Buddhas „Lehre“ in schriftlicher Form übermittelt wurde, ging durch hunderte von Köpfen, Hände….und wurde so zur Lehrmethode. Buddhas Lehre nimmt aber für sich in Anspruch keine Lehrmethode zu sein, denn alles was Methode ist kommt vom Kopf und damit ...vergänglich. Menschen mit viel Theoretischem Wissen führen Streitgespräche im Namen Buddhas, es werden Begriffe zerranalysiert - es geht auch nicht anderes, da unser heutiges Sprach Verständnis unmöglich dass eines Menschen der vor 1.ooo Jahre lebte.
    Deswegen schätze ich solche „Geschichten“ auch dann wenn sie nicht von Buddha kommen. Im aktuellen Zusammenhang geht es mir vordergründig um das was der Tittel aussagt:


    Das Nicht-Überlieferbare - Totes und lebendiges Wissen

    Herzog Huan von Ch'i saß oben im Saal und las in einem Buch. Der Stellmacher P'ien arbeitete unten im Hof an einem Rad. Er legte Hammer und Meißel beiseite, stieg hinauf in den Saal und sagte zu Herzog Huan: »Dieses Buch, das Eure Hoheit da lesen - darf ich wohl fragen, wessen Worte darin stehen? «
    » Die Worte der Weisen ", sagte der Herzog.
    »Leben die Weisen noch? « sagte P'ien.
    »Sie sind schon lange tot«, sagte der Herzog.
    »Ja - dann ist das, was Eure Hoheit lesen, nur der Abfall, der von ihnen übrigblieb! « sagte P'ien.
    »Seit wann ist es einem Stellmacher gestattet, sich kritisch über das zu äußern, was ich lese? « sagte Herzog Huan. »Wenn du eine Erklärung dafür hast, lasse ich' s dir noch durchgehen. Wenn nicht, bist du des Todes! «
    Stellmacher P'ien sagte: »Ich betrachte die Sache vom Standpunkt meiner Arbeit aus. Wenn ich beim Radmachen mit dem Hammer zu schwach zuschlage, rutscht mir der Meißel ab und greift nicht. Schlag' ich aber zu kräftig zu, dann steckt er gleich fest und läßt sich nicht mehr bewegen. Nicht zu schwach und nicht zu kräftig - die Hand bekommt ein Gespür dafür, und innerlich stimmt man sich darauf ab. Es läßt sich nicht in Worte fassen, und doch ist irgendein besonderer Trick dabei. Ich kann ihn meinen Sohn nicht lehren, und er kann ihn nicht von mir lernen. So bin ich denn schon siebzig Jahre und mache auf meine alten Tage immer noch Räder. Diese Männer aus längst vergangener Zeit nahmen alles Wissen, das sich nicht weitergeben ließ, mit ins Grab. Also kann das, was Eure Hoheit da lesen, nur der Abfall sein, der von ihnen übrigblieb. «

    (Chuang-tzu: Innere Lehren)


    Oder die berühmten Sawaki „Fürze“, da sagt ein Satz mehr als 100 Bände.


    Mirco, vielen Dank für diesen Beitrag :)

  • mirco:

    Alle Zen-Schulen begründen ihren Ursprung des Zen in der Szene, wo der Erwachte Gotama aus dem Hause der Sakyer seinen Schülern als Vortrag wortlos die Blume zeigt.


    Dies waren seine fortgeschrittensten Schüler.
    Wie kann man eine einzige Geste zu Grundlage einer Lehrmethode machen und alles andere von ihm Gelehrte ausser acht lassen.
    Fügt etwas hinzu oder lasst etwas weg vom Buddhadhamma und die Reise dauert noch länger.


    "Alles Gelehrte" richtet sich an jeweils ganz unterschiedliche Personen: Die Belehrungen, die sich an Brahmanen richten sind anders als die, die sich an Hausleute richten und anders als die, die sich an Mönche richten.
    Natürlich nicht grundsätzlich anders, aber in Form und Inhalt der Person und den Umständen angemessen. Genau deshalb fügte der Buddha jeweils etwas hinzu und hat etwas an anderer Stelle weggelassen - um sich der Situation gemäß auf etwas zu konzentrieren.
    Das kann man auch sehr gut erkennen, wenn man die Pali-Überlieferungen wirklich genau liest .


    Wenn man aber nur den PK ruf- und runter konsumiert, eben ohne Augenmerk darauf, welche Abhängigkeit zwischen den einzelnen Lehrdarlegungen und den Umständen bestehen, dann dauert es zwangsläufig "länger". Man beschäftigt sich mit einem Haufen völlig unnützem Zeugs, das den eigentlichen persönlichen Weg im Moment überhaupt nicht betrifft. (Das Gleiche gilt für Mahayana- oder Zen-Überlieferungen)
    Genau diese persönlich angemessene Selektion hat aber damals der Buddha vorgenommen und ist bis heute eine wesentlichen Aufgabe des Lehrers: zu sehen, was für den Schüler zuvorderst wichtig ist, und was dann und dann und dann.


    Es ist ein duchaus nachvollziehbarer Gedanke eines Außenstehenden, wenn ihm Zen als etwas "Anderes", "Reduziertes" oder "Hinzugefügtes" vorkommt. Weil ihm die Form eben nicht vertraut ist, weil er Außenstehender ist.
    Und deshalb täuscht sein Eindruck.


    In den ersten 5 Jahren meiner Zen-Praxis habe ich (als schon gestandener Mann) einfach das gemacht, was mir mein Lehrer sagte - und vom dem hatte ich vom ersten Moment an das sichere Gefühl, daß der wußte, wovon er sprach und was er tat - ich habe mich ehrlich gesagt nicht darum gekümmert, ob das jetzt "Zen", "Buddhismus" oder was anderes ist (schließlich hatte ich auch nicht danach gesucht) - für ihn jedenfalls war es ein und die selbe Sache und nichts hat mich später besseres gelehrt.
    Als er starb, gab er mir u.a (für andere möglicherweise völlig ohne Nutzen) auf den Weg, mal zu schauen, ob wir denn wirklich "historisch korrekt" den Buddha-Weg gehen. Zu seinen Lebzeiten hatten wir einfach Wichtigeres zu tun und konnten uns nicht ausufernd um schriftliche Überlieferungen kümmern.
    Dies entspricht auch der übliche Reihenfolge in den mir bekannten Zen-Traditionen - erst macht man mal intensiv "Praxis" und dann weiß man auch ungefähr, wovon in den Schriften eigentlich die Rede ist.

    Tja und nun, nach weiteren 10 Jahren, habe ich nichts gefunden, was man als (verfälschende) Hinzufügung oder Weglassung bezeichnen könnte - ganz im Gegenteil - ich staune immer wieder neu, wie sehr in meiner Tradition die Pali-Überlieferungen "auf den Punkt" gebracht werden.


    _()_

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  • sumedha:

    Es läßt sich nicht in Worte fassen, und doch ist irgendein besonderer Trick dabei.


    Im Zen heißt es allerdings: "Es läßt sich nicht in Worte fassen, noch ist irgendein besonderer Trick dabei" :lol:


    _()_

  • @ Bel
    jetzt bekommt auch das was ich nicht verstanden habe einen Sinn. Leider ist es keiner meiner häufigen schreibfehler, es ist tatsächlich mit "doch" übersetzt. Als ich es las, hab ich dieses "doch" nicht recht einordnen können und beschlossen es so stehen zu lassen bis zum nächsten mal. Danke

  • sumedha:

    @ Bel
    jetzt bekommt auch das was ich nicht verstanden habe einen Sinn. Leider ist es keiner meiner häufigen schreibfehler, es ist tatsächlich mit "doch" übersetzt. Als ich es las, hab ich dieses "doch" nicht recht einordnen können und beschlossen es so stehen zu lassen bis zum nächsten mal. Danke


    Na ja, ich weiß auch nicht, was im chinesischen Original steht - muß man mal im Netz danach suchen.
    Wenn es allerdings so steht, wie Du schreibst, dann haben wir es einfach mit einem wesentlichen Unterschied zwischen Zen und Taoismus zu tun.


    _()_

  • "off topic"


    bel:

    Na ja, ich weiß auch nicht, was im chinesischen Original steht - muß man mal im Netz danach suchen.
    Wenn es allerdings so steht, wie Du schreibst, dann haben wir es einfach mit einem wesentlichen Unterschied zwischen Zen und Taoismus zu tun.


    _()_


    ich habe noch eine übersetzung, leider ist die schon umgezogen.


    "dann haben wir es einfach mit einem wesentlichen Unterschied zwischen Zen und Taoismus zu tun."
    aus meiner sicht und wissensstand, finde ich keinen, das zeugt möglicherweise nur von meiner vorläufigen unwissenheit und meinem fehlenden interresse an vergleichen. :)


    Nachtrag
    also das mit dem fehlenden interesse am vergleichen stimmt nicht ganz, sonst hätte ich nicht wieder begonnen verstärkt taoistische literatur zu lesen. wurde mir aber erst klar nachdem ich es geschrieben habe... ;)

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  • sumedha:

    "off topic"
    aus meiner sicht und wissensstand, finde ich keinen, das zeugt möglicherweise nur von meiner vorläufigen unwissenheit und meinem fehlenden interresse an vergleichen. :)


    Also, wenn der eine sagt, da gibt es einen "Trick" und er andere sagt, da ist überhaupt kein "Trick" dann ist das ja wohl ein bedeutender Unterschied - jedenfalls für mich.


    _()_

  • bel:

    Also, wenn der eine sagt, da gibt es einen "Trick" und er andere sagt, da ist überhaupt kein "Trick" dann ist das ja wohl ein bedeutender Unterschied - jedenfalls für mich.


    wenn wir den zusammenhang betrachten? hat das "doch" keinen sinn...oder? ich habs liegen gelassen...vorläufig gehe ich davon aus das es ein druckfehler ist und werde nach anderen übersetzngen suchen um vorläufige "gewissheit" zu bekommen :)

  • sumedha:
    bel:

    Also, wenn der eine sagt, da gibt es einen "Trick" und er andere sagt, da ist überhaupt kein "Trick" dann ist das ja wohl ein bedeutender Unterschied - jedenfalls für mich.


    wenn wir den zusammenhang betrachten? hat das "doch" keinen sinn...oder? ich habs liegen gelassen...vorläufig gehe ich davon aus das es ein druckfehler ist und werde nach anderen übersetzngen suchen um vorläufige "gewissheit" zu bekommen :)


    Ich hab mir mal ein paar englische Übersetzungen rausgesucht (Suche: P'ien wheel-wright ) - da sieht es nicht nach Druckfehler aus. Allerdings hat das englische "knack" schon was anderes als "trick" - im Chinesischen könnte dafür sogar 門 stehen. Macht keinen Sinn da weiter zu spekulieren, bevor man nicht den chinesischen Text eingesehen hat.


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  • Hi Mirco


    Zen ist mit Sicherheit keine Fehlentwicklung.


    In den ursprünglichen Lehren des Buddha ist viel "Zen".


    Zum Beispiel, wenn der Buddha eine Frage unbeantwortet lässt.


    Oder wenn er um Vergebung gebeten wird und einfach "nur lächelt".


    Aber für mich scheint Zen eher wie eine Erleuchtung für Anfänger.


    Die gängigen Konzepte, wie Nicht-Dualität, Nur-Sitzen usw.


    Das wird im Laufe der spirituellen Entwicklung durchschaut.


  • thecap:

    Aber für mich scheint Zen eher wie eine Erleuchtung für Anfänger.

    :idea:;)
    liebend gerne jeden augenblick ein anfänger....

  • thecap:

    Aber für mich scheint Zen eher wie eine Erleuchtung für Anfänger.


    Was auch immer das bedeuten soll. Es gibt nur ein Erwachen oder keines.


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  • sumedha:

    Vielleicht ist das das einzig „Wahre“, etwas das nicht durch Worte verfälscht ist. Was von Buddhas „Lehre“ in schriftlicher Form übermittelt wurde, ging durch hunderte von Köpfen, Hände….und wurde so zur Lehrmethode. Da habe ich halt das Vertrauen, das die ersten paar hundert Jahre bis zur Niederschrift genügend Arahats zugegen waren. Das Memorisieren ist der Niederschrift deutlich überlegen, weil viele andere korrigierender Weise zur Kontrolle anwesend sind.


    Buddhas Lehre nimmt aber für sich in Anspruch keine Lehrmethode zu sein, denn alles was Methode ist kommt vom Kopf und damit ...vergänglich.
    Aber es geht doch nicht darum, ob etwas vergänglich ist, sondern wie man möglichst schnell und freudvoll Einsicht darin bekommt.


    Menschen mit viel Theoretischem Wissen führen Streitgespräche im Namen Buddhas, es werden Begriffe zerranalysiert - es geht auch nicht anderes, da unser heutiges Sprach Verständnis unmöglich dass eines Menschen der vor 1.ooo Jahre lebte. Das finde ich inzwischen auch völlig überflüssig, auch wenn es mir aus gewohnheit ab und zu nochmal passiert. Das ist bloß gelehrtes Blahblah.

  • diether:

    Soweit ich das verstehe, beruht die Uebertragung ausserhalb der Schriften auf der direkte Erfahrung dessen, was der Buddha auch erfahren hat.


    Natürlich. Die Schriften beschreiben doch aber auch nicht die Erfahrung, sondern den effizientesten Weg, um die Erfahrung machen zu können.


  • Vielen Dank für Deinen für mich wirklich erbauenden und lehrreichen Beitrag.

  • mirco:
    sumedha:

    Vielleicht ist das das einzig „Wahre“, etwas das nicht durch Worte verfälscht ist. Was von Buddhas „Lehre“ in schriftlicher Form übermittelt wurde, ging durch hunderte von Köpfen, Hände….und wurde so zur Lehrmethode. Da habe ich halt das Vertrauen, das die ersten paar hundert Jahre bis zur Niederschrift genügend Arahats zugegen waren. Das Memorisieren ist der Niederschrift deutlich überlegen, weil viele andere korrigierender Weise zur Kontrolle anwesend sind.
    - ich habe dieses "vertrauen" nicht.


    Buddhas Lehre nimmt aber für sich in Anspruch keine Lehrmethode zu sein, denn alles was Methode ist kommt vom Kopf und damit ...vergänglich.
    Aber es geht doch nicht darum, ob etwas vergänglich ist, sondern wie man möglichst schnell und freudvoll Einsicht darin bekommt., einsicht darin das es vergänglich ist? :idea:


    Menschen mit viel Theoretischem Wissen führen Streitgespräche im Namen Buddhas, es werden Begriffe zerranalysiert - es geht auch nicht anderes, da unser heutiges Sprach Verständnis unmöglich dass eines Menschen der vor 1.ooo Jahre lebte. Das finde ich inzwischen auch völlig überflüssig, auch wenn es mir aus gewohnheit ab und zu nochmal passiert. Das ist bloß gelehrtes Blahblah.

  • mirco:
    diether:

    Soweit ich das verstehe, beruht die Uebertragung ausserhalb der Schriften auf der direkte Erfahrung dessen, was der Buddha auch erfahren hat.


    Natürlich. Die Schriften beschreiben doch aber auch nicht die Erfahrung, sondern den effizientesten Weg, um die Erfahrung machen zu können.


    glaubst du das das was für dich "effizient ist" auch auf mich zutrifft?

  • sumedha:
    mirco:

    Natürlich. Die Schriften beschreiben doch aber auch nicht die Erfahrung, sondern den effizientesten Weg, um die Erfahrung machen zu können.


    glaubst du das das was für dich "effizient ist" auch auf mich zutrifft?


    Na klar. Wir funktionieren genau gleich, 'Du' und 'Ich'.
    Dein Geist funktioniert haargenau nach den selben Prinzipien wie mein Geist
    Wie jeder Geist, egal wo & wann.
    Das ist das ewige Gesetz des Bedingten Entstehens.

  • mirco:

    Das ist das ewige Gesetz des Bedingten Entstehens.


    und die bedingungen die dich hervorgebracht haben sind haargenau die, die auch mich hervorgebracht haben, also würde nur einer von uns ausreichen :P

  • sumedha:

    Buddhas Lehre nimmt aber für sich in Anspruch keine Lehrmethode zu sein, denn alles was Methode ist kommt vom Kopf und damit ...vergänglich.


    mirco dann:

    Aber es geht doch nicht darum, ob etwas vergänglich ist, sondern wie man möglichst schnell und freudvoll Einsicht darin bekommt.


    sumedha wiederum:

    Einsicht darin das es vergänglich ist? :idea:


    Einsicht bedeutet doch, das der Meditierende genau erkennen kann, wie Bedingtes Entstehen funktioniert. Dann erst sieht er auch in die Vergänglichkeit ein. Diese Einsicht kann man doch nicht herbeidenken.

  • Beitrag von sumedha


    Herzog Huan von Ch'i saß oben im Saal und las in einem Buch. Der Stellmacher P'ien arbeitete unten im Hof an einem Rad. Er legte Hammer und Meißel beiseite, stieg hinauf in den Saal und sagte zu Herzog Huan: »Dieses Buch, das Eure Hoheit da lesen - darf ich wohl fragen, wessen Worte darin stehen? «
    » Die Worte der Weisen ", sagte der Herzog.
    »Leben die Weisen noch? « sagte P'ien.
    »Sie sind schon lange tot«, sagte der Herzog.
    »Ja - dann ist das, was Eure Hoheit lesen, nur der Abfall, der von ihnen übrigblieb! « sagte P'ien.
    »Seit wann ist es einem Stellmacher gestattet, sich kritisch über das zu äußern, was ich lese? « sagte Herzog Huan. »Wenn du eine Erklärung dafür hast, lasse ich' s dir noch durchgehen. Wenn nicht, bist du des Todes! «
    Stellmacher P'ien sagte: »Ich betrachte die Sache vom Standpunkt meiner Arbeit aus. Wenn ich beim Radmachen mit dem Hammer zu schwach zuschlage, rutscht mir der Meißel ab und greift nicht. Schlag' ich aber zu kräftig zu, dann steckt er gleich fest und läßt sich nicht mehr bewegen. Nicht zu schwach und nicht zu kräftig - die Hand bekommt ein Gespür dafür, und innerlich stimmt man sich darauf ab. Es läßt sich nicht in Worte fassen, und doch ist irgendein besonderer Trick dabei. Ich kann ihn meinen Sohn nicht lehren, und er kann ihn nicht von mir lernen. So bin ich denn schon siebzig Jahre und mache auf meine alten Tage immer noch Räder. Diese Männer aus längst vergangener Zeit nahmen alles Wissen, das sich nicht weitergeben ließ, mit ins Grab. Also kann das, was Eure Hoheit da lesen, nur der Abfall sein, der von ihnen übrigblieb. «
    (Chuang-tzu: Innere Lehren)


    Ich liebe Tschuang Tschi - das ist Tao

  • Ein geschriebenes Wort, ein gesagtes Wort
    kann nicht aussagen, was erfahren wird.
    Es gibt ein inneres Erleben und Sehen - das drücken die Zenkoans aus.
    Geschriebenes ist Kopf-Theorie - Worte können die Tiefe einer Versenkung und Einsicht nicht ausdrücken,
    obwohl man es so gerne möchte.
    Die Zenmeister und Erleuchteten wissen das.

  • mirco:

    Natürlich. Die Schriften beschreiben doch aber auch nicht die Erfahrung, sondern den effizientesten Weg, um die Erfahrung machen zu können.


    Sie beschreiben eben nicht - in ihrer vollen Voluminösität - den effizientesten Weg, sondern der effizienteste Weg ist derjenige, der zu einer ganz bestimmten Person paßt, also immer nur ein Ausschnitt aus dem des ganzen Beschreibungs-Umfang.


    Wer das nicht beachtet, dem gehts wie der Kuh in A.IX.35, schönes Gleichnis:


    "Nehmt an, ihr Mönche, einer im Gebirge lebenden Kuh, die unverständig ist, unerfahren, des Gebietes unkundig und unfähig, im unebenen Gebirge umherzuwandern, käme der Gedanke: »Ach, gern möchte ich auf noch nicht betretenes Gebiet gehen, noch nicht gekostete Gräser fressen, noch nicht genossenes Wasser trinken!« Und bevor sie noch richtig den Vorderfuß aufgesetzt hat, würde sie schon den Hinterfuß aufheben. Nicht könnte sie dann noch nicht betretenes Gebiet begehen, noch nicht gekostete Gräser zu fressen und noch nicht genossenes Wasser zu trinken bekommen. Und auch zum Orte, wo ihr jener Gedanke kam, vermöchte sie nicht heil zurückzukehren. Und warum nicht? Weil eben jene im Gebirge lebende Kuh unverständig ist, unerfahren des Gebietes unkundig und unfähig, im unebenen Gebirge umherzuwandern."



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