Beiträge von Thorsten Hallscheidt

    Und das obwohl ich bald zur Entsagung kommen will - ach, aus dem Zen habe ich gehört, dass man dass nicht wollen dürfe, sonst klappt es nicht. Okay, dann lieber nicht.

    Im Zen ist es wie überall im Buddhismus. Tatkraft ist ein wesentlicher Faktor. Ich brauche Tatkraft, Willen und Geduld, wenn ich die Bonno überwinden will.


    Aber ich beschleunige das Wachtum einer Pflanze nicht dadurch, dass ich daran ziehe. Besser ist es, gute Bedingungen für ihr Gedeihen zu erzeugen. Daher ist es im Zen, wie auch anderswo gut, wenn man an förderlichen Bedingungen für die Praxis arbeitet. Der achtfache Pfad zeigt, wie. Wenn ich nur praktiziere, weil ich das ultimative Glück des Nirwana will, so wird nur so lange funktionieren, wie mir nichts und niemand im Weg steht, dieses Ziel zu erreichen. Anderenfalls wird sehr schnell schlechte Laune aufkommen. Auch in der Meditation ist der unbedingte Wille, jetzt und hier zu erwachen, völlig absurd, denn auf diese Weise versuche nur ich das Feuer mit Benzin zu löschen.

    Keine Musik der Sphären, sondern klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.


    Zitat

    Insofern man, Brahmane, diese restlose Erlöschung der Gier erfährt, die restlose Erlöschung des Hasses und der Verblendung erfährt, ist das Nibbana klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.


    A.III.56 Das sichtbare Nibbāna - 5. Nibbuta Sutta

    Letztlich sind diese Gedanken und Überlegungen Strategien, mit denen man die Gewohnheiten und Vorstellungen, die "Samsara" bilden, auf ihre Notwendigkeit und Wirklichkeit hin hinterfragen kann. "Hinterfragen" klingt auch wieder sehr theoretisch. Im tibetischen Buddhismus unterscheidet man zwischen konzentrativer und kontemplativer Meditation. Während die erste, wie der Name sagt, der Übung der Konzentration bis zur "Einspitzigkeit" dient, dient die zweite dem Nachvollziehen, dem Nachempfinden, dem wirklichen Begreifen eines theoretisch begriffenen Sachverhaltes. Während der Kontemplation wird ein theoretischer Sachverhalt Fleisch und Bein, wird lebendiger Bestandteil des Lebens. Zentral ist die Frage: Warum leide ich? Ist es notwendig oder beruht es auf einer falschen Sicht? Am Anfang steht das Leiden, genauer: Die Frustration. Egal, was ich mache, ich finde keine wirkliche, dauernde Befriedigung. Alles, was ich aufbaue, wird zunichte, wird schal, langweilig, ist dem Untergang geweiht. Gibt es irgendeinen Zustand, der frei von Frustration ist, der nicht dem Wandel unterworfen ist, der ohne Tod ist, der nicht aus Teilen und Bedingungen besteht? Der Buddha sagt, ja, das gibt es:


    Zitat

    "Es besteht, Mönche,

    das Ungeborene, Ungewordene,

    Ungeschaffene, Unzusammengesetzte.

    Wenn dieses Ungeborene, Ungeschaffene,

    Unzusammengesetzte nicht bestünde,
- nicht wäre dann ein Entrinnen

    aus dem Geborenen, Gewordenen,

    Geschaffenen, Zusammengesetzten
zu erkennen.


    Weil aber dieses Ungeborene,

    Ungewordene, Ungeschaffene,

    Unzusammengesetzte besteht,

    Mönche,
deshalb ist ein Entrinnen für das

    Geborene, Gewordene, Geschaffene,

    Zusammengesetzte zu erkennen."

    Ud.VIII.3. NIRVANA (3)


    Nirvana ist ein Zustand, der erreicht wird, wenn das, was seine immer währende Gegenwart verdeckt, verschwindet: Das Zusammengesetzte, Geschaffene, Geborene.


    Wenn alles das, was ich mir von der Welt denke, wenn alles Begehren und Ablehnen, wenn alles Wünschen und Hoffen, wenn alles aufhört, was ich jenseits des jetzigen Augenblicks und jenseits dessen, was jetzt da ist, projiziere, wird das sichtbar, was immer schon da war und immer da sein wird.


    Begehren, Ablehnung und Unwissenheit fügen der Wirklichkeit etwas hinzu, was nicht da ist. Die Geistesgifte verzerren die Wirklichkeit. Sie verdecken die Wirklichkeit, so dass ich irgendwann nur noch in der Vergangenheit, in der Zukunft oder in der Bewertung der Wirklichkeit leben kann. Ich bin nicht mehr offen für das, was jetzt da ist, und was ich nicht greifen kann. Das ist wie eine Brille, die die Wirklichkeit verzerrt. Wünsche, Hoffnungen und Urteile überbewerten, unterbewerten und reduzieren die verschiedenen Bereiche der Wirklichkeit. Definitionen, Meinungen und Urteile beschränken die Wirklichkeit auf Vorstellungen von der Wirklichkeit.


    Je älter ich werde, desto mehr wird die Wirklichkeit von den Vorstellungen, Erwartungen und Erinnerungen an die Wirklichkeit überlagert, so dass mir irgendwann die Wirklichkeit komplett abhanden kommt, und statt der offenen, weiten Welt nur noch meine Vorstellungen, Wünsche, Abneigungen, Bewertungen und Ansichten da sind. Ich merke das nicht, weil ich mich über Jahre und Jahrzehnte daran gewöhnt habe, aus der großen, offenen Welt, in die ich als Kind geboren wurde, meine Welt zu machen. Aber Leid und Frustration werden immer größer. Krankheit und Tod entwerten alles, was ich versuche. Das Leben wird zur Einbandstraße:


    Zitat

    »Ach«, sagte die Maus, »,die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.

    Franz Kafka, Kleine Fabel


    Aber man kann all diese Mauern auch einreißen, die Konstruktionen und Schleier vom der ursprünglichen Wirklichkeit wegwischen, Definitionen, Vorstellungen und Ansichten als das entlarven, was sie sind: relative, geschaffene, zusammengesetzte Werkzeuge zum Schutz und Umgang mit der Realität, aber selbst keine Realität. Ansichten, Wünsche, Abneigungen, Gewohnheiten, Definitionen, Vorstellungen, Theorien – all das sind Mauern, die im Laufe des Lebens immer enger und höher werden. Dadurch verliere ich den Kontakt zur Heiligen Wirklichkeit, zum Urgrund des Seins. Aber ich kann all das auch durchdringen und auflösen zu Offenheit und Weite:


    Zitat

    Kaiser Bu von Ryô fragte den Großmeister Bodhidharma:

    "Was ist der höchste Sinn der Heiligen Wirklichkeit?"

    Bodhidharma sagte: "Offene Weite - nichts von heilig."

    Der Kaiser sagte: "Wer bist du, der du mir gegenüberstehst?"

    Bodhidharma sagte: "Ich weiß es nicht."

    Quelle


    Die Offene Weite zeigt sich dann, wenn die ganzen mühevoll aufgebauten Selbstbilder und Bilder der Welt einstürzen. Einstürzen tun sie, wenn sie ihre Macht verlieren. Ihre Macht verlieren sie, wenn ich die Abhängigkeit von ihnen löse. Die Abhängigkeit kann ich lösen, wenn ich mein (kein) Ich nicht mehr darauf stütze. Was für eine Erleichterung!


    Samsara und Nirwana sind also sicher nicht das gleiche. Das eine ist die Welt, die ich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zwanghaft zwischen mir und der Wirklichkeit konstruiere. Das andere ist die Wirklichkeit, die erfahrbar wird, wenn diese Konstrukte einstürzen.

    Wissen, dass alles nur abhängige Phänomene sind, nützt überhaupt nichts, wenn man denkt, man sei als Mensch geboren.

    Ok. Aber als was wurdest Du denn geboren? Und war der Buddha kein Mensch?

    Und wenn Schmerz auftritt, dann ist dies auch unerheblich, denn dieser erscheint abhängig von den Umständen und geht auch wieder.

    Hm. Ich wünsche Dir, dass Du in der Lage bist, es so zu sehen – wenn es mal soweit ist. Ehrlich.


    ^^

    Alter, Krankheit und Tod sind sehr wirklich. Überhaupt stellt sich für mich die Frage, ob etwas real ist oder nicht, nur solange ich nicht unmittelbar davon betroffen bin. Ich habe als noch nicht sonderlich alter Mensch, der in Wohlstand und Frieden lebt, überhaupt wenig Berührungspunkte mit den existenziellen Formen des Leidens. Da geht es mir wie dem Buddha, der seinen Palast noch nicht verlassen hat, um dem Alten, dem Kranken und dem Toten zu begegnen. Aber ich werde älter. Um mich herum nehmen Alter, Krankheit und Tod zu. Und mit der Liebe zu meiner Familie entsteht zugleich auch die Sorge um ihr Wohlergehen. Das kann ich wegdenken und im Gedanken an das abhängige Entstehen relativieren, aber das ist nur oberflächlich. Wenn die Wirklichkeit ein bisschen daran kratzt mit der Realität des Leidens oder auch nur mit der Angst vor dem Leiden, ist der schöne buddhistische Lack bald ab.


    Das Leiden ist sehr wirklich. Es verdrängt die philosophischen Erwärungen ganz und gar, wenn es eintritt. Es entzieht sich jeder Relativierung. Es ist für mich unmöglich, mich davon nicht berühren zu lassen, selbst wenn ich weiß, dass Alter, Krankheit, Tod, Verlust, Schmerz etc.nur abhängige Phänomene sind. So ist die Tatsache, dass ich als Mensch geboren wurde, zugleich doch auch die grundlegende Bedingung, dass ich Alter, Krankheit und Tod werde erleiden müssen. Kann ich mich wirklich davon distanzieren?


    Ich habe dazu eine interessante Passage bei Uchiyama Roshi gelesen:


    Während eines Sesshins kommt ein Amerikaner zu Uchiyama und berichtet davon, dass die Meditation trotz aller Bemühungen an manchen Tagen sehr schlecht läuft. Und an anderen Tagen gelingt es ihm völlig offenen Sinnes zu sitzen, ohne dass Gedanken aufsteigen. Er fragt den Meister, ob er diese zweite Erfahrung Satori oder Wesenschau nennen würde.


    Die Antwort ist folgende:

    Zitat

    Gewiß, wenn Sie Sesshin erleben wie jene in Antai-ji, so werden Sie diese Erfahrung oft machen. Wenn Sie aber die Tage, an denen Sie den Gedanken nachjagen müssen, 'Wirrnis oder Unwissenheit', Ihre guten Tage aber 'Satori' nennen, dann ist diese Art von Unklarheit und Satori nur durch Temperatur und Feuchtigkeit bestimmt.

    Hier in Antai-ji haben wir das ganze Jahr hindurch sehr unterschiedliches Wetter, und selbst während eines einzigen Sesshins kann das Wetter stark wechseln. Durch Ihre Erfahrungen, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, werden Sie wohl den Zusammenhang zwischen der Temperatur draußen und Ihrer persönlichen seelischen Verfassung erfaßt haben. Im Allgemeinen werde Sie das fühlen, sobald gewisse Wetterbedingungen eintreten. Ist es erstickend heiß, so mögen Sie sich noch so sehr bemühen; Ihr Kopf scheint zu gären und Sie kommen zu nichts. Wenn jedoch die Luft trocken ist und ein und ein kühler Abendwind weht, klärt sich ihr Lopf, und Sie kommen zu einem guten Zazen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Wechselbeziehung zwischen Ihrem Organismus und dem Wetter. Sicher ist im zweiten Fall Ihre Zazen-Übung ausgezeichnet, das heißt aber nicht, daß dies schon ein gutes Zazen sein muß; wie auch umgekehrt ein Zazen unter ungünstigen Umständen kein Versagen ist.

    Unabhängig davon kommt es darauf an, daß Sie Zazen innerlich erschauen und sich seiner bewußt werden. Der Rest: Ihre Gefühle sind nichts als Theater. Haben Sie dies wohl nach Ihren langen Erfahrungen bei uns etwas begriffen?


    Weg zum Selbst, Zen-Wirklichkeit S. 89 - 90


    Es gibt also immer noch einen Schritt, den ich weiter zurücktreten kann. Auch hinter die angebliche Erfahrungen von Satori und Verwirrung kann ich treten und mir dieser Dynamik bewusst werden.


    Das Leiden geschieht, und wenn ich es versuche zu relativieren, indem ich mir vorstelle, es sei leer von Eigenexistenz und könne mir also im Grunde nichts anhaben, weil es nicht real ist, so ist das wahrscheinlich nichts anderes als eine Ablehnung des Leidens und zugleich Anhaftung an den Wunsch, das Leid möge verschwinden.


    Was aber, wenn ich weder das eine noch das andere mache? Wenn ich das Leiden in seiner Realität voll anerkenne, ohne es relativieren oder ablehnen zu wollen? Was, wenn ich es sich ausbreiten und entwickeln lassen, wie eine schwere rote Blüte, die in meinem Inneren sich entfaltet, ohne davor zurückzuzucken? Was, wenn es mir gelingt, das Leiden in seiner vollen Kraft als Wirklichkeit anzunehmen? Das Leid streicht dann wie der tiefe Schatten einer Wolke über den Spiegel. Der Spiegel wird dunkel und wieder hell. Schmerz kommt und geht in voller Lebendigkeit. Aber das ist wahrscheinlich wieder nur ein Spiel. :klee:


    Was geschieht, wenn ich zum Schmerz hingehe (zur Schlange im Garten), wenn ich das Leiden nicht ablehne oder davor zurückweiche? Es wird ein Seil. Ist das Leiden darum weniger schmerzhaft, weniger real? Keinesfalls. Aber indem ich es annehme, wird es lebendiger Teil meiner Identität.

    Die Idee ist schon faszinierend: Gehen, die gegangene Strecke und der, der geht, existieren nur in Abhängigkeit voneinander. Das eine bringt das andere hervor. Existiert eines von den Dreien nicht, existieren auch die anderen nicht.


    Wirklich spannend wird diese Idee, wenn man statt Gehen, gegangener Strecke und Gehendem Wahrnehmung, Wahrgenommenes und Wahrnehmenden setzt. Auch ein Dreierpaar, bei dem, fehlt eines seiner Teile, auch die anderen nicht existieren. Folgende Sätze ergeben sich:


    • Ohne Wahrnehmung kein Wahrgenommenes und kein Wahrnehmender.
    • Ohne Wahrgenommenem keine Wahrnehmung und kein Wahrnehmender.
    • Ohne Wahrnehmenden keine Wahrnehmung und kein Wahrgenommenes.


    Wenn ich nichts sehe, nichts höre, nichts fühle, nichts denke, nichts schmecke, nichts rieche, verschwinde auch "ich" und meine Fähigkeit zur Wahrnehmung.

    Wann da nichts ist, was ich sehen, hören, fühlen, etc. kann, verschwinde ich auch.

    Wenn ich nicht existiere, gibt es keine Welt und keine Wahrnehmung (für meine Seinswirklichkeit). z.B. Ohnmacht, tiefer Schlaf oder Tod.


    Das, was ich bin, konstituiert sich also nur durch das, was ich im Augenblick wahrnehme, fühle oder denke. Und das, was da ist, erhält Form und Inhalt auf der Basis meiner Wahrnehmung. Und meine Wahrnehmung entsteht nur, weil da ein Subjekt ist und etwas, das Wahrgenommen werden kann. Für sich betrachtet, unabhängig von den anderen beiden, existiert aber keines von den dreien.


    Oft hatte ich den Eindruck, dass die Vorstellung, die Welt sei nur ein Produkt meines Geistes, eine Illusion, zu einer Art Locked-in-Syndom führt. Hier ich, dort die Illusion der Welt, der Gefühle, der Gedanken – wie in einem Kino. Beklemmend und sehr einsam irgendwie.... Alleine, für immer in einem Kino eingesperrt, das mein eigenes Produkt ist. Klar, dass man sich davon frustriert abwendet irgendwann. Sinnlose Quälerei.


    Aber es ist ja genau anders herum, quasi invertiert. Kein Gedanke, kein Gefühl, keine Farbe, keine Form ist das Produkt meines Geistes, eher ist es umgekehrt. Alles, was mich ausmacht, besteht aus Wirklichkeit, die nicht ich ist. So benutze ich Worte, die ich nicht erfunden habe, benutze Gedanken und Argumente, die nicht auf meinem Mist gewachsen sind. Auch die Dinge, die ich sehe, höre, rieche und schmecke, habe ich nicht gemacht. Mein Körper tut in vieler Hinsicht, was er will. Er besteht aus dem, was ich gegessen und getrunken habe – nichts davon war je ICH. Auch meine Ausscheidungen sind nicht ich. Laufe ich durch den Wald, laufe ich auf einer dicken Schicht von Tod, Verwesung und Exkrementen, laufe über zahlose Lebensformen, die auf der Basis dessen wieder-werden. Die bringen dann in Abhängigkeit voneinander und in Abhängigkeit von meiner Wahrnehmung das hervor, was dann in mir "Wald" wird.


    Und auch in mir tut vieles, was es will, ohne dass ich eine Chance habe, es nicht zu wollen oder zu wollen. All das zusammen bringt "mich" hervor. Und umgekehrt kommt durch mein Subjekt-Sein die Welt zur Wirklichkeit, entfaltet Wirkung, kommt vom Nichtsein ins Sein. Das Sehen, Denken, Riechen, etc. bekommt seine Form durch das, was und wie ich (Körper-Geist) bin und umgekehrt. Und zugleich bin und werde ich durch Sehen, Denken, Riechen, etc. immer wieder neu.


    Ich bin also tatsächlich mit mit jeder Faser meines Seins nicht nur verbunden mit der Welt – denn dann wäre wieder hier ein ICH und die Welt dort – "ich" bestehe sogar aus Welt ganz und gar. Die Ströme von Ursache und Wirkung, die seit Anbeginn der Zeiten die Welt sind, bringen auch mich hervor, als eine zeitweilig relativ statische Verwirbelung im Strom. Das ist nichts ungewöhnliches. Es geht allem so, was wird und vergeht.


    Interessant finde ich, dass das, was ich wahrnehme und denke, diese Erscheinungswelt also aus den unzähligen Erscheinungswelten anderer besteht, die milliarden Einzelwesen-Welten also Schnittmengen bilden (die sie dann "Dinge" oder "Farben" oder "Fakten" nennen), durch die Kommunikation (Transfer von Information) stattfindet – und als Flimmern und Wabern das entsteht und sich ständig verändert, was wir objektive Realität nennen.


    Ich bin also keineswegs eingeschlossen. Im Gegenteil, alles ist weit und offen.


    So ist wird auch jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat zu Wirklichkeit in anderen Wesen. Mit allem, was ich tue, setze ich Ursache-Wirkung-Ströme in Gang, die Realität für mich und andere werden. Ich forme die Welt, mit dem, was ich denke, sage und tue. Jedes Lebewesen tut das auf seine Weise. Was für eine Verantwortung!

    Der Beweger, das Bewegende und die Bewegung sind Eins.

    Hm.


    Und jetzt?


    War das der Satz, den Du aus der Sicht der Non-Dualität geschrieben hast? Ich lese hier vier Konzepte, die sprachlich zu einem Gedankenbild zusammengekloppt werden, das ich mir dann vorstelle. Da bin also 1.) ich, da ist 2.) meine Vorstellung und da ist noch 3. das "mir". Das sind schon drei. Bei Dir wird es ähnlich sein. Das hat doch nichts mit Non-Dualität (Nicht-Zwei, Auflösung der Subjekt-Objekt-Trennung) zu tun. Das sind schöne, wertvolle (und leicht staubige) philosophische Gedanken zu Śūnyatā.

    Du paraphrasierst (nicht so ganz) einen Gedanken von (korrigiere mich!) Nagarjuna (MMK Kap.2), nicht ? Dort sind sie (Geher, gegangene Strecke und Gehen) nicht eins, aber konstituieren einander. Aber Non-Dualität... also ich weiß nicht...


    Ich glaube, ich gehe schlafen.


    Gute Nacht zusammen!


    PS: Hier noch ein schönes Interview mit einem echten Profi in Sachen Erleuchtung und Non-Dialität. (Was man so alles findet, wenn man nach Non-Dualität googelt ;))


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    Ach was, da ist keine Poesie. Da gibt es ganz andere, denen ich das Wasser gerne reichen würde... Mir lag nur daran, diesen trocknen Knochen hier etwas Fleisch anzuheften. Das war ganz plump und prosaisch gemeint und ohne Geschwobel....


    Formuliere doch bitte einen Satz aus (d)einer nondualen Sicht. Jetzt bin ich schon neugierig geworden.

    Nein, könntest Du nicht.

    Ich? Nein, natürlich nicht.

    Eine nonduale Sicht (was für ein monströser Ausdruck für so etwas tiefes und feines!) muss sich jeder Formulierung entziehen, so dass es gänzlich unmöglich ist, irgendetwas aus nondualer Sicht zu schreiben. Jemand, der nicht weiß wovor er oder sie spricht, kann im Nachhinein sich dem vielleicht annähern mit Poesie oder Gestammel.


    Ich merke, dass ich froh bin, nach langer Suche zwischen staubigen und wertvollen Worten, beim Zen gelandet zu sein... Ich erinnere mich allerdings auch mit Freude an die Zeit, in der wir (Helmut und Rudolf und wer noch alles) in Hamburg tibetische Landkarten studiert haben. Jetzt habe ich gelernt, dass diese Landkarten unsere Wohnung abbilden, den Garten, die Autos, die Supermärkte und den Wald. Die exotischen Tiere, von denen die Landkarten sprachen, sind unsere Begleiter hier im Haus: Hund und Katze. Meine Frau und meine Tochter, die sich natürlich selbst gehören und nicht meine sind, sind echte Bodhisattvas, von denen ich täglich lerne. Meine Tochter hat sich zum Beispiel letzthin aus der Schlange im Garten eine Schaukel gebastelt. Ein guter Umgang mit der Angst, dachte ich noch.


    Ich muss mir oft und öfter die tröstlichen Worte von Meister Bankei ins Gedächtnis rufen:


    Wenn du denkst, der Geist,

    der Erleuchtung erlangt, sei dein,

    kämpfen nur Gedanken

    in dir miteinander.


    Dann verschwindet die Welt, die ich mir als Illusion und Trug so schön zurechtgelegt habe, und echter Wind raschelt wieder in echten Blättern. Ausatmend verlasse ich das Kino!


    :taenzerin:

    Es ist müßig über Dinge nachzusinnen die aus unerleuchtetem Geist stammen.

    Dann kann man ja dieses Forum getrost schließen. :|


    Zitat

    Aber den Weg gehen, das musst du selber tun, erstens. Zweitens, alles was ich sage, sollt ihr prüfen. Nachdem ihr richtig geprüft habt, so wie Gold geprüft wird, dann solltet ihr entsprechend praktizieren, aber nicht mein Wort verehren.


    Wie soll man prüfen, wenn man nicht sorgfältig nachsinnt? Wer weiß schon, ob all die Rinpoches, Bhikkhus und Lamas selbst aus erleuchtetem Geist sprechen. Wir müssen schon selbst denken und selbst erfahren. Das kann uns keiner abnehmen.

    Die Frage, ob es Wiedergeburt gibt oder nicht, ist vor allem für die wichtig, denen es wichtig ist, ob sie selbst diejenigen sind, die ernten, was sie sähen. Das nenne ich mal eine starke Ich-Fixierung! ICH forever! Wenn diese Motivation ein Hauptpfeiler des Buddhismus ist, so kann dieser Buddhismus von mir aus gerne Geschichte werden – dann taugt er nicht viel. Alle Traditionen, die mit der Wirklichkeit der Menschen nicht mehr übereinstimmen (wollen oder können), werden irgendwann Geschichte – und das ist auch gut so.


    Was ist denn der Gedanke hinter einer personalen Wiedergeburtsvorstellung, in der immer wieder ICH wiedergeboren werde? Lohnt es wirklich sich anzustrengen (Mit heilsamer Lebensführung, mit anstrengender Meditation, etc.) , wenn ICH am Ende nichts davon habe? Was soll der ganze Aufwand, wenn ICH eh weg bin, nach meinem Tod? Dann kann ICH ja hier noch die Sau rauslassen! Es kann MICH ja eh keiner bestrafen, ICH bin ja weg!

    Diese Vorstellungen sind so kindisch: Wenn ICH brav bin, bekomme ICH eine Belohnung (Nirvana). Wenn ICH nicht brav bin, werde ICH bestraft (Niedere Lebensbereiche, oder Qualen in der Hölle).
    Das hat mich schon bei den Erzählungen der traditionellen Katholiken verwundert und befremdet. Himmel, Hölle, dieser ganze Irrsinn, der nur dazu taugt, einfachen Gemütern Angst zu machen, um die eigene Machtposition zu festigen.


    Wenn ich mir alleine diese ganzen Kataloge von Foltermethoden anschaue, die im tibetischen Buddhismus für dieses oder jenes Vergehen höchst lebendig (beinahe lustvoll) ausgemalt werden, zweifle ich daran, ob damals Ahimsa, Nicht-Verletzen wirklich in den geschorenen Köpfen angekommen ist.


    Was ist denn das für eine Lehre, die auf einen immer währenden Egoismus, eine immerwährende ICH-Zentrierung setzt: MEIN Karma, schafft die ganze Welt, jetzt und für immer. Von allem was ICH tue, werde ICH die Konsequenzen zu spüren bekommen? Was soll das denn?! Wahrscheinlich hört mit der ICH-Illusion deshalb auch der (Glaube an den) Kreislauf der Wiedergeburten auf, weil es einfach nicht mehr sosehr darum geht, ob es einem selbst gut geht oder nicht.


    Aber so ist der Buddhismus, so wie ich ihn kennengelernt habe, zum Glück ja nicht. Hier ein schöner Text von Dagyab Kyabgön Rinpoche:


    Zitat

    Alles was in der Literatur steht, ist sicherlich wichtig. Aber wichtiger ist es, alles, was da drin steht zu prüfen, ob es mit der Realität zu vereinbaren ist oder nicht. Wenn es irgendeine wissenschaftlich bewiesene Sache ist, dann müssen wir diese Quellen aufgeben oder kommentieren. Wir dürfen niemals der wortwörtlichen Bedeutung hinterher rennen, nach dem Motto: „Alles was im Text steht, das stimmt“. Wenn wir das tun, dann sind wir nicht viel anders als andere Religionen. Jetzt, wenn ich dazu ergänze, Buddha hat von Anfang an im Sutra gesagt: „Ich werde dir den Weg zeigen. Aber den Weg gehen, das musst du selber tun, erstens. Zweitens, alles was ich sage, sollt ihr prüfen. Nachdem ihr richtig geprüft habt, so wie Gold geprüft wird, dann solltet ihr entsprechend praktizieren, aber nicht mein Wort verehren.“ So hat er gesagt. Zu denken: „Oh, das ist Buddhas Wort, das müssen wir akzeptieren“, wäre falsch. So ist es überhaupt nicht. So viel Freiheit, so eine große Freiheit hat er uns gegeben.


    Quelle S. 25 (Bedrohung oder Ermutigung?)


    Hier lohnt übrigens das ganze PDF.

    Rudolf, ich kann mich leider nicht für Dich mit diesen Dingen beschäftigen. Mich jedenfalls inspiriert es. Es spengt auch mein Kontingent an Zeit, auf jedes Deiner Argumente wieder Argumente anzuführen. Erfahrungsgemäß ist das endlos.... Ich lese von Dir seit vielen Jahren... Ich maße mir nicht an, Dich von irgendwas überzeugen zu können. Dein Weltbild, wie es hier erscheint zumindest, ist vollkommen hermetisch. Es überfordert mich, das zu ändern. Und nötig ist es wahrscheinlich auch nicht.


    _()_


    :moon:

    sondern nenne mal ein paar Worte des Buddha, die die Menschen "sehr anders" verstanden haben als wir heute.

    Na, nehmen wir das Wort "Erlöschen": In der deutschen Rezeption des Begriffs, bekam er bis in die jüngste Zeit eine sehr pessimistische und nihilistische Bedeutung im Sinne von Selbstvernichtung.

    Dann hat sich auch die Vorstellung der Zeit sehr verändert von damals bis heute. Wir leben heute in einem viel stärker linearen Zeitverständnis als zur Zeit des Buddha. Dort war das Verständnis wesentlich zirkularer. Die Wandlungsgeschichte des Begriffes Karma und Wiedergeburt in Indien ist in folgendem Buch sehr genau dargestellt: Karma und Wiedergeburt im indischen Denken.

    Kosmologische Vorstellungen haben sich grundlegend geändert. Während Karma zur Zeiten des Buddha mehr oder weniger selbstverständlich war, ist der Begriff heute eher exotisch geworden. Wir müssen heute wesentich mehr "Glaubensarbeit" aufwenden, um diesen Begriff in unser Denken zu integrieren, als es damals der Fall war. Und natürlich gibt es viele Beispiel mehr. Der Text von Buddhadāsa Bhikkhu ist auch ein gutes Beispiel für einen allmählichen Bedeutungswandel.

    noch andere Metaphysiken mit in den Buddhismus,

    Das ist doch gerade der Punkt: Es ist genau betrachtet keine andere Metaphysik sondern eine aus unserer Kultur erwachsene Sichtweise auf die Wirklichkeit, die zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie die buddhistische Lehre. Aber wenn Du Dich damit nicht auseinandersetzen willst, wird es für Dich natürlich auch verschlossen bleiben. Aber das macht ja auch nichts, finde ich. Ich schätze Deine Mühe, die Lehre des Buddha immer wieder gegen "fremde" Einflüsse zu verteidigen. Hingegen bin ich überzeugt davon, dass die Lehre des Buddha nah genug an der Wirklichkeit ist, dass sie diese Anstrengungen nicht braucht. Im Gegenteil, in jeder Kultur wird die buddhistische Lehre genau den Wandel der Blickrichtung herbeiführen, der die Wirklichkeit seiner Lehre bestätig – und zwar innerhalb der aktuellen Bedeutungen der jeweiligen Kultur!! Eben das sehe ich auch bei David Chalmers und seiner Kritik am Materialismus.

    Sie können ihre Meinungen doch ganz einfach denken und sagen - und Buddhas Worte in Ruhe lassen.

    Vielleicht möchtest Du, das sie Dein Denken in Ruhe lassen, damit Du Deine Meinung nicht ändern musst? :angel:


    Aber Scherz beiseite. Ich finde es erfrischend, wenn ich die Möglichkeit finde, meine intuitive Zustimmung zur Buddhistischen Lehre im aktuellen Diskurs wiederzufinden. Zudem ist eine Lehre immer ein Gefüge von Bedeutungen, mit denen die Wirklichkeit strukturiert wird. Das ist auch bei der Lehre des Buddha nicht anders. Dieses Gefüge kann ganz verschieden sein, je nach Kultur, die auf die Wirklichkeit schaut. Der Referenzpunkt ist immer die gleiche Wirklichkeit, der wir alle gegenüberstehen. Daher ist es immer gut und auch notwendig, eine Lehre mit den aktuellen Bedeutungen der Worte in Einklang zu bringen. Das ändert am absoluten Inhalt nichts, wohl aber an der Form. Die Menschen vor 2000 Jahren haben den Worten, die im Palikanon zu finden sind zum Teil sehr andere Bedeutungen zugemessen als wir heute, weil sie in einem völlig anderen kulturellen Kontext gelebt haben. Wir lesen die Worte des Buddha heute aus unserem Kontext und werden daher zwangsläufig die Lehre anders verstehen als die Menschen damals – auch Du.

    Da es aber immernoch um die gleiche ontologische Situation und Problematik geht, ist es nur hilfreich, wenn wir ein Verständnis der Lehre entwickeln können, das seine Bedeutungen aus unserer Kultur bezieht. David Chalmers ist für mich da ein sehr interessanter Vermittler und Neu-Denker der Fragestellungen, die die Menschen zu Buddhas Zeit schon umgetrieben haben.

    Ich kenne diese Standpunkte, sie sind unreif und nicht durchdacht

    Du kennst sie so gut, dass Du nicht merkst, dass es sich bei Russell und Chalmers weder um Wissenschaftler noch um Materialisten handelt, sondern dass beide im Gegenteil genau diese materialistische Position in Frage stellen, und das Chalmers eine sehr interessante Idee formuliert, die der indischen Vorstellung von Brahman recht nahe kommt... :)


    Glaube indes was Du willst, ich will Dir das in keiner Weise streitig machen. :wrose:

    Bitte ließ das nochmal in Ruhe. Und schau Dir auch Chalmers an! Die Verbindung Brahman -> Bewusstsein -> Gehirn wird dann auch deutlicher.


    Chalmers argumentiert genau gegen die Position, dass Bewusstsein ausschließlich vom Gehirn ausgeht!


    Das "Gehirn" ist nach Russell eine Konstruktion auf der Basis von Schlussfolgerungen, die auf Wahrnehmung beruhen:


    Zitat

    Man kann aus der Untersuchung unserer Wahrnehmungsinhalte – so habe ich behauptet – auf gewisse formale, mathematische Eigenschaften der äußeren Materie schließen; dieser Schluss ist weder streng noch sicher.


    Den Begriff der "äußeren" Materie relativiert er dann am Ende:


    Zitat

    Die Wahrnehmungsinhalte sind der einzige Bestandteil der physikalischen Welt, die wir anders als in abstrakter Weise kennen.


    Und kommt damit zum Schluss:


    Zitat

    Aber vom philosophischen Standpunkt betrachtet, ist die Unterscheidung zwischen Physischem und Psychischem eine oberflächliche und irreale.


    Das ist eine Zen-Sicht auf die Dinge, wenn man es genau nimmt.

    Auch wenn Russel meint, er würde keinen materialistischen Standpunkt vertreten, macht er es trotzdem.

    Keinesfalls. Denn:


    Zitat

    Die Wahrnehmungsinhalte sind der einzige Bestandteil der physikalischen Welt, die wir anders als in abstrakter Weise kennen. Was die Welt im allgemeinen betrifft, sowohl die physische als die geistige, so ist alles, was wir von ihrer Beschaffenheit wissen, von der psychischen Seite abgeleitet, und fast alles, was wir über Kausalgesetze wissen, von der physischen Seite. Aber vom philosophischen Standpunkt betrachtet, ist die Unterscheidung zwischen Physischem und Psychischem eine oberflächliche und irreale.


    Ich habe übrigens einmal gesagt, das Du etwas falsch verstanden hast. Das zweite Mal habe ich darauf verwiesen, dass man das, was man zur Zeit für meta-physisch, also als über die Physik hinausgehend hält, in Zukunft vielleicht verstehen wird, so dass es nicht mehr als jenseits der Physik sondern als diesseits verstanden wird. Das ist in der Vergangenheit schon oft geschehen. Warum nicht wieder heute oder Morgen bezüglich dessen was wir über das Bewusstsein wissen? Verständnis muss die Dinge nicht zwangsläufig entzaubern. Jetzt allerdings sind es doch zweimal geworden... (:


    Hast Du Dir den Vortrag von Chalmers mal angesehen?