Die Sechs Bereiche
In den buddhistischen Traditionen stellt man sich die Welt in Form der Sechs Daseinsbereiche vor. Man unterscheidet die „Höllenbereiche“, die „Bereiche der Pretas“, den „Bereich der Tiere“, den „Bereich der Menschen“, die „Bereiche der Titanen“ und „die Himmlischen Bereiche“. Für jedem dieser Bereiche sind bestimmte Leiden charakteristisch; so zeichnen sich beispielsweise die Höllenbereiche durch nahezu endlose Qualen und Schmerzen aus.
Bereits T’ien-t’ai Chih-i (1) erklärte „Ichinen-Sanzen“ (2) – das Prinzip der „gegenseitigen Präsenz der Zehn Welten“. Dieses Prinzip wurde später von Meister Miao-lo (3) und von Nichiren Shonin (4) aufgegriffen und vervollständigt. Im Kontext von Ichinen-Sanzen entsprechen die Sechs Bereiche den ersten sechs der „Zehn Welten“.
Je nach Tradition werden die Sechs Bereiche als mehr oder weniger faktisch existent angesehen. Der einfache Gläubige sieht den Umstand als gegeben an, dass er nach seinem jetzigen Dasein in einen der Sechs Bereiche wiedergeboren wird.
Für einen gebildeten Menschen der Neuzeit mag das auf den ersten Blick wie Aberglaube oder blanker Unfug aussehen, doch das ist es keineswegs. Es ist schlicht und einfach ein Bewusstmachen und Akzeptieren dessen, was möglich wäre. Und wenn man auch nicht an die nachtodliche Existenz der Sechs Bereiche glaubt, so zeigen doch beide, das Prinzip von Ichinen-Sanzen und auch unsere eigenen Erfahrungen, dass die Tendenzen der Sechs Welten alle im menschlichen Leben zu finden sind.
Die Höllenbereiche
Der Buddhismus kennt viele verschiedene Höllen. Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass die Wesen die in ihnen leben unerträgliche körperliche Schmerzen und Qualen erleiden, nach dem Tod wiedererweckt werden um dann erneut denselben Qualen ausgesetzt zu werden. Dies wiederholt sich dann zahllose Leben hindurch, scheinbar unermesslich lange Zeit.
Auch den monotheistischen Religionen sind Höllen (oder die Hölle) nicht fremd. Schon von den alten Griechen wurde uns die Unterwelt in Form des Hades überliefert, den man nach dem Tod betritt. Besonders anschaulich gestaltete sich dann im Mittelalter die Höllenvision in Dante’s „Inferno“ , die noch heute das Höllenbild des Abendlandes prägt.
Allen Höllen-Versionen ist gemein, dass die Sünder dort entsprechend ihrer üblen Taten bestraft werden, dass es kaum ein Entrinnen aus den Höllen gibt und dass dort für Sühne keine Chance mehr besteht.
Um das Leid entsprechend dem Höllenbereich zu erahnen brauchen wir uns allerdings nicht in alte buddhistische Texte zu vertiefen oder mit Dante’s „Inferno“ (5) vertraut zu machen. Hier, in unserer Welt, geschieht tagtäglich ähnliches Leid, wenn auch zumeist nicht über einen entsprechend langen Zeitraum hinweg. Bei Unfällen, Naturkatastrophen oder Gewalttaten erleiden Menschen tagtäglich schlimmste körperliche Qualen. Das letzte Jahrhundert hat sogar zwei Weltkriege und viele andere Konflikte hervorgebracht in denen das Dasein für die Beteiligten über längere Zeiträume hinweg kaum anders ausgesehen haben mag wie für manchen Gläubigen seine Höllenvisionen. Auch der Holocaust und andere Genozide wie in Kambodscha oder im Sudan haben gezeigt, dass es dem Menschen möglich ist, die Hölle auf Erden zu erschaffen.
Wir müssen nicht erst eine Höllen-Version der altüberlieferten Traditionen annehmen um zu erkennen, dass „Höllen“ Teil der Realität sind. So lässt sich Nichirens Konzept vom „Höllenzustand“, der ersten der Zehn Welten, damit auch wie folgt zusammenfassen (6): „Man befindet sich in einem Zustand tiefer Leiden und Schmerzen, wie sie durch Krankheit, extreme Armut, Verzweiflung usw. hervorgerufen werden. Man sieht keine Hoffnung und fühlt sich wie mit einer Kette in einer dunklen Kammer gefesselt.“
Der Bereich der Pretas
Der Begriff „Pretas“ wird in der Regel mit „Hungrige Geister“ oder „Hungergeister“ übersetzt. Es handelt sich um Wesen, die ihr Dasein auf der ständigen Suche nach etwas bestimmten verbringen, diesem Ding stets nah sind, es aber trotzdem nicht erhalten oder nutzen können. Im Allgemeinen stellt man sich Pretas als nach Nahrung gierende Wesen vor. Der Sinn ihrer Existenz scheint im Streben nach Nahrung zu liegen. Wenn sie dann allerdings die Nahrung bekommen haben, können sie diese nicht genießen: entweder ist ihr Mund zu schmal, ihr Hals zu dünn oder ihr Magen zu klein, so dass sie die Nahrung nicht aufnehmen oder verwerten können. So leben sie in ständiger Unerfülltheit, in ständigem Hunger. Es handelt sich, wie gesagt, um die allgemeine Vorstellung. Der Preta-Bereich ist nicht nur auf die Nahrungssuche beschränkt. Man stellt sich die Pretas zumeist als Wesen der Zwischenwelt vor, als Geister eben, die von den anderen Bewohnern des Diesseits – Menschen und Tieren – nicht wahrgenommen werden können. Sie ähneln darin sehr der abendländischen Vorstellung von Gespenstern, die Orte oder Menschen heimsuchen, weil in ihrem Leben etwas unerfüllt geblieben ist. Auch von diese Gespenster wird angenommen, dass sie ein Dasein in ständiger Unerfülltheit fristen, bis dann irgendwann das Unerfüllte mit Hilfe von anderen Wesen erfüllt wird.
Für Nichiren sah der „Hungerzustand“ wie folgt aus: „Man wird von ständigen Begierden vollkommen beherrscht und fühlt dauernd und immer mehr Verlangen, z. B. nach Essen, Reichtum, Ruhm, usw., kann aber niemals befriedigt werden.“
Natürlich müssen wir nicht erst Nichirens Konzept heranziehen oder gar den Bereich des Okkulten betreten, um uns Pretas oder Gespenster vorzustellen. Auch in unserer Welt und sogar um uns herum scheinen Menschen ein ähnliches Dasein zu fristen.
Ich denke jetzt einerseits an die vielen Menschen denen der regelmäßige Zugang zu Nahrung und Wasser nicht ermöglicht wird. Obwohl es grundsätzlich genügend Lebensmittel und Wasser für alle Menschen auf diesem Planeten gibt, verhungern und verdursten noch immer täglich zahlreiche Menschen.
Zum anderen denke ich an Menschen, die ihr Dasein als Sklaven einer Sucht fristen. Sie gieren täglich nach Drogen, Alkohol oder Nikotin, oder sind aufgrund ihrer Sucht nach körperlicher Vollkommenheit magersüchtig. Ihr Leiden scheint gelindert, wenn sie sich eine neue Dosis Drogen verabreichen können, eine weitere Flasche Fusel genehmigen oder eine Zigarette nach der anderen anstecken können; die Magersüchtige schein befriedigt, wenn sie ihr „Idealgewicht“ dann erreicht hat. Aber das ist alles nur eine trügerische Linderung. Das Leid wird nur aufgeschoben und dadurch verstärkt. Wirkliche, endgültige Befriedigung wird niemals erreicht, und irgendwann kommt der Zusammenbruch. Die Überdosis, das Delirium oder die Demenz, die Diagnosen „Lungenkrebs“ oder „Raucherbein“ oder, im Falle der Magersucht der irreparable körperliche Verfall, stellen die Endpunkte dieser Daseinsformen dar.
Wir müssen deshalb zugeben, dass der Bereich der Pretas keineswegs als Mysterium abgetan werden kann, sondern uns alle direkt oder indirekt betreffen kann.
Der Bereich der Tiere
Der Tierbereich scheint uns Menschen im Hinblick auf die anderen Bereiche am nächsten zu stehen. Tiere teilen mit uns die Welt in der wir leben und sie sind, im Gegensatz zu den Bewohnern der anderen Bereiche keine mystischen, für uns unsichtbaren, Wesen.
Tiere verfügen zwar ebenso wie wir über ein Bewusstsein, empfinden Leid oder Befriedigung, aber sie sind zu komplexem Denken oder gar zur Selbstreflektion nicht befähigt. Ihre Fähigkeiten sind eher dem Instinkt, der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung oder auch der Dressur unterworfen.
Das Leid der Tiere scheint immer mehr mit dem Verhalten der Menschen verknüpft zu sein. Hieß es vor ein paar Jahrhunderten noch für die Mehrzahl der Tiere „Fressen und Gefressen werden“, so scheint die Existenz der meisten von ihnen heute von der Gnade des Menschen abzuhängen.
Manche Menschen empfinden die Szenen, die in Tierfilmen gezeigt werden, als grausam: wenn der Jäger die Beute reißt, oder wenn aufgrund ausbleibendem Regen die Tiere verhungern und verdursten, dann scheint sich Mutter Natur von ihrer grausamsten Seite zu zeigen. Dies ist das Leid der Tiere, die in freier Wildbahn leben.
Haben es aber die Tiere, die unter unserem direkten Einfluss stehen besser? Sicher, wenn ich mir unseren Hund ansehe, dann führt er ein scheinbar paradiesisches Leben. Er bekommt genügend Nahrung, für seinen Auslauf ist gesorgt und auch sonst wird viel getan, damit er ein sorgenfreies Leben führen kann. Aber machen wir uns nichts vor, niemand von uns würde wirklich mit einem Hund, auch wenn es diesem noch so gut geht, tauschen wollen. Haustiere sind unfrei; sie sind der Gnade ihrer Herrchen ausgeliefert und können längst nicht tun und lassen, wonach es ihnen beliebt, oder was ihre Artgenossen in freier Wildbahn tun können.
Sind schon Haustiere derartigen Beschränkungen ausgesetzt, wie muss man dann erst das Leben von Nutzvieh ansehen? Diese Tiere werden häufig eher als Ware oder Rohstoff angesehen denn als lebende Wesen. Sie werden auf dem Rücken des Profits geopfert und fristen praktisch in dessen Namen ihr gesamtes Dasein. Durch künstliche Befruchtung oder mit Hilfe von Brutkästen ins Leben gerufen, fristen sie ein Dasein auf engstem Raum das nur der Mast oder der Produktion von Nachkommen gewidmet ist. Das natürliche Lebensende erreichen die wenigsten Nutztiere; die Weiterverarbeitung zu Fleischwaren oder ein qualvolles Ende wegen unhygienischen Lebensbedingungen, Seuchen oder Überzüchtung markieren zumeist den Endpunkt. Was dann den Schlachthof anbelangt, so drängt sich ein Vergleich mit dem Höllenbereich geradezu auf, so wie in manchen Betrieben der Tod am laufenden Band seine Ernte einfährt.
Und nicht nur die Haus- und Nutztiere sind ja von uns abhängig. Mittlerweile haben wir es in der Hand, über den Fortbestand nahezu jeder Art zu entscheiden. Elefanten, Nashörner, Tiger, Gorillas oder Wale existieren einzig und allein deshalb noch, weil wir uns entschieden haben, die sinnlose Jagd auf diese Spezies aufzugeben oder zeitweise einzustellen.
So liegt das Leid der Tiere nicht nur in ihrer Unfähigkeit zu komplexem Denken, sondern auch in ihrer Abhängigkeit vom Menschen.
Nach Nichirens logischer Betrachtung hat allerdings auch die menschliche Existenz das Potential einen „Zustand der Animalität“ zu verkörpern: „Man hat Vernunft und Ethik fallengelassen und folgt nur noch blind seinen Instinkten. In diesem Zustand herrscht das Gesetz des Dschungel: Die Schwachen werden zu Opfern, die Starken werden gefürchtet.“ Bei diesen Ausführungen muss man wohl zwangsläufig sofort an tyrannisierende Jugendbanden und Gangs in den Slums der großen Metropolen denken. Auch Krisengebiete, in denen während oder nach einem (Bürger-)Krieg Anarchie herrscht, kommen einem in den Sinn.
Der Bereich der Menschen
Die unterschiedlichsten Leiden der Menschen wurden bereits vorher eingehend dargestellt. Es sei allerdings noch darauf hingewiesen, dass der Großteil der Menschen weniger Leid erfährt wie die Wesen in den vorgenannten drei Bereichen, welche deshalb gemeinhin als die Niederen Bereiche benannt werden. Die drei Bereiche der Menschen, der Titanen und der Himmlischen Wesen stellen im Gegensatz dazu die Höheren Bereiche dar.
Durch ihre Fähigkeit zu komplexem Denken und zur Selbstreflektion, sowie dem Umstand, dass sie für gewöhnlich weder übermäßiges Leid noch übermäßiges Glück empfinden haben Menschen die besten Anlagen zur spirituelle Entwicklung. Für Nichiren ist dies der „Zustand der Ruhe“: „Man ist ausgeglichen und bewahrt ausgeglichene Ruhe“. Durch diese Fähigkeiten, gepaart mit der Hauptantriebskraft des Menschen, dem Begehren, sind sie allerdings wie keine anderen Wesen in der Lage, ihre Umwelt sowohl in ein Paradies als auch in eine Hölle zu verwandeln. So kann man Aspekte der anderen fünf Bereiche, wie schon anhand der Niederen Bereiche verdeutlicht, häufig auch im Bereich der Menschen antreffen.
Der Bereich der Titanen
Die gemeinhin übliche Übersetzung des Sanskritwortes Asura ist „Halbgott“. Es handelt sich der indischen Mythologie nach um machtvolle Wesen, die zu Füßen des Baums des Lebens wohnen und seine Wurzeln wässern müssen, während über ihnen, im Baumgipfel, die Himmlischen Wesen ohne Mühe die Früchte genießen können. Die Asuras sind deshalb eifersüchtig und neidisch auf die Himmlischen Wesen und führen Krieg gegen diese; den Sieg tragen sie allerdings nie davon.
Da es sich bei den Asuras nicht um einen Hybrid aus Mensch und Himmlischen Wesen handelt, erscheint mir die Bezeichnung Halbgott doch irreführend. Die Übersetzung mit dem Wort „Titan“ erscheint mir da gerechtfertigter, weil auch die Titanen der griechischen Mythologie gegen die Götter des Olymp aufbegehrten und diesen im Krieg unterlegen waren.
Das Leben der Titanen stellt sich folglich aus einer ständigen Abfolge von Kriegen dar. Obwohl es sich bei den Titanen, im Gegensatz zu Menschen, um machtvolle Wesen handelt, sind sie keineswegs zufrieden, sondern können nur eifersüchtig auf die noch etwas machtvolleren und glücklicheren Himmlischen Wesen blicken. Ihr Leiden ist folglich die nie endende Unzufriedenheit und die damit verbundene sinnlose Mühe des ständigen Rüstens und Bekriegens, sowie der Umstand, dass sie nie den Sieg davontragen.
Nichiren sah den Zustand der Titanen wohl als niederer als den der Menschen an; so stehen sie für die Vierte Welt „Ärgerzustand“, während die Menschen für die Fünfte Welt standen: „Ärgerzustand: Mit dem Ärger oder der Wut sind Arroganz und selbstsüchtiges Verlangen nach Anerkennung gemeint. Man fühlt sich in ständiger Konkurrenz zu anderen und versucht, andere zu übertrumpfen.“
Auch in unserer Welt kann man ein solches Verhalten beobachten, wenn man sich Karrieristen ansieht, die eifersüchtig auf Menschen blicken, die es noch etwas weiter gebracht haben und die stetig versuchen, einen noch höheren Rang einzunehmen. Auch Staatsmänner, die neidvoll auf ihre wohlhabenderen Nachbarländer blicken und diese dann mit Krieg überziehen sind Titanen nicht unähnlich.
Die Himmlischen Bereiche
Die Bewohner dieser Bereiche werden als „Devas“ bezeichnet. Das Wort Deva wird oft als „Gott“ übersetzt. Da es sich aber nicht um allmächtige, weltschöpfende Wesen handelt, und ein Deva keineswegs mit dem monotheistischen Gottbild vereinbar ist, liegt vielleicht ein Vergleich mit den dort bekannten Engeln näher. Ich verwende allerdings lieber die Bezeichnung „Himmlische Wesen“. Häufig werden die Himmlischen Bereiche, in aufsteigender Reihenfolge, in den „Bereich der Begierde“ (dem auch die zuvor genannten fünf Bereiche angehören), dem „Bereich der Form“ und dem „Formlosen Bereich“ untergliedert. Während die niederen Himmlischen Wesen zeitweise von den Asuras mit Krieg überzogen werden, welchen sie allerdings immer gewinnen, verbringen die höheren Himmlischen Wesen ihr Dasein gänzlich ohne Mühen; es ist ganz dem Genuss körperlicher und sinnlicher (im Formlosen Bereich natürlich nur letzterer) Freuden gewidmet. Allen Himmlischen Wesen ist ein sorgloses und sehr langes Leben gemein. Da ein Leben in den Himmlischen Bereichen als Lohn für gute Taten angesehen wird, empfinden alle Himmlischen Wesen übermäßigen Stolz auf sich selbst und die eigenen Taten. Ihr Stolz und ihre Sorglosigkeit angesichts der Fülle von Genüssen, denen sie frönen können, machen sie einerseits für Erfahrungen wie Leid unempfänglich und verhindern andererseits, dass sie sich sinnvollen Tätigkeiten hingeben. Die Bewohner der Himmlischen Bereiche sind keineswegs unsterblich; obwohl sie nicht altern kommt der Tag, an dem sie plötzlich zu verfallen scheinen und dann ihr Dasein aushauchen. Da derartige Erscheinungen die Sorglosigkeit der anderen Himmlischen Wesen gefährden, werden die Verfallenden von den anderen Wesen ausgestoßen und verlassen das Leben in Einsamkeit. Da die Früchte ihrer guten Taten dann aufgebraucht sind fallen sie dann in niedere Bereiche.
Die Reichen und die Schönen der High Society sind die irdische Entsprechung der Himmlischen Wesen. Auch sie führen ein nahezu sorgloses Dasein, tingeln von einer Party zur nächsten, können sich alle nur erdenklichen Dinge leisten und versuchen sich ewige Jugend zu eigen zu machen. Wenn dann der Zeitpunkt kommt, da ein Problem auftaucht oder der Reichtum oder die (gefühlte) Jugend abhanden kommt, dann lassen die anderen Reichen und Schönen den nicht mehr ganz so Reichen und Schönen im Stich; dieser ist dann ganz auf sich allein gestellt – aus der Traum von der High Society.
Nichiren schreibt den Himmlischen Wesen die Sechste Welt, den „Zustand des Entzückens“ zu: „Dieser Zustand tritt durch die Befriedigung einer Begierde oder eines Wunsches ein und verschwindet wieder schnell, wenn man z. B. Enttäuschung erlebt."
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Anmerkungen:
(1) T’ien-t’ai Chih-i (manchmal auch T’ien-t’ai Zhiyi, jap. Tendai Chigi) lebte von 538 bis 597 n. Chr. und gründete auf dem namensgebenden Berg T’ien-t’ai die gleichnamige Schule des Mahayanabuddhismus. Er teilte den buddhistischen Kanon erstmals nach der Bedeutung der Schriften ein und verstand das Lotos-Sutra als wichtigste Schrift des Mahayana. Die Schule wurde von Dengyo Daishi Saicho unter dem Namen Tendai-Shû nach Japan überliefert.
(2) Ichinen-Sanzen (jap.) bedeutet wörtlich: „Dreitausend Lebensumstände in einem Augenblick“. Dieses Prinzip besagt, dass jeder einzelne Lebensumstand gleichzeitig das Potential aller anderen Lebensumstände enthält. Jede einzelne, der im folgenden erläuterten Zehn Welten, enthält gleichzeitig alle übrigen neun – sie durchdringen und bedingen sich.
(3) Der sechste chinesische Patriarch der T’ien-t’ai-Schule lebte von 711 bis 782 n. Chr. und wird auch Chan-jan genannt (in Japan: Myoraku).
(4) Der Tendai-Mönch Nichiren (1222 – 1282) sah sich selbst als Nachfolger von T’ien-t’ai, Miao-lo und Saicho. Er verstand sich als Ausübenden des Lotos-Sutra in der Endzeit des Dharma. Seine Absicht, die Tendai-Shû zu reformieren und die japanische Nation auf den Pfad des Lotos-Sutra zu führen, konnte er nicht verwirklichen. Stattdessen gründete er eine neue Tradition, den Nichiren-Buddhismus, der sich nach seinem Tod in verschiedene kleinere Sekten spaltete. Allgemein wird seinem Namen der Ehrentitel „Shonin“ (Heiliger, Weiser) beigestellt, von den Anhängern der Nichiren-Shôshû und der Soka Gakkai wird er als Buddha verehrt und deshalb als Daishonin (Großer Heiliger, -Weiser) betitelt.
(5) Dante Alighieri (1265 – 1321) war ein italienischer Dichter und Philosoph. Sein Hauptwerk, „Die göttliche Komödie“ stellt seine eigene geistige Reise durch die drei Nachwelten „Inferno“ (Hölle), „Purgatorio“ (Läuterungsberg) und „Paradiso“ (Himmel) dar.
(6) Die folgenden Erklärungen zu den „Zehn Welten“ entstammen alle dem Werk „Nichiren – Der Ausübende des Lotos-Sutra“ von Yukio Matsudo, Kapitel 2-2.1.4.2.