Vielleicht ist der folgende Text für den einen oder anderen hilfreich. Er stammt aus einer Reihe von "Wissen und Wandel", die sich ausführlich mit der Satipatthana Lehrrede befasst. Leider gibt es diese Hefte nur noch in Kopien.
Das Herz dagegen, jene tiefen, im Hintergrund und Untergrund verborgenen schweigenden Regungen der gesamten Tendenzen, ist der dem normalen Menschen unbewusste Veranlasser und Auslöser der Gefühle, Empfindungen. Das Herz ist nichts anderes als die Ansammlung, das tausendfältige schweigende, blinde und unwissende Verlangen und Ablehnen, das Zugeneigtsein und Abgeneigtsein, das Begehren und Hassen.
Aber was mit diesem Begehren und Hassen verbunden an Denken und Wissen auftritt – indem man da weiß, was man begehrt oder hasst und warum man begehrt oder haßt – das alles ist nicht aus dem Herzen, sondern aus dem Geist, denn das Herz selber kennt gar kein Wissen und Denken, es weiß nichts davon. Und auch alles Gefühl, das mit dem Zugeneigtsein und Abgeneigtsein, mit dem Begehren und Hassen zusammen aufkommt, ist nicht das Herz selbst, sondern ist nur die Sprache des Herzens. Nur jenes stille und tiefe, stumme und blinde drängende Gerege von unbewussten Neigungen: das ist das Herz.
Alles Denken und Wissen und Vorstellen, das in Verbindung mit dem vielfältigen Geneigtsein des Herzens auftaucht, und aller Gefühlsschwall von Wohl und Wehe, von Lust und Leid, der in Verbindung mit dem schweigenden Begehren und Hassen des Herzens in Erscheinung tritt, sind viel lauter, viel aufdringlicher und viel machtvoller als dieses blinde, unbewusste Geneigtsein des verborgenen, hintergründigen Herzens.
Und darum kann der Mensch, solange er in dem Gestrüpp seines Denkens wohnt, solange sein Geist noch im Labyrinth der Assoziationsbahnen den Schemen der Konkretheiten nachjagt, das schweigende, stille Geneigtsein seines Herzens nicht merken. Und ebenso wenig kann der Mensch, solange er sich von dem Schwall seiner Gefühle bewegen und erschüttern läßt. Ja, solange überhaupt jene lauten Gefühle in ihm aufklingen, das schweigende, stille Geneigtsein seines Herzens nicht merken. Darum setzt die Beobachtung des Herzens eine erhebliche Läuterung und Beruhigung des Geistes und der Gefühle bei den Übungen voraus.
Nach dem Gesagten sehen wir, dass viele derjenigen Übungen, die von manchen Übenden als Beobachtung des Herzens aufgefasst werden mögen, doch nicht die unmittelbare Beobachtung des Herzens sind, sondern dass es der mit dem Zugeneigtsein oder Abgeneigtsein des Herzens zusammen aufsteigende Gefühlsschwall ist, den der Beobachtende mit dem begehrenden oder ablehnenden Herzen selbst verwechselt, und dass es der durch das begehrende Herz in Gang gesetzte Geist ist, dessen planend umherschweifendes Denken der Beobachtende für das begehrende Herz selbst hält.
Nichtsdestoweniger ist auch eine solche Übung hilfreich, leidenmindernd und notwendend, aber sie hilft dem Übenden noch mehr, wenn er sich zugleich bewusst ist, dass jene bemerkten inneren Vorgänge vom Begehren angestossenen Gedanken und seine aus Begehren oder Gehässigkeit hervorgegangenen Gefühle sind, nicht aber schon die schweigenden Regungen des Herzens selbst. Im Laufe der fortschreitenden Übung wird er die Gedanken stiller und stiller machen und so zur Ebnung der Gefühle kommen und in demselben Maße dann auch durchdringen zur unmittelbaren Beobachtung der Herzensregungen.
Paul Debes (Wissen und Wandel 40. Jahrgang Nr. 9 / 10)