@ JazzOderNie
Puhhh Du hast eine Diskussion gestartet, die sehr viel verschiedene Themen beinhaltet. Wenn ich nicht auf alle Deine Fragen eingehe, dann bitte stelle sie nochmals. Wenn möglich sollten wir in homöopathischen Dosen weitersprechen, denn sonst wird alles zu oberflächlich.
JazzOderNie:
... das sagst du so einfach.
Als ich begonnen habe Thailändisch zu lernen, dachte und sagte ich oft, dass dies eine sehr schwierige Sprache ist. Wie sehr ich mich doch geirrt habe. Denn hier in Thailand spricht jedes Kind Thailändisch und hier im Nordosten sogar auch einen Laodialekt. Umgekehrt hat meine Exfrau geklagt, wie schwer es ist Deutsch zu lernen. Meine Kinder konnten sehr schnell Schweizerdeutsch, Thailändisch und Hochdeutsch.
Gleich ist es mit der Lehre. Da kamen früher Leute zu Buddha, die hatten noch nie etwas von der Lehre gehört. Sie setzten sich nieder, hörten eine einzige Lehrrede und zack, erlangten sie einen der vier Erwachungsstufen. Es muss also einfach sein, anders wäre das nicht möglich. Mir ist schon klar, dass der erhabene Buddha ganz genau wusste, was er wem erzählen musste, damit diese Person einen Schritt in die Freiheit machen kann. In Diskussionen wird genau das als Ausrede genommen. "Der Buddha hatte grossen Anteil am Erfolg und weil er nicht mehr da ist, ist es schwierig, sehr schwierig, unmöglich."
Gerade wir Mönche und Nonnen ziehen solche Aussagen sehr gerne herbei, wie mir über all die Jahre aufgefallen ist. Dann machen wir aus der oft sehr einfachen Lehre etwas sehr kompliziertes. Und wenn das auch noch nicht genug ist behaupten wir, dass man halt nur mit den tiefsten Vertiefungen der Tiefenmeditation und auch nur wenn der Mond in einem speziellen Spezialwinkel zur Sonne steht, überhaupt die Chance zur Befreiung haben. Warum tun wir das? Wieso ist es immer so, dass der Mönch recht hat und ein Laie nicht?
Damit wir uns richtig verstehen, ich übe keinerlei Kritik an irgendwelchen Mönchen, Nonnen oder Laien. Wenn man in meinen Worten Kritik sehen will, dann bitte gegen das Gesamtsystem, welches sich über 2500 Jahre entwickelt hat. Wenn trotz dieser Worte jemand meint, ich würde mit dem Zeigefinger auf andere zeigen, dann soll bitte beachtet werden, dass Mittel-, Ring- und der kleine Finger auf mich selbst zeigen .
Zurück zum Thema. Mir ist aufgefallen, dass wir unter dem Wort Dünkel nicht das gleiche verstehen. Für mich bedeutet Dünkel sich überschätzen und sich dadurch abgrenzen. Es hat fast den Geschmack des Hochmutes. Daraus habe ich gefolgert, dass Dünkel ein Hindernis ist, dass ich den Persönlichkeitsglaube durchschauen kann. Nicht das einzige Hindernis, aber es hat sich dann wirklich so herausgestellt. Solange ich mich als etwas anders sehe wie alle anderen Menschen, egal ob Buddha, Dalai Lama, einen hochintelligenten Uniprofessor, ein Penner, eine Frau, ein Kind, ein Sterbender, ... so lange kann ich den Persönlichkeitsglauben nicht ablegen.
Der Zweifel ist doch die Stimme, aber auch die Eigenschaft, dich mich unsicher macht. Und jetzt kommt ein scheinbarer Widerspruch zum oben gesagten. Ich muss eine starke Persönlichkeit aufbauen, die stärker als alles andere ist, damit ich den Zweifel niederringen kann. Und das im gleichen Atemzug mit dem Ablegen vom Persönlichkeitsglauben . Irre nicht? Ich weiss nicht, ob es nur so geht, aber so geht es.
Avijjā ist für mich der Mix aus folgenden Komponenten: Nicht-Wissen, Ignoranz, falsches Wissen, Dummheit: Die teilweise oder vollständige Abwesenheit von Vijjā (richtiges Wissen). Es ist die Grundlage, auf der die drei Kilesa (Moha, Dosa, Lobha) überhaupt ein Nährboden erhalten und sich entfalten können. Avijjā gibt es auf zwei Ebenen: Der Mangel an Wissen bei der Geburt und das falsche Wissen, das sich später anhäuft.
Um Avijjā besser fassen zu können, habe ich sie/ihn personifiziert. Bei mir ist es eine Frau, hinterhältig, hinterfotzig, zu allen Schandtaten bereit. Staatsfeind Nummer 1 und Chefin der Kilesa.
Dass ich meine Erfahrungen nicht in der herkömmlichen Art und Weise präsentiere, sondern es einfach aus meinem HerzGeist heraussprudeln lasse hat folgenden Grund. Als ich begann, mich mit dem Buddhismus zu befassen, war ungefähr nach einem Jahr der Entschluss gereift, dass ich in diesem Leben Nibbāna verwirklichen will. Ab diesem Augenblick schien sich die ganze Welt gegen mich zu verschwören. Nicht die ganze Welt, aber unter anderem auch Menschen, von denen man eigentlich erwarten könnte, dass sie einem zumindest Mut zusprechen. Das hat mich echt beschätigt, eines Nachts träumte ich, die Personen sei in Wirklichkeit Māra/Avijjā. Es gab auch liebe Menschen, die mich unterstützten und mir den Weg zeigten. Nur deren ihr Weg führte vom Ziel weg, anstatt drauf hin. Darum habe ich alle Bücher weggegeben und habe mit niemandem über den Weg gesprochen. Ich suchte und ging meinen eigenen Weg. Ich hatte als Unterstützung nur die Lehrreden auf Englisch und Deutsch, zu Beginn noch nicht mal auf Pali.
Durch diesen Weg, habe ich einige klassische Erklärungen der Mönche und Nonnen nicht mitbekommen, aber ich habe einen reichen Erfahrungsschatz in der Praxis. Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich meine Praxis ändern muss. Ich muss mir einen neuen Weg zurecht legen. Deshalb bin ich oft im Internet, wozu dieses Forum ja auch gehört. Ich suche nach Inspiration und Information. Als "Nebenwirkung" lerne ich auch, meine Erfahrung mit den entsprechenden Worten zusammen zu bringen. Dennoch werde ich wohl nie auf die scholastische Schiene geraten und die Lehre wie ein Roboter vortragen.
Zum Thema Stimmen und Khandha, da bin ich gerade ratlos, was die Stimmen mit den Khandha zu tun haben. Für mich sind sie Avijjā respektive Vijjā (Wissen) / Paññā (Weisheit). Eine unterschiedliche Tonlage der beiden Stimmen konnte ich nicht feststellen. Wenn ich denke dann höre ich nicht Stimmen, sondern "höre" Worte. Vielleicht ist es für mich deshalb so schwierig, Avijjā eindeutig als Avijjā wahrzunehmen. Du schreibst von Dialog, ich verstehe nicht einen Dialog darunter. Es sind nicht mehrere Stimmen, die miteinander diskutieren, zumindest habe ich es noch nie so wahrgenommen. Früher dachte ich, ich würde denken. Das hatte zur Folge, dass ich mich mit den Gedanken voll und ganz identifizierte. Dann entdeckte ich, dass zwischen dem Entstehen eines Gedankens und dem "das ist mein Gedanke", eine kleine zeitliche Differenz besteht.
Bisher habe ich Avijjā nie als Gefühlsregung Vedanā wahrgenommen. Für mich kommt Vedanā in der zeitlichen Abfolge vor der Entstehung von Sprache. Wenn ich mich auf Vedanā fokussiere, dann kann ich nicht mit der Sprache arbeiten, sonst verliere ich sofort den Kontakt zu Vedanā, weil ich zeitlich gesehen stehen bleibe und nicht mehr im Augenblick bin. Für mich ist das Hier&Jetzt zeitlich gesehen sehr kurz und wenn ich im Hier&Jetzt bleiben will, dann löst sich Sprache auf, die Gedanken versiegen.
Zum Stromeintritt können wir einen neuen Thread aufmachen. Dort geht es "nur" darum, Persönlichkeitsglaube (Sakkāya-Ditthi), Zweifel (Vicikicchā) und Überbewerten von Regeln und Riten (Sīlabbata-Parāmāsa) abzulegen. Das ist so einfach, wie ein Kind eine Sprache lernt und so schwierig, wie wenn ein Erwachsener eine Sprache lernt .