Namaste!
Roth:Diese stufende Einteilung soll bei den anderen tibetischen Schulen/Richtungen, außer der Nyingma-Richtung, wegen Dzogchen, wo Dzogchen, so ist es mir jedenfalls bekannt, die größte Bedeutung hat, keine Rolle spielen? Dabei gibt es solche Stufungen, wie zuletzt Benkei bemerkte, auch im Mahāyāna, beim großen Systematiker Zhiyi findet? Na ja, gut, hmm ...
So wie ich das verstanden habe, beginnt der Weg auch in der Nyingma für gewöhnlich bzw. traditionell zuerst mit den Grundübungen - Ngöndro (111.1111 mal Niederwerfungen, Vajrasattva-Übung, Mandalaopfer, Guru-Yoga) und erst danach kommt ggf. Dzogchen ins Spiel. Allein von der Warte aus würde ich das schon irgendwie als Schrittweisen-, wenn nicht gar Stufenweg, ansehen.
Die Einteilung von Zhiyi, die ich meinte, bezog sich dann allerdings auf Sutras.
Gerade in der Tiantai / Tendai Shû kennt man auch die Übung der Vollkommenen und Plötzlichen Meditation (vgl. Maka Shikan: Endon Shô), was einen Stufenweg wiederum widerspricht.
Roth:Benkei:Zunächst ist wichtig, festzustellen, dass "Theravada" nicht mit "Hinayana" gleichgesetzt werden kann.
Ja, das ist mir durchaus bewusst. Es ging im obigen Zusammenhang um ein spezielles Denken, dass diese Gleichsetzung vor einem bestimmten Einteilungsschema vornimmt. Begegnet einem das doch auch in der buddholog. Literatur, zumindest in der älteren, und scheint mir von "mahāyānistischen" oder vajrayānistischen" Systematisierungen zu stammen.
Ja, damals wurde das allgemein gleichgesetzt, Hinayana und Theravada.
Leider ist das auch noch der Terminus, der wohl an deutschen Schulen im Ausland verwendet wird.
Da wundert es einen dann schon, wenn der singhalesische Reiseführer erklärt, dass man in Sri Lanka ja Hinayana-Buddhismus praktizieren würde und nicht wie in China und Japan Mahayana.
Aus dem Selbstverständnis des Herrn schien es dann so zu sein, dass der "Srilankische Hinayana" keine begriffliche Herabsetzung darstellte, sondern dass es sich (im Gegensatz zum nordasiatischen Mahayana) um die authentische Buddhalehre handelt und alles andere sei von späteren Mönchen nach eigenen Sichtweisen hinzugefügt worden.
Sprich: Hinayana = echter Buddhismus, Mahayana = sektiererische Verfälschung.
Keine Ahnung, ob das nun eine Minderheitsmeinung ist oder nicht.
Ich denke eher nicht, denn sonst würde man sich dort nicht weiterhin damit zufrieden geben, gute Taten anzuhäufen um darauf zu hoffen im nächsten Leben als möglicher Bhikkhu wiedergeboren zu werden, und stattdessen lieber praktizieren, was ja eher nicht der Fall ist.
Roth:Benkei:Aus Sicht des Praktikers sind diese "gedanklichen Unterschiede" aber nebensächlich.
Pfu, ja, das mag natürlich sein, also, dass in praktischer Hinsicht, im Bereich "Meditation", achtsame Bewältigung des Alltags und dergleichen, kein derart wesentlicher Unterschied besteht, aber inwieweit man die theoretische Ebene beziehungsweise die Unterschiede auf der theoretischen Ebene von der Praxis abgrenzen/trennen kann, ist für mich persönlich schon eine schwierige Frage. Es scheint ja doch so zu sein, dass unterschiedliche begriffliche Intrumentarien zu unterschiedlichen Ergebnisse führen können, vielleicht nicht zwangsläufig müssen, aber sie können es. Die Frage ist, ob es sich dabei um echte Unterschiede oder gar Widersprüche handelt und falls ja, wie sich das – verbunden mit dem jeweiligen Anspruch, authentische Buddhalehre weiterzugeben – dann auswirkt.
Man sollte sich immer vor Augen führen, dass es nicht darum geht, irgendeine konzeptuelle Gedankenwelt anzunehmen oder für sich zurückzuweisen.
Das Theravada-Abhidharma beispielsweise gegen den Mittleren Weg oder gegen die Nur-Geist-Philosophie abzuwägen, ist doch im Grunde genommen nur geistiges Verrenken, dass eben nur zu weiteren Gedanken führt. "Immer tiefer ins Rankengewirr!" - wie man im Zen so schön sagt.
Entscheidender ist, dass man praktiziert und auf dem Dreifachen Weg (Ethik, Praxis und Erkenntnis) fortschreitet. [Und mit "Erkenntnis" meine ich an dieser Stelle dann keinesfalls die Fortentwicklung oder Anhäufung von philosophischen Konzepten!]
Deshalb auch der Rat der Zen-Meister in Bezug auf das Ekayana Abstand zu nehmen von den Bewertungen der einzelnen buddhistischen Ausprägungen!
Das kommt letztlich aus dem Lotos-Sutra, wo es dann heißt:
II. Hôben-Kapitel
Oh Sariputta, seitdem ich Buddha geworden bin, lege ich mittels aller Arten von Methoden, mit mannigfaltigen Gleichnissen, die Lehre weithin dar; mit unzähligen Geschickten Mitteln führe ich die Menschen und veranlasse sie, sich von den verschiedenerlei Dingen, denen sie verhaftet sind, loszulösen. Warum ist das so? – Die Tathagatas sind in den geschickten Mitteln und in der Vollkommenen Tugend der Weisheit vollendet.
Oh Sariputta, ein Tathagata besitzt Weisheit, weithin reichend und tiefgründig, unermesslich, unbeschränkt, besitzt Kraft, ist furchtlos, ist bewandert in Versenkung, hat die Befreiung erlangt, ist tief in die Grenzenlosigkeit eingetreten und hat das nie da gewesene Gesetz in sich verwirklicht.
Oh Sariputta, der Tathagata vermag auf die verschiedensten Weisen die Gesetze darzulegen und sie geschickt zu predigen. Seine Worte sind sanft und erfreuen die Herzen der Menge.
XVI. Nyoraijurjohon-Kapitel
Ich kenne die Lebewesen, ob sie auf dem Weg gehen oder nicht.
Damit ich sie entsprechend ihren Fähigkeiten erlösen kann, lege ich ihnen auf verschiedene Weise das Gesetz dar.
Ständig richte ich meinen Sinn darauf, wie ich die Lebewesen dazu bringen kann, in die unübertroffene Weisheit einzutreten, damit sie schnell die Buddhaschaft verwirklichen können.
Ich wünsche eine angenehme Nacht!
< gasshô >
Benkei