Beiträge von Mrs._Mahakala im Thema „Misstrauen gegenüber dem Lehrer“

    Ich komme mit einer Antwort aus der relativen Welt der unter samsarischen Bedingungen verifizierbaren Erfahrungen im Diesseits: Es gibt auch Männer, die sich dem großen (meinem Ex-)Guru und anderen zu Füßen werfen, und das sind nicht wenige. Darüber, inwieweit sie submissiv geneigt sind, kann ich allerdings keine Auskunft geben.


    Was bedeutsamer sein dürfte: im Vajrayana-Buddhismus ist die Lehrer-Schüler-Beziehung zentral. Belehrungen werden nach dieser Auffassung nicht zuletzt die Präsenz und die Persönlichkeitdes Lamas zugänglich. Der Lehrer wird als Buddha gesehen, zu dem es Hingabe zu entwickeln gilt. Ohne eine Lehrer zur Erleuchtung zu gelangen, wird als kaum möglich angesehen.
    Alls dies war lange Zeit Männern vorbehalten. Nonnen durften im alten Tibet nicht mal studieren. Die bekannten Übertragungslinien wurden ausschließlich von Männern gehalten.
    Also handelt es sich ganz sicher nicht um ein "submissives Frauen-Ding".

    Thursday.
    Meine Erfahrung mit buddhistischen Gurus hält sich in Grenzen. Es hätte ja sein können, dass andere Forenteilnehmer berichten: "Mein Lehrer macht das so ähnlich, er sagt dies und tut jenes", und dass ich zu dem Schluss hätte kommen müssen, dass "mein" Rinpoche sozusagen Standard-Egoknackermethoden anwendet. Selbst wenn ich diese nach meinen Maßstäben als unsensibel und unangemessen beurteilen und denken würde: "Der Alte sollte seinen Schülern ein bisschen Respekt entgegenbringen!" hätte ich unter der genannten Voraussetzung viel weniger Grund für persönliches Misstrauen. Ich könnte dann davon ausgehen oder zumindest als Arbeitshypothese den Umstand erforschen, dass der Betreffende so handelt, weil er nach den Regeln der Vajrayana-Guru-Kunst vorgeht und nicht, weil er ein schlechter Mensch ist. Auch wenn ich dann nicht zu seiner engen Schülerin würde werden wollen, könnte ich bedenkenlos weiter seinen Belehrungen lauschen und den Sangha besuchen. Die Antworten, die ich hier bekommen habe, lassen mich jedoch vermuten, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass er nach dem Handbuch für Gurus vorgegangen ist.


    Außerdem habe ich zunächst vermutet, dass der beschriebene Lehrer von vielen sofort erkannt werden wird, und wenn nicht, dann wohl deshalb nicht, weil der Eindruck, den ich von ihm gewonnen habe, nicht der ist, der sich anderen Zuhörrn vermittelt. Diese Annahme habe ich inzwischen als Irrtum erkannt. Einige wussten, von wem die Rede war, aber offenbar tummeln sich hier Buddhisten vieler verschiedener Richtungen, die sich nie mit dem Betreffenden beschäftigt haben. "Mein" Lehrer ist einfach nicht so bekannt, wie ich annahm.Wenn er es aber gewesen wäre, wären vielleicht Feedbacks gekommen wie: "Das hast du missverstanden"o.ä.. Damit hätte ich mich dann besonders gründlich beschäftigt.


    Was ich im Thread in erster Linie erfahren habe, ist Befremden über das beschriebene Verhalten. Offenbar entspricht es in keiner Weise dem Guru-Standard. Das nehme ich ernst, obwohl mir natürlich deutlich ist, dass diese Reaktionen erfolgten, weil ich etwas geschildert habe, dass durch meine subjektive Brille gefiltert wurde. Die Beiträge haben mich darin bestärkt, zu gehen. Natürlich könnte ich mir statt dessen im Sangha einfach weiter meine Reaktionen anschauen und damit arbeiten. Aber so weit bin ich noch nicht. Das ist für Fortgeschrittene.


    Ich finde in diesen Beiträgen eben den Mix aus Argumentation und Verhalten, der mir bei "meinem" Rinpoche und im Sangha so aufstößt: Schau bei dir selbst. Für deine Reaktion auf Gesagtes/Verhalten bist ausschließlich du selbst verantwortlich bzw. sie sind Resultat deiner geistigen Muster. So weit, so richtig.
    Gleichzeitig nimmt der Agierende für sich in Anspruch, dass sein Handeln der Erkenntnis des Rezipienten dient und stellt Verhaltensanforderungen (Guru: Was ein buddhistischer Guru eben so fordert (Mitgefühl, Praxis, Abstand von Geistesgiften); Thursday: nicht mit solchen Fragen im Forum aufschlagen. Unter den gegebenen Voraussetzungen befasse sie sich nicht damit.


    Und was tun die zwei? Der Guru zeigt wenig Mitgefühl dem Leiden seiner gescheuchten Schüler gegenüber, Haremsdamen und sein dicker Bauch treten als Zeugen seiner Gier auf usw. usf. Und Thursday befasst sich im Forum ausführlich mit den Fragen, die nicht zu stellen waren und mit denen sie sich gar nicht erst befasst.
    Mein in Samsara erworbenes Reaktionsmuster ist dies: Ich nehme einen Mangel an Kongruenz zwischen Reden und Handeln wahr und den beiden die vorgebrachten Thesen in Zukunft nicht mehr ab.
    Zwar gibt es immer Anlass, der Selbsterkenntnis wegen die eigenen Reaktionen zu hinterfragen, aber wenn dieses Hinterfragensollen von jemandem proklamiert wird, der A sagt und B tut, besteht m.E. wenig Grund, die von dem Betreffenden zu diesem Zwecke mitgelieferten Maßstäber anzulegen, statt die eigenen zu verwenden.
    Ansonsten öffnet man Willkür und Missbrauch Tür und Tor. Oder?
    Sollte ich, statt auf Distanz zu gehen, von reinen und lauteren Motiven ausgehen, die ich nicht hinreichend zu würdigen weiß? Oder die Motivation völlig außer Acht lassen, da nur meine Reaktion zählt?
    Natürlich ist es meine Projektion, dass beide so handeln, um ihre Position zu festigen, dabei ein gewisses Vergnügen empfinden usw. Die Unterstellung eines Handelns aus Mitgefühl wäre aber ebenfalls Projektion. Nehme ich die Motivation gar nicht wichtig, wird der andere für mich in gewisser Weise zum Objekt, auf das ich meine Wahrnehmung gar nicht erst richten muss. Ich guck' dann nur auf mich. Angenommen, ich verhielte mich so: Welchen Maßstab lege ich dann an, um über Bleiben oder Gehen zu entscheiden?

    [quote='Thursday']...
    Sie sind einfach nur bedingt entstanden und vergehen, wenn der Kontakt (die Berührung) beendet wird. Die kann man äußerlich beenden, indem man diesen Lehrer verlässt oder auch innerlich, indem man sieht, dass diese Gefühle etwas mir einem selbst zu tun haben und der Lehrer eine Projektionsfläche bietet. Man muss dabei allerdings Geduld haben, denn das kann dauern.[quote]


    Zweifellos.


    [quote='Thursday']Warum aber sollte ich jegliche Vorstellung von einem Guru fallen lassen?
    Weil es eben deine Projektion ist. Du solltest mal einige längere Gespräche mit ihm haben, um diese Projektionen zu besprechen.[quote]


    Geht nicht. Der Mann gibt Neulingen wie mir keine Privataudienzen.

    Thursday:
    Mrs._Mahakala:


    Ich selbst entwickle jedoch immer mehr Abneigung gegen das, was der Guru sagt und tut, und ich möchte verhindern, dass diese Abneigung auch die Inhalte des Dharma mit einbezieht, weil er es ist, der sie vermittelt.


    Genau das wäre jetzt eine gute Übung um Abneigung aufzulösen. Die Frage ist doch, wieso du deine Vorstellungen von ihm oder generell von einem Guru nicht fallen lassen kannst. Deine Ansichten sind hier doch eindeutig ein Hindernis für deine Praxis.


    Meine Gefühle sind ein Hindernis für meine Praxis.
    Warum aber sollte ich jegliche Vorstellung von einem Guru fallen lassen? Natürlich, auf der absoluten Ebene ist alles leer. Kein guter Guru, kein schlechter Guru...sogar bezogen auf Padmasambhava. Solange wir uns über die Qualitäten des Gurus unterhalten, bewegen wir uns auf einer relativen Ebene, die zwangsläufig mit Vorstellungen verbunden ist,
    mkha hat dankenswerterweise zwei Beiträge gepostet, die sich damit beschäftigen, wie ein Lehrer sein soll. "Meinen" Lehrer finde ich darin nicht wieder. Und diese Texte erhalten eine Menge an Ansichten. Alles Hindernisse?
    Natürlich kann ich aber anhand der Geschehnisse und meiner Reaktion üben, meine Abneigung nicht übergreifen zu lassen.


    Btw, mir scheint, du liest meine Beiträge mit einem recht ausgeprägten Maß an Abneigung.

    Da hier nun schon eine ganze Liste mit Links veröffentlicht wurden, die die kritische Auseinandersetzung mit bestimmten Praktiken betreffen, ergänze ich um ""In the Name of Enlightenment" - https://www.youtube.com/watch?v=yWhIivvmMnk
    Dabei dürfte es sich wohl um den Film handeln, auf den hier auch schon verwiesen wurde.
    Ich kann nur nochmal betonen, dass ich sexuellen Missbrauch an keiner Stelle beobachtet habe.
    Dennoch scheint mir das, was ich gehört und gesehen habe und was ich als unangemessen wenig wertschätzenden Umgang mit den Schülern wahrnehme, gut in das beschriebene Profil zu passen.


    Ich werde wohl noch ein paar Mal zum Sangha gehen, da in einem Kurs Information über die Person des Lehrers, auch die Kritik an ihm, einer der nächsten Programmpunkte ist und ich neugierig bin. Dieser Teil wird in ein paar Wochen stattfinden.
    Zwischenzeitlich hatte ich ein paar Gespräche, die recht gut waren. Allerdings spüre ich, dass für mich nichts den Umstand aufwiegen kann, dass die Leuchtfigur der Bewegung sich meiner subjektiven Wahrnehmung nach wie ein absolutes A... verrhält. Es mag sein, dass viele der Mitglieder dennoch - und wenn es so ist, dann kann dies für mich nur daran liegen, dass durch die buddhistischen Lehren wertvolle und praktikable Inhalte vermittelt werden - ein großes persönliches Wachstum erfahren haben, wie immer wieder betont wird.
    Ich selbst entwickle jedoch immer mehr Abneigung gegen das, was der Guru sagt und tut, und ich möchte verhindern, dass diese Abneigung auch die Inhalte des Dharma mit einbezieht, weil er es ist, der sie vermittelt.

    Vielen Dank noch einmal an alle.
    Ich möchte schon versuchen, das Thema im Sangha anzusprechen, auch wenn ich davon ausgehe, dass es nicht viel bewirken wird. Gerade für die "alten" Mitglieder hängt schließlich ein gut Teil ihrer Identität, vielleicht sogar ihrer Lebensleistung mit dem Engagement dort zusammen. Wenn ich mir z.B. vorstelle, ich hätte ein 3-Jahres-Retreat in der Organisation dieses Menschen verbracht, würde ich mein Bild von ihm vermutlich ungern aufgrund der Beobachtungen und des Gesprächsbedarfs einer Neuen in Frage stellen.


    @ no name: Ich geb' dir ein S.
    und blue_aprico bekommt kein G.

    Zunächst einemal danke für die zahlreichen Antworten.



    Jein. Dass alles ist noch nicht lange her, es gab noch keine Gelegenheit, in meinem Heimat-Sangha darüber zu sprechen. Nicht wenige Mitglieder waren allerdings auch auf dem Retreat. Ich habe mit Einzelpersonen gesprochen, von denen einige die eine oder andere Aussage ebenfalls als unangenehm empfunden hatten. Niemand meiner Gesprächspartner schien aber grundsätzliche Zweifel entwickelt zu haben. Ich muss allerdings sagen, dass ich von der Atmosphäre des Retreats, während ich dort war, sehr eingenommen war und erst am vorletzten Tag nach einer besonders merkwürdigen Sitzung mit dem Rinpoche innerlich bewusst auf Abstand ging. Das Gespräch im Sangha, das in einigen Tagen "fällig" wird, steht also noch aus.


    Ich habe das Gefühl, wenn ich mich äußere, was letztlich nicht ausbleiben kann, läute ich damit meinen Abschied ein. Das tut mir weh.
    Obwohl ich vom Gefühl her sicher bin, dass sich da eine Person mit hohem Missbrauchspotential ausagiert, zweifle ich an mir. Hunderte von Menschen empfanden das, was ablief, offenbar anders als ich. Ich war zwar nicht die einzige, die auf dies oder jenes ablehnend reagierte, aber die Meinung der deutlichen Mehrheit schien anders zu sein.
    Und dann gibt es ja nicht nur den Guru. Im Zentrum werden Kurse angeboten, die meiner Meinung nach hervorragend sind. Ich kann niemandem außer dem Meister Fehlverhalten vorwerfen, solange es nicht um die meiner Meinung nach blinde Akzeptanz geht, die ihm entgegengebracht wird. Die Organisation verfolgt meiner Meinung nach bewunderns- und unterstützenswerte Projekte. Ich frage mich deshalb auch, ob ich nicht bleiben kann, ohne die Persönlichkeit des Lehrer weiterhin ernst zu nehmen. DIe Frage beantwortet sich allerdings beinahe selbst. Da es um Vajrayana geht, hat der Guru außerdem herausragende Bedeutung. Das ist Grund, weshalb ich fürchte, dass Gespräche letztlich zum Scheitern verurteilt sein werden.


    Um die "offizielle" Haltung ihm gegenüber ein bisschen deutlicher zu machen:
    Es gab zusätzlich zu den Teachings Arbeitsgruppen. Zumindest einmal wurde eine der fraglichen Äußerungen des Meisters durch einen Teilnehmer, kritisiert und thematisiert. Die Gruppenleiter hielten sich sehr zurück und stellten den Beitrag zur Diskussion. Sie erklärten allerdings später, dass die betroffenen Schüler den Rinpoche gebeten hätten, sie zu korrigieren und dass niemand die Lehrer-Schüler-Beziehung von außen beurteilen können. DIes war auch der Haupttenor der Äußerungen aus der Gruppe: Man solle sich seines Urteilsgeistes bewusst werden und diesen zähmen.


    Thoretisch ist das natürlich alles richtig. Ich kann und will das allerdings nicht auf die Situationen beziehen, die zu beobachten waren. Beispielsweise kritisierte der Meister im Plenum vor mehr als 500 Zuhörern sehr ausführlich eine Schülerin, die in seinem Zimmer einen Tisch getragen und dabei eine Teetasse umgeworfen hatte. Diese
    Bagatelle wurde am nächsten Tag noch einmal aufgewärmt. Er nahm den Umstand aufs Korn, dass seine Fahrerin auf dem Wege wegen eines Fahrfehlers hatte rangieren müssen und nannte sie "ungeschickt", er warf einer Schülerin von oben vor Hunderten von Menschen Gegenstände zu um zu testen, ob sie sie auffängt, nachdem er sie vorher, als er sie aufs Podium gerufen hatte, wo sie irgendwas richten sollte und dann wieder heruntergeschickt hatte, als "sehr langsam" kritisiert hatte, er sprach, nachdem es zuvor um Verliebtheiten zwischen den Anwesenden gegangen war, über einen/zu einem Schüler ohne erkennbaren Anlass: " He is nice, but so tall. You are so tall. Too tall to enter."


    Während ich das niederschreibe, denke ich, das geht nun wirklich alles gar nicht, das hat ein echter RInpoche nicht nötig. Und trotzdem bleiben die Zweifel, ob ich nicht zu engstirnig bin und die Frage, wie jemand trotz all dem so wunderbare Lehren geben kann.

    Hallo zusammen, ich bin neu hier.
    Mit dem Buddhismus beschäftige ich mich seit rund 20 Jahren, mal mehr mal weniger. Erst vor ungefähr zwei Jahren habe ich mich einem Sangha angeschlossen, der sich auf einen Meister bezieht, der Autor eines Buches ist, das mich persönlich von Beginn an am meisten angesprochen hat, das ich bis heute ganz wunderbar finde und zu einer wichtigen Grundlage meines Verständnisses des Dharma geworden ist. Im zugehörigen Sangha fühlte ich mich, nachdem ich früher mehrere buddhistische Gruppen "ausprobiert" habe, wohl und gut aufgehoben. Ich finde, dass viele der Mitglieder hervorragende Arbeit leisten, um auch "Neuen" die Grundlagen des Buddhismus näher zu bringen.


    Kürzlich besuchte ich zum ersten Mal ein längeres Retreat mit dem erwähnten Meister. Ich hatte ihn vorher schon mehrmals "live" erlebt, jedoch allenfalls ein Wochenende lang. Ich kannte ihn als humorvoll, zuweilen auch frech und regelrecht provozierend, habe mich aber nie daran gestoßen, da ich einerseits davon ausging, dass dies einfach geschickte Mittel waren, um die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer zu erregen und zu erhalten, andererseits auch großes Vertrauen in ihn hatte, das wohl vor allem darauf zurückging, dass er eben jenes Werk verfasst hat.


    Beim letzten Retreat erlebte ich ein Verhalten seinerseits, das ich als schockierend empfunden habe. Es blieb nicht bei ein paar frechen Bemerkungen. Vorwürfe und persönliche Kritik, die er teilweise stundenlang vor allen Teilnehmern äußerte, bezogen sich jeweils auf seine älteren Schüler und ganz konkrete Handlungen, die sie für ihn hatten ausführen sollen und bei denen ihnen seiner Meinung nach Fehler unterlaufen waren. Er lobte sich selbst und seine Qualitäten in extenso, betonte seine Bekanntschaft mit diversen prominenten Persönlichkeiten und verlangte, dass eine Vielzahl von Getreuen buchstäblich sprungbereit um ihn herum war, um nicht nur den gewünschten Ablauf der Veranstaltung sicherzustellen, sondern auch in Sekundenschnelle jede Art von persönlichem Komfort anzudienen, vom Ausziehen der Socken bis zum Umlegen einer Decke. Diese Tiraden unterblieben nur an einem Abend, der auch der Öffentlichkeit zugänglich war. Ganz offensichtlich arbeiteten die Schüler, die zu seinem engeren Umfeld gehörten, für ihn bis zum Umfallen.
    Ich konnte für mich nur den Schluss ziehen, dass ich jemanden mit einem irrsinnig aufgeblähten Ego und deutlichen Missbrauchstendenzen erlebt habe. Im Vorfeld war mir ein Artikel eines Nachrichtenmagazins bekannt, in dem von bestimmten Vorwürfen gegen diesen Meister die Rede war. Meine Haltung dazu war "Kann sein, kann nicht sein" - bekannte Persönlichkeiten stehen halt immer in der Schusslinie. Nach dem Retreat las ich in anderen Medien genauer nach, worauf sich die Anschuldigungen bezogen und fand Erlebnisberichte, die den Meister so schilderten, wie auch ich ihn wahrgenommen hatte - nur dass das fragliche Verhalten demnach außerhalb öffentlicher Veranstaltungen noch viel ausgeprägtere, in jeder Weise absolut inakzeptable Formen angenommen haben soll. Nach den Erlebnissen des Retreats gehe ich davon aus, dass die Vorwürfe alles andere als Hirngespinste sind.
    "Crazy Wisdom" mag unkonventionelle Methoden einschließen. Wenn ich akzeptieren soll, dass tägliche stundenlange Demütigungen eine Methode sind, die gewohnte Denkweise aufzubrechen und die Schüler zur inneren Befreiung zu führen, muss ich vorher meinen Verstand an der Tür abgeben. Eben das haben viele meiner Sanghabrüder und -schwestern offenbar getan.


    Ich bin sehr erschüttert nach diesen Erlebnissen und weiß nicht recht, wie ich weitermachen soll. Der Sangha, die Beschäftigung mit den Inhalten, die dort vermittelt werden, ist zu einem wichtigen Bestandteil meines Lebens geworden. Natürlich ist die Qualität des Buddhismus durch einen einzelnen Lehrer, der andere zu seinem persönlichen Vorteil missbraucht, nicht in Frage gestellt. Dennoch ist es für mich eine Erfahrung, die mir ein bisschen den Boden unter den Füßen wegzieht.
    Soll ich mich einem anderen Lehrer zuwenden? Wenn ja, welchem?
    Akzeptieren, dass Anhaftung an den Sangha die Ursache von Leiden ist und eine neue suchen, weil wohl keine Basis mehr da sein wird, nachdem mein Vertrauen in den Meister völlig zusammengebrochen ist?
    Es fällt mir schwer, das Gute, dass ich dennoch dort erfahren habe, nicht im Licht der neuen Erfahrungen zu sehen.
    Ich bin ganz schön ratlos.