itune:
Sudhana:
Zitat
Vielleicht lernst Du ja irgendwann auch einmal, Deshimaru zu misstrauen und stattdessen nur Dir selbst zu trauen. Ich wünsche es Dir.
Interessant, wie du persönlich wirst.
Unvermeidlich. Du hattest von der "Erfahrungstiefe" Deshimarus geschrieben und da stelle ich mir (und Dir) die Frage, wie Du etwas über die Erfahrungstiefe von Deshimaru oder sonst jemandem etwas wissen willst. Weswegen ich Deine Aussagen dazu - es ist vielleicht aufgefallen - in meinen Repliken unter Vorbehalt gestellt habe. Und - @Morphos - gerade dieser Zweifel, ob Deshimaru da richtig verstanden wurde, zeigt ja, dass von "Feindschaft" gegenüber Deshimaru gar nicht die Rede sein kann. Authentisch können wir nur aus unserer eigenen Erfahrung heraus sprechen oder schreiben. Wir sollten da für unsere persönliche Sichtweise keine Sockenpuppe als Popanz auftreten lassen - heiße sie nun Deshimaru oder sonstwie.
In Deiner letzten Antwort zeigst Du etwas von Deiner eigenen Erfahrung, und das ist erfreulich.
itune:
Aber ich betrachte es mal als Retourkutsche.
Betrachte es, wie Du willst. Ich habe da keinen Einfluss darauf und will auch keinen darauf nehmen.
itune:
Aber eine Umdeutung ist, den alten Texten zu unterstellen, die hätten das so gemeint, oder zu behaupten, wenn man eine Frau anderen vorzieht u.ä. würde man immer noch nicht anhaften.
Zum ersten Teilsatz: dass ich es für angemessener halte, 憎愛 als buddhistischen terminus technicus im Sinn von "Hass und Anhaftung" / "hate and attachment" zu verstehen, statt umgangssprachlich mit "Hass und Liebe" zu übersetzen, ist keine "Umdeutung". Es ist ein philologisches Argument, das sich auf Hirakawas Buddhist Chinese-Sanskrit Dictionary und Soothills Dictionary of Chinese Buddhist Terms stützt. Ergänzend dazu kam von mir der Hinweis, dass 愛 für sich alleine stehend als buddhistischer terminus technicus für das 8. nidana von pratityasamutpada steht, also Begehren / Verlangen / 'Durst' als unmittelbare Voraussetzung des Ergreifens / Anhaftens (upadana) - findet sich a.a.O.. Keine der bislang vorgebrachten umgangssprachlichen Übersetzungen (Hass und Liebe) begründet in irgendeiner Weise, warum der Übersetzer hier eine umgangssprachliche Wiedergabe von 憎愛 der spezifisch buddhistischen vorzieht.
Stattdessen wurde von Morphos und Dir argumentiert, Liebe sei zwangsläufig mit Begehren verbunden. Wie ich schon ziemlich zu Beginn der Diskussion schrieb, trifft das auf die umgangssprachliche Lesart von 愛 als 'Liebe' zu - nicht jedoch zwangsläufig auf den deutlich erweiterten abendländischen Begriff von Liebe, so weit dieser auf das paulinische Konzept universaler Liebe rekurriert. Die abendländische Literatur zu diesem erweiterten - neben dem Korintherbrief vor allem auf dem 1. Johannesbrief beruhenden - Liebesbegriff füllt ganze Bibliotheken. Dieser abendländische Liebesbegriff ist polysem, während es sich bei 愛 um ein Homonym eines monosemen terminus technicus einerseits und eines monosemen umgangssprachlichen Begriffs andererseits handelt. Um den semantischen Bereich des abendländischen Liebebegriffes in etwa abzudecken, braucht das Chinesische zusätzlich zumindest einen weiteren Begriff, nämlich 慈, das für Skrt. maitrī steht.
itune:
Du hast so getan, als würde man am Dharma UND an dieser Liebe - wie sie auch Ellviral vor den Texten verteidigen will - festhalten, indem man von sich behauptet, ohne Zu- oder Abneigung lieben zu können, also bedingungslos. Was stattdessen, darauf können wir wetten, eure Liebesbeziehungen kennzeichnet, ist, dass ihr den geliebten Wesen mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmet als anderen, ihnen mehr Gefühle entgegenbringt, in irgendeiner Form an sie gebunden seid.
Du bringst da verschiedene Dinge durcheinander. Wahrscheinlich liegt es an der Vielschichtigkeit des (abendländischen) Begriffs 'Liebe', wobei Du - den Vorwurf kann ich Dir nicht ersparen - ziemlich bedenkenlos die unterschiedlichsten Ebenen dieses Begriffs - von der vulgärsten Begierde über die Ebene alltäglicher Praxis eines Wegsuchers bis hin zur Realisierung von 'Liebe' (maitrī und karuṇā) als spirituelles Prinzip, als Ausdruck und soziale Gestalt des 'wahren Selbst' durcheinanderwürfelst.
Wie schon wiederholt angeführt, halte ich es für ein krasses Missverständnis und auch philologisch nicht zu rechtfertigen, zu unterstellen, Sengcans Empfehlung, nicht "zu lieben" erstrecke sich auch auf 慈 maitrī, 悲 karuṇā usw. - kurz, auf die 四無量心 (brahmavihāra) und 波羅密(pāramitā). Zur Kultivierung dieser Geisteszustände (die man von mir aus gerne als 'Emotionen' bezeichnen kann) habe ich auf das Diamantsutra verwiesen, das lehrt, dass und wie diese Kultivierung ohne Anhaften an Objekten Bodhisattva-Praxis per se ist. Wobei sich überdies die Frage stellt (deren Beantwortung hier konsequent ausgewichen wurde), wie eine Bodhisattva-Praxis ohne Kultivierung der brahmavihāra und pāramitā überhaupt möglich sein soll. Da bleibt dann eben nur das kleine Fahrzeug als Alternative - und das ist sicher kein Zen. Ob und wie weit ich oder irgend jemand anderer nun in der Lage ist, die Lehre des Diamantsutra in alltäglicher Praxis zu verwirklichen, ist eine andere Frage. Sie zu stellen heisst, eine Diskussion über den Dharma zu einer Diskussion über Personen zu machen. Das ist nicht zielführend, weswegen ich mich solch einer Diskussion verweigere. Da haben wir dann wieder das schon angesprochene Problem mit dem "beweisen".
Um auf den philologischen Hintergrund zurückzukommen, den Du kurzerhand zu einem "Umdeuten" eindampfen willst: soweit ich sehen kann, ist das einzige Argument, das Du zugunsten der Deutung "Liebe" anführst und weswegen Du die oben nochmals rekapitulierten philologischen Argumente als "Umdeutung" abtust, Deshimarus "Erfahrungstiefe", die seine Übersetzung rechtfertigen bzw. sogar als richtig erweisen soll. Dass es fraglich ist, wie weit Deine Vorstellung von Deshimarus Erfahrungstiefe korrekt ist, habe ich ja schon angedeutet. Deutlich sinnvoller wäre es, Du würdest zur Begründung Deine eigene Erfahrungstiefe anführen. Ich für meinen Teil tue das, um zu verdeutlichen, warum ich persönlich - von den philologischen Argumenten, die dafür sprechen, mal abgesehen - die Lesart des buddhistischen terminus technicus der umgangssprachlichen Lesart vorziehe. Dass dies - meine 'Erfahrungstiefe' - kein Argument ist, sondern ihren Ausdruck in einem subjektiven Zenverständnis findet, ist evident. Das gilt allerdings für Deine Erfahrungstiefe und die von Deshimaru in gleichem Maß. Jedenfalls käme ich aus eben diesem Grund nicht auf die Idee, denen, die es anders herum für sinnvoller halten, eine "Umdeutung" vorzuwerfen. Von einer "Umdeutung" ließe sich allenfalls sprechen, wenn es eine allgemein als Referenz anerkannte Deutung gäbe - was nicht der Fall ist. Auch und gerade die Deshimaru-Übersetzung ist da keine Referenz. Was noch bedenklicher ist: das Schwadronieren von einer "Umdeutung" unterstellt dem Xinxinming eine objektive Aussage - misser kann man einen Text wie diesen, der auf ein persönliches und subjektives Verständnis des Rezipienten zielt, gar nicht verstehen ...
Noch eine Nebenbemerkung - versuche mal, die Sache mit den Frauen loszulassen. 'Liebe' im Sinn der paulinisch-johanneischen agápē hat damit genau so wenig am Hut wie maitrī oder karuṇā. Für theologisch nicht so sehr Beschlagene nur der kurze Hinweis, dass sich für Christen diese 'göttliche Liebe' exemplarisch nicht in der Schwängerung Marias, sondern im Opfertod des Rabbi Jeschua für die gesamte Menschheit manifestiert. Da kann man durchaus (begrenzt) Analogien oder Parallelen zur Bodhisattva-Praxis sehen. Kann, muss nicht.
itune:
Darum besteht der Fehler m.E. darin, diese Ideale immer wieder zu zitieren und gar so weit zu gehen, sein eigenes Leben als deckungsgleich damit deuten zu wollen.
Ja - aber wer macht denn sowas? Ein wenig differenzierter ist das schon zu sehen. Es geht um eine zutiefst persönliche Auseinandersetzung mit der bemerkenswerten Hinterlassenschaft eines Patriarchen, mit seinem Weg. Dōgen drückt das so aus: "Wenn wir diesen Weg gesehen haben, sollten wir ihn als Standard nehmen, um unseren eigenen Weg daran zu messen. Ein Vergleich dieser Art eröffnet tieferes Verständnis der Zeichen, die von den Buddhas hinterlassen wurden ... Nur durch Klären der Zeichen, die von den Buddhas hinterlassen wurden, können wir Einblick in die Abdrücke unseres eigenen Weges gewinnen. Wenn wir sie erkannt und verstanden haben, sollten wir den Zeichen, die von den Buddhas hinterlassen wurden, mit unserem ganzen Körper und Geist folgen. Das ist das buddhistische Dharma."
itune:
Ich habe da nicht Deshimaru zitiert, sondern seine Aussage in den Kontext der Lehre gestellt. Liebe als Gegenteil von Hass - wie von manchen übersetzt - ist hier nicht christliche agape, sondern eine von vielen Formen der buddhistischen Anhaftung. Es wird nicht besser, wenn man dafür mögen (like) sagt, denn das ist lediglich eine schwächere Form der Zuneigung, also immer noch klesha. Das heißt im Mahayana so wie im Hinayana, es ist eine Geistestrübung.
Ist doch meine Rede. Weil aber der abendländische Begriff 'Liebe' eben auch die christliche agápē umfasst, ist er hier unglücklich gewählt, weil er geeignet ist, bei westlichen Lesern das Missverständnis zu provozieren, Sengcan predige Lieblosigkeit. Deswegen ist hier Begierde / Verlangen o.ä. die geeignetere, weil weniger missverständliche und überdies auch philologisch korrekte Entsprechung. Der durch die abendländische Geistesgeschichte geprägte Leser einer solchen Übersetzung weiss doch in den allerwenigsten Fällen, dass z.B. Deshimarus oder Suzukis Verständnis von 'Liebe' kulturell bedingt semantisch sehr viel begrenzter ist, als das westliche, christlich geprägte. Schlimmstenfalls sein eigenes - dann versteht er wirklich nur Bahnhof.
itune:
Im Zen wurde dieses Problem m.E. so gelöst, dass man mit Liebe - und im Übrigen auch mit Hass und Gier - im Bewusstsein ihrer Leere lebt, also sie nicht mehr bekämpft oder auszuradieren sucht, sondern durchschaut hat - was ihnen ihre leidhafte Wirkung entziehen hilft.
D'accord. Wobei ich hinzufügen möchte, dass die Bewusstheit der Leere dieser Empfindungen wie auch der Objekte, auf die sie gerichtet sind, die Empfindungen versiegen lässt und nicht etwa dazu dient, sie leidfrei auszuleben.
itune:
Das ist etwas, was hier gerne geleugnet wird, obwohl es sehr viele User immer wieder bestätigen, du zum Beispiel oben mit deinem persönlichen Anwurf:
Mit Verlaub - Du überinterpretierst. Ich wollte Dir nur ein wenig auf den Zahn fühlen.
itune:
Der Hass und die Abneigung existieren weiterhin im Zenübenden, auch wenn er fortgeschritten ist, es ist nur die Frage, wie sehr sie noch in der Lage sind, ihn innerlich aufzuwühlen und sein Verhalten zu bestimmen.
Es ist die bekannte Formel: plötzliches Erwachen, allmähliche Kultivierung
itune:
Sollte Sengcan tatächlich einsam in den Bergen gelebt haben, war das natürlich dafür ein denkbar schlechter Prüfstein, weil er die Reibung an anderen ja bloß mied.
Der Rückzug unterstützt die Kultivierung - die wiederum sicher stellt, dass dann der Markt auch wirklich mit leeren Händen betreten wird.
()