Stero:
Aber lustigerweise ist das genau, wo der Buddhismus hinstrebt: zur Nicht-Spekulation. Die nennen das dann "das Floß wegwerfen, weil man es nicht mehr braucht". Ich find das umständlich und würde empfehlen, das Floß gleich wegzuwerfen und dann zu beobachten, was passiert und mit dem, was nicht passiert lernen, zurecht zu kommen. reverse buddhism sozusagen
Was passiert nicht wenn das Floß geleich weggeworfen wird? Dass man ans ans andere Ufer gelangt. Das ist aber eine Metapher die besagt dass am einen Ufer Leid ist, am anderen keines. Wenn du also empfiehlst mit Leid zurechtzukommen anstatt es zu beenden, dann kannst du wohl auch erklären, wie mit dem Leid zurechtzukommen ist? Etwa im Falle von Krankheit, wie ist damit zurechtzukommen? Etwa nicht indem man danach trachtet gesund zu werden? Was ist das aber anderes als das Leid zu beenden? Was ist also der Unterschied zwischen dem Leid beenden, also das Boot benutzen, und dem Zurechtkommen mit dem Leid, also das Boot nicht benutzen? Der liegt wohl darin, dass man am einen Ufer immer wieder aufs Neue das momentan vorhandene Leid zu beenden trachtet, während am anderen Ufer gar keines mehr auftritt. Was davon vorzuziehen und zu empfehlen wäre, dürfte klar sein: Gar kein Leid mehr statt immer wieder neues Leid beenden, wie Sysiphos.
Warum wird dann eine solche Empfehlung gegeben? Da wird der Grund sein, dass es für unmöglich gehalten wird, Leid vollständig zu beenden. Denn wer würde es nicht tun wenn es möglich wäre? Diese Möglichkeit wird aber verneint und als Spekulation hingestellt. Beruht diese Annahme, dass Leid nicht vollständig und für immer zu beenden sein könne, auf Wissen und Erkenntnis? Woher aber sollte solches gewusst und erkannt sein? Demgegenüber steht die Empfehlung des Buddha, dass es möglich sei. Wenn es nun einer wahrhaftig beweisen kann, dass Leid nicht für immer beendet werden kann, dann möge er das tun. Kann er es nicht, was wäre diese Ansicht dann anderes als Spekulation? Warum sollte man aber einer Empfehlung folgen die auf Spekulation beruht?
Es sind zwei Aussagen, die einander widersprechen: Leid ist nicht gänzlich zu beenden, und Leid ist gänzlich zu beenden. Die Letztere ist allemal die Attraktivere, und wert alles darauf zu setzen, solange nicht mit Sicherheit erkannt ist, dass sie falsch ist. Ich empfehle also das Boot zu besteigen und es nicht wegzuwerfen bevor das andere Ufer erreicht ist, und wenn es sich mit diesem Boot nicht erreichen lässt, damit zurechtzukommen. Dann tut man dasselbe wie vorher, bevor man das Boot bestiegen hat, nämlich immer wieder auftretendes Leid immer wieder zu beenden. Nur dass man dann wirklich weiß dass es anders nicht möglich ist, weil man es selber versucht hat. Oder man weiß dass es möglich ist, weil man das andere Ufer tatsächlich erreicht hat. Und was könnte wichtiger und besser sein damit sein Leben hinzubringen solches herauszufinden, als etwas das man ohnehin versucht, gründlich zu versuchen. Dabei gibt es außer Illusionen nichts zu verlieren - entweder die Illusion dass absolute Leidfreiheit möglich ist, oder die Illusion dass sie nicht möglich ist.
Aber eines weiß ich mit Sicherheit, nämlich dass ich mit diesem Boot schon viel Leid beendet habe, das ich nicht hätte beenden können, wenn ich davon überhaupt nichts gewusst hätte.