Beiträge von mukti im Thema „Buddhismus Aktuell 1/2016: einige weitere Anmerkungen“

    Stero:


    Das ist halt der Unterschied zwischen dir und mir:
    Du machst zu deinem Leiden, was andere dir erzählen, was dein Leiden sei, und ich mach nur zu meinem Leiden, was ich tatsächlich als mein Leiden erkenne.


    Du magst mich für so oberflächlich halten, darunter leide ich aber nicht :lol: Nenne mir doch irgendeine Bestrebung, der nicht Leiden zugrunde liegt.


    Hab' zu dem Thema einen neuen Thread aufgemacht.

    Stero:


    Aber lustigerweise ist das genau, wo der Buddhismus hinstrebt: zur Nicht-Spekulation. Die nennen das dann "das Floß wegwerfen, weil man es nicht mehr braucht". Ich find das umständlich und würde empfehlen, das Floß gleich wegzuwerfen und dann zu beobachten, was passiert und mit dem, was nicht passiert lernen, zurecht zu kommen. reverse buddhism sozusagen ;)


    Was passiert nicht wenn das Floß geleich weggeworfen wird? Dass man ans ans andere Ufer gelangt. Das ist aber eine Metapher die besagt dass am einen Ufer Leid ist, am anderen keines. Wenn du also empfiehlst mit Leid zurechtzukommen anstatt es zu beenden, dann kannst du wohl auch erklären, wie mit dem Leid zurechtzukommen ist? Etwa im Falle von Krankheit, wie ist damit zurechtzukommen? Etwa nicht indem man danach trachtet gesund zu werden? Was ist das aber anderes als das Leid zu beenden? Was ist also der Unterschied zwischen dem Leid beenden, also das Boot benutzen, und dem Zurechtkommen mit dem Leid, also das Boot nicht benutzen? Der liegt wohl darin, dass man am einen Ufer immer wieder aufs Neue das momentan vorhandene Leid zu beenden trachtet, während am anderen Ufer gar keines mehr auftritt. Was davon vorzuziehen und zu empfehlen wäre, dürfte klar sein: Gar kein Leid mehr statt immer wieder neues Leid beenden, wie Sysiphos.


    Warum wird dann eine solche Empfehlung gegeben? Da wird der Grund sein, dass es für unmöglich gehalten wird, Leid vollständig zu beenden. Denn wer würde es nicht tun wenn es möglich wäre? Diese Möglichkeit wird aber verneint und als Spekulation hingestellt. Beruht diese Annahme, dass Leid nicht vollständig und für immer zu beenden sein könne, auf Wissen und Erkenntnis? Woher aber sollte solches gewusst und erkannt sein? Demgegenüber steht die Empfehlung des Buddha, dass es möglich sei. Wenn es nun einer wahrhaftig beweisen kann, dass Leid nicht für immer beendet werden kann, dann möge er das tun. Kann er es nicht, was wäre diese Ansicht dann anderes als Spekulation? Warum sollte man aber einer Empfehlung folgen die auf Spekulation beruht?


    Es sind zwei Aussagen, die einander widersprechen: Leid ist nicht gänzlich zu beenden, und Leid ist gänzlich zu beenden. Die Letztere ist allemal die Attraktivere, und wert alles darauf zu setzen, solange nicht mit Sicherheit erkannt ist, dass sie falsch ist. Ich empfehle also das Boot zu besteigen und es nicht wegzuwerfen bevor das andere Ufer erreicht ist, und wenn es sich mit diesem Boot nicht erreichen lässt, damit zurechtzukommen. Dann tut man dasselbe wie vorher, bevor man das Boot bestiegen hat, nämlich immer wieder auftretendes Leid immer wieder zu beenden. Nur dass man dann wirklich weiß dass es anders nicht möglich ist, weil man es selber versucht hat. Oder man weiß dass es möglich ist, weil man das andere Ufer tatsächlich erreicht hat. Und was könnte wichtiger und besser sein damit sein Leben hinzubringen solches herauszufinden, als etwas das man ohnehin versucht, gründlich zu versuchen. Dabei gibt es außer Illusionen nichts zu verlieren - entweder die Illusion dass absolute Leidfreiheit möglich ist, oder die Illusion dass sie nicht möglich ist.


    Aber eines weiß ich mit Sicherheit, nämlich dass ich mit diesem Boot schon viel Leid beendet habe, das ich nicht hätte beenden können, wenn ich davon überhaupt nichts gewusst hätte.

    accinca:
    mukti:

    Unter Transzendenz verstehe ich "jenseits der Sinneswahrnehmungen".


    Was aber nicht bedeutet, das der Begriff nicht auch anderes verwendet werden kann.


    Ja, habe ich auch ursprünglich angemerkt, dass der Begriff nicht eindeutig festgelegt ist und ich ihn auf diese Weise verwende.

    Der Unbuddhist:
    mukti:

    Unter Transzendenz verstehe ich "jenseits der Sinneswahrnehmungen". Wobei im Buddhismus auch der Geist als ein Sinn gilt.


    Man könnte also vielleicht auch sagen, dass es darum ginge, bestimmte Vorstellungen vom Geist, von unserem Bewusstsein zu hinterfragen...


    Vorstellungen sind ja Teil des Geistes und damit des Bewusstseins. Vor allem wäre zu hinterfragen ob der Geist und der Körper ein Ich oder ein Selbst sind. Bzw. was es mit der überlieferten Aussage des Buddha auf sich hat: "Die 5 Daseinsgruppen (also alles was Körper und Geist ausmacht) bin ich nicht, gehören mir nicht, sind nicht mein Selbst".

    accinca:
    mukti:

    Nibbana bedeutet nur Verlöschen der Wahrnehmungen und Vorstellungen.


    Das habe ich jetzt zum ersten mal gelesen.
    Sonst heißt es immer Nibbana sei das Verlöschen von Gier, Haß und Verblendung oder
    auch das Verlöschen von Begehren und Nichtwissen was natürlich u.a. bedeutet an Wahrnehmung
    und an Vorstellungen nicht mehr anzuhaften und das wieder bedeutet, das es dann über kurz oder
    lang auch keine Bedingungen für weitere Wahrnehmungen und Vorstellungen gibt.


    Gut, so ist es genauer.


    Da hat sich wohl einer gescheut einen Exclusivanspruch zu vertreten. Aber darum geht es jetzt grade nicht.

    Unter Transzendenz verstehe ich "jenseits der Sinneswahrnehmungen". Wobei im Buddhismus auch der Geist als ein Sinn gilt. Darüber gibt es allerlei Vorstellungen von Ewigkeit, Gott, Seele, usw. Nibbana bedeutet nur Verlöschen der Wahrnehmungen und Vorstellungen. Nachdem die alle unzulänglich oder dukkha, also mit Leid verbunden sind, gibt es ein Bedürfnis nach Transzendenz. Ein Weg dahin ist nach der buddhistischen Lehre die Achtsamkeit:


    Zitat

    «'Der gerade Weg, ihr Mönche, der zur Läuterung der Wesen, zur Überwältigung des Schmerzes und Jammers, zur Zerstörung des Leidens und der Trübsal, zur Gewinnung des Rechten, zur Verwirklichung der Erlöschung führt, das sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit': wurde das gesagt, so war es darum gesagt.» (D.22)


    Von daher scheint mir die Darstellung, dass Ziel und Zweck der Achtsamkeit im sinnlich Erfahrbaren läge, so gar nicht buddhistisch zu sein, ob sie nun vom "Unbuddhist" oder vom Verfasser dieses Zeitschriftenartikels stammt, der übrigens kaum jemand hier bekannt sein dürfte.

    JazzOderNie:

    Ich glaube, dass es erst zum Problem wird, wenn es pauschalisierend benutzt wird, also eben als Erklaerung fuer etwas wo es unangebracht ist zb wenn ich eine Krankheit habe und dann sage, dass das meine Schuld waere aufgrund irgendeiner vergangenen Tat. Das Problem ist dann nicht nur psychisch evtl, weil ich schuldbeladen rumlaufe, sondern dass das eigentliche Problem dadurch nicht behoben wird. Vllt wuerde es ja eine Packung Medikamente loesen oder sowas. Will sagen, dass ich das Problem nicht in der Transzendenz selber sehe, sondern in dem eventuell fehlenden und angemessenen Differenzieren.


    Ich finde die Frage der Transzendenz verlangt zunächst eine Antwort die sich ausschließlich auf das eigene Leben bezieht. Soll heißen, was mir hilft, nehme ich an. Z.B. sehe ich lieber mein Schicksal (z.B. Krankheit) von mir selber verursacht als mich rein dem Zufall oder der Laune der Natur ausgesetzt zu sehen. Aber das bedeutet nicht, dass jeder mit dieser Vorstellung besser dran wäre.

    keks:

    Wenn ich über unsere spirituelle Praxis rede, dann spreche ich lieber von Umwandlung oder Transformation als von Transzendenz. Der Begriff der Transzendenz kann dazu führen, daß man die Idee bekommt, etwas Minderwertiges würde zurückgelassen und man käme zu etwas Höherem.
    Ajahn Munindo


    Wozu dann Praxis für Umwandlung oder Transformation, wenn es kein schlechter und besser gäbe.

    void:


    Ja, das ist eine der schönsten Sache am Thevada das "Nibbana" rein als eine Verneinung formuliert ist und der Thervada von der Idee der Weltabgewandtheit und Entsagung druchdrungen ist. Das macht es viel schwieriger daraus ein "kollektives Ego" zu machen, das für die kollektive Ordnung steht, der sich der einzlene unterzuordnen hat. Natürlich passiert das trotzdem, wie man ja an der staattragenden Funktion von Buddhastautuen , Tempeln und Mönchen in vielen Thervada-Ländern sehen kann. Aber im Mahayana ist das Problem insgesammt doch noch viel größer.


    Ja das Ego findet immer Mittel und Wege sich auszudehnen: Mein Ding muss für alle das Beste sein. Da wird dann auch Kollateralschaden in Kauf genommen, wie man es sogar bei manch politisch engagierten Mönchen im Theravada sieht. Ansonsten ist das eine schwierige Frage, ob und inwieweit die nötige Gesellschaftordnung mit metaphysischen Bedürfnissen in Verbindung zu bringen wäre, oder ob es besser wäre, die sinnlichen Bedürfnisse zum politischen Programm zu machen. Ob die religiösen Tempel mehr Schaden anrichten als die Konsumtempel.


    Abgesehen von sozialen Aspekten finde ich dass die Unterscheidung in transzendent und immanent oder weltlich und überweltlich schon auch ein wesentliches Merkmal des Buddhismus ist. Transzendent ist demnach Nibbana. Der wohltuende Unterschied zu anderen Religionen und Philosphien ist, dass es keine näheren Vorstellungen darüber gibt.

    Stero:


    Die Wahrheit der Inspiration. ;)


    Jedem gilt seine Wahrheit, die Wirklichkeit gilt für alle gleich. Zum Thema bedeutet das, jeder erkennt die Wirklichkeit auf seine Weise was ihm dann die Wahrheit ist.


    Bei sowas fällt mir immer Sokrates ein: "Ich habe alle aufgesucht die als Weise gelten, aber alle meinten etwas zu wissen. Deshalb hat mich das Orakel als den Weisesten bezeichnet, weil ich mit Sicherheit weiß, dass ich nichts weiß".


    Demgegenüber der Buddha mit dem Elefantengleichnis: "Jeder Blinde erfasst einen anderen Teil des Elefanten, dann streiten sie über die Wahrheit, weil sie nicht das Ganze sehen".


    Beide finde ich vertrauenswürdig, Sokrates wusste dass er nicht das Ganze, bzw. die Wirklichkeit sehen konnte, der Buddha wusste dass er sie sehen konnte. Vertrauen ist nötig, wenn man sie nicht sehen kann aber sehen möchte. Selbstvertrauen ebenso wie jemand anderer dem man vertraut. Niemand ist eine Insel, jeder lernt von anderen.

    Ellviral:
    muktil:

    Solange es wahrgenommene Phänomene gibt, gibt es auch die Wahrheit dass sie existieren und wie sie wirken. Es entsteht kein Bedürfnis die Wahrheit zu erkennen dass sie existieren, weil das offensichtlich ist. Es entsteht aber das Bedürfnis die Wahrheit zu erkennen wie sie wirken, und zwar aufgrund der Leidvermeidung.

    Im Soistes gibt es keine Wahrheit.


    Außer dass es so ist.


    Ellviral:

    Die Gegenstände der Wirklichkeit sind frei von Wahrheit. Wahrheit entsteht erst durch das verknüpfen von Gedanken.


    Das ist Wahrheit über die Wirkung.


    Ellviral:

    Das Aussprechen dieser Verknüpfung wird zu Wahrheit wenn es mindestens einen Menschen gibt der mit dieser Verknüpfung durch seiner Wahrheit übereinstimmt.
    Shinjinmei. Mein Leidensdruck wäre riesig wenn ich nicht von Anfang an gewusst hätte das es keine Wahrheit gibt, nur die Handlungsfähigkeit mit den Gegenständen der Wahrnehmung. Aus diesem Handeln entsteht Wahrheit die aber nur und ausschließlich meine Wahrheit ist. Das Soistes wird davon nur dann berührt wenn ich meine Wahrheit materialisiere. Absenden.-()-


    Das ist auch Wahrheit über die Wirkung.

    Stero:

    Je größer das Bedürfnis nach Wahrheit, desto größer der Leidensdruck, eben weil Wahrheit nur ein vorübergehender psycho-mentaler Moment der Projektion ist, aber in den Phänomenen der Wahrnehmung nicht zu finden ist.


    Wie mag das wohl gemeint sein? Solange es wahrgenommene Phänomene gibt, gibt es auch die Wahrheit dass sie existieren und wie sie wirken. Es entsteht kein Bedürfnis die Wahrheit zu erkennen dass sie existieren, weil das offensichtlich ist. Es entsteht aber das Bedürfnis die Wahrheit zu erkennen wie sie wirken, und zwar aufgrund der Leidvermeidung.

    Yofi:

    Man sollte sich vielleicht nicht gegenseitig Steine in den Weg legen, selbst dann nicht, wenn man manchmal der Überzeugung sein kann, dass andere zu erziehen eine gute Sache ist.


    Es ergibt sich natürlich eine Kontroverse, aber jeder sollte selber wissen welchen Einflüssen er seinen Geist öffnen will. Es gibt viele schlechte Lehrer aber nur wenige gute Schüler :)

    Stero:


    Weil du mein Schlagwort benutzt, verstehe ich das als auf meine areligiösen zeitgemäße Prasangika Philosophie gemünzt. Diese hat mit Buddhismus nichts zu tun und verkündet keine Wahrheit, weil es keine gibt. Ich stelle sie aus wie ein Maler sein Gemälde ausstellt, damit andere es ansehen oder ignorieren oder inspiriert werden und ihre ggf. Inspiration sogar mitteilen.
    Da ist also ein ziemlicher Unterschied zwischen meinem Projekt und dem Projekt von Buddhismus-Reformern. Und ich vermute, dass Letzere an Wahrheit glauben.


    Läuft für mich im Allgemeinen auf dasselbe hinaus, das sind alles Versuche den Buddhismus säkular (weltlich) oder rational zu begreifen. Und die dabei entwickelten Ansichten werden von ähnlich Gesinnten aufgegriffen, was ja auch beabsichtigt ist, so wie ein Künstler seine Werke nicht zuletzt deshalb ausstellt, damit sie gefallen mögen.

    Stero:
    Yofi:

    Es ist nun auf Seite 5 festgestellt worden, dass den Artikel, über den diskutiert wurde, niemand kennt.


    Das ist doch auch irrelevant. Relevant ist nur, warum jemand, der an Buddhismus interessiert ist, gegen traditionell buddhistisches Verständnis anschreibt ... und dies in einem buddhistischen Forum. Warum also jemand einen nach seinem Verständnis "besseren" Buddhismus zimmern will. Er kann doch machen und denken was er will. Wozu braucht er dafür die Marke "Buddhismus" und die Zustimmung von anderen?


    Mancher nimmt sich halt aus dem Buddhismus nur das raus was in seine "Rationalität" passt. Wo dann so eine aufklärerische Neugestaltung dabei rauskommt, die halt nicht mehr unter der Marke "Buddhismus" läuft und angeblich nicht auf Zustimmung anderer aus ist. Als Motiv wird dann rationale Inspiration angegeben, das aber für das Thema selber auch nur am Rande relevant ist. Was wäre aber ein inspiriertes Werk ohne Veröffentlichung für andere? Und so gibt es halt eine bunte Schar säkularer Buddhismen mit ihren jeweiligen Vordenkern und Anhängern.

    Der Unbuddhist:

    Da bekennt einer freimütig, es interessiere ihn überhaupt nicht, um was es hier gehe (Buddhismus aktuell 1/2016) und trotzdem gibt er seinen Senf dazu ab.


    Wenn man etwas zur Diskussion stellt sollte das schon für alle Teilnehmer einsehbar sein. Der Text um den es hier gehen soll ist ja nur denjenigen bekannt die dieses Heft bestellt haben. Wer hat das hier überhaupt?