Buddhaghosa:
Daher die Frage: willst du etwas über den Theravada wissen oder interessieren dich nur frühbuddhistische Texte? Davon abhängig ist dann auch die Literaturempfehlung. Kurz vorgreifend ist es natürlich richtig, dass man in einer Auseinandersetzung mit dem Theravada nicht um mich, Buddhaghosa, herumkommt.
Beides.
Für mich sind das Leben und Wirken des Siddharta Gautama sowie dessen Lehrreden das grundlegende, unverzichtbare Fundament des Buddhismus.
Daher will ich die Lehrreden auch auf jeden Fall studieren.
Habe schon einige gelesen und auch Vorträge besucht und mir zwei Sekundärwerke besorgt: Helmut Hecker "Wegweiser zu den Lehrreden des Buddha" und Bhikkhu Bodhi "In den Worten des Buddha".
Aber ich habe den Thread in erster Linie eröffnet um das Eigencharakteristikum des Theravada zu verstehen, bislang habe ich den von mir geschilderten allgemein weit verbreiteten oberflächlichen Eindruck das es sich um Palikanon + Shamatha/Vipassana handelt. Aber was genau macht denn darüber hinaus Unterschiede zu Mahayana?
Schön zu hören das Theravada Dein Herzblut ist
Wäre Dir überaus dankbar wenn Du mir das ein oder andere erzählen würdest.
Buddhaghosa:
Im Mahayana werden die frühbuddhistischen Schulen nicht als kleines (cula) Fahrzeug bezeichnet, sondern als geringes/niedriges (hina). Es ist abwertend gemeint. Der Theravada kennt verschiedene Heilsziele, u.a. die Buddhaschaft über den Umweg des Bodhisatta.
Ich denke das wird wohl zu bestimmten Zeiten tatsächlich so gemeint gewesen sein, aber ich bin auch der Überzeugung das diese Abwertung so heute nicht mehr in allen Köpfen besteht.
Mittlerweile hat man auch gelernt und neigt zur Bezeichnung "kleines Fahrzeug".. "erste Drehung des Dharma-Rades". Ich verstehe es so, dass man erst mal die Lehre studiert und versteht und an seinem eigenen Geist arbeitet bis man dann zur zweiten Drehung Mahayana-Geist, sprich anderen Wesen den Dharma vermitteln, übergehen kann.
Buddhaghosa:
Aber der Theravada ist ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Auf der einen Seite stehen die Buddhisten, die nichts vom Buddha wissen (wollen) und auf der anderen, die die nichts von den alten Kommentatoren wissen wollen, weil sie meinen, es selber besser zu können. Daher konzentrieren sie sich ausschließlich auf die frühbuddhistischen Texte (und überraschender Weise manchmal auf die Rockzipfel moderner Lehrer). Ebenso säkularisiert man erfolgreich eines der (modernen) Theravada-Kerngeschäfte: Vipassana-Meditation. Da bleibt für den guten alten Theravada im Westen nicht viel Platz.
Wie bereits oben erwähnt gehöre ich ganz gewiss nicht zu der Sorte Buddhisten die nichts vom Buddha wissen wollen!!
Das ist für mich undenkbar!
Ich halte allerdings auch die Lehren großer Vajrayana- und Zen-Meister für überaus wichtig und gewinnbringend. Auch lehne ich Methoden wie zB Tantra nicht ab, weil der Buddha Shakyamuni diese seinerseits nicht kannte. Hätte es diese Methoden zu dessen Zeit gegeben hätte er sie in seine Praxis eingebunden da bin ich mir sicher. Warum also nicht gewinnbringende neue Praxis zur Erreichung des Zieles nutzen?
Leider hast Du wohl recht das Theravada bei uns kaum angeboten wird.
Auch hierzu fällt mir wieder das "kleine Fahrzeug" (meine ich nicht abwertend!) im Vajrayana ein: In einigen Vajrayana-Zentren gibt es Theravada-Studiengruppen (Pali-Kanon) und bei zB Rigpa wird eine grundlegende Shamatha/Vipassana-Praxis vor Aufnahme tantrischer Praktiken vorausgesetzt.