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Niemand, der die vier Wahrheiten nicht kennt, leidet darunter, dass er sie nicht kennt. Diese Art der Unwissenheit wird nur dann zu einer, wenn man die Wahrheiten als solche akzeptiert. Die Menschen leiden wohl überwiegend an der Vergänglichkeit und ihrem Ego, aber nicht daran, dass sie eine buddhistische Theorie nicht kennen.
Wenn ich nicht weiß, was ein Smartphone ist und nicht einmal weiß, dass so was existiert, dann kann es mir trotzdem fehlen. Das erkenne ich in dem Moment, in dem ich es habe und es dann dauernd benutze ("Das hat mir schon die ganze Zeit gefehlt!"). Ich würde nicht danach greifen, wenn es mir nicht fehlen würde (es genügt das Greifen, sogar wenn es nur Neugierde ist – aber letzteres halte ich für unbedenklich ). Nur wenn ich weiß, dass es existiert, vielleicht sogar eines habe, weil es mir z.B. die Firma zur Verfügung stellt, ich es aber nicht benutze, dann fehlt es mir wirklich nicht.
Die "buddhistische Theorie" ist nicht nur für Buddhisten gültig. Ihre wesentliche Aussage ist, dass sich alle Wesen in Unwissenheit und im Daseinskreislauf befinden, dass alle Wesen Ungemach vermeiden und Glück suchen. Das tun eben nicht nur Buddhisten.
Herr Gautama hat diese Gegebenheit irdischen Lebens erkannt und formuliert. Und er hat, zumindest was uns Menschen betrifft, einen Weg aufgezeichnet, wie er es geschafft hat, diesem Kreislauf zu entkommen. Jeder der den Weg geht, kann schon ab einem gewissen Punkt, auch ohne vollständig befreit zu sein, diese Thesen bezeugen, und das unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Kulturkreis.
Jeder, der die Menschen um sich herum beobachtet und schon ein wenig den Blick für sich geschärft hat, denn das ist Grundvoraussetzung um die Mitwesen (nicht nur die Menschen) besser zu verstehen, kann sehen, wie sie leiden und wie ihr Leiden genau aus den Komponenten besteht, die in der buddhistischen Psychologie beschrieben werden. Sobald man die Menschen darauf hin befragt und das Vokabular verwendet, das sie selbst benutzen, also kein Sanskrit-Slang benutzt, dann wird das bekräftigt. Um beim Beispiel Smartphone zu bleiben: "Ich wollte das unbedingt. Ich benutze es ständig. Ich kann mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Es gibt schon ein Neues. Das Alte ist doof. Mein Kollege hat das, ich will das auch. … "
Die Leuten spüren ihr Unbehagen auch, merken, dass sie irgendwie nie zur Gänze zufrieden sind und jede Befriedigung nur von kurzer Dauer ist. Sie können das nur nicht formulieren, weil es für sehr viele einfach immer noch leichter ist, einen neuen Kick zu erhalten, als innezuhalten und zu reflektieren.
Auch haben die meisten Menschen Angst vor dem Tod, Angst vor dem Alter und Angst vor Krankheit, vor Verlust ihres Lebensgefährten, ihrer Kinder …. Diejenigen, die das überwunden haben, haben erkannt, dass es zum Leben gehört und nicht vermeidbar ist.
Diejenigen, die das nicht überwunden haben und in diesen Ängsten gefangen sind, die strampeln verzweifelt und versuchen mit allen Mitteln diese Lebensfakten zu verdrängen. Da das aber nie völlig gelingt, sind sie ständig am Davonrennen und suchen die Erlösung in höchst unbefriedigenden Ersatzmitteln und -handlungen.
Genau das beschreiben die Vier Wahrheiten.
Die Vier Wahrheiten zu kennen und immer mehr zu realisieren, ist tatsächlich die Lösung und eigentlich suchen die Menschen danach. Dazu muss man nicht unbedingt Buddhist werden, die Grundaussagen der buddhistischen Lehre kann man in allen mir bekannten Religionen und auch beispielsweise bei den Stoikern und Epikur wiederfinden, sie ist nur anders formuliert und es werden andere Methoden beschrieben.
Übrigens wirkt es schon leidvermindernd, wenn man die Vier Wahrheiten akzeptiert hat, denn das impliziert schon Wissen. Es verhält sich also genau gegenteilig zu Deinem Postulat. Sobald ich weiß, was mir fehlt, weiß ich woran ich leide und damit fällt schon mal die erste Schicht der Unwissenheit weg.
Es ist nicht die "Religion Buddhismus", die den Menschen fehlt, sondern es sind in der Tat die Vier Wahrheiten.