Beiträge von Sudhana im Thema „Zen-Priester unter Missbrauchsverdacht“

    Axel:

    Wieder einmal - ausgelöst von den Affären um die Herren D. und L. - wird von der DBU gefordert, eine Art 'Ethik-Richtlinie' herauszugeben, die sämtliche Mitgliedsgemeinschaften unterzeichnen sollen und die somit so eine Art 'Prüfsiegel' der Unterzeichnenden sind. Für die Einhaltung und eventuelle Sanktionen ist dann die DBU verantwortlich.

    Der letzte 'Anlass' war 2011 - als man mit viel Glück gerade noch daran vorbei geschrammt war, die Pagode Phat Hue mit ihrem Chef Mai Hue Giang Tran (aka Thich Thien Son) in die DBU aufzunehmen. Da war der Skandal gerade noch rechtzeitig gekommen. Da gab es dann einiges an Aktionismus - der sich aber ausbremsen ließ. In der 2011 begonnenen dreijährigen Ratsperiode trat der erste Vorstand (Sprecher und stellvertretende Sprecherin) aus Gesundheitsgründen nach einigen Monaten zurück und aus dem Rat aus (wodurch die beiden heutigen Vorstandsmitglieder nachrückten). Der nachgewählte Vorstand (beide in der AG Ethik aktiv) wurde gezielt von den üblichen Verdächtigen demontiert und trat mangels Rückendeckung nach knapp 1,5 Jahren zurück. Damit war auch das Ethikprojekt gestorben. Der dritte Vorstand dieser Ratsperiode ist noch heute im Amt. Anscheinend macht der es richtig.


    Übrigens ging es bei dem Projekt nicht nur um eine Charta, sondern ganz wesentlich auch um einen Ethikrat, besetzt mit Fachleuten (Psychologen, Juristen ...), die als Anlaufstelle und - falls von beiden Seiten so gewünscht - als Mediationsstelle dienen sollte. Ansonsten als 'fact finding commission', die Rat und Mitgliederversammlung Handlungsempfehlungen gibt. Das sollte nun auch nicht immer gleich der große Hammer mit dem Ausschluss sein, sondern eine Palette von Maßnahmen (ich sage jetzt mal, von einer bloßen, nicht-öffentlichen Empfehlung über eine öffentliche Rüge bis hin zum Ausschluss) - natürlich eskalierbar, wenn die 'sanfteren' Maßnahmen keine Wirkung zeigen. Das hätte funktionieren können, wenn es die Mehrzahl denn wirklich gewollt hätte und dafür im Zweifelsfall auch einen Konflikt - z.B. mit dem Diamantweg e.V. in Kauf genommen hätte. Für letzteres ist allerdings das 'Harmoniebedürfnis' in der DBU denn doch zu groß.

    Axel:

    Eher wird die Hölle zufrieren, als dass es diese Richtlinien in absehbarer Zeit geben wird.

    Ja. Das Projekt war im Frühjahr 2013 mausetot. Weil zumindest ein Teil der Leute, die da Arbeit hineingesteckt hatten, genau zu dieser Einsicht gekommen waren.

    Axel:

    Warum?


    1. Die meisten Mitgliedsgemeinschaften (und ich meine damit nicht nur die 'üblichen Verdächtigen'!) sind entweder selbst betroffen, wissen, dass sie in der Zukunft selbst betroffen sein können oder haben genug eigene Leichen im Keller.

    Das ("die meisten") halte ich für übertrieben. Die größten kommt schon eher hin. Und - einige der kleineren Gemeinschaften schicken Delegierte, die für ihren Job nicht taugen. Zu naiv, zu harmoniebedürftig, mit zu unklaren Vorstellungen, wofür ein buddhistischer Dachverband eigentlich da sein soll - und wozu er da sein kann. Zu diesem Mangel an verbandspolitischer Vision kommt dann womöglich noch Bequemlichkeit - da beschäftigt man sich mit der Tagesordnung erst auf der Fahrt zur Mitgliederversammlung und hat nicht wirklich eine Ahnung, worum es überhaupt geht. Da orientiert man sich dann gerne an den Vertretern der 'Großen'.

    Axel:

    2. Als Vergleich wird oft der Umgang in den christlichen Kirchen mit Missbrauchsfällen herangezogen. Das ist irreführend.

    Das ist vor allem insofern irreführend, als die DBU nicht - wie die Kirchen - Arbeitgeber des 'spirituellen Personals' ist. Das einzige wirkliche Druckmittel, das sie in der Hand hat, ist der Ausschluss. Dieses Druckmittel hat jedoch nur einen Wert, wenn die DBU in der Öffentlichkeit auch als eine ethisch-moralische Instanz wahrgenommen wird - ein Ausschluss also in der Öffentlichkeit nicht einfach als Vereinsgezänk wahrgenommen wird, sondern als als ein ernstzunehmendes Urteil über die moralische Integrität einer Gemeinschaft bzw. ihres/r Lehrer. Genau diesen Wert verspielt die DBU seit Jahren. Genauer gesagt: seit Frühjahr 2000, als man es versäumt hat, sich vom Diamantweg e.V. zu trennen. Auch da war es die Mitgliederversammlung, die gekniffen und ihren eigenen Vorstand, insbesondere die stellvertretende Sprecherin Regine Leisner desavouiert hat.

    Axel:

    Genauso werden sich 'Buddhisten' (wo die Unterschiede eigentlich sogar - trotz gegenteiliger Rhetorik - größer sind) nie (na ja, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit...) auf eine gemeinsame Ethik einigen können. Dazu werden Texte, die als 'gemeinsam' gelten, zu unterschiedlich ausgelegt.

    Das halte ich für unzutreffend. In der oben erwähnten 'AG Ethik' haben praktizierende Theravadin, Mahayanin, Zen-Leute, 'Tibeter' ... problemlos zusammengearbeitet und hatten keinerlei Probleme, sich "auf eine gemeinsame Ethik" zu einigen. An unterschiedlichen Traditionen lässt sich die Problematik mE nicht festmachen. An unterschiedlichen Menschen schon ...

    Axel:

    3. Auf zwei Punkte können sich die Mitgliedsgemeinschaften einigen, wenn es um Zuständigkeit der DBU geht: 'Public Relations' (also Außenwerbung für die Vorzüge des 'Buddhismus') und Lobby-Arbeit für den Versuch, ähnliche staatliche Rechte zu bekommen, wie andere 'staatlich anerkannte' Religionsgemeinschaften - eine Art 'aus kontrolliertem Pfanni-Anbau' des deutschen Buddhismus.

    Beim ersten Punkt stimme ich Dir zu. Dieser Grundkonsens lässt sich offensichtlich nicht erweitern - weil einige Mitgliedsgemeinschaften (nicht zuletzt der Diamantweg e.V. - aber beileibe nicht alle) dies nicht wollen. Bei der "Lobby-Arbeit" geht es schon um einiges mehr. Z.B. - was absolut Sinn macht - um die Qualifikation von Lehrern, die im Ethik- oder Religionsunterricht den Buddhismus darstellen und um die Erstellung brauchbarer Unterrichtsmaterialien. Das sollte man wirklich nicht christlichen Theologen überlassen. Was die Körperschaftsfrage angeht, so ist es eine ganz besondere Ironie, dass ausgerechnet der Einzige, der in der Mitgliederversammlung gegen die Antragstellung auf Verleihung des KÖR-Status gestimmt hatte, einige Jahre später als Vorstandsmitglied diese Anträge unterschrieb. Nicht, weil er seine Meinung geändert hatte, sondern weil es sein Job war, Beschlüsse der Mitgliederversammlung auszuführen. Dann durch einen neuen Beschluss der Mitgliederversammlung auf Betreiben des Diamantweg e.V. gezwungen werden sollte, den Antrag zurückzuziehen, worauf er zurücktrat - und den Beschluss der Mitgliederversammlung als rechtswidrig kippte. Wie sich ca. ein viertel Jahr später zeigte, waren die vorgebrachten Bedenken des Diamantweg e.V., es seien noch einzelne Punkte vor der Antragstellung zu klären gewesen, sämtlich gegenstandslos. So wartet der Antrag immer noch auf seine Erledigung ...

    Axel:

    Manchmal sage ich mir (zumindest was den zweiten Punkt angeht): Gott bewahre uns vor einem Erfolg!

    Dein Wort in Gottes :) Ohr.


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    Tychiades:

    Das Problem ist ja die Struktur als Sekte, was man z.B. an den Zeugen Jehovas oder den Scientologen sehen kann. Sofern die Gemeinschaft das unter sich ausmacht und es nicht nach außen dringt, kann auch die Gesellschaft nichts ausrichten, auch wenn sie entsprechende Gesetze hat. Ähnliches gibt es bei der Mafia und anderen korrupten Gemeinschaften.
    Die Frage ist dann, wie stellt man Transparenz her?

    Für das, was unter der strafrechtlich relevanten Schwelle liegt (ansonsten sind Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig) muss es eine 'Anlaufstelle' außerhalb der Gemeinschaften ('Sekten') und unabhängig von ihnen geben. Meines Erachtens übrigens nicht nur für den Problemkreis 'Sex' sondern auch für den Problemkreis 'Geld'. Wobei auch hier (bei strafrechtlich 'unterschwelligen' Vorkommnissen) der erste Schritt zur Herstellung von Transparenz Ermittlungsarbeit wäre - Aufklärung des Sachverhaltes oder zumindest Feststellung und, so weit möglich, Überprüfung der unterschiedlichen Darstellungen des Sachverhaltes. Auf dieser Eskalationsebene kann eine solche Anlaufstelle, falls gewünscht, auch als Mediator (also deeskalierend) wirken. Die nächste Eskalationsebene wäre die 'standesgerichtliche' - d.h. Erstellung eines Sachberichts und einer ethischen Bewertung des Sachverhalts. Beides kann (und sollte) dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das wäre Transparenz.


    Dieses Modell setzt die Anerkennung der 'Anlaufstelle' sowie der ethischen Grundsätze, an denen sie ihre Arbeit ausrichtet und der jeweils einzuleitenden Eskalationsprozesse (oder Deeskalationsprozesse) durch die potentiell betroffenen Gemeinschaften voraus. Damit handelte es sich natürlich auch um mehr als nur eine 'Anlaufstelle', sondern um eine Zertifizierungsstelle. Als Träger einer solchen Zertifizierungsstelle käme derzeit in Deutschland lediglich der Dachverband buddhistischer Gemeinschaften in Frage - zertifiziert dieser doch ohnehin schon schon seine Mitgliedsgemeinschaften in der Hinsicht, authentischen Buddhismus zu lehren. Die DBU böte auch die organisatorischen Grundlagen einer Anlauf- / Zertifizierungsstelle einschließlich der (unabdingbaren) Möglichkeit, ein solches Gremium nach demokratischen Prinzipien zu besetzen. Nicht zuletzt als letzte Eskalationsstufe auch den öffentlichen Ausschluss aus der Dachgemeinschaft, den Entzug des 'Zertifikats'.


    Das konkrete Problem ist natürlich, dass derzeit und auf absehbare Zukunft hin nach meiner (durchaus auf praktischen Erfahrungen gründenden) Einschätzung gerade die größten Mitgliedsgemeinschaften nicht bereit sind, sich ggf. einem ethischen Zertifizierungsprozess zu unterwerfen, den sie selbst nicht vollständig unter Kontrolle haben. Es fehlt an der grundsätzlichen Bereitschaft, Kontrolle abzugeben, zu delegieren. (Nicht nur) in dieser Hinsicht - der Wahrnehmung der Verantwortung, für eine ethischen Mindeststandards entsprechenden Übertragung des Buddhadharma Verantwortung zu tragen - ist die DBU eben nicht "traditionsübergreifend", sondern nur ein zahnloser Papiertiger. Ein unverbindliches Neben-, nicht Miteinander. Und daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern, wie die schwammigen und unverbindlichen Formulierungen des neuen Leitbildes zeigen. Wobei man da eine besonders griffige vergessen hat: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Die Kraft zur Selbstreinigung kann (und will) der in der DBU organisierte Buddhismus in Deutschland derzeit nicht aufbringen.


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    Ich wurde da wohl zumindest teilweise missverstanden. Zunächst zur Begrifflichkeit: ich schrieb nicht von sozialem Kapital, sondern von symbolischem Kapital, ein von Pierre Bourdieu eingeführter Begriff, den ich insbesondere in religionssoziologischen Kontexten für nützlich halte. Soziales Kapital spielt hier bei unserem Thema sicherlich ebenfalls eine Rolle. So ist soziales Kapital (etwa die Zugehörigkeit zu einer religiösen Organisation durch Priesterordination) Teil des symbolischen Kapitals bzw. es wird in (persönliches) symbolisches Kapital transferiert.


    Ich halte den Begriff 'symbolisches Kapital' in unserer Diskussion hier für hilfreich, weil er geeignet ist, den Begriff 'Mißbrauch' in einem grundsätzlichen (nicht rein strafrechtlichen oder auch nur moralisierenden) Sinn verständlich zu machen. Symbolisches Kapital ist auf soziale Anerkennung angewiesen, denn die Verfügung über solches Kapital ist das Maß sozialen Prestiges, von Autorität. Diese Anerkennung beruht wiederum (nicht anders als bei ökonomischem Kapital) auf Annahmen - gewissermaßen einem Vertrauensvorschuss. Eine typische Annahme ist da zum Beispiel, dass ein mit dem symbolischen Kapital eines ordinierten Priesters Ausgestatteter seine Lebensführung an besonders hohen moralischen wenn nicht gar altruistischen Standards ausrichtet; was ja dann in aller Regel auch durch bestimmte, mit dem Ordinationsritus verbundene ethische Gelübde zum Ausdruck gebracht wird. Es ist mithin hier die soziale Gruppe (die religiöse Institution), die eine Person mit symbolischem Kapital ausstattet, weil sie auf dessen Eignung vertraut - d.h. darauf, dass er den mit dem symbolischen Kapital verbundenen sozialen Erwartungen gerecht wird. Dieselbe Erwartung wird der Person von außerhalb entgegen gebracht.


    Der Mißbrauch im weiteren Sinne, der Mißbrauch des symbolischen Kapitals, ist also das Nicht-Bedienen dieser Erwartungshaltungen der Eigengruppe und der Fremdgruppe. Anders ausgedrückt: ist Mißbrauch des Vertrauens, das von Seiten der Institution Voraussetzung für die Ausstattung mit symbolischem Kapital war und des Vertrauens, das seitens der Gesellschaft insgesamt dieser speziellen Form symbolischen Kapitals entgegen gebracht wird. Das Ergebnis ist natürlich, dass seitens der Gesellschaft die Anerkennung des missbrauchten Kapitals sinkt - d.h. der Wert dieser speziellen Form des symbolischen Kapitals sinkt. Davon ist nun natürlich die religiöse Institution, die 'Garant' dieses symbolischen Kapitals ist, unmittelbar betroffen, da der soziale Wert des persönlichen symbolischen Kapitals, mit dem die Angehörigen der Institution ausgestattet sind (und mit dem sie Andere ausstatten dürfen), sinkt. Genau dies ist natürlich auch der Grund, warum Institutionen in der Regel versuchen, Mißbrauchsfälle nach Möglichkeit der öffentlichen Wahrnehmung zu entziehen. Dahinter steckt primär ein Eigeninteresse, den persönlichen sozialen Status zu wahren und weniger 'Solidarität' oder gar Komplizenschaft mit dem Missbraucher. Umgekehrt ist das öffentlich Machen von Mißbräuchen nicht notwendig (oder ausschließlich) durch das Interesse motiviert, das Risiko von Mißbrauch zu verringern, sondern zielt oft ebenso auf die Entwertung bestimmter Formen symbolischen Kapitals und damit auf die Institution, die Garant dieses Kapitals sind. Entsprechende Klagen z.B. der katholischen Kirche über Instrumentalisierung von Mißbrauchsfällen sind nicht ganz unbegründet.


    Mißbrauchsfälle kann man durch institutionelle Kontrollmechanismen und sicherlich auch durch sparsameren Umgang mit dem symbolischen Kapital verringern. Sie sind jedoch nicht grundsätzlich verhinderbar; wie ich bereits schrieb, ist dies schlicht anthropologisch bedingt. Grundsätzlich kann (und sollte) man jedoch aus Mißbrauchsfällen als Institution die Konsequenz ziehen, die Garantenrolle ernst(er) zu nehmen - was dann ggf. auch heisst, öffentlich die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn man als Garant versagt hat. Was unweigerlich früher oder später einmal geschieht. Eine 100%-ige Garantie dafür, dass symbolisches Kapital nicht missbraucht wird, kann es nicht geben. Auch nicht, wenn man die Verantwortung für die Ausstattung damit z.B. an einen (wie ich denke, durchaus zu recht) hoch respektierten und anerkannten Zenmeister wie Hozumi Gensho Roshi delegiert. Auch der ist hier Missbrauchsopfer - und Missbraucher insofern, als er dem in ihn selbst gesetzten Vertrauen, zu erkennen wenn jemand seines Vertrauens nicht würdig ist, nicht gerecht wurde. Wobei ich nicht zu beurteilen vermag, wie weit Hozumi Gensho Roshi selbst dem 'Mythos des Zenmeisters' Vorschub leistete - oder sich in dieser Hinsicht gar irgendwelchen Selbsttäuschungen hingab.


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    void:

    Wobei ich ja schon über ein halbherziges Wort des Bedauerns aus der Rinzai-Shu froh wäre. Oder dass die DBU auf den Vessakh Fest eine Dikussionverantstaltung zu dem Thema abgehalten hätte. Oder eine Sonderaushabe "Wie gehen wir mit Missbrauch um" von Buddhismus aktuell.

    Ich finde, man sollte auch in der Diskussion schon sauber trennen zwischen kriminellem Tun (wie sexuellem Kindesmissbrauch) und zwar moralisch verwerflichem (wenn auch nicht für jeden) aber ansonsten legalem Tun. Was speziell den hier diskutierten Fall angeht, so ist trotz recht klarer Sachlage (wenn man den Medienberichten, dass die Vorwürfe eingeräumt wurden, glaubt) mit einer offiziellen Stellungnahme nicht vor der Urteilsverkündung zu rechnen - und das ist auch völlig in Ordnung so. Wobei das ja dann auch nur eine recht hohle Pflichtübung wäre. Natürlich kann man so etwas nur verurteilen und bedauern - was denn sonst?


    Ansonsten stand das Thema 'legales' sexuelles Fehlverhalten in buddhistischen Gemeinschaften auf der Agenda der DBU und es ist nicht ganz zufällig zusammen mit einigen Leuten, die daran gearbeitet haben, wieder von dort verschwunden. Hier Regelungen zu treffen und von den Mitgliedsgemeinschaften Selbstverpflichtungen auf einen Verhaltenskodex zu verlangen sowie eine Art 'Standesgerichtsbarkeit' einzurichten, würde eine Durchgriffsmöglichkeit der DBU auf Kosten der Autonomie der Mitgliedsgemeinschaften bedeuten, eine größere Kompetenz des Dachverbandes. Das war nicht von allen gewollt und diese Haltung hat sich durchgesetzt, weil es an Vertrauen und Unterstützung für die fehlte, die eine andere DBU wollten. Die DBU soll ihren Mitgliedsverbänden bescheinigen, dass sie alle "authentischen Buddhismus" lehren (was auch immer das sein mag) und ansonsten auf ehrenamtlicher Basis ein wenig PR machen - nicht aber Mitgliedern an den Karren fahren, wenn die aus der Spur laufen. Deswegen äußert sich Herr Gantzhorn auch so zu dem Thema, wie er das tut - da spricht er für die DBU heute, was ja auch sein Amt ist:

    Zitat

    Im tantrischen Buddhismus gibt es solche Formen und darauf berufen sich auch verschiedene Mitgliedsgemeinschaften der DBU. Auch wenn man das nicht als gängige Praxis sozusagen hat, so wehrt man sich schon gegen eine generelle Ablehnung dieser Situation.
    Quelle, ca. ab 8. Minute

    Noch 2011 wurde auf dem Kongress der DBU das Thema unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Damals stand man tatsächlich bei diesem Thema "noch ganz am Anfang" - heute ist man einen großen Schritt zurückgetreten. Was bei dem Link nicht zu lesen ist - Lama Sönam Lhündrub berichtete dort auch vor einem großen Publikum nicht ganz zufällig von seinen eigenen Erfahrungen mit sexuellen Techniken. Aber diese Praxis hat er mit seiner damaligen Partnerin ausgeübt - unter Supervision seines und ihres gemeinsamen Lehrers (Gendün Rinpoche). Um nur mal auf einen gangbaren Weg zu verweisen - wenn man denn schon meint, solche Mittel seien unverzichtbar. Es ging also bei dem Projekt 'Ethikrichtlinien' überhaupt nicht um "eine generelle Ablehnung dieser Situation" - d.h. der Situation, dass es im Vajrayana bestimmte sexuelle Praktiken gibt. "Generell" ist lediglich die "Ablehnung", an "dieser Situation" - hier ist nun die Situation stillschweigender Tolerierung sexueller Ausbeutung durch vorgebliche spirituelle Lehrer gemeint - etwas zu ändern. Deswegen sind Ethikrichtlinien in dieser DBU eher noch weniger durchsetzbar als sie es vor fünf Jahren waren.


    ()

    void:

    Soweit ich es weiss, ist ja auch die Beziehung eines Psychothrapeuten zu einem Klienten legal

    Da trügt Dich Dein Wissen. Seit 1998 gilt da § 174c Abs. 2 und 3 StGB - es drohen Haftstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren.


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    mukti:

    Bekanntlich waren sexuelle Beziehungen zwischen Lehrer und minderjährigem Schüler in der griechischen Antike gebräuchlich und legal, aber auch in Japan bei Mönchen und Samurais

    Bekanntlich war in der Antike auch Sklaverei "gebräuchlich und legal". Zur Päderastie im mittelalterlichen Japan kenne ich keine näheren Untersuchungen - die dort üblichen Beziehungen dürften dürften sich in ihrem (Zwangs-)Charakter wenig von denen in der Antike unterschieden haben. Die wiederum sind recht gut untersucht und die Untersuchungen zeigen so gar nicht das Wunderland freier Liebe, das pädo- und hebephile Homosexuelle so gern damit verbinden. Zur Einführung: http://static.onleihe.de/conte…-3/v978-3-8409-2065-3.pdf


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    Der Unbuddhist:

    In welchem Zeitraum war eigentlich Genpo D. im Rat der DBU und welche Funktion hatte er da inne?


    April 1985 bis April 2008. Keine feste bzw. herausgehobene Funktion - da gibt es ohnehin nur den/die Sprecher/in, stellvertretende/n Sprecher/in und Kassierer/in. Diese drei sind Vorstand i.S.d. § 26 BGB. Genpo Döring war in keiner dieser Funktionen tätig. Mit Verlassen des Rates (nach meiner Erinnerung wurden gesundheitliche Gründe genannt) wurde er von der Mitgliederversammlung auf Vorschlag des stellvertretenden Sprechers Hans-Erich Frey auf Grund seiner 23-jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Rat einstimmig zum Ehrenrat ernannt.


    Um Dir nochmaliges Nachfragen zu ersparen: 2008 wurde Genpo Döring als Nachfolger des aus Altersgründen ausscheidenden Fritz Reg Vertreter der DBU bei der WFB und dort im selben Jahr zu einem der Vizepräsidenten gewählt. Er leitete dort die Arbeitsgruppe für humanitäre Hilfe. D.h. er war dort mit Spendenaufrufen befasst.


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    Karnataka:

    Interessant scheint mir die Frage, ob es einen statistisch signifikanten Zusammenhang von Missbrauch und der Ächtung sexueller Beziehungen gibt. Werden also beispielsweise Pfarrer oder Mönche leichter zu Tätern, wenn sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, als andere in diesem Bereich Tätige? Folgt man dieser bekannten und naheliegenden These, dann sollten religiöse Gemeinschaften von ihren Lehrern keine prinzipielle sexuelle Enthaltsamkeit fordern und beispielsweise zulassen, dass diese verheiratet sind.


    Diese These ist in der Tat "bekannt", was jedoch vor allem an einer durch die Medien verzerrten Wahrnehmung liegt. Das mir bekannte statistische Material belegt beispielsweise nicht, dass pädophile Straftäter speziell bei katholischen Priestern stärker repräsentiert sind als in anderen Berufsgruppen (bzw. widerlegt es diese These). Natürlich ist für das Publikum der Medien ein pädophiler Priester interessanter als ein pädophiler Maurer ...


    Trotzdem gibt es einen Zusammenhang zwischen tabuisierter oder unterdrückter Sexualität und pädophilen Straftaten. Die meisten Straftäter (grob 90%) gehören nicht zum sog. 'fixierten Typus' (dem 'klassischen' Pädophilen), sondern zum 'regressiven Typus', bei dem man auch von einem "Ersatzobjekttäter" spricht. Diese sind nicht speziell auf Kinder ausgerichtet, wenden sich ihnen jedoch als 'Ersatzobjekt' zu, wenn sie es (aus den unterschiedlichsten Gründen) nicht schaffen, eine sexuelle Beziehung mit Erwachsenen einzugehen. Die aus der Presse bekannt gewordenen Details des Falles Döring deuten auf solch einen Typus hin. Dieser Typus ist vergleichsweise (zum fixierten Typ) gut therapierbar; die Rückfallquote wird auf 10 - 30% geschätzt (Beier K. M.: „Dissexualität im Lebenslängsschnitt“, Theoretische und empirische Untersuchungen zur Phänomenologie und Prognose begutachteter Sexualstraftäter. Berlin 1995), während sie bei einem straffällig gewordenen 'fixierten Typ' mit ca. 80% anzusetzen ist (a.a.O.). Hier sind dann Präventionsprogramme zur Verhinderung einer ersten Straffälligkeit besonders wichtig, mit denen diese Gruppe auch gut erreichbar ist.


    Ergänzend: als dritte Gruppe existiert noch der antisoziale Typus. Hier gibt es ebenfalls keine sexuelle Fixierung speziell und ausschließlich auf Kinder, sondern vor allem auf Gewalt. Kinder sind hier vor allem die leichteren Opfer - und der Mißbrauch beginnt häufig mit Entführung und endet mit Mord. Leider ist es vor allem diese - statistisch insignifikanteste - Gruppe, die die Einstellung großer Teile der Öffentlichkeit gegenüber pädophilen Straftätern bestimmt. Was die psychischen, psychosomatischen und psychiatrischen Folgeschäden, die durch einen Mißbrauch durch einen Täter vom regressiven Typ verursacht werden können, nicht verharmlosen oder beschönigen soll. Auch, wenn Genpo Döring diesem regressiven Typus zuzuordnen wäre, bleibt er doch ein Krimineller und ist ganz gewiss kein Justizopfer oder Opfer einer verklemmten gesellschaftlichen Sexualmoral. Was man ihm zugute halten kann und auch sollte, ist seine Geständigkeit, die es voraussichtlich den von ihm missbrauchten Kindern erspart, vor Gericht aussagen zu müssen. Und ja - natürlich ist er auch ein Mensch, der einem leid tun kann, auch wenn für sein Leiden das eigene Handeln ursächlich ist.

    Karnataka:

    Wieso sollen spirituelle Lehrer aber keine sexuellen Kontakte zu erwachsenen Schülern haben dürfen? Wo liegt der Sinn einer solchen Regel? Es ist doch normal, dass sich erwachsene Menschen sexuell voneinander angezogen fühlen. Ebenso normal ist, wenn Vertrauensbeziehungen besonders anregend wirken. Wieso sollte beispielsweise eine buddhistische Lehrerin keinen Sex mit einem erwachsenen Schüler haben dürfen, wenn sie ungebunden ist (oder wenn es für ihren Partner oder ihre Partnerin okay ist)?

    Der Grund ist derselbe, warum Lehrer / Lehrerinnen an einer Schule keine sexuellen Beziehungen zu ihren Schülern oder Schülerinnen haben dürfen, warum Psychotherapeuten keine sexuelle Beziehungen zu ihren Patienten haben dürfen. Das sind alles Beziehungen, die nicht "auf Augenhöhe" stattfinden, sondern wo es ein deutliches Autoritätsgefälle gibt. Insbesondere die therapeutische Beziehung ist in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit der zwischen spirituellem Lehrer und Schüler. Insofern ist das hier:
    http://psychotraumatologie.de/missbrauch/informationen.html
    http://www2.psychotherapeutenk…ar_sexuelle_abstinenz.pdf
    nahezu 1:1 darauf übertragbar.

    Karnataka:

    Der prinzipielle Grund, weshalb spirituelle Gemeinschaften sexuelle Beziehungen zwischen Oberhaupt und Mitgliedern in der Regel als höchst problematisch empfinden, scheint mir jedoch in der Konfusion der Rollen zu liegen. Da nämlich eine vertrauensvolle Beziehung und spirituelle Anleitung erwartet wird, nimmt das Verhältnis der Neutralität gegenüber den Mitgliedern der Gemeinschaft durch den sexuellen Kontakt Schaden. Eben weil es zu einer sehr störenden Subgemeinschaft innerhalb der Gemeinschaft kommt, bedarf es besonderer Rücksicht.

    Das ist das sekundäre Problem. Die sexuelle Beziehung zwischen Lehrer und Schüler(n) korrumpiert die gesamte Gemeinschaft und häufig zerstört sie sie. Was passiert, wenn sich z.B. herumspricht, dass die Lieblingsschülerin A des Meisters B - von diesem vielleicht sogar mit einer herausgehobenen Position in der Gemeinschaft ausgezeichnet (z.B. eine Lehrerlaubnis) - mit diesem geschlafen hat? Ich glaube nicht, dass ich hier die Fantasie noch weiter anregen muss ...

    Karnataka:

    Kommt es dennoch zum sexuellen Kontakt zwischen spirituellem Lehrer und erwachsener Schülerin, sollte dieser zum Schutz der Gemeinschaft unbedingt verheimlicht werden. :)

    Ist wohl kaum ernst gemeint :) . Verschweigen ist jedenfalls keine Lösung, die funktioniert. Das einzige, was funktioniert, ist die Lehrer-Schüler-Beziehung zumindest formal zu beenden (nach Möglichkeit mit Wechsel zu einem anderen Lehrer) und dann erst auch eine sexuelle Beziehung zuzulassen, wenn man sie denn von beiden Seiten wirklich will. Dann kann man auch offen damit umgehen und die Beziehung selbst ist von dem Verdacht befreit, womöglich lediglich ein Austausch von Prestige in der Gemeinschaft gegen sexuelle Gefälligkeit zu sein. Bei den "geheimen" Beziehungen ist es nämlich meistens genau das.


    ()

    void:

    Ich denek wenn es eine Regelung gäbe, dass nur Frauen spirituelle Lehrer sein dürften, wäre das Problem um 99% kleiner.


    Das ist - mit Verlaub - reichlich blauäugig. Zwar treten Frauen statistisch signifant weniger häufig als Täterinnen auf als Männer als Täter, aber von 1% ist das doch recht weit entfernt. Das Problem ist, dass sexueller Missbrauch durch Frauen lange kaum wahrgenommen wurde; nicht zuletzt der Feminismus hatte dem lange einen gewissen Vorschub geleistet. Entsprechend sind statistische Aussagen aufgrund unzureichender Datenerhebungen schwierig.


    Bezeichnend diese Expertise, die zwar reichlich Daten zum Geschlecht der Opfer angibt - sich über das Geschlecht der Täter/innen jedoch ausschweigt. Eine Einführung in die Problematik findet man z.B. hier. Bemerkenswert auch diese Veröffentlichung aus der feministischen Ecke, die für ein breiteres Publikum gedacht ist.


    Die erstgenannte Expertise sei vor allem denen zur Lektüre empfohlen, die sexuellen Mißbrauch (oder gar Kindesmißbrauch) als ein spezifisches Problem von Institutionen (womöglich gar speziell religiösen) auffassen. Es handelt sich (wie jede Gewalt gegen Mitmenschen) um ein anthropologisches Problem, das nicht durch Optimierung sozialer Institutionen zu lösen ist, sondern letzlich nur durch soziale Sanktionen (z.B. strafrechtliche) begrenzt werden kann. Die Problematik in Bezug auf Institutionen engt sich bei näherer Betrachtung auf zwei Aspekte ein:


      1. den erleichterten Zugang, zu potentiellen Opfern, den manche Institutionen bieten. Das sind natürlich nicht nur religiöse Institutionen mit gezielter Jugendarbeit, sondern auch Sportvereine, Einrichtungen der Jugendfürsorge und auch Schulen. Auch Genpo Döring hat sich als Freiwilliger im Bereich Jugendfürsorge (zumindest im Fall der Flüchtlingsfamilie) "bedient". Unter diesem Gesichtspunkt finde ich es gar nicht so bedauerlich, dass es im Bereich westlicher buddhistischer Institutionen keine nennenswerte Jugendarbeit gibt. Bis zu den Fällen Mai Hue Giang Tran und Genpo Döring waren mir Fälle sexuellen Kindesmißbrauchs im Umfeld buddhistischer Institutionen im Westen (genauer: Europa und USA) eigentlich nur bei Theravada-Gemeinschaften im Migrantenmilieu bekannt. Genau dort gibt es eben auch den engen Kontakt der Kinder aus den Migrantenfamilien zu den 'zuständigen' Mönchen. Aus diesem Grund spielt dieser Aspekt mE hier - in einem westlichen, buddhistischen Forum - thematisch allenfalls eine Nebenrolle. Wenn man allerdings daran denkt, eine buddhistische Kinder- und Jugendarbeit zu initiieren, sollte man sich schon auch Gedanken über eine "Qualitätssicherung" hinsichtlich der damit Beauftragten machen.


      2. das 'symbolische Kapital', mit dem die Institutionen ihre Funktionsträger ausstatten (insbesondere über Titel, Ränge und Ämter), die diesen wiederum einen Vertrauensvorschuss seitens ihres sozialen Umfelds verschafft, der sich leicht in ein Autoritätsgefälle ummünzen lässt. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem auf sozialer Tarnung. Gerade wenn das symbolische Kapital von einer anerkannten religiösen (nicht mit dem Leumund einer 'Sekte' behafteten) Institution stammt, wird dem so 'Ermächtigten' von vielen Menschen von vornherein moralische Integrität, Mitgefühl, Altruismus und Verantwortungsbewusstsein unterstellt. Genpo Döring ist hier geradezu ein Modellfall - 'so jemandem' traut man 'das' nicht zu. Die 'Tarnung' funktioniert, indem die Erwartungshaltung des Wahrnehmenden dessen Wahrnehmung verengt und prägt. Wer vor einem Jahr die ersten Beiträge in diesem Thread hier gelesen hat, konnte da auch entsprechende Beobachtungen machen, bis hin zum 'victim blaming' (konkret: dem ziemlich offen geäußerten Verdacht, die Flüchtlingsfamillie wolle mit der Anschuldigung ihre Abschiebung hintertreiben). Ich nehme auch mich selbst nicht davon aus - ich bin Genpo Döring im Rahmen der Verbandsarbeit öfters begegnet und meine erste Reaktion auf das entsprechende Gerücht war Unglaube und der Verdacht einer Diffamierungskampagne - man glaube ja nicht, in buddhistischen Institutionen wie DBU oder WFB gäbe es so etwas nicht ... Dieser zweite Aspekt ist insofern von besonderem Interesse, weil dies nicht nur im vorliegenden Fall oder speziell bei sexuellem Kindesmissbrauch das eigentliche institutionelle Problem ist, sondern generell bei Mißbrauch. Mißbraucht wird aus der Perspektive der Institution die Autorität und ggf. auch die Macht, mit der die Institution den Missbraucher investiert hat.


    Es ist nach meinem Empfinden eine zu billige Schuldzuweisung, wenn man nun sagt, die Institutionen (konkret DBU, WFB und vor allem Genpo Dörings Lehrer) hätten die Täuschung, der sie hinsichtlich Genpo Dörings problematischer Persönlichkeit unterlagen, durchschauen müssen. Hinter einer solchen Erwartung steckt zumeist eine recht naive Vorstellung vom 'Triebtäter' als einem unbeherrschten Menschen, der sich zwangsläufig durch soziale Auffälligkeiten 'verrät'. Aber auch eine ebenso naive Vorstellung von dem, was ein in seiner buddhistischen Praxis 'Fortgeschrittener' (z.B. ein Hōzumi Genshō Rōshi) alles an Täuschung durchschauen könne oder gar müsse. Da feiern die alten, abgegriffenen Mythen fröhliche Urständ. Es wurde hier zurecht darauf hingewiesen, dass man auf den Dharmalehrer, auch wenn seine 'Papiere' noch so einwandfrei sind, nicht zu viel hinsichtlich Freiheit von Gier, Hass und Verblendung projizieren dürfe. Das gilt - vor allem in Bezug auf Verblendung - eben nicht nur für den Dharmalehrer Genpo Döring sondern auch für dessen Dharmalehrer Hōzumi Genshō, der ihn als Lehrer autorisiert hat. Erst recht natürlich für die 'Kollegen' in DBU und WFB. Wer gänzlich frei von Verblendung ist, der möge den ersten Stein werfen. Falls ihm danach sein sollte ...


    Meine persönliche Sicht: solche 'Skandale' lassen sich schlicht und einfach nicht verhindern. So lange es Institutionen gibt, werden diese nicht ausschließen können, dass sie immer wieder von dysfunktionalen Repräsentanten desavouiert werden, die ihre Position durch Mimikry erlangt haben. Die Frage ist daher weniger, wie man so etwas verhindert, als wie man damit umgeht. Dazu gehört ja auch diese Diskussion hier ...


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    Waldler:

    Worauf es mir ankommt: In diesem Thread bemühen sich viele um Verständnis und Erklärungen für die Tat des Täters. Kaum jemand aber erwähnt das oder die Opfer.

    Wir kennen die Opfer nicht bzw. wissen nur sehr wenig über sie aus den Medien - aus gutem Grund. Unser Interesse (in solchen Fällen fast immer ein voyeuristisches) hilft den Opfern am wenigsten. Sein Mitgefühl hingegen versagt den Opfern hier sicherlich niemand. Dass irgend jemand hier versucht hätte, die Tatvorwürfe zu verharmlosen, wirst Du ja wohl nicht behaupten wollen. Niemand hier versucht, die Leiden der Opfer weg oder auch nur klein zu argumentieren.


    Über den Angeklagten ist hingegen eine Menge bekannt, manche hier kennen ihn persönlich. Zum Thema ist er hier geworden, weil er ein bekannter und bis vor einem Jahr auch hoch geachteter Dharmalehrer ist. Das ist hier on topic. Die Opfer sind hier allenfalls on topic als Opfer eines Zenpriesters - aber ich denke, das spielt im Vergleich mit anderen Opfern sexuellen Missbrauchs keine Rolle und wohl deswegen wird es hier nicht groß diskutiert. Für die Opfer spielt es keine Rolle, ob der Täter Zenpriester oder Kaplan, der freundliche Nachbar, nette Onkel oder die eigene Großmutter ist.


    Wenn Du eine Diskussion über sexuellen Kindesmissbrauch und den Umgang mit seinen Folgen haben willst, gibt es geeignetere Plattformen als ein buddhistisches Forum. Wenn Du eine Diskussion darüber haben willst, wie ein Dharmalehrer zum Kinderschänder werden kann und wie der vierfache Sangha - also die Gemeinschaft der Buddhisten - damit umgeht, bist Du hier richtig.

    Waldler:

    Ein Opfer kann nur aus seiner Opferrolle, wenn die Tat des Täter als TAT deutlich benannt und verurteilt wird.

    Hast Du denn den Eindruck, das wäre hier nicht der Fall?


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    Tychiades:

    Manche haben da eine Blauäugigkeit, die ist für die Opfer auch fatal.

    Das habe ich, während dieser Ereignisse in Worms lebend, aus ziemlicher Nähe einmal exemplarisch mitbekommen. Wobei speziell die Rolle von 'Wildwasser' in dem verlinkten Artikel noch sehr beschönigt ist. Glücklicherweise hat man gerade aus den Wormser Prozessen gelernt, behutsamer und mit weniger emotionalem Engagement und dafür mehr Professionalität mit solchen Tatvorwürfen umzugehen. Es ist zu hoffen, dass dies in Augsburg bei den Ermittlungen so gelaufen ist.


    ()

    void:

    Wenn man pädophil ist, dann wird man ja sehr darunter leider, dass in einem Triebe sind, die beständig in einer Richtung zerren, von der man weiss, dass sie falsch und schädlich ist.

    Nun ja - es gibt Pädophile, die das nicht wissen oder wissen wollen und hier lediglich ein kulturelles Tabu sehen. Es wurde ja in den letzten Jahren gerne als Munition für Schlammschlachten verwendet, dass solche Leute in der Gründungsphase der Grünen versucht hatten, analog zu Homosexualität eine Entkriminalisierung von Pädosexualität (praktizierter Pädophilie) in ein politisches Programm einzubringen. 'Leiden' tun solche Leute dann darunter, dass das Ausleben ihrer sexuellen Präferenzen gesellschaftlich geächtet und mit Strafen sanktioniert ist.

    void:

    Von daher ist ja verständlich, wenn man sich für Spiritualität interessiert. Diese erschient ja wie ein Versprechen, inneren Frieden zu erlangen und Begierde zum Erliegen zu bringen.

    Das wäre ein Ansatz. Auf einen anderen möglichen Ansatz hatte ich gestern angespielt - eine existentielle Antwort zu finden auf die Frage: "Ein Mensch von großer Verwirklichung, fällt der noch der Kausalität anheim oder nicht?" Folgt man der Antwort des alten Hyakujō ("Er fällt nicht der Kausalität anheim!"), scheint dies einen Ausweg aus einem solchen Dilemma aufzuzeigen.


    Möglicherweise ist das, was G.D. zur Last gelegt wird, seine existentielle Antwort auf dieses Kōan. Das wäre dann ein Verständnis, auf das Christophers Verdikt von der Amoralität des Zen durchaus zuträfe. Andererseits sagt der Hyakujō der Gegenwart "Er unterschlägt die Kausalität nicht!" - und bei diesem Wendewort wird große Erleuchtung erfahren und man kann den Leib des wilden Fuchses abstreifen. Zwar ist auch dieses Wendewort - so Huangbo - "falsch". Man sollte schon zur Vermeidung extremer Sichten beide Wendeworte mit "einem Auge" sehen. Es scheint, dass diese Einäugigkeit D.G. nicht gelungen ist. Das, was ihm winkt, ist sicher kein "vergnügliches Leben als Fuchs" und das, was hinter ihm liegt, war zumindest für die Beute des Fuchses nicht "vergnüglich".


    ()

    Lucy:

    Übrigens ist pädophilie ein verharmlosender Ausdruck.


    Nein. Es handelt sich um einen medizinischen Fachbegriff. Im internationalen, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen und fortgeführten Diagnose­klassifikationssystem ICD-10 ist es unter Kapitel V (F00 - F99) 'Psychische und Verhaltensstörungen', Bereich 'Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen' (F60 - F69), Unterbereich 'Störungen der Sexualpräferenz' oder Paraphilie (F65), Typ 'Pädophilie' (F65.4) definiert. So jedenfalls in der 'German Modification' (ICD-10-GM). In der englischsprachigen Standardversion lautet die Bezeichnung 'paedophilia'.


    ()

    Tychiades:

    Wiedergeburt im Daseinsbereich Hölle. Kinderschänder haben es ja im Gefängnis nicht leicht. Die sind da an unterster Position.

    Ein beruflicher Hintergrund als Polizist setzt noch eins drauf. Eine Herzkrankheit macht den Umgang mit dem ohnehin spärlichem Komfort auch nicht einfacher.

    Tychiades:

    So fällt einer - durch seine Taten - aus dem Götterhimmel direkt in die Hölle. Noch zu lebzeiten.

    Ja. Um es mal auf einen zynischen Nenner zu bringen: das kommt davon, wenn man bei Hyakujōs Fuchs den Lehrer bescheisst. Und der das durchgehen lässt, ob aus Inkompetenz oder falsch angebrachter Nachsichtigkeit.


    ()

    Tychiades:

    Da die Aufklärungstradition hier ja eher im Sande verlaufen ist oder sich auf einige wenige Intellektuelle beschränkt, kann sie da auch nichts stützen. Von dem mal abgesehen, dass nichts den Dharma stützen kann.

    OT: Nun ja - das mit "im Sande verlaufen" sehe ich nicht ganz so. Das Projekt Aufklärung war von Anbeginn an eine elitäre Unternehmung (was schon einmal eine Parallele zum Buddhadharma ist) und wird es auf absehbare Zeit wohl auch bleiben. Natürlich kann nichts den Dharma stützen - ich schrieb allerdings von der "Weitergabe des Dharma". Es geht bei dieser "Weitergabe" um eine den aktuellen sozialen und kulturellen Bedingungen adäquate Didaktik der Befreiung, um nicht weniger als um eine Inkulturation des Buddhadharma in die Moderne, in die entstehende globale Kultur, in der sich die alten lokalen Kulturen auflösen und mit unterschiedlichen Beiträgen einbringen. Und da ist es schon entscheidend, ob der umfassenden Affirmation des 'Verblendungszusammenhangs' (Adorno) lediglich noch die "Albernheiten der obskuren Quacksalber" widersprechen. In der Negation des Verblendungszusammenhangs treffen sich das Projekt Aufklärung und das Projekt Erleuchtung. Dass das bestenfalls nur darauf hinausläuft, Mappō ein wenig auszubremsen, ist mir durchaus bewusst.

    Tychiades:


    Was ich nicht verstehe, dass die Leute sich nicht Selbst ergründen, wie es im Genjokoan heißt. Was machen die auf dem Kissen? Dösen? Sehen die sich nicht selbst in ihren Handlungen? Erkennen sie sich nicht in ihrer Gier, ihrem Hass .... ? Offensichtlich.

    Dazu passt, wie ich finde, sehr schön eine Sentenz aus der von Dir erwähnten Auseinandersetzung mit Swedenborg:

    Immanuel Kant:

    wenn ein hypochondrischer Wind in den Eingeweiden tobet, so kommt es darauf an, welche Richtung er nimmt, geht er abwärts, so wird daraus ein Furz, steigt er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung oder eine heilige Eingebung.


    Also nicht "dösen" - sondern hypochondrische Winde ablassen. Jeder, der öfters an Blähungen leidet, weiss wie befreiend das empfunden wird ...


    ()

    verrückter-narr:

    Koan Nr. 64 im Shaseki-shu (Collection of Stone and Sand)


    Na ja, ein Kōan ist das definitiv nicht, sondern eine Anekdote. Genau genommen heisst diese Literaturgattung setsuwa. Es ist Nr. 64 von 101 Döntjes, 1919 von Paul Reps und Nyogen Senzaki aus unterschiedlichen Quellen zusammengestellt und unter dem werbeträchtigen Titel '101 Zen Stories' veröffentlicht. Eine Quelle für diese 'Stories' war neben deutlich jüngeren, z.T. sogar zeitgenössischen Anekdoten wie der recht bekannten ersten das 1283 vollendete Shasekishū des Tendai-Mönchs Mujū Ichien, eine Sammlung von setsuwa (nicht von Kōan).


    Übrigens steht bei Reps im Original "world of fame", was wohl auch etwas verständlicher ist als das "Welt der Namen" des deutschen Übersetzers, der in der Hast des Übersetzens wohl "name" statt "fame" gelesen hat.


    Wieauchimmer - hierzulande geht sowas anscheinend als "Kōan" durch ...


    ()

    Samten:

    "Kasan schwitzt"


    Dies mag in gewissem Sinn eine Totenmesse sein. Aber es geht hier nicht um die 'Welt der Namen' sondern den 'abgeschlossenen Tempel'. Nicht, dass man nicht auch dort ins Schwitzen kommen könnte. Aber sicher nicht während der Messe.


    ()

    Tychiades:

    Als Buddhist sollte man wissen, dass Menschen sich in Abhängigkeit von Situationen verhalten. Ich erlebe also meistens den vermeintlich selben Menschen, weil die Situation, in der ich mit ihm bin, sich kaum unterscheidet.

    Guter Hinweis. Das Spektrum von Situationen, in denen ich D.G. erlebt habe, war wirklich recht begrenzt. In solchen Fällen (die eigentlich der Normalfall sind) neigt man dazu, die 'Lücken' in der Wahrnehmung mit Projektionen zu füllen und ist dann natürlich entsprechend irritiert, wenn sich erweist, dass diese reichlich daneben liegen. In erhöhtem Maße gilt dies, wenn man aus dem wahrgenommenen Verhalten auf die dahinter stehenden Antriebe schließt. Da spielt dann das durch als seriös eingeschätzte 'Zertifizierungsinstitutionen' verliehene und gestärkte 'Image' eine entscheidende Rolle. Dann wird z.B. entsprechend Image ein Verhalten, dass man bei einer Person als unbeherrschtes Platzhirschgehabe empfindet, bei einer anderen als spontan und kompetent empfunden.

    Tychiades:

    Schärfung des Urteilsvermögens hilft also nur dann, wenn man möglichst viele unterschiedliche Situationen miteinander verbringt.

    Das hilft sicher - aber es geht mir hier eher darum, dem Nicht-Wissen seinen Raum zu lassen. Zumindest zu merken, wenn und wie man sich den Gegenüber durch Projektionen zurechtbiegt und wie weit man sich dabei durch externe 'Zertifikate' beeinflussen lässt. Das meinte ich mit "Schärfung des Urteilsvermögens" - die Wahrnehmung zu trennen von dem, was man wahrnehmen will, samjñā von samskāra.

    Tychiades:

    es ist nichts anderes als der Mißbrauch von Autorität, die einem durch eine Institution gegeben wurde. Das ist dann auch nichts anderes als Korruption, der Gebrauch von Macht zum eigenen Vorteil.

    Ich denke, "Macht" ist des Pudels Kern. Gerade unheilsames Sexualverhalten - insbesondere gesellschaftlich negativ sanktioniertes - ist eine der direktesten, 'animalischsten' Formen von Machtausübung. Das ist ja auch mE der eigentliche Punkt, warum das Versagen buddhistischer 'Zertifizierungsinstitutionen' in diesen Fällen so irritierend ist. Nicht zufällig spricht man hinsichtlich deren Funktion von 'Ermächtigung' oder 'empowerment'. Ausübung von Macht - ob nun auf sexueller, finanzieller, ideologischer oder welcher Ebene auch immer - deutet auf ein starkes Ego, das sich auf Kosten anderer Egos nährt und dadurch wächst. Genau das ist die Funktion von Machtausübung. In einem Setting, in dem es erklärtermaßen um Verringerung und letzlich Aufgabe des Egos und seiner Antriebe geht, sind solche Leute der Fuchs im Hühnerstall. Zwar können sie recht geschickt darin sein, die Egos ihrer Anhänger schwinden zu lassen - doch ver-schwinden diese nicht, sie blähen das des 'Meisters' auf. Das ist gewissermaßen spiritueller Vampirismus. Solche Leute haben nicht nur ein paar "Schatten" auf ihrer Meisterrobe, wie ein Genpo Merzel (in eigener Sache) verharmlost. Da ist mit der Ausbildung etwas ganz gewaltig schief gelaufen, offensichlich haben die Ausbilder da nicht gemerkt, was für ein hungriges Ego ihnen da durch die Lappen geht ...


    Wie schon geschrieben sind solche Wölfe, die da auf die Schafe losgelassen werden, für mich jedoch kein Grund, das ganze Ausbildungs- und Zertifizierungssystem, die Institutionen, abzuschaffen. In Frage stellen sollte man sie allerdings schon - d.h. ihre begrenzte Eignung, zuverlässig geeignete kalyāṇa-mitra auszubilden und auf die Menschheit loszulassen, deutlich sehen und auch Anderen deutlich machen. Da wäre es auch hilfreich, wenn die Institutionen selbst ihre Unzulänglichkeiten bekennen würden, statt weiter die alten Mythen zu verkaufen.

    Tychiades:

    Freimütigkeit im Umgang ist z.B. ein gewisser Schutz. Nicht das Urteilsvermögen, sondern der Mut sich frei zu äußern und sich dann auch zu irren, helfen gegen Autoritäten.

    Ich finde, dass der kritische Umgang mit Autoritäten und mit altüberkommenen Mythen ein positiver Impuls ist, mit dem die westliche Aufklärungstradition die Weitergabe des Dharma stützen kann. Umso bedauerlicher, wenn hier im Westen gerade durch Obskurantismus und blinde Autoritätsgläubigkeit geprägte 'Angebote' erstaunlichen Zulauf finden. Da deren Verkäufer dann auch noch weitgehend abgelöst von und unbeaufsichtigt durch die traditionellen Institutionen agieren, ergibt dies den optimalen Nährboden für Skandale.


    ()

    Eine verengende Sicht auf das Rinzai-Zen ist ja nur eine weitere Fokussierung des vorher schon auf Zen konzentrierten Blicks. Ich bezweifle, ob das wirklich hilfreich ist, denn sexuelles (und sonstiges) Fehlverhalten (wobei man im Übrigen nicht so einfach den Unterschied zwischen moralisch anstößigem und schlicht kriminellem Verhalten verwischen sollte) ist ja kein spezifisches Problem der Zen-Tradition - es ist nicht einmal ein neues, geschweige denn speziell 'westliches' Problem. Hier drei Beispiele aus Sri Lanka, Kambodscha und Thailand. Eher der 'tibetischen' Szene zuzuordnen dieses Beispiel aus Bhutan und dieses.


    Offensichtlich (zumindest für mich) ist, dass das hinsichtlich sexuellen Fehlverhaltens wohl unheilträchtigste Umfeld ein solches ist, das die Existenz von Kindermönchen zulässt oder gar nachdrücklich fördert. Die Entstehung von Subkulturen mit institutionalisierter Pädophilie ist damit praktisch vorprogrammiert - wobei es freilich kindlicher Mönche nicht bedarf. Entscheidend ist ein uneingeschränkter Zugang zu möglichen Opfern aus einer Autoritäts- und Vertrauensstellung heraus. Dies funktioniert bzw. funktionierte (speziell auch in der katholischen Kirche) lange so hervorragend, dass eben solche Vertrauensstellungen, dass die 'spirituelle Autorität', ein naheliegender Lebensentwurf gerade für sexuell deviante Menschen wurde, was das Problem verschärft. Er bietet ihnen gleichermaßen Schutz und Deckung durch den ihm zugeschriebenen Nimbus moralischer Reinheit und Vertrauenswürdigkeit wie auch erleichterte Zugriffsmöglichkeiten auf potentielle Opfer.


    Natürlich ist es angebracht, da über die Institutionen nachzudenken, die Menschen nach einer Ausbildung durch sie Autorität und Vertrauenswürdigkeit verleihen. Für mich ist es offensichtlich, was diese Institutionen leisten können und was nicht. Sie können (theoretisch zumindest) etwa im Kontext Zen gewährleisten, dass ein (z.B. durch Dharmaübertragung) mit der entsprechenden Autorität ausgestatter Mensch z.B. fähig ist, Menschen zu einer buddhistischen Praxis anzuleiten und auszubilden. Sie können nicht gewährleisten, dass ein solcher Mensch denen, die seine Autorität anerkennen und ihm vertrauen, keinen Schaden zufügt - also seine durch die Institution begründete und garantierte Stellung nicht missbraucht.


    Ein solches Risiko lässt sich durch der Beauftragung vorangehende lange, gemeinsame Praxis von 'Ermächtiger' und 'Ermächtigtem' etwas verringern (bei Zenlehrern im Westen ist das eher der Ausnahmefall), aber sicherlich nicht gänzlich ausschließen. Das ist das unvermeidliche Restrisiko, vor dem ein noch so beeindruckender Dharma-Stammbaum und ein noch so renommierter autorisierender Meister keinen Suchenden bewahren kann. Man kann die eigenen Unzulänglichkeiten vor seinem Meister verbergen, wenn man geschickt und skrupellos genug ist. Vor den Schülern kann man es nicht - nur sorgt das System, sorgen die institutionell verliehene Autoritäts- und Vertrauensstellung dafür, dass diese Unzulänglichkeiten von Vielen und meist sehr lange nicht als das wahrgenommen werden, was sie sind.


    Der Ansatzpunkt, die Investitur durch die Institution abzuschaffen (die Dharma-Übertragung) halte ich für verfehlt. Das würde das Risiko, sich als Zen-Schüler Unwürdigen auszuliefern, durch den Wegfall jeglicher Qualifizierung nur noch vergrößern. Um diese Konsequenz zu fordern, sollte man schon nachweisen, dass das institutionelle System der Dharma-Übertragung - das ja auch ein, wenngleich sehr unvollkommenes, Kontrollinstrument ist - nicht nur fehlerbehaftet, sondern dysfunktional ist. Sonst läuft man Gefahr, die Risiken zu vergrößern statt ihnen abzuhelfen.


    Den einzig vielversprechenden Ansatz unter den Bedingungen hier im Westen sehe ich in einer Entmythologisierung des 'Meisters' (auch da hat u.a. Stuart Lachs Pionierarbeit geleistet), in der Reduktion der auf ihn (oder sie) gerichteten Erwartungen und Projektionen und damit in einer Schärfung der Wahrnehmung für die Unzulänglichkeiten der Meister (die sie ja nicht notwendig gleich disqualifizieren). Aber auch das ist eigentlich schon ein alter Stiefel. Der Hinweis, dass man seinen Lehrer / Meister mit großer Sorgfalt und nach eingehender Prüfung aussuchen soll, ist ja nicht neu - und bietet allerdings auch keine Garantie, nicht doch an den Falschen zu geraten. Das Problem ist - der Meister, der einem auf dem Weg ein paar Schritte voraus ist und einem sachdienliche Hinweise geben kann, ist ja nicht das, was der Suchende will. Der will vielmehr den perfekten Gegenentwurf zu sich selbst und den will er im Meister sehen. Das funktioniert ja auch in der Regel ganz gut - nur kann man nicht ausschließen, da an den Falschen zu geraten.


    Zum Betrug gehören immer Zwei - einer der betrügt und einer, der sich betrügen lässt. Und ja, in diesem Augsburger Fall gehöre auch ich zu denen, die sich haben betrügen lassen. Ich bin zwar nie sein Schüler gewesen, bin ihm aber häufig begegnet, habe mich mit ihm gelegentlich mündlich oder schriftlich ausgetauscht und - ich weiss jetzt wirklich nicht, soll ich schreiben "habe ihn wertgeschätzt" oder "schätze ihn immer noch sehr". Einfach, weil diese Anklage mit dem Menschen, den ich über die Jahre kennengelernt zu haben glaubte, nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Als ich das erste Mal von den Vorwürfen hörte, legte ich das unter 'Verleumdungskampagne' ab. Jetzt zeichnet sich ab, dass der Fehler wohl doch bei meinem Urteilsvermögen lag. In dem Wunsch, in ihm etwas zu sehen, was er nicht ist.


    Daran anknüpfend - mit dieser meiner persönlichen Unzulänglichkeit versöhnt mich etwas, dass es Hozumi Gensho Roshi wohl nicht anders ging. Und den Leuten in der DBU, die ihn jahrelang in den Rat wählten, ihn dann zum Ehrenrat und zum wichtigsten Auslandsrepräsentanten machten. Der Schaden bei mir ist gering und eher heilsam. Leider lässt sich das sicher nicht von allen Opfern dieser Täuschung sagen.


    Als Remedium habe ich außer Schärfung des Urteilsvermögens durch Aufklärung wenig anzubieten. Erfreulich wäre es, wenn die hier durch die 'Investitur' des Priesters und Repräsentanten in die Angelegenheit verstrickten Institutionen in Japan und Deutschland ihre karmische Verstrickung annehmen und sich bemühen würden, den betroffenen Kindern ein kleines Stück Wiedergutmachung zu leisten. Und dann vielleicht sogar auch dem Beschuldigten, wenn er veurteilt wird, ein wenig Mitgefühl zeigen und Hilfe anbieten.


    ()

    Sudhana:

    Nun ja - wenn es schon auf der Webseite der HZG keine gibt ... Man will da möglicherweise auch erst einmal den weiteren Gang der Ermittlungen abwarten (so würde ich das wohl auch halten) und als Nicht-DBU-Mitglied können einem solche Anfragen, Bitten und Angebote ohnehin egal sein.


    Falls ich da missverstanden wurde - gemeint war: der HZG als Nicht-DBU-Mitglied können solche (d.h. seitens der DBU geäußerten) Anfragen, Bitten und Angebote egal sein.


    ()

    Tychiades:

    Was mich sehr nachdenklich macht, ist der "Umgang" mit einem Ehrenmitglied der DBU, das man ja persönlich kennt und da würde ich mir doch auch einen persönlichen Besuch in Augsburg denken können. Aber offenbar denkt die DBU an so etwas nicht, oder?


    Hat die DBU mal mit dem Anwalt reden können? Gab es ein Gespräch mit dem Verein der Hakuin Gemeinschaft?


    Ich weiss nicht, wie Du auf "offenbar denkt die DBU an so etwas nicht" kommst - was da so "offenbar" sein soll. Ich weiss zufällig, dass man zumindest im August (als das durch die Medien ging) daran gedacht hat. Ob man es dann auch getan hat, weiss ich nicht - meine Kontakte zur DBU (oder die der DBU zu mir) sind sehr sporadisch geworden. Wenn so etwas stattgefunden hat - und selbst vom persönlichen Aspekt abgesehen wäre das auch aus verbandspolitischen Gründen sinnvoll gewesen - hat man es nicht an die große Glocke gehängt. Muss ja auch nicht sein. Eine ganz andere Frage ist, ob solch ein Gespräch auch vom U-Häftling gewünscht war bzw. ob der seinen Anwalt dazu autorisiert hat. Und nochmals eine andere Frage ist, ob der ermittelnde Staatsanwalt darauf erkennt, dass der beantragte Besuch mit dem Zweck der Untersuchungshaft vereinbar ist und dann eine Besuchserlaubnis erteilt.


    Die HZG ist um eine Stellungnahme gebeten worden (wie ich die DBU kenne, gab es vermutlich auch die Bitte um ein vertrauliches Gespräch - jedenfalls wäre das früher so gehandhabt worden) und zumindest dem Wunsch nach einer schriftlichen Stellungnahme wurde laut BA-Meldung bislang nicht entsprochen. Nun ja - wenn es schon auf der Webseite der HZG keine gibt ... Man will da möglicherweise auch erst einmal den weiteren Gang der Ermittlungen abwarten (so würde ich das wohl auch halten) und als Nicht-DBU-Mitglied können einem solche Anfragen, Bitten und Angebote ohnehin egal sein.


    ()

    void:

    Warum können wir uns da nicht gedulden, bis es eben keine Vorverurteilungen und Spekuationen sind, sondern etwas offiziell verlautbart wird?


    Wo hast Du hier "Vorverurteilungen" wahrgenommen? Die telefonische Auskunft des Sprechers der Staatsanwaltwaltschaft bringt zwar wenig Neues und Konkretes (immerhin z.B. dass die Ermittlungen - nach einem halben Jahr U-Haft - in wenigen Wochen abgeschlossen sein könnten), aber das ist genau das, was man eine offizielle Verlautbarung nennt.


    ()

    Sudhana:

    Wenn ich Antwort erhalte, gebe ich die Info hier weiter.


    Gerade eingegangen (leider nicht ganz so exakt, wie erhofft): Das Telefonat "fand wenige Tage vor Veröffentlichung der Meldung statt und tatsächlich befand sich der Zen-Priester zu dem Zeitpunkt nach wie vor in Untersuchungshaft."


    ()

    Tychiades:

    Das Telefonat der "Buddhismus aktuell" mit dem Sprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft hat ja nun nichts neues erbracht


    Ich gehe davon aus, dass dieses Telefonat den aktuellen Sachstand - soweit in der Meldung dargestellt - wiedergibt. 'Aktuell' heisst am 02.02. (letzten Donnerstag) oder wenige Tage davor. Die Nachricht ist, dass Sachstand abgesehen davon, dass die Ermittlungen (vielleicht) igendwelche Fortschritte machen, über die man aber nichts verlauten lässt, seit einem halben Jahr unverändert ist. Diese Nicht-Nachricht ist auch eine Nachricht. Z.B. in Bezug auf die wohl noch bestehende U-Haft, die ja hier auch in Zweifel gezogen wurde. Wenn da steht, dass die jetzt (02.02.) seit einem halben Jahr andauert und die Verhaftung Ende Juli erfolgte, kann man sich das ausrechnen.

    Tychiades:

    - wir kommt man überhaupt dazu zu fragen, ob ein Geständnis des Angeklagen vorliege?


    Ich frage mich eher, wie die Staatsanwaltschaft dazu kommt, hier die Auskunft zu verweigern. Ich wüsste nicht, was an einer Auskunft "der Beschuldigte hat ein volles / ein Teilgeständnis abgelegt" oder "der Beschuldigte äußert sich nicht zu den Vorwürfen" oder "der Beschuldigte bestreitet die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe" rechtswidrig sein soll.

    Tychiades:

    Und wenn das so wäre, dann wäre der Prozess ja bereits schnell zu Ende und man könnte auch die U-Haft beenden. Der Fall wäre ja klar. Da aber offensichtlich noch weitere Ermittlungen ausstehen, wie Zeugenvernehmungen, scheint hier nichts so klar zu sein.


    Das hatte ich auch mit "naheliegende Vermutung" andeuten wollen. Um mal wieder zu spekulieren: die mangelnde Auskunftsfreudigkeit und die immer noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft deuten für mich darauf hin, dass man da nicht weiter kommt, aber noch nicht bereit ist, das Handtuch zu werfen. Aber vielleicht war ja der Staatsanwalt auch nur wegen einer länger andauernden Erkältung krank geschrieben ...


    "Grundsätzlich beträgt die maximale Dauer der Untersuchungshaft sechs Monate. Eine Fortdauer über sechs Monate darf nur erfolgen, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund die Fortdauer rechtfertigen. Wurde die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr angeordnet, liegt die maximale Grenze, unabhängig vom Umfang der Ermittlungen, bei 12 Monaten."
    (Zitat von hier.)
    Von Wiederholungsgefahr war nach meiner Erinnerung nicht die Rede - nur von Flucht- und Verdunkelungsgefahr.


    Tychiades:

    Wer den Artikel der "Buddhismus aktuell" geschrieben hat, ist auch nicht klar. Vielleicht hat ja niemand mit dem Sprecher der Staatsanwaltschaft telefoniert?


    Ich habe die Online-Redaktion per Email um Auskunft gebeten, an welchem Datum das Telefonat geführt wurde, so dass man die Aktualität des Sachstandsberichtes auch beurteilen kann. Das hätte eigentlich Bestandteil der Meldung sein müssen (wie auch die Kennzeichnung zumindest durch ein Autorenkürzel). Außerdem habe ich angefragt, ob bestätigt werden kann, dass die U-Haft zum Zeitpunkt des Telefonats noch andauerte - dass die Quelle dieser Information das Telefonat war, geht aus der Meldung nicht eindeutig hervor, was hier ja auch angemerkt wurde. Wenn ich Antwort erhalte, gebe ich die Info hier weiter.


    ()

    mogun:

    Gibt es irgendeinen Anhaltspunkt, dass die besagte Flüchtlingsfamilie ausgewiesen/abgeschoben werden sollte?


    Siehe Eröffnungsposting - die ersten beiden verlinkten Meldungen (wobei die zweite lediglich eine gekürzte / redigierte Version der ersten ist).


    ()