Beiträge von Karnataka im Thema „Einstellung zu anderen Menschen“


    Der Zusammenhang von frühkindlichen Bindungserfahrungen und psychischer Entwicklung des Menschen ist durch viele Untersuchungen gesichert. Das Eigentümliche daran scheint mir, dass es sich um Erfahrungen handelt, die nicht erinnert werden können, da das biografische Gedächtnis erst wesentlich später, etwa im Alter von drei Jahren, einsetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass es besonders die Bereitschaft zu bestimmten (angeborenen) Affekten ist, die aufgrund frühkindlicher Prägung entsteht, indem gewisse Gehirnabläufe sich in dieser frühen Lebensphase verfestigen.


    Die Psychoanalyse nach Melanie Klein spricht von inneren Repräsentanzen, also Bildern, die den Bezug zum Selbst, Mutter, Welt meinen. Unterscheidungen also, die in diesem Lebensabschnitt passieren und mit Affekten besetzt werden, die dann im späteren Leben auf Situationen übertragen werden. Die fundamentalste Bindungsstörung, die du ja ansprichst, wird als Borderline bezeichnet.


    Sind wir unseren eigenen Prägungen ein Leben lang hilflos ausgeliefert? Untersuchungen weisen darauf hin, dass in jedem Alter neue Gehirnverbindungen entstehen und die Plastizität des Gehirns ein wenig erhalten bleibt. Hier kommt die Meditation Liebevoller Güte ins Spiel. Es könnte sein, dass wir mithilfe eines solchen Geisteszustands eine frühe Erfahrung von jenem überlebenswichtigen Zusammenspiel unserer instinktiven Bedürfnisse mit liebevoller Fürsorge reaktivieren können und uns solcherart durch selbstlose Liebe gleichermaßen selbst Glück schenken lernen.


    Der Dalai Lama schreibt: Das Wunderschöne am Mitgefühl ist, dass sich bei seinem spontanen Aufsteigen im Menschen eine innere Tür zu dieser Liebeserfahrung des Kindes öffnet, die Teil unserer grundlegenden Wirklichkeit ist. Weiter meint er zur therapeutischen Wirkung: Wenn wir also füreinander Mitgefühl empfinden, kehren wir zu unserer tiefsten Natur zurück. Sobald sich die innere Tür auftut, wird es mühelos möglich, auf andere zuzugehen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Aus diesem Grund ist das größte Gegengift gegen Unsicherheit und das Empfinden der Angst das Mitgefühl, weil es den Menschen wieder auf den Grundstock seiner eigenen inneren Stärke zurückbringt. Ein wirklich mitfühlender Mensch verkörpert einen sorgenfreien Geist der Angstfreiheit, der sich der Freiheit von egoistischen Sorgen um sich selbst verdankt.

    Spacy:

    Was nutzt es, sich die Welt als ein Eiapopeia zu suggerieren, wenn die Welt nicht so ist?
    Wenn man im Eiapopeia stecken bleibt, wird man, sobald man die selbstgewählte Echokammer einer idealisierten Welt mal verlassen muß, große Schwierigkeiten bekommen, denke ich.
    Nichts gegen das Eiapopeia - aber es ist nur ein winziger Teil der Realität, ein Überbetonung erscheint mir fehl am Platze und führt, wie das andere Extrem des Pendels der Moral, die Empathielosigkeit, in den Abgrund.


    Auf individueller Ebene – das wird jeder Entwicklungspsychologe bestätigen – bietet Liebevolle Güte als frühkindliche Erfahrung die Basis, um später die Fähigkeit zu Vertrauen und zu einem guten Umgang mit Belastungen zu entwickeln. Als Ursprung sozialer Eigenschaften ist Liebevolle Güte also keinesfalls ein nur winziger Teil unserer Wirklichkeit. Die Ansicht, dass wir versuchen sollen, uns selbst in dieser Hinsicht etwas zu verbessern, scheint mir also richtig.


    Mitunter scheint es jedoch gefährlich, sich die Welt allzu ideologisch zu interpretieren. Glaubt man etwa, eine bestimmte Beschaffenheit von Wirtschaft, Staat und Politik wäre immer und überall die Beste, kann dies schlimme Folgen haben. Beispielsweise ereignete sich die größte Hungerkatastrophe der Menschheitsgeschichte in China als Folge kommunistischer Planwirtschaft.


    Auch wenn also die handfesten Bedingungen für Ökonomie und Politik strittig sein mögen, scheinen mir die Bedeutung und der positive Einfluss bestimmter sozialer Eigenschaften wie etwa Vertrauen, Rücksichtnahme, Kooperation und Ehrlichkeit eigentlich klar. Natürlich ist auch Hilfsbereitschaft zu nennen, auf die wir unmöglich verzichten können. Ich glaube nicht, dass sie in einen Abgrund laufen lässt.

    sati-zen:

    Du hast vergessen zu erwähnen, dass nach der liebevollen Bindung im Kleinkindalter und dem dazugehörigen Eiapopeia das Lösen der Beziehung folgen muss will das heranwachsende Lebewesen jemals selbstständig überleben. Ohne diese Lösung der Kinder von den Eltern gibt es keinen Fortbestand der Art, denn nur mit einer selbstständigen Lebensweise können Nachkommen heranwachsen die das Überleben sichern. So ist das Eiapopeia als Kind notwendig aber genauso notwendig ist es als junger Erwachsener loslassen zu können um es dann bei den eigenen Kindern wieder anzuwenden.
    Fehlt dieser Schritt der Emanzipation der Persönlichkeit wird das Überleben nur durch Unterstützung anderer Menschen möglich und das ist nicht das Ziel. Deshalb lehrte Buddha schon vor 2500 Jahren die Autonomie des Organismus, testete es durch Versuch und Irrtum aus und kam so relativ unabhängig zum Erwachen.


    Sicher ist es Aufgabe von Jugendlichen, sich aus dem engen Familienbezug hinaus in die Gesellschaft zu orientieren. Dabei scheint mir folgender Zusammenhang gegeben: Wandeln sich die Werte einer Gesellschaft sehr rasch, verstärkt das einen möglichen Konflikt. Unsere Gesellschaft erlebte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitreichende Veränderungen, da sich die Ansichten zu Autorität, Familie, Pflicht, Sexualität, Rollenbildern wandelten.


    Zugleich fanden Generationenkonflikte in bis dato unbekannten Ausmaß statt. Nach vollzogenem Wandel lösten sich diese moralischen Differenzen in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend, scheint mir. Heute hat sich dieser Konflikt auf ein natürliches Maß beruhigt, oder? Dabei wurde die gelebte Moral den Problemstellungen und veränderten Gegebenheiten sinnvoll angepasst, die gewährten Freiheiten also mit sozialen Erfordernissen, mit Bildungsstand und ökonomischen Bedingungen in Einklang gebracht.


    Dass Erwachsenwerden das Lösen der liebevollen Bindung zu den Eltern bedeuten solle, sehe ich eigentlich nicht ein. Auch stammesgeschichtlich macht das keinen Sinn. Schließlich war das Überleben der Alten nur durch Unterstützung, Schutz und Fürsorglichkeit der Jungen möglich. Heute ist Kultur eine Art Mutter, die das lebenslang bietet. Dabei arbeiten die meisten Menschen aber sehr hart, wogegen diejenigen, die das System nur ausnützen, wenig Anerkennung erhalten.


    Eigentlich handelt die Lehre des DL davon, andere Menschen und Lebewesen in ihrem Wunsch nach Glück anzuerkennen und besonders Einsicht in die gegenseitige Abhängigkeit zu finden. Wenn du aber die Lehre Buddhas als Weg zu mehr Autonomie verstehst, ist das vermutlich genauso richtig. Beispielsweise geht es ja um mehr Bewusstheit über die eigenen Gefühle und Beweggründe, was sich dann als innere Freiheit interpretieren lässt.

    Spacy:


    Man kann natürlich hingehen und so tun, als ob alles nur ein einziges Eiapopeia vom Himmel wäre und sich auf die Sicherung des Eiapopeia outsourcen.
    Es fragt sich nur, ob das outsourcing oder das Eiapopeia der Grund für das danach ist.


    Eiapopeia meint ja das Spiel mit Kleinkindern oder auch das Verhältnis, das wir zu Kindern haben. In der Diskussion hier ging es um Liebevolle Güte und die Frage, ob Liebevolle Güte eher ein selbstloses Gefühl der Zuneigung oder eher ein Empfinden wechselseitigen Wohlergehens bedeutet. Praktisch relevant empfinde ich dies für die meditative Übung Liebevoller Güte.


    Ich bin der festen Überzeugung, dass Eiapopeia der Ursprung allen sozialen Empfindens ist. Das gilt für die Entwicklung eines emotional gesunden Kleinkindes genauso wie für die Entwicklung des sozialen Lebens überhaupt. Säugetiere und Vögel besitzen eine Empfindung der Nähe für ihren Nachwuchs. Diese Empfindung trat zur evolutionären Konkurrenzsituation hinzu. Diese ursprüngliche Muttertier-Jungtier-Bindung galt durch emotionale und kognitive Entwicklung dann auch dem Rudel bzw. den Artgenossen und führte schließlich zu den individuellen Beziehungen bei Primaten, denke ich.


    Auch beim Menschen ist es nach wie vor so, dass es besonders Müttern gelingt, ihre Motivation ehrlich und dauerhaft auf das Wohl eines anderen Menschen – gemeint ist natürlich das Wohl ihres Kleinkindes – zu richten. Dieses Empfinden bedeutet aber kein wechselseitiges Wohlergehen, kein Mitgefühl für sich selbst, sondern eigentlich die Bereitschaft, sich nötigenfalls aufzuopfern, etwa auf den nächtlichen Schlaf zu verzichten. Geht es also darum, in der Meditation Liebender Güte ein natürliches Empfinden auszudehnen, dann sprechen wir aus meiner Sicht von mütterlichem bzw. väterlichem Empfinden der Fürsorglichkeit.


    Das Eiapopeia funktioniert dann zumeist auch im familiären Rahmen ausgezeichnet. Doch bedeutet dies nicht, dass es im größeren Rahmen unterschiedlicher Beziehungen, etwa am Arbeitsplatz oder in einem sozialen Netzwerk, automatisch ebenso wäre. Denken wir nur an den armen Ned Flanders von den Simpsons, der zumeist nicht gut wegkommt. Hier muss also eine Strategie der Verteidigung gegenüber destruktiven Kräften hinzukommen.


    Hallo Carneol,


    nein, das Beispiel quälender Einsamkeitsgefühle galt in der Hauptsache nicht meiner persönlichen Befindlichkeit. Unser Thema ist der Nutzen Liebevoller Güte. Das geistige Vermögen dazu ist in jedem Fall notwendig, um Glück im Kontakt zu anderen Menschen zu empfinden. Hat ein Mensch beispielsweise viele nur oberflächliche Kontakte, dann können diese auch rasch wieder verschwinden. Liebevolle Güte ist die innere Ebene, die zu äußeren Bedingungen, die wir nicht immer perfekt gestalten können, hinzukommen muss.


    Mein Sohn ist gerade bei mir. Ich sagte zu ihm: Schön, dass du da bist. Er lächelte daraufhin, was mich glücklich macht. Dieses Bewusstsein, geliebt zu werden, ist natürlich wichtig für mich. Der erste und entscheidende Schritt ist jedoch, dass ich ihm Liebe entgegenbringe. (Wenn du antwortest, dann antworte bitte nicht nur in Bezug auf mich und meinen Sohn! Es geht schließlich um grundsätzliche Zusammenhänge.)


    Achtsamkeit gegenüber den eigenen Gefühlen, die du ansprichst, ist die Voraussetzung einer gelungenen Interaktion mit anderen Menschen. Wenn ich etwa ein zorniges Gefühl erlebe, reicht es manchmal wirklich, bloß abzuwarten.


    Doch zeigt das Beispiel Zorn auch die Grenzen reiner Achtsamkeit: Wenn man aber beispielsweise immer den anderen alle Schuld für den eigenen Zorn gibt (oder den eigenen Zorn sogar gutheißt), dann braucht es eine Veränderung der kognitiven Einstellung. Hat man überdies die Neigung dazu, ständig Zorn zu empfinden, dann kann dies mit inneren Prozessen zu tun haben, die eine tiefe Versöhnung erfordern, könnte ich mir vorstellen. Eine solche Versöhnung meint keinen kognitiven Entschluss, sondern einen emotionalen Vorgang.


    Lieben Gruß.

    Sunu:

    Ich praktiziere Mettameditation so nicht und kann deshalb nicht wirklich etwas dazu sagen. Wenn ich meditiere dann geht es um das loslassen von Vorstellungen und Urteilen... Von daher würde es nicht passen, wenn ich mir Gedanken mache, wem oder was ich Metta zukommen lasse.... Metta wird als Gegenmittel zu Hass genannt..Dana als Gegenmittel zu Gier.Dana ist Freigebigkeit ohne Gegenleistung zu erwarten... In diesem Sinne wäre es wichtig Metta ohne Erwartung an eine Gegenleistung zu geben, um nicht der Anhaftung bzw. Gier zu verfallen.....und gerade dieses "um" macht das ganze etwas paradox für mich, weil es für mich eine erwartete Gegenleistung impliziert.... Das heißt aber nicht, dass es für andere d.h. unter anderen Umständen, genauso sein muss.


    Hallo Sunu,


    Danke für deinen Beitrag. Ja, da gibt es beträchtliche Unterschiede in unserer Praxis. Wie du sagst, bestehen unterschiedliche Bedürfnisse und Methoden. Wenn ich im Folgenden einen Einwand formuliere, dann gilt dies einer theoretischen Auseinandersetzung und einem Gespräch, nicht mehr.


    Mein Vorbehalt gegen deine Praxis wäre, dass Vorstellungen und Urteile aus meiner Sicht sehr stark den kognitiven Teil unseres Gehirns betreffen. Liege ich mit diesem Einwand falsch?


    Ältere Gehirnregionen lassen in Zusammenarbeit mit Gedanken und Vorstellungen Gefühle entstehen, denke ich mir. Der tiefste Prozess scheint mir die natürliche Ausrichtung auf unsere Mitmenschen zu sein. Schon das Neugeborene streckt seine Arme der Mama entgegen, um aufgenommen zu werden. Es hat noch gar nicht die kognitiven Möglichkeiten, um zwischen sich und seiner Bezugsperson zu unterscheiden.


    Dein Einwand gegen meine Praxis betrifft einen interessanten Punkt. Wie du richtig feststellst, wäre eine selbstlose Motivation nie möglich, wenn man sich dafür einen Nutzen erwartet. Doch lässt sich dieses Problem relativ simpel umgehen, scheint mir. Der erwartet Nutzen – ein kurzes Glücksgefühl, eine ausgeglichene Stimmung, mehr soziale Kompetenz für erfolgreiche Kontakte mit anderen Menschen, langfristige Persönlichkeitsentwicklung und vielleicht sogar ein metaphysischer Nutzen – hat mit der Motivation zu tun und stört nicht dabei, sodann ein selbstloses Gernhaben in sich auszudehnen.


    Lieben Gruß!

    Carneol:
    Sudhana:

    ()


    Danke dir, Sudhana, für dieses passende Zitat.


    Liebe Grüße :)




    In allen frühen Schriftkulturen Europas, Nordafrikas und Asiens finden sich ähnlich lautende Textstellen. Ihr gemeinsames Thema ist die Goldene Regel: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst. Sie gelten also primär dem Gerechtigkeitsempfinden, nicht der Nächstenliebe. Ich würde meinen, dass das Gerechtigkeitsempfinden dann den Weg in die Vertragstheorie nimmt, um Verträge zum beiderseitigen Wohl zu schließen.


    Wir sind auf diesem erstgenannten Weg sehr fortgeschritten. Innerhalb der Gesellschaft ist beispielsweise die Regel der Gewaltlosigkeit vollkommen anerkannt ist. Starke Rechtssysteme helfen dabei. Die Mordraten zeigen dies im historischen Vergleich.


    Ich glaube jedoch, dass der Text etwas anderes anvisiert, nämlich Nächstenliebe, Innerlichkeit und liebende Motivation. Nach meiner Ansicht liegen diese sozialen Empfindungen dem Gerechtigkeitssinn voraus.


    Wir können sicher annehmen, dass die Menschen früher Gesellschaften verglichen mit uns in höherem Maße Gruppenzugehörigkeit und in geringerem Maße Individualität erlebten und reflektierten. Bildhaft könnte man sagen: Das Zusammenleben in einem Tiroler Bergbauerndorf ist der Anonymität und Entfremdung eines New Yorker Wohnbaus gewichen. Mit dem Ende der Dorfgemeinschaft und Großfamilie entsteht die Gefahr einer Gesellschaft, wo jeder nur mehr auf sich selbst achtet.


    Geht es aber um soziales Empfinden und um das Erleben von Verbundenheit, dann lässt sich dies nicht auf Grundlage der Goldenen Regel und des Denkens, sondern auf Grundlage unseres Fühlens fördern, glaube ich.

    Lucy:

    Hm, mir fehlt da ein wenig der Leerheits Gedanke. Durch die Annäherung an leerheit (Studium und Praxis) wird mir der Umgang mit Klienten leichter - weniger Ungeduld, weniger Ekel, weniger Ego einfach.
    Da stellt sich eine recht ruhige und gelöste arbeitsweise ein, ohne dass ich künstlich Sympathie oder Gefühle erzeuge.


    Spricht seine Helligkeit nicht über Leerheit? Ohne sie ist Mitgefühl nur Mitleid und helfen und dienen werden u.u. zu Märtyrer Handlungen ...
    (Unsere Arbeitsfelder ähneln sich sehr, Karnataka).


    Hallo Lucy,


    deine Ansicht, den Gedanken der Leerheit einzubringen, ist natürlich sehr spannend. Doch ist das Verständnis der letzten Wahrheit ein sehr weites Thema.


    Die Visualisierung eines unsterblichen Lichts hat mir überhaupt ermöglicht, meine sehr destruktive Haltung in der Meditation komplett zu überwinden. Auch heute richten sich meine Gedanken an jedem einzelnen Tag bei unzähligen Gelegenheiten auf dieses Licht, ohne dass mir dies überhaupt noch bewusst wäre.


    Zur Leerheit kann ich leider nichts sagen. Ich bin froh, wenn es mir gelingt, täglich mein Training Liebevoller Güte durchzuführen (und möglichst oft schwimmen zu gehen).


    Ich glaube aber, dass dieser Bereich dafür da ist, Trost, Hoffnung und Kraft zu geben, ja vielleicht sogar eine „innere Geburt“. Liebevolle Güte betrifft dagegen unseren Alltag, unsere Beziehungen und Probleme. Dazu erklärt der DL in wunderbaren Worten: Wesentlicher als die Religion ist daher unsere elementare menschliche Spiritualität. Wir weisen eine in uns Menschen angelegte Neigung zu Liebe, Güte und Zuneigung auf, und zwar unabhängig davon, ob wir einer Religion angehören oder nicht. Wenn wir diese elementarste aller menschlichen Urquellen in uns nähren – wenn wir uns entschließen, die inneren Werte, die wir alle bei anderen schätzen, zu kultivieren -, dann fangen wir an, spirituell zu leben.


    Freut mich auch, dass du unsere Berufstätigkeit ansprichst.
    Das Ziel der Ethik des Dalai Lama liegt nach meiner Ansicht nicht darin, zum Märtyrer zu werden, sondern den Nutzen liebevoller Güte für sich selbst zu erfahren und zu lernen, wie destruktiven Emotionen zu begegnen ist. Die Meditation Liebevoller Güte hat mir geholfen, die Qualität meiner Dienstleistungen etwas zu verbessern und bewusst an meiner Motivation zu arbeiten.


    Lieben Gruß! :)



    Hallo liebe Carneol,


    Ich habe bereits im vorherigen Beitrag versucht, meine Ansicht zu begründen: Für die Meditation von Mitgefühl und Liebender Güte sollten wir uns nach meiner Ansicht um eine Aktivierung natürlicher Gefühle für andere Menschen bemühen, um diese sodann zu vertiefen.


    Wie ich sehe, ziehst du eine mehr reziproke Sicht vor. Eine Freundin erklärte mir beispielsweise, sie hätte als Kind sehr viel für ihre Geschwister sorgen müssen und es wäre heute wichtig für sie, zu lernen, sich stärker abzugrenzen.


    In deinem Beitrag sprichst du ja mein Denken und Fühlen an. Im Job habe ich beispielsweise in der letzten Woche vermieden, einen Konflikt zu thematisieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das klug war. Mit meinem Bemühen um Liebende Güte hat es aber kaum was zu tun. Diese Methode passt für mich.


    Ich glaube, dass die Meditation Liebevoller Güte besonders geeignet ist, um mit Einsamkeitsgefühlen klar zu kommen. Daher habe ich die Frage gestellt. Danke für deine kurze Antwort. Wie können wir die grundsätzliche Verbindung zu uns und zu anderen Menschen, von der du sprichst, erleben?


    Zunächst glaube ich, dass es nicht weiter hilft, nur den Mangel zu beachten. Wie du schreibst, geht es um die innere Einstellung: Innere Anteilnahme und Warmherzigkeit, Vertrauen und eine Stimmung der Güte mindern das Gefühl quälender Einsamkeit. Sie lassen eine negative Selbstbezogenheit überwinden, was sich dann auch in positiveren Gedanken und Ansichten spiegelt.


    Der Dalai Lama schreibt: Um Freundschaften entstehen zu lassen, braucht es Vertrauen und Zuneigung und das Gefühl gegenseitiger Achtung. Unsere innere Haltung gibt also die Grundlage, um passende Beziehungen entstehen zu lassen. Der Weg dorthin scheint mir mit dem Mildern der Egozentrik zu tun zu haben.


    Lieben Gruß!

    Sunu:

    Ich denke es gibt das Extrem, dass jemand nur auf sich selbst schaut... Und das Extrem, dass jemand nur auf die anderen schaut... In Beiden Fällen erhofft man sich etwas davon d.h. beide Fälle wurzeln im Egoismus...im Glauben eines unabhängigen Selbst.
    Das "Geheimnis" ist, einen Ausgleich zu schaffen.. D.h. eigentlich ist es kein Geheimnis, sondern die natürliche Folge aus der rechten Erkentnis vom abhängigen Entstehen.


    Hallo Sunu,


    das Extrem, dass jemand nur auf die anderen schaut, gibt es vermutlich nicht. Die Evolution hätte ein solches Wesen nicht zugelassen, denke ich. (Übrigens Danke für den Artikel: Brauche wir eine neue Evolutionstheorie?) Vielleicht ist das Ausdehnen unseres sozialen Empfindens andererseits jedoch die Evolutionsgeschichte schlechthin. Ich glaube, dass der DL es so sieht.


    Auch Menschen, die große Probleme damit haben, selbstfürsorglich zu sein, besitzen daher einen starken Wunsch dazu. Aus begreiflichen Gründen sind gerade solche Menschen sogar ständig um sich bekümmert und leiden sehr unter ihrem Unvermögen.


    In diesem Gespräch geht es um die Meditation (Liebender Güte). Die eben getroffene Feststellung ist daher für die Richtung unseres Bemühens wichtig. Wie ich früher mehrfach angesprochen habe, geht es dabei durchaus um Eigennutz, wenn wir uns um Liebevolle Güte nicht für uns, sondern für unsere Mitmenschen bemühen.


    Ein paar Worte zu diesem Nutzen:


    Einmal liegt dieser Eigennutz in einer bestimmten Belohnung, die wir uns selbst dafür schenken, wenn die Meditation gelingt. Das intuitive Wissen darum drückt sich in den Religionen aus. Gläubige bemühen sich um die Liebe zu Gott, niemals jedoch um Selbstliebe. Die innere Ruhe, die eine solche Meditation schenkt, hilft dann auch, die eigenen Probleme mit Abstand zu betrachten und weniger anfällig für Stress zu sein. Ich glaube übrigens auch an einen biologischen Nutzen.


    Der rationale Nutzen liegt einmal darin, Eigenschaften zu entwickeln, die wir auch an anderen Menschen uns gegenüber schätzen, beispielsweise Hilfsbereitschaft, eine gewisse Bescheidenheit, Anerkennung und Aufmerksamkeit und so weiter. Daher ist es nur vernünftig und klug, solche Eigenschaften auch an sich selbst zu schätzen. So hat das Selbstwertgefühl mit dem Wert, den wir anderen Menschen geben, sogar rational zu tun.


    Als weitaus größten Nutzen erlebe ich jedoch den psychologische Nutzen. Einmal verbinden wir mit einer solchen Motivation das Gefühl von Sinn und Zweck. Zum anderen erweitert sich unsere soziale Kompetenz. Dieses Thema möchte ich jedoch in einem Beitrag extra behandeln.


    Lieben Gruß :)

    Carneol:
    Karnataka:


    Bin ich hingegen ganz alleine und setze mich zum Training, dann ist es häufiger so, dass ich mir selbst zunächst am Wichtigsten bin. Meine Überlegungen haben mit dem Überwinden dieser Egozentrik zu tun.


    Dann bist du bedürftig und musst dich erstmal um dich selbst kümmern. Dann kannst du dich selbst erstmal zum Objekt deiner Liebevollen Güte Meditation machen und dir überlegen, was du dir Gutes tun kannst: Massagen, gutes Essen, Sport draußen an der frischen Luft, Sauna, gute Musik, nette Gespräche, ... einfach mal eine Liste machen und dann direkt im Kalender einplanen. Wenn du dich erstmal um dich selber gekümmert hast, klappt's auch mit der liebevollen Güte anderen gegenüber - weil du dann nicht mehr aus Bedürftigkeit Erwartungen generierst. :rainbow:


    Hallo, hier muss ich doch widersprechen. Bitte, nimm dies nicht als Missachtung. Mir ist durchaus bewusst, dass viele Menschen die Sache genau so sehen wie du.


    Bereits vorgestern hast du geschrieben: „Den anderen lieben wie sich selbst setzt erstmal Selbstliebe voraus.“ Nun meinst du ähnlich, ich solle mich erstmal selbst zum Objekt der Meditation Liebevoller Güte machen.


    So zu denken ist populär. Ich sprach mal mit einem sympathischen Meditationslehrer, der Mitgefühl als „Mitgefühl für uns selbst“ unterrichtete. Er erklärte mir dann, dass sonst kein Mensch zu seinen Seminaren käme. Wir wollen also so denken.


    Ich halte diese Ansicht aber für grundverkehrt. Das Geheimnis, Wertschätzung und Sympathie für sich selbst zu gewinnen, liegt darin, Mitgefühl für andere Menschen zu entwickeln. Nicht umgekehrt. Nimmst du es dagegen umgekehrt, dann verliert alles, was ich bisher geschrieben habe, die Basis.


    Das Thema „Bedürftigkeit“ finde ich sehr spannend. Hilft die Meditation Liebender Güte dabei, mit Einsamkeitsgefühlen und unerfüllten Sehnsüchten klarzukommen? Wie siehst du das?

    Carneol:


    "Liebe schenken - nicht Liebe erwarten." hat mir mal jemand gesagt - und das kann ich bestätigen. Im Yoga gibt es da einige Übungen - herzöffnende Asanas, aber auch Visualisierungen mit den Chakren - hierfür v.a. Herzchakra - im Buddhismus gibt es Visualisierungen in Verbindung mit dem Herzchakra auch. Könnte mir gut vorstellen, dass das auch und gerade bei einer Meditation zu liebevoller Güte sehr wirksam ist.

    Karnataka:


    Hierbei betrachte ich mein instinktives Lächeln als wichtiges Signal, am richtigen Weg zu sein, um eine Emotion tatsächlich in mir zu bilden. Denn Lächeln drückt die gesuchte Zuneigung aus, auch wenn sie noch nicht wirklich als stabiles Gefühl da ist. Dies lässt sich aus der menschlichen Frühentwicklung erklären. (Gibt es auch ein Geschmackserlebnis, das mit Selbstlosigkeit zu tun hat? So scheint mir jedenfalls.)


    Konzentration aufs Herz bringt glaube ich mehr als Konzentration aufs Lächeln, oder?

    Karnataka:


    Herz-Chakra: Die Empfindung, dass mein Herz sich öffnet, habe ich erlebt – allerdings ohne es zuvor angestrebt und darüber nachgedacht zu haben. Gerade weil der Eindruck überraschend entstand, überzeugt er mich sehr. Auch empirische Untersuchungen bestätigen einen Zusammenhang Liebender Güte mit physischer Gesundheit.


    Mit der zentralen Bedeutsamkeit, Liebe zu geben, die du ansprichst, ist eigentlich alles gesagt.


    Noch mal vielen Dank für deine Bereitschaft, dich mit meinen Gedanken auseinanderzusetzen und eigene Erfahrungen und Überlegungen mitzuteilen!


    Mit dem Training Liebevoller Güte meine ich das bewusste Erzeugen Liebevoller Güte im Setting der Meditation. Wenn mein Sohn bei mir ist und im Nebenzimmer noch schläft, gelingt es mir häufig besonders gut, ein tiefes Gefühl der Zuneigung entstehen zu lassen und auszuweiten, bis es zu einer generellen Stimmung liebender Güte wird.


    Bin ich hingegen ganz alleine und setze mich zum Training, dann ist es häufiger so, dass ich mir selbst zunächst am Wichtigsten bin. Meine Überlegungen haben mit dem Überwinden dieser Egozentrik zu tun.


    Wenn du an einem speziellen Tag für deine Familie kochst, wird der Gedanken vermutlich von selbst entstehen: „Das wird ihnen schmecken – wie schön!“ Sobald eine solche Tätigkeit jedoch als Belastung empfunden wird, macht es aus meiner Sicht Sinn, das natürliche Empfinden der Freude extra zu fördern.


    Um dies aber zu fördern, so mein Gedanke, müssen wir uns den Gewinn von Fürsorglichkeit bewusst machen. Denn wenn ich in meiner Egozentrik verhaftet bin, dann sehe ich den Gewinn, ein Gernhaben für andere zu empfinden, nicht unbedingt ein. Viel lieber denke ich darüber nach, wie ich Erfolg und Anerkennung für mich selbst gewinnen kann. So macht es etwa Sinn, über einen Zusammenhang von Altruismus und Erfolg und Anerkennung theoretisch nachzudenken.


    Besonders aber ging es mir um die erfolgreiche Meditation Liebevoller Güte. Denn mit dem Verlassen der Egozentrik und dem Festhalten Liebevoller Güte kann in mir ein Gefühl tiefempfundenen Glücks kurz entstehen, gefolgt von einer geistigen Stimmung, die ich als ein bisschen geläutert charakterisieren würde. Manche Menschen scheinen dies beim Gebet ähnlich zu erleben, glaube ich. Ob man dann von einer Belohnung durch unsere Biologie oder von Gott spricht, ist wohl Ansichtssache.


    Wichtiger erscheint mir die Frage, ob wir durch ein solches Training unsere Persönlichkeit prägen können, ob eine Schulung des Geistes möglich ist und wir dadurch lernen können, auch tatsächlich fürsorglicher zu werden.

    Vielen Dank fürs aufmerksame Durchlesen! Dieses Gefühl von Dankbarkeit empfinde ich übrigens wirklich. Denn ich schätze deine Ansichten sehr.


    Ich freue mich, auf die einzelnen Punkte eingehen zu dürfen.




    Natürlich, wenn von mir erwartet wird, dass ich etwas schenke, wirkt dies nicht förderlich dafür, auch gerne zu schenken.
    Kann genauso die Bereitschaft zu helfen – Hilfsbereitschaft, an die ich dachte – mit Freude verknüpft sein? Der Gedanke dabei ist, dass Mitfreude und Mitleid zwei Seiten einer Medaille sind, die gemeinsam entstehen. Ist von Förderung die Rede, dann würde dies bedeuten, dass ein geistiger Zustand, wo wir Mitfreude etwas intensiver erleben, zugleich auch ein geistiger Zustand ist, wo ein wenig mehr Hilfsbereitschaft ebenso vorhanden ist.


    Aus meiner persönlichen Erfahrung scheint dies zuzutreffen. Denn in einer mitfreudigen Stimmung erlebe ich mehr Bereitschaft, den anderen Menschen als jemanden so wie ich anzuerkennen. Das führt zum Begriff Identifikation (der mir eigentlich gar nicht wichtig war). Der Gedanke dahinter lässt sich anhand unserer Beziehung zu Tieren gut verstehen. Tiere sagen uns ja nicht, dass sie Empfindungen und Gefühle erleben. Um eine Kuh als fühlendes Wesen anzuerkennen, muss man sich also stets ein bisschen die Frage stellen: Wie wäre es, eine Kuh zu sein?


    Im Prinzip gilt diese Innensicht immer, wenn von subjektiven Zuständen die Rede ist. Bei anderen sehen wir immer nur den Ausdruck. Um ihr Fühlen zu verstehen, nehmen wir unser eigenes Fühlen.


    Sicher hat Hilfsbereitschaft auch andere Hintergründe.

    Carneol:


    Bei einer besonderen Gelegenheit hatte ich mal die Eingebung & Empfindung: "Welche Freude, geben zu können!" :) nicht in dieser Intensität, aber durchaus auch "im Kleinen" ist diese Freude immer da, wenn man selbstlos und aus ehrlichem Herzen gibt - d.h. ohne geben zu müssen und ohne etwas zu erwarten.


    So geht es mir auch.


    Die natürliche Bereitschaft und Freude dabei, jemanden etwas zu schenken oder eine Hilfe zu geben, gilt als eine Eigenschaft, die sich fördern lässt. Da ich über dieses Thema seit Jahren nachdenke, möchte ich meine Ansichten kurz zusammenfassen. Im Forum werden die unterschiedlichen Ansichten zur Meditation und Erfahrungen aus der Praxis zurzeit viel besprochen. So möchte ich auch meine Überzeugung beisteuern. Dabei sind die an diesem Ort angesprochenen Probleme rund um die Einstellung zu anderen Menschen auch für mich zentral. Darum poste ich auch an dieser Stelle und nicht woanders.


    Unter natürlichem Empfinden verstehe ich beispielsweise, dass wir manche Menschen gerne sehen und ihre Nähe genießen. Die meisten Menschen empfinden eine tiefe Verbundenheit zu ihren Kindern, sehr häufig auch gegenüber den eigenen Eltern, Freunden und so weiter. In gewisser Hinsicht gilt diese natürliche Sympathie jedoch allen Lebewesen, mit denen wir uns identifizieren.


    Die zentrale Annahme ist, dass es möglich ist, natürliches soziales Empfinden auszudehnen, zu intensivieren. Empirische Untersuchungen weisen in diese Richtung. Auch ich kann bezeugen, dass sich Stimmungen verändern lassen und es dann möglich ist, warmherziger zu empfinden als zuvor. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob ein langjähriges Training zur Veränderung persönlicher Eigenschaften, die uns viel länger begleiten, beitragen kann. Daran glaube ich.


    In diesem Zusammenhang möchte ein paar Gedanken zur Meditation Liebender Güte mitteilen. Dabei ist mein Ziel, phänomenologisch etwas auszudrücken, von dem ich mir vorstellen kann, dass auch andere Menschen in ähnlicher Weise emotional funktionieren. Natürlich würde mich interessieren, ob die Sache mit dem instinktiven Empfinden, dem emotional-kognitiven Fühlen und dem Denken auch wirklich bei anderen Menschen in ähnlicher Weise abläuft. Vermutlich ist ein so langer Text aber eine zu große Zumutung.


    Der Zweck eines Trainings Liebevoller Güte scheint mir, dass wir nicht selbstverständlich und von Haus aus in der Lage sind, mit unseren Gefühlen umzugehen, bewusst umzugehen. Gerade hierbei habe ich besonders durch die Ethik des DL profitiert.


    Was Liebevolle Güte betrifft, so muss ich mich in der Situation des Trainings (also allein) regelrecht abmühen, um ein wirkliches Gernhaben intensiv zu erfahren. Zumeist bin ich viel zu sehr mit mir selbst und mit den Dingen, die mir wichtig sind, beschäftigt. Gut kann ich mir vorstellen, dass Liebevolle Güte anderen Menschen viel leichter fällt! Desto größer ist der Nutzen, wenn sie mir gelingt.


    Daher mache ich mir den Sinn Liebevoller Güte und den Vorteil, den ein solcher Geisteszustand für mich und für mein Wohlbefinden hat, klar und präsent. Dies betrifft einmal den langfristigen Nutzen. Besonders aber knüpfe ich auch eine kurzfristige Erwartung an das intensive Gefühl des Gernhabens. Diese Erwartung besagt, dass das selbstlose Empfinden von Zuneigung mit einem Glücksgefühl und dem Zustand innerer Befriedigung beantwortet wird.


    Die eigentümliche Verbindung von Eigennutz und angestrebter Selbstlosigkeit scheint mir etwas zu sein, das dem Alltagsdenken widerspricht. Da ich diese Überzeugung jedoch bereits seit vielen Jahren schaffe, argumentiere und mir vergegenwärtige, ist sie mir sehr vertraut. Sie näher darzustellen, würde hier zu weit führen. Das kognitive Besinnen auf die Überzeugung „Liebe“ dürfte darüber hinaus auch eine Seite ansprechen, die nicht unbedingt rational ergründet werden muss.


    Wie eingangs gesagt, sollen natürliche Empfindungen die Starthilfe geben. Daher denke ich an einen Menschen, mit dem ich mich sehr verbunden fühle - womit Fürsorglichkeit gemeint ist, nicht aber romantische Liebe. Wenn ich diesen Menschen in meine Gedanken nehme, dann achte ich darauf, das Gefühl der Liebe sehr genau zu registrieren, sobald es sich meldet. Ich merke also sofort, wenn der Anflug einer solchen Empfindung tatsächlich da ist. Durch diese Achtsamkeit und durch meinen Wunsch halte ich die Empfindung sodann ein wenig fest, bevor ich die Konzentration wieder verliere.


    Hierbei betrachte ich mein instinktives Lächeln als wichtiges Signal, am richtigen Weg zu sein, um eine Emotion tatsächlich in mir zu bilden. Denn Lächeln drückt die gesuchte Zuneigung aus, auch wenn sie noch nicht wirklich als stabiles Gefühl da ist. Dies lässt sich aus der menschlichen Frühentwicklung erklären. (Gibt es auch ein Geschmackserlebnis, das mit Selbstlosigkeit zu tun hat? So scheint mir jedenfalls.)


    Zudem würde ich auch die Absicht, den eigenen Egoismus aufzugeben und für andere da zu sein, als hilfreich bezeichnen. Wenn ich diesen Vorsatz - kurz nur aber ehrlich - schaffe, begrüße ich das. Vielleicht geht es aber doch mehr um das Empfinden Liebevoller Güte, das schließlich meint, dass der andere Mensch wertvoll ist, dass ich mich über sein Glück freue und ihn liebe wie mich selbst.


    Damit ist schon beinahe alles Technische gesagt. Denn die Wiederholung dieses Vorgangs aus dem Aktivieren instinktiver Empfindungen und kognitiver Überzeugungen führt schlussendlich zu einer Vertiefung und Ausschüttung eines Gefühls von Liebe und Glück, das zugleich auch innerer Beruhigung bringt. Ob dies weltanschaulich oder rein biologisch zu interpretieren ist, können wir aus meiner Sicht nicht wissen.


    Entscheidend scheint mir, dass mit der erzeugten Stimmung automatisch eine Wandlung meiner Einstellung gegenüber anderen Menschen eintritt. Diese Einstellung verändert sich ins Positive, was sich darin ausdrückt, dass ich nun intuitiv mehr am Wohlergehen anderer Menschen Anteil nehme und besonders Klarheit über den Austausch gemeinsamer Freude und Interdependenz empfinde, was zuvor kaum der Fall ist. Vorübergehend hat sich meine soziale Kompetenz sehr erweitert, würde ich also behaupten.


    Auch dies ist überhaupt nicht spektakulär gemeint, sondern entspricht nach meiner Auffassung der allgemeinen Natur einer liebevollen Stimmung. Es scheint darüber hinaus so etwas wie Repräsentanzen in uns zu geben, Prägungen und innere Bilder also, die wir auf die Beziehungen zu anderen Menschen übertragen. Auch hier scheint mir ein Zusammenhang, weshalb sich Liebevolle Güte dazu eignet, generalisiert zu werden.


    Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich mit dieser Schilderung eines teilweise biologischen Gehirnvorgangs nicht die Vorstellung verbinde, ich könnte mich rational über meinen eigenen Geist stellen und irgendwie klüger sein. Klappt das Training an manchen Tagen nicht besonders, so benutze ich beispielsweise keine logische und rationale Erklärung dafür, sondern sehe dies gerne in Zusammenhang mit der nahen Zukunft. Ebenso vertraue ich sehr stark solchen Gedanken, die in dieser beruhigten Situation auftauchen.


    Hm... :)

    zwar habe ich zum Thema bereits eine Mail geschrieben. Dennoch möchte ich auf folgenden Umstand hinweisen:


    Viele Argumente, die der DL in seiner Ethik benutzt, laufen darauf hinaus, ein kluger Egoist zu sein. Beispielsweise erklärt er, dass wir selbst die ersten Nutznießer unserer eigenen Warmherzigkeit sind. Wenn wir dagegen unentwegt nur um uns selbst besorgt sind, tut uns das nicht gut.


    Über diesen Eigennutzen einer ethischen Haltung und liebevollen Stimmung kann man viel nachdenken. Auch darüber, welchen Nutzen eine positive Einstellung uns selbst bringt. Ein spannendes Thema, finde ich.