Carneol:
Bei einer besonderen Gelegenheit hatte ich mal die Eingebung & Empfindung: "Welche Freude, geben zu können!" nicht in dieser Intensität, aber durchaus auch "im Kleinen" ist diese Freude immer da, wenn man selbstlos und aus ehrlichem Herzen gibt - d.h. ohne geben zu müssen und ohne etwas zu erwarten.
So geht es mir auch.
Die natürliche Bereitschaft und Freude dabei, jemanden etwas zu schenken oder eine Hilfe zu geben, gilt als eine Eigenschaft, die sich fördern lässt. Da ich über dieses Thema seit Jahren nachdenke, möchte ich meine Ansichten kurz zusammenfassen. Im Forum werden die unterschiedlichen Ansichten zur Meditation und Erfahrungen aus der Praxis zurzeit viel besprochen. So möchte ich auch meine Überzeugung beisteuern. Dabei sind die an diesem Ort angesprochenen Probleme rund um die Einstellung zu anderen Menschen auch für mich zentral. Darum poste ich auch an dieser Stelle und nicht woanders.
Unter natürlichem Empfinden verstehe ich beispielsweise, dass wir manche Menschen gerne sehen und ihre Nähe genießen. Die meisten Menschen empfinden eine tiefe Verbundenheit zu ihren Kindern, sehr häufig auch gegenüber den eigenen Eltern, Freunden und so weiter. In gewisser Hinsicht gilt diese natürliche Sympathie jedoch allen Lebewesen, mit denen wir uns identifizieren.
Die zentrale Annahme ist, dass es möglich ist, natürliches soziales Empfinden auszudehnen, zu intensivieren. Empirische Untersuchungen weisen in diese Richtung. Auch ich kann bezeugen, dass sich Stimmungen verändern lassen und es dann möglich ist, warmherziger zu empfinden als zuvor. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob ein langjähriges Training zur Veränderung persönlicher Eigenschaften, die uns viel länger begleiten, beitragen kann. Daran glaube ich.
In diesem Zusammenhang möchte ein paar Gedanken zur Meditation Liebender Güte mitteilen. Dabei ist mein Ziel, phänomenologisch etwas auszudrücken, von dem ich mir vorstellen kann, dass auch andere Menschen in ähnlicher Weise emotional funktionieren. Natürlich würde mich interessieren, ob die Sache mit dem instinktiven Empfinden, dem emotional-kognitiven Fühlen und dem Denken auch wirklich bei anderen Menschen in ähnlicher Weise abläuft. Vermutlich ist ein so langer Text aber eine zu große Zumutung.
Der Zweck eines Trainings Liebevoller Güte scheint mir, dass wir nicht selbstverständlich und von Haus aus in der Lage sind, mit unseren Gefühlen umzugehen, bewusst umzugehen. Gerade hierbei habe ich besonders durch die Ethik des DL profitiert.
Was Liebevolle Güte betrifft, so muss ich mich in der Situation des Trainings (also allein) regelrecht abmühen, um ein wirkliches Gernhaben intensiv zu erfahren. Zumeist bin ich viel zu sehr mit mir selbst und mit den Dingen, die mir wichtig sind, beschäftigt. Gut kann ich mir vorstellen, dass Liebevolle Güte anderen Menschen viel leichter fällt! Desto größer ist der Nutzen, wenn sie mir gelingt.
Daher mache ich mir den Sinn Liebevoller Güte und den Vorteil, den ein solcher Geisteszustand für mich und für mein Wohlbefinden hat, klar und präsent. Dies betrifft einmal den langfristigen Nutzen. Besonders aber knüpfe ich auch eine kurzfristige Erwartung an das intensive Gefühl des Gernhabens. Diese Erwartung besagt, dass das selbstlose Empfinden von Zuneigung mit einem Glücksgefühl und dem Zustand innerer Befriedigung beantwortet wird.
Die eigentümliche Verbindung von Eigennutz und angestrebter Selbstlosigkeit scheint mir etwas zu sein, das dem Alltagsdenken widerspricht. Da ich diese Überzeugung jedoch bereits seit vielen Jahren schaffe, argumentiere und mir vergegenwärtige, ist sie mir sehr vertraut. Sie näher darzustellen, würde hier zu weit führen. Das kognitive Besinnen auf die Überzeugung „Liebe“ dürfte darüber hinaus auch eine Seite ansprechen, die nicht unbedingt rational ergründet werden muss.
Wie eingangs gesagt, sollen natürliche Empfindungen die Starthilfe geben. Daher denke ich an einen Menschen, mit dem ich mich sehr verbunden fühle - womit Fürsorglichkeit gemeint ist, nicht aber romantische Liebe. Wenn ich diesen Menschen in meine Gedanken nehme, dann achte ich darauf, das Gefühl der Liebe sehr genau zu registrieren, sobald es sich meldet. Ich merke also sofort, wenn der Anflug einer solchen Empfindung tatsächlich da ist. Durch diese Achtsamkeit und durch meinen Wunsch halte ich die Empfindung sodann ein wenig fest, bevor ich die Konzentration wieder verliere.
Hierbei betrachte ich mein instinktives Lächeln als wichtiges Signal, am richtigen Weg zu sein, um eine Emotion tatsächlich in mir zu bilden. Denn Lächeln drückt die gesuchte Zuneigung aus, auch wenn sie noch nicht wirklich als stabiles Gefühl da ist. Dies lässt sich aus der menschlichen Frühentwicklung erklären. (Gibt es auch ein Geschmackserlebnis, das mit Selbstlosigkeit zu tun hat? So scheint mir jedenfalls.)
Zudem würde ich auch die Absicht, den eigenen Egoismus aufzugeben und für andere da zu sein, als hilfreich bezeichnen. Wenn ich diesen Vorsatz - kurz nur aber ehrlich - schaffe, begrüße ich das. Vielleicht geht es aber doch mehr um das Empfinden Liebevoller Güte, das schließlich meint, dass der andere Mensch wertvoll ist, dass ich mich über sein Glück freue und ihn liebe wie mich selbst.
Damit ist schon beinahe alles Technische gesagt. Denn die Wiederholung dieses Vorgangs aus dem Aktivieren instinktiver Empfindungen und kognitiver Überzeugungen führt schlussendlich zu einer Vertiefung und Ausschüttung eines Gefühls von Liebe und Glück, das zugleich auch innerer Beruhigung bringt. Ob dies weltanschaulich oder rein biologisch zu interpretieren ist, können wir aus meiner Sicht nicht wissen.
Entscheidend scheint mir, dass mit der erzeugten Stimmung automatisch eine Wandlung meiner Einstellung gegenüber anderen Menschen eintritt. Diese Einstellung verändert sich ins Positive, was sich darin ausdrückt, dass ich nun intuitiv mehr am Wohlergehen anderer Menschen Anteil nehme und besonders Klarheit über den Austausch gemeinsamer Freude und Interdependenz empfinde, was zuvor kaum der Fall ist. Vorübergehend hat sich meine soziale Kompetenz sehr erweitert, würde ich also behaupten.
Auch dies ist überhaupt nicht spektakulär gemeint, sondern entspricht nach meiner Auffassung der allgemeinen Natur einer liebevollen Stimmung. Es scheint darüber hinaus so etwas wie Repräsentanzen in uns zu geben, Prägungen und innere Bilder also, die wir auf die Beziehungen zu anderen Menschen übertragen. Auch hier scheint mir ein Zusammenhang, weshalb sich Liebevolle Güte dazu eignet, generalisiert zu werden.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich mit dieser Schilderung eines teilweise biologischen Gehirnvorgangs nicht die Vorstellung verbinde, ich könnte mich rational über meinen eigenen Geist stellen und irgendwie klüger sein. Klappt das Training an manchen Tagen nicht besonders, so benutze ich beispielsweise keine logische und rationale Erklärung dafür, sondern sehe dies gerne in Zusammenhang mit der nahen Zukunft. Ebenso vertraue ich sehr stark solchen Gedanken, die in dieser beruhigten Situation auftauchen.
Hm...