Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Nicht töten - Probleme in der Praxis“


    Dann ruhst Du unerschütterlich im Gleichmut. :)


    Ja, das ist ein erstrebenswerter Zustand.


    Und wer in diesem Forum konkrete persönliche Erfahrungen einbringt, kann seinen Gleichmut erproben.


    Das Ergebnis bei mir: Manchmal war Gleichmut da, manchmal nicht.



    Du warst ja außer mir der einzige, der ausführlich von eigenen Erfahrungen und Gefühlen in konkreten Situationen gesprochen hat.



    Deine entsprechenden Beiträge fand ich beeindruckend und hilfreich. Ich habe auf zwei dieser Beiträge bislang nicht geantwortet, weil ich lediglich _()_ als Zeichen der Wertschätzung dazu zu sagen habe.


    Das möchte ich jetzt nachholen:



    mkha':

    Ich erzähle nicht oft von mir, aber vielleicht ist meine Zurückhaltung in puncto (be-)urteilen, (oder gar verurteilen) besser nachvollziehbar, wenn man weiß, worauf sie beruht: während ich dies schreibe, sehe ich vor meinem geistigen Auge eine unendliche Reihe unterschiedlicher Gesichter. Es sind die Gesichter all der Menschen, mit absehbar zum Tode führenden Verletzungen, unheilbaren Krankheiten, beißenden, krampfartigen, oder stechenden Schmerzen, Bluterbrechen, Atemnot, tiefer Verzweiflung, Menschen, die unter Tränen um Erlösung gebeten haben. Es gab keine. Es hieß durchhalten - bis zum bitteren Ende. Weißt Du, wie viele Stunden, wie viele lange, die Menschen ängstigende Nächte ich an den Betten sterbender Menschen verbrachte? … Wie oft ich der abgehackten Schnappatmung ihrer letzten Atemzüge lauschte? ... Wie oft ich mich absolut hilflos und tief betroffen fühlte im Laufe der vier Jahrzehnte Vollzeitarbeit, verbracht auf chirurgischen und internistischen Intensivstationen, in der Unfallaufnahme und einem Schwerstverbranntenzentrum.


    ... aber was wissen wir schon, wir kleinen Lichter auf dem Pfad - ausgestattet mit unseren unzulänglichen Sinnen und mangelnder Weisheit? … Ein Buddha hat es gut. Er kennt keine Zweifel, ihm ist bekannt, was genau aus welchem Grunde so ist, wie es eben ist. Er weiß auch um jede Ausnahme. (Siehe z.B. Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung - M. 144. (XV,2) Channovāda Sutta (Channo))
    .......



    _()_

    Sôhei:

    Wieso ufert es eigentlich immer in dogmatischen Wortgefechten aus, wenn man es doch konkret und persönlich halten könnte?


    Die Eingangsfrage war, wie WIR mit dem Problem des Töten umgehen, genannt wurden zwei Beispiele (kranke Katze und Ungeziefer).


    Die Unmöglichkeit, im Leben zu stehen und nicht auf irgendeine Weise ins Töten verstrickt zu sein, wurde ja schon genannt. Es geht also um die eigene Haltung und Einstellung (und vielleicht wie diese durch das eigene Verständnis dessen geprägt ist, was man abstrakt "Buddha-Dharma" oder das sila vom Nicht-Töten nennt), um die eigenen Erfahrungen.
    Davon lese ich hier aber nur wenig...


    Ich stimme Dir völlig zu: Der Thread war von mir so gedacht, dass wir uns konkret anhand eigener Erfahrungen und in Form von Beispielen mit dem Thema beschäftigen ...


    Nun hat es aber Gründe, dass kaum jemand hier über seine konkreten Erfahrungen spricht.
    Morpho hat das vor ein paar Tagen sehr gut auf den Punkt gebracht:


    Morpho:

    In Foren bist du gut beraten, nichts von deinen Gefühlen und "intimeren" Gedanken zu veräussern; ohne dass du in Gefahr eines Hacking läufst; es ist nicht ohne Grund so, dass viele von sich, ihren Erfahrungen und Leben wie in der dritten Person sprechen und immer schön rational daherkommen wollen, man könnte sonst sagen, sie unterliegen Täuschungen der Anhaftung an Gefühle und Gedanken, und insofern Unwissenheit.


    Es ist keine leichte Übung, konkrete Erfahrungen preiszugeben, über die anschließend von einigen rigide abgeurteilt wird, häufig ohne Argumente und ohne die Situation zu berücksichtigen, über die berichtet wurde.


    Ich selbst habe es zuletzt auch nicht mehr geschafft, darauf gelassen zu reagieren bzw. eben gar nicht zu reagieren.


    Kurz: Wer hier tatsächlich persönliche Erfahrungen einbringt, muss sich auf eine harte Übung in Gleichmut einstellen. :lol:


    P.S. Möchtest Du selbst "konkrete und persönliche" Erfahrungen zum Thema beitragen? :)

    Tychiades:


    Dir scheint nicht klar zu sein, was für einen Rattenschwanz an Problemen sich aus der Unkenntnis über das Leben der Katzen ergeben. Ausgewilderte Katzen kommen sehr gut allein zu recht. Dort wo der Mensch sich zurück zieht, folgt die Natur ganz von selbst und sie kommt hervorragend ohne uns aus.
    Ich würde mal mit einem Zoologen reden und mich über Tierleben allgemein mal kundig machen.
    Und nicht so viele Disney-Filme gucken. :)


    Die Katzen einzufangen und die Kosten für die Sterilisierung/Kastration zu tragen, war eine Entscheidung innerhalb unserer Nachbarschaft.
    Dir ist offenbar nicht einmal ansatzweise bewusst, welche Probleme durch die unkontrollierte Vermehrung verwildeter Katzen entstehen.


    Die Ignoranz liegt da ganz auf Deiner Seite.


    ;)


    Vielleicht habe ich die Ausgangs-Situation noch nicht hinreichend beschrieben:
    Das war ein Wurf wilder Katzen im nahe gelegenen Wald. Eine problematische Situation, die sich nur beseitigen lässt, indem man die Katzen einfängt und auf eigene Kosten sterilisiert, um das in Zukunft zu vermeiden. Doch die Katzenjungen waren nun einmal da. Und nicht genügend Menschen, die sich darum kümmern konnten/wollten. Auch der Tierschutzverein war überfordert.
    Die Eltern des Nachbarsjungen hatten schon die Verantwortung für mehrere Katzen übernommen. Andere Nachbarn ebenfalls. Einige Katzen sind übrig geblieben, um die sich niemand kümmern konnte/wollte. Da der Nachbarsjunge zumindest eines dieser übrig gebliebenen Kätzchen retten wollte, kam er damit zu uns.


    Also keine Möglichkeit, die Verantwortung zu delegieren.


    Keine Möglichkeit, sich herauszureden oder Verantwortung abzuweisen.


    Zurückweisung bedeutete hier: ein Todesurteil.


    Also, was tun, als Buddhist?



    Zur anderen Frage:


    "Um Sterben zu beenden habe ich keine Macht."


    Sicherlich. Es ging ja nicht darum, Sterben zu beenden, sondern darum, qualvolles Sterben zu verkürzen. Erkennst Du den Unterschied?


    Ich möchte aber nicht weiter insistieren.
    Wollte nur die Situation klarstellen, um die es in diesem Thread ursprünglich ging.


    _()_

    Tychiades:


    Wenn ich das erkenne, das bestimmte Handlungen unheilsam sind, dann schaffe ich keine Fakten.
    Ich kann natürlich ein Faktum begründen und erklären, dass das Tier es bei mir besser hat, als im Tierheim ..... aber dem geht ja bereits der Wille voraus, ein Tier zu halten.


    Nur zur Info: Die Katze, um die es in diesem Thread ursprünglich ging, wurde uns von einem Nachbarjungen vor 17 Jahren aus einem Wurf wilder Katzen gebracht. (Das war damals ein Problem in unserer Nachbarschaft.)
    Der Tierschutzverein war überfordert, eine andere Unterbringung ebenfalls nicht möglich. Eine Zurückweisung hätte voraussichtlich den Tod des Kätzchens bedeutet.


    Bei mir war zuvor kein "Wille, ein Tier zu halten". Ich habe es in dieser Situation aber angenommen. Und sprach seitdem von "meiner/unserer" Katze, ohne damit ein Eigentumsverhältnis zu bezeichnen, sondern schlichte Zugehörigkeit und Verantwortlichkeit für das Tier.


    Das nur als Ergänzung zum Verständnis.


    Ohne dass ich den Wunsch habe, Dich von etwas zu überzeugen oder zu diskutieren.
    Nur eine Frage:


    Wie würdest Du handeln, wenn Du unerwartet in die Situation kommst, für ein Tier verantwortlich zu sein?
    So wie in meinem Fall: Ein Nachbarskind bringt Dir ein kleines Tier und es gibt sonst niemand, der sich um das Tier kümmern kann.


    Was dann?


    Und ist das Tier, wenn Du für dessen Überleben sorgst, dann nicht auch "Dein Tier", zumindest im Sinne von Verantwortlichkeit?


    Bis sich vielleicht zuletzt auch Dir die Frage stellt: "Muss ich einer Tötung zustimmen, um qualvolles Sterben zu verhindern?"


    Denn niemand anders als Du selbst musst diese Entscheidung treffen und bist für die Folgen verantwortlich, so oder so.


    _()_

    Ich verabschiede mich bis auf weiteres aus der Diskussion.
    Für mich haben die Gespräche dazu beigetragen, meine Gedanken und Gefühle zu klären.


    Sinn ergeben die Übungsregeln für mich in Verbindung mit einer Ethik der Verantwortung (für Handlungsfolgen) und auf Grundlage einer Praxis der Brahmavihara.



    Mir ist klar geworden, dass eine schematische und buchstabengetreue Auslegung der Silas in direkter Verbindung steht mit religiösem Dogmatismus, also einer geistigen Haltung, die in der Geschichte der Menschheit schon immer viel Unheil ausgelöst hat.


    Mir ist auch deutlich geworden, dass die Vertreter dieser fundamentalistischen Position gar kein Interesse daran haben, Argumente zur Kenntnis zu nehmen bzw. ernsthaft zu diskutieren.


    Insofern ist meine Toleranz gegenüber intolerant-dogmatischen Haltungen (die sich hier als einzig wahren Buddhismus darstellen) inzwischen erschöpft.


    Mögen alle religiösen Fundamentalisten in ihrer Einsiedelei (ohne Internet-Anschluss) glücklich sein! :lol:


    Hallo 451,


    natürlich erkenne ich die Komplexität des Lebens an.


    Es ist für uns Menschen ja auch eine Überforderung, wenn wir an uns den Anspruch stellen, die Konsequenzen jeder Handlung zu erkennen, uns immer alle Handlungsalternativen bewusst zu machen und den Nutzen (bzw. die Minimierung des Schadens) rational zu berechnen.


    Deshalb gibt es Regeln: Sie reduzieren sozusagen die Komplexität. Und helfen uns bei der Orientierung unseres Handelns. Ohne dass wir immer jede Handlung reflektieren müssten.


    Wenn aber die Regeln als starre (religiöse) Gebote oder Verbote formuliert werden, ist das ebenfalls ein Problem.
    Erstens deshalb, weil aus dem Blick gerät, dass die Regel ja nur deshalb existiert, um Nutzen zu stiften bzw. Leiden zu vermeiden. In Situationen, in denen eine Regel ihre Funktion nicht erfüllt, sollte es möglich sein, sie flexibel und verantwortlich zu handhaben.
    Dafür muss man dann tatsächlich Handlungsfolgen miteinander vergleichen.


    Und zusätzlich finde ich das wichtig, was Sudhana geschrieben hat:




    Wir brauchen also (aus meiner Sicht):


    1. Übungsregeln, um mit der Komplexität des Lebens umzugehen.
    2. die Offenheit und Eigenverantwortung, um in Ausnahmesituationen Handlungsfolgen abzuwägen und
    3. eine Praxis der Brahmavihara, da der Verstand bei der Entscheidung letztlich überfordert ist.



    Das ist ein mittlerer Weg, der verschiedene Konzeptionen der Ethik praxisnah kombiniert. (Es werden sowohl Regeln, Handlungsfolgen und Dispositionen des Handelnden berücksichtigt.)


    Ich hoffe, etwas zur Klärung beigetragen zu haben.


    _()_


    Es ist immer nützlich, auch extreme Positionen einmal zu prüfen.
    Mir scheint diese Position, die Du schilderst, aber nicht sehr einladend zu sein:


    Letztlich bedeutet diese Haltung den Verzicht auf jede Form eigenverantwortlichen und rationalen Handelns. Verbunden mit einer unkritischen Unterwerfung unter ein gegebenes "Gebot", das dann auch gar nicht mehr als Übung, sondern als ein religiöses Dogma aufgefasst wird.


    Begründet wird ein solcher Verzicht auf eigenverantwortliches Handeln mit einer angeblichen totalen Unkenntnis der Handlungsfolgen ("Das Leben ist komplex", "Wer weiß, ob die Katze in einem Höllenreich wiedergeboren wird" etc.).


    Kurz zum konkreten Beispiel der Katzenhaltung: Die Katze brachte uns vor 17 Jahren ein Nachbarsjunge aus einem Wurf wilder Katzen. Wir hatten in unserer ländlichen Wohngegend damals ein erhebliches Problem mit unkontrollierter Vermehrung dieser Katzen. Statt nichts zu tun, haben wir in der Nachbarschaft dafür gesorgt, die Katzen einzufangen und zu sterilieren. Und uns soweit möglich um einige der Katzen persönlich zu kümmern. So wurde erhebliches Leid verhindert. Durch Übernahme von Verantwortung.
    Wenn Katzen in größerer Anzahl frei jagen, entsteht viel Leiden bei den Vögeln. Es ist sinnvoll, das einzuschränken und die Katzen zu füttern. Schlachtabfälle entstehen ohnehin, es müssen keine Tiere extra dafür geschlachtet werden.
    Und sonstiges Engagement wird durch das Geld für Katzenfutter auch nicht verhindert.


    Insofern: Es ist durchaus möglich, mit Hilfe von vernünftigem Nachdenken und Handeln Verantwortung zu übernehmen.


    Wer das bestreitet, verbindet einen totalen Skeptizismus mit einer autoritären Ethik: einer Unterwerfung unter religiös begründete Normen, die gar nicht mehr im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden.


    Ein kompletter Rückfall hinter die Errungenschaften der Aufklärung!
    (Den Buddha halte ich weiterhin für einen Aufklärer, manchen seiner Anhänger zum Trotz. :D )


    Du bist jetzt nicht gemeint. :)


    Wie gesagt: Es ist völlig okay, solche Haltungen mal geistig auszuprobieren. Um zu sehen, wohin sie führen.


    Placet experiri ... ;)



    Deine Antwort war als Zurechtweisung und Belehrung formuliert, es geht also um den Stil Deiner Rede.
    Der ist einfach unzweckmäßig. Denn er provoziert mich, in derselben Art zu antworten. Und in Kürze hätten wir dann eine weitere Eskalation in einer Diskussion, die ohnehin schon unheilsame Formen annimmt.


    Darauf verzichte ich.


    Meinetwegen kannst Du Recht behalten.


    Ich bin nur in einem Punkt "neugierig":
    Versetze Dich mal in die Situation. Du bist für ein Tier verantwortlich, die Tierärztin empfiehlt dringend, es einschläfern zu lassen. Schmerzmittel sind eine langsame Form der Tötung. Und Du nimmst das Tier ohne Schmerzmittel wieder mit nach Hause und fühlst Dich nicht im geringsten für das Leiden der Katze verantwortlich, weil "Du es ihr ja nicht aktiv zufügst"?


    Denn: "Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas."


    Und Du hast durch Nichtstun die richtige Wahl getroffen?
    Und findest diese Entscheidung unproblematisch?



    Um bei dem Stil Deiner Rede zu bleiben: "Was gibt Dir das Recht", so mit mir zu sprechen?

    Herzlichen Dank für Eure Antworten!


    Ellviral:
    pamokkha:

    Was ist denn bei meiner ersten Antwort - Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf - unklar geblieben. Der Wille steigt mindestens auf beim Tötungsauftrag und bei der Tötungsausführung.

    Der Wille zum Töten aus Gier, Hass, Verblendung ist immer abzulehnen. Ich habe das Erfahren, doch es gibt eine Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens. Das ist einfach so und wenn ich das nicht so erfahren hätte müsste ich mich als Mörder bezeichnen.


    Mir ist es wichtig, sehr ehrlich mit mir selbst zu sein. Dazu gehört es, deutlich zu beobachten, aus welchen Motiven ich handle. Welche Impulse bei mir vorhanden sind.
    Und in den meisten Fällen, in denen ich in meinem Leben getötet habe, gab es Impulse von "Hass" (im Sinne von Aversion) und "Verblendung".
    Beispiel: Als Kind habe ich Regenwürmer aufgesammelt, die auf der Straße waren, damit sie nicht überfahren werden. Einmal war ein Regenwurm bereits überfahren und fast ganz zerquetscht. Ich konnte die Vorstellung, dass der Wurm leidet, nicht ertragen und habe schnell ein Taschentuch daraufgelegt und ihn zertreten. (Hauptsächlich deshalb, um nicht selbst zu leiden.)
    Da war "Hass" im Sinne von Aversion gegenüber dem Leiden und auch Verblendung.


    Ob man sich gleich als "Mörder" bezeichnen muss, wenn solche Motive vorliegen, ist eine andere Frage. Ich finde es aber wichtig, die eigenen Motive klar zu sehen.


    Also stimme ich Dir zwar zu, dass es eine von "Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens gibt", aber das kommt nur selten vor.





    Ich stimme Dir zu, dass bei solchen Handlungen meistens "Hass" im Sinne von "Abneigung" bzw. "Aversion" vorliegt.
    Und ich stimme auch zu, dass das Vorliegen einer solchen Motivation noch nichts darüber aussagt, ob die Handlung moralisch "verwerflich" ist oder nicht. (Und zwar deshalb, weil eine ernstzunehmende Ethik immer auch die Konsequenzen einer Handlung berücksichtigt, nicht allein ihre Beweggründe.)


    Was heißt es aber, dass "Abneigung" bzw. "Ablehnung" bzw. "Aversion" vorliegt?
    Meiner Meinung nach heißt es, dass da ein Impuls sein muss, den der Handelnde bei ausreichender Achtsamkeit und Übung auch wahrnehmen kann.


    Wenn Du stattdessen sagen möchtest, dass schon die Tatsache der Ablehnung einer Handlungsalternative "Hass" sei (auch ohne einen zumindest prinzipiell wahrnehmbaren Impuls von Aversion), dann wäre jede Handlung mit "Hass" verbunden. Denn bei jeder Entscheidung für eine Handlung entscheidet man sich automatisch GEGEN bestimmte Handlungsalternativen.


    Als ich mich gegen die Option entschieden habe, meine Katze länger leiden zu lassen, habe ich keine Aversion gegen das Leiden gespürt, sondern nur Hilflosigkeit und direkt danach "Mögest Du frei von Schmerzen sein", also die Konzentration auf Befreiung, was verbunden war mit einem Zustand der Ruhe.


    Gerade deshalb, weil ich ja sehr genau fühle und mich daran erinnere, wenn ich aus Ablehnung töte (siehe oben das Beispiel mit dem Regenwurm), überzeugt mich davon, dass da kein "Hass" war. Und Gier und Verblendung ebenfalls nicht.


    mkha':


    Ich verstehe, dass die harte Reaktion pamokkhas leicht irritierend ist, allerdings stellt das Gebot des „Nicht-Verletzens“ (skt. ahiṃsā). eines der „fünf Grundgebote der Sittlichkeit“ dar und gebietet, vom „Töten lebender Wesen“ (skt. prāṇātipāta) Abstand zu nehmen. Punkt.


    (...)
    Es heißt, in den meisten Fällen gehe das Denken dem Reden und der Tat voraus. Analysiert man also seine Motivation, (ohne sich selbst etwas vorzumachen), erkennt man recht leicht, ob das eigene Denken, Reden und Handeln karmisch heilsam oder unheilsam ist, (stark vereinfacht könnte man sagen: egoistische Motive unheilsam, selbstlose Motive heilsam).


    Du hast, mit der Motivation helfen zu wollen, alles getan, um die schwere der Erkrankung für das Tierchen erträglicher zu machen. Du hast Dich fachlich beraten lassen und bist, aufgrund mitfühlender Motive, zum Wohle Deines Lieblings, der Ansicht des Tierarztes, dass es angezeigt sei, das nicht zu lindernde Leiden des Tieres zu beenden, gefolgt. Hättest Du dieses Karma nicht auf Dich genommen, wäre Das Tier bis zu seinem natürlichen Tod den nicht zu lindernden Schmerzen ausgesetzt gewesen. ... Meines Erachtens war das eine absolut selbstlose Tat zum Wohle des Tieres.


    Vielen Dank für Deine freundlichen Worte!


    Ja, die Auffassung Pamokkhas hinsichtlich des Gebots des Nicht-Verletzens ist mir ganz klar.
    Weniger klar ist mir, ob er das Gebot richtig auslegt.
    Denn wenn wir nichts "aktiv" tun, handeln wir doch auch. Und zwar durch Unterlassen.
    Wenn Pamokkha also verantwortlich gewesen wäre für die Katze, hätte er ebenfalls folgende Alternativen gehabt:
    (1.) Der Tötung durch die Tierärztin zuzustimmen.
    (2.) Der Katze Schmerzmittel zu geben, die das Leiden nicht wirksam lindern, aber zu einer langsamen Vergiftung führen und also ebenfalls eine Tötung darstellen.
    (3.) Die Katze ohne Gabe von Schmerzmitteln wieder mit nach Hause zu nehmen und für extremes Leiden verantwortlich zu sein.


    Jede dieser Handlungsalternativen hätte doch "karmische Konsequenzen" gehabt.
    Nicht bloß die Zustimmung der Tötung durch die Tierärztin, sondern auch die grausameren Alternativen durch Unterlassen bzw. langsame Tötung.


    Sehe ich das falsch?


    Da scheint doch bei der gängigen Auslegung des "Nicht-Verletzens" irgendwie die Illusion eine Rolle zu spielen, dass es gar keine karmischen Konsequenzen habe, wenn man scheinbar "nichts tut".
    Doch das Unterlassen kann grausamer sein als eine direkte Tötungshandlung.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Man könnte die buddhistische Ethik natürlich so umformulieren, dass daraus ein "negativer konsequentialistischer Handlungsutilitarismus" wird.


    Das ist keine Umformulierung, sondern die buddhistische Ethik schlicht auf einen kurzen Nenner gebracht.
    (...) eine 'Technik' um damit zu einem Ergebnis zu kommen, also die Orientierung / Bewertung des Handelns anhand seiner Eignung, zu einem Ziel (hier: Überwindung von Duhkha) zu führen ist - bezogen auf die Handlungsempfehlungen der sikkhapada - Utilitarismus. Da dies nicht auf ein positives Ziel gerichtet ist (etwa Erlangung von Glück), sondern auf ein negatives (Überwindung von Duhkha), handelt es sich um einen negativen Utilitarismus. Da dabei die Handlungen an ihren Folgen gemessen werden (führen sie zu einer Vertiefung / Perpetuierung von Duhkha oder zur Überwindung / Minderung) ist dieser Utilitarismus konsequentialistisch.


    Lieber Sudhana,


    eine philosophische Grundlagendiskussion wäre an dieser Stelle vermutlich off topic. (Wir können die Diskussion aber gern per PN führen, falls Du das möchtest.)


    Vielleicht beschränken wir uns an dieser Stelle auf das konkrete Beispiel: Wie wurde in diesem Thread bisher über die Übung bzw. das Gebot nicht zu töten, diskutiert?


    Es ging doch immer wieder hauptsächlich um die Motive des Handelnden: Waren da "Hass", "Gier" und "Verblendung"?
    Es ging nur am Rande um die konsequentialistische bzw. utilitaristische Beurteilung der Handlungsalternativen.


    Aus der Sicht eines negativen Utilitarismus müsste man die Handlungsalternativen im Hinblick auf die Minimierung des Leidens bewerten. Und käme sehr einfach zu dem Schluss, dass die Tötung der Katze durch die Tierärztin selbstverständlich die einzig richtige Entscheidung ist.


    Da es aber in der Diskussion um Handlungsmotive geht und weniger um die Idee des Minimierens von Leiden, zeigt sich doch, dass hier eine Gesinnungsethik vorliegt, keine utilitaristische bzw. konsequentialistische Ethik.


    (Sofern man den Buddhismus überhaupt mit Begriffen abendländischer Ethik-Traditionen beschreiben möchte. Ich bin da sehr skeptisch, ob das angemessen ist. Eine ausführliche Begründung würde hier zu weit führen.)

    pamokkha:

    Du kannst dir so viel in die eigene Tasche lügen, wie du möchtest. Aber muss das im Bereich buddhistische Praxis sein. Was ist immer mit den Leuten, die ihr Töten und Morden rechtfertigen müssen. Gehörst du zum Mahayana?


    Glaubst du, dass deine vorwurfsvolle und schroffe Reaktion mit persönlichen Unterstellungen richtige buddhistische Praxis ist?


    Eine angemessene Antwort auf meinen letzten Beitrag, in dem ich dir ausführlich die Situation schildere, die mich dazu brachte, die Katze zu töten?


    Du bleibst mir die Antwort schuldig, was du an meiner Stelle getan hättest.


    Stattdessen fragst du mich, ob ich zum Mahayana gehöre.



    Dann werde ich Dir jetzt ausführlich die Situation beschreiben. Da ich sowohl die Situation als auch mich selbst mit größtmöglicher Achtsamkeit wahrgenommen habe, kann ich es Dir sehr detailliert beschreiben.
    Und ich hoffe, Du kannst mir sagen, wo in dieser Situation Hass gelegen haben könnte.
    Es ist übrigens keineswegs so, dass ich etwas nicht wissen oder hören möchte. Ich übe mich seit langer Zeit darin, meinen eigenen Motiven auf die Spur zu kommen. Falls Du also ernsthaft einen Beitrag dazu leisten möchtest freut mich das, wenn Du Deine Ansichten etwas ausführlicher erläuterst oder begründest.


    Im Vorfeld konnte ich mich damit auseinandersetzen, dass ich wahrscheinlich vor der Entscheidung stehen werde, meine Katze einschläfern zu lassen.
    Damit habe ich es mir nicht leicht gemacht. Weder geht mir "Töten leicht von der Hand" noch bin ich "nicht ausreichend in Achtsamkeit geschult".


    Ich hatte im Vorfeld entschieden, jede verantwortungsvolle Möglichkeit zu nutzen, eine Tötung zu vermeiden. Und nur dann von aktiver Sterbehilfe Gebrauch zu machen, wenn die Alternative mit erheblichen Qualen verbunden wäre.


    Mit der Tierärztin habe ich vereinbart, dass sie alle Behandlungsmöglichkeiten nutzt. Die Behandlung hat eine Stunde gedauert. In dieser Wartezeit fühlte ich mich unwohl, ich war unruhig und in Sorge, weil diese Behandlung Stress für meine Katze bedeutete und mit Angst und Schmerzen verbunden war. Ich fragte mich, ob das sofortige Einschläfern verantwortungsvoller gewesen wäre, da ein Behandlungserfolg eher unwahrscheinlich war. Doch ich wollte nicht töten und war nicht sicher im Hinblick auf die Aussichten der Behandlung. Auch die Tierärztin war sich nicht sicher.


    Als ich nach einer Stunde in das Behandlungszimmer gerufen wurde, lag meine Katze auf dem Operationstisch, halbseitig kahlgeschoren und halb betäubt. Mein Gefühl: Leichtes Entsetzen, vor allem im Hinblick auf den Gedanken, dass sie durch die Behandlung vermutlich zusätzlich Schmerzen hatte.
    Das Entsetzen habe ich rasch loslassen können, um der Ärztin aufmerksam zuzuhören.
    Sie erklärte mir ausführlich die Krankheitsursachen. Und die Gründe dafür, dass die Katze nicht zu retten sei. Sie sagte, ich müsse die Katze "gehen lassen".


    Das überzeugte mich noch nicht. Ich war darauf vorbereitet, meine Katze bis zum Tod zu pflegen. Deshalb bat ich die Tierärztin, mit mir diese Alternative zu besprechen. Sie erklärte mir daraufhin ausführlich, warum sie ein solches Vorgehen für unverantwortlich halte: Schmerzmittel würden bei dieser Form von Erkrankung nicht wirksam das Leiden lindern. Außerdem sei der Einsatz von Schmerzmitteln ebenfalls eine Tötung, da die Organe der Katze nicht mehr in der Lage seien, ein Schmerzmittel abzubauen. Eine Pflege bis zum Tode mit Einsatz von Schmerzmitteln würde eine langsame Vergiftung darstellen, also ebenfalls eine Tötung, die nur länger dauere und qualvoll für das Tier sei.


    Soweit ich es wahrnehmen konnte, war die Tierärztin in Sorge, dass die Katze unnötig leiden muss. Aus der Art wie sie mit mir gesprochen hat, konnte ich entnehmen, dass sie mich wohl für fundamentalistisch religiös gehalten haben muss. Sie plädierte sehr dafür, unnötiges Leiden zu verhindern.


    Ich habe noch immer nicht eingewilligt, sondern die Situation noch kurz telefonisch mit einem Familienangehörigen besprochen.


    Danach gab ich den Auftrag, die Katze zu töten.
    Was habe ich in dem Moment empfunden?
    Vor allem zwei Gefühle, abwechselnd: Ein Gefühl der Hilflosigkeit, das Töten nicht vermeiden zu können. Und ein Gefühl der Erleichterung, weil ich auf diese Weise der Katze Leiden ersparen kann.


    Da war weder ein Gefühl von Hass im engeren Sinne. Noch im weiteren Sinne von "Aversion" dem Leiden der Katze gegenüber. Also auch nicht eine Reaktion in der Art von "Ich lehne es ab, die Katze weiter zu pflegen oder die Zeichen von Leiden weiter zu ertragen". Sondern nur das Gefühl, dass es gut ist, vermeidbares Leiden zu verhindern.


    Bei der Tierärztin waren - nach meiner Wahrnehmung - hauptsächlich das Gefühl der Erleichterung, dass ich einsichtig war und die Katze nicht unnötig leiden muss. Ansonsten war jede Handlung bei ihr völlige Routine. Ohne erkennbares Gefühl.


    Zuerst wurde die Betäubungsspritze angesetzt. Ich hielt den Kopf der Katze und hoffte darauf, dass sie einen leichten Tod haben wird.
    Die Ärztin wollte nun 10 Minuten warten, bis die Betäubung komplett wirkt und ging in ein anderes Behandlungszimmer. Ich beobachtete die Katze, während ich ihren Kopf streichelte. Achtete sehr aufmerksam auf ihre Körperfunktionen, ihre Atmung, während ich freundlich mit ihr redete.
    Die Atmung wurde immer schwächer. Zuletzt nur noch ganz leicht und ruckartig. In dem Moment war ich in Sorge, dass da womöglich etwas Leidvolles passiert, ein Ersticken vielleicht. Ich rief die Ärztin, die mich beruhigte.
    Als sie die Giftspritze ansetzte war ich ganz ruhig. Die Katze war schon völlig bewegungslos und mit starren Augen, kaum noch ein Atem zu sehen. In diesem Moment dachte ich einzig und allein "Mögest Du frei von Schmerzen sein." Bei mir Frieden, nur dieser Gedanke "Mögest Du frei von Schmerzen sein."
    Gefühl von Gleichmut.


    Soweit meine Wahrnehmung der Situation.


    Wo war da Hass?


    Wie hättest Du in meiner Situation gehandelt und Dich gefühlt?


    Und glaubt jemand, es sei moralisch besser gewesen, die Katze nicht zu töten?
    Oder es sei besser im Einklang mit buddhistischer Praxis gewesen, die Katze weiter leiden zu lassen?


    Ich habe mich jetzt wirklich bemüht, ausführlich und aufrichtig zu beschreiben. Und hoffe, dass von Dir auch eine ausführliche und aufrichtige Antwort kommt.


    _()_

    Vielen Dank für Eure interessanten Antworten!


    Tulamben:

    Ich hatte dabei immer den Eindruck, dass diese Reaktion zum einen aus der christlichen Erziehung unserer Gesellschaft resultiert (man hat einfach ostentativ zu trauern, es wird erwartet, es gehört sich so etc.), in erster Linie, um die Trauer der Öffentlichkeit gegenüber zu "beweisen".
    Zum anderen zeigt es - meiner Auffassung nach, ein gewisses Maß an Unverständnis für einen alternativen Umgang mit dem Tod, als dies die Kirche vorgibt, resultierend eben aus einer anderen Glaubensgrundlage. Hier liegt eine eingeschränkte Sicht (Anhänger der monotheistischen Religionen können viele buddhistische Gedankengänge oder Verhaltensweisen nicht nachvollziehen und was fremd ist, lehnt man tendenziell ab) vor, was wiederum für mich ein Indiz dafür ist, dass hier doch eher die Ego-Anhaftung der Personen im Vordergrund steht. Hat die christliche Trauer nicht im Ursprung eine "egoistische" Komponente? Ich trauere, ich spende Beileid (was näher an Mitleid liegt als an Mitgefühl), ich werde an meine eigene Vergänglichkeit erinnert und kann damit nicht umgehen, weil mir die christliche Erlösungsethik hier letztlich nicht weiter hilft, das zentrale Gefühl ist Angst.


    Das Mit-Leiden als Akt der Trauer ist sicherlich ein Erbe unserer christlichen Prägung. Interessant finde ich diesbezüglich das Buch von Bikkhu Analayo über "Compassion & Emptiness". Er zeigt darin, dass Traurigkeit im Gegensatz steht zur buddhistischen Praxis von Mitgefühl.


    Unsere westliche Kultur ist natürlich längst nicht mehr überwiegend "christlich". Dieses stark Anhaftende und Egofixierte gerade im Umgang mit dem Tod scheint auch ein Ergebnis der materialistisch orientierten Kultur zu sein. (Der "Existenzform des Habens" im Sinne Erich Fromms.)


    mkha':

    Du weißt gewiss, dass den Schriften der buddhistischen Philosophie nicht zu entnehmen ist, dass von einem Anhänger des Theravada, Maha-und/ oder Vajrayana erwartet wird, dass er nicht trauere. Obwohl ihm bewusst ist, dass der Tod ebenso zum Leben gehört, wie die Geburt und das Altern, empfindet auch der Buddhist Trauer, auch er gibt sich die Zeit, diese Trauer zu leben, Abschied zu nehmen.


    Spannend finde ich in dem Zusammenhang die Berichte Ajahn Brahms, der in einem seiner Vorträge darüber spricht. Er hat jahrzehntelang im Nordosten Thailands Beerdigungs-Zeremonien durchgeführt und sagt, dass Trauer über den Verlust von Angehörigen dort sehr selten sei. Das erklärt er mit der Prägung durch die buddhistische Kultur.
    Da für uns Trauer und Verlust-Wahrnehmung so selbstverständlich sind, halten wir so etwas kaum für möglich. Aber ich glaube schon, dass Ajahn Brahm die Wahrheit sagt, auch wenn er gelegentlich zu Übertreibungen neigt.
    Er spricht an anderer Stelle davon, dass er Sterbende begleitet, die keine Trauer empfinden über ihren eigenen bevorstehenden Tod, was die Krankenschwestern und Ärzte irritiert. Aus Sicht eines westlichen Arztes oder Psychotherapeuten ist das "Verdrängung" oder "Verleugnung".
    Für viele Buddhisten aber komplett selbstverständlich, ohne dass man dafür besonders "erleuchtet" sein müsste.

    Kurz gesagt: Natürlich wird nicht "erwartet", vorhandene Gefühle der Trauer zu unterdrücken. Das wäre auch sehr schädlich.
    Die in unserer Kultur üblichen Konzepte von Trauer und Verlust scheinen aber nicht so universell zu sein, wie viele glauben.



    mkha':

    Auch im Christentum heißt es: Du sollst nicht töten! ... Auch Christen werden keine Ameisen, Silberfische, Mehlmotten, Spinnen, Mücken, Hunde-oder Katzenflöhe etc. im Haus beherbergen, ... dennoch gibt es unter ihnen Schädlingsbekämpfer, Schlachter, Metzger, und Soldaten und Polizisten, sowie Tierärzte, die die Entscheidung treffen, ein schwer krankes Tier von seinen Schmerzen zu erlösen.


    Das christliche Gebot "Du sollst nicht töten" hat eine ganz andere Bedeutung als die erste Sila. Das christliche Gebot bezieht sich gar nicht auf Tiere! Es ist ein Verbot zu MORDEN. Insofern überhaupt nicht vergleichbar.
    Im Christentum ist der Metzger ein völlig legitimer Beruf. Im Buddhismus ist das höchst problematisch und wird in der Regel als unrechter Lebenserwerb verstanden.
    Auch das Töten von Ameisen, Silberfischen etc. und die aktive Sterbehilfe ist im Rahmen der buddhistischen Ethik problematisch.


    Das war doch der Gegenstand der Diskussion! ;)


    Wenn Du hier mit Verweis auf das Christentum sagst, dass es da gar kein moralisches Problem gibt, wundert mich das schon.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    1. Wenn man normalerweise von "Übung" spricht, meint man damit eine Aufgabe, die zumindest theoretisch erfüllt werden kann. Das ist bei der "Übung" der ersten Sila nicht der Fall, wie Du zurecht schreibst. (Auch der Veganer muss Leben nehmen, weil im Zusammenhang mit der Produktion der Nahrung Lebewesen getötet werden. Etc. Etc.)
    Wie kann man etwas als "Übung" ansehen, was nicht erfüllbar ist?


    Die Antwort, die ich darauf geben kann, ist notwendig von meiner Praxis - und damit von der Praxisgemeinschaft, der ich angehöre - geprägt. Ohne da jetzt allzu tief einsteigen zu wollen, ist der Kern dieser Praxis, die Übung von einem Ziel abzulösen, dessen Erreichung die Übung überflüssig macht. Natürlich bewirkt die Übung etwas - wenn Du z.B. beständig und intensiv Bogenschießen übst, wirst Du irgendwann ganz gut Deine Ziele treffen. Hörst Du dann auf zu üben, ist es damit auch bald wieder vorbei.


    Ich weiß nicht, ob der Hinweis auf die Zen-Praxis beim Umgang mit der ersten Sila wirklich hilft. Denn bei der Übung, Dich des Tötens zu enthalten, gerätst Du immer wieder in direkten praktischen WIDERSPRUCH zum Ziel der Übung.
    Weil es eben Situationen gibt, in denen es moralisch geboten ist zu töten, wenn man verantwortungsbewusst handeln möchte.
    Also müsste die Übung doch lauten: "Gehe verantwortlich mit Leben um" statt dogmatisch "Nicht töten!".
    Das wäre natürlich eine neue Interpretation der ersten Sila, aber angemessen und nützlich, meine ich.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    2. Anscheinend hast Du einen Lehrer, der diese Probleme mit der ersten Sila thematisiert. Ich frage mich, warum in allen Unterweisungen, an denen ich teilnehmen durfte, niemals auf diese wirklich grundlegenden Probleme eingegangen wurde. Mein Gefühl ist, dass das auch für buddhistische Lehrer sehr heikle und kontroverse Fragen sind.


    Es ist vor allem heikel, da allgemeingültige Grundsätze zu formulieren. Jeder muss (und soll) mit diesem Übungsfeld selbst zurechtkommen, es sich erarbeiten. Stur Regeln zu folgen, die ein Lehrer aufgestellt hat, ist eher kontraproduktiv. Das heisst nicht, dass ein Lehrer einem bei dieser Übung nicht helfen kann - aber dafür ist mE eher ein privater Austausch angemessen als ein öffentlicher Vortrag.


    Da bin ich anderer Meinung. Ein Lehrer sollte bei Einweisungen und Vorträgen auch auf Probleme hinweisen, die in der Praxis entstehen.
    "Jeder muss damit selbst zurechtkommen" finde ich da keine zweckmäßige Haltung.
    Und nicht jeder hat die Möglichkeit eines privaten Austauschs mit guten Lehrern.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    3. Als Begründung für die erste Sila wird häufig angegeben, dass es bei der Übung darum geht, sich von Hass freizumachen. Denn mit dem Töten sei Hass verbunden. Und außerdem produziere das Töten Leiden. Was ist aber nun mit all den Fällen, in denen das Töten weder mit Hass verbunden ist noch Leiden produziert. In der aktiven Sterbehilfe ist das Töten mit Liebe verbunden und reduziert Leiden!


    Auch Liebe kann da ein Fallstrick sein - das hatte ich schon versucht, anzudeuten.


    Du sprachst von "besitzergreifender Liebe, die nicht loslassen kann". Dieser "Fallstrick" hat doch mit der Sterbehilfe nichts zu tun, denn dabei muss man ja gerade loslassen.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Müsste man dann nicht sagen, dass die "Übung" hier ganz anders formuliert werden müsste? Nicht "davon abzustehen, Leben zu nehmen", sondern eben "verantwortlich mit Leben umgehen". (Was dann doch eine andere Übung ist, auch wenn jemand in seiner Praxis vielleicht beides miteinander vereinen kann.)


    Ich denke, das Wesentliche ist, zu wissen was man tut, warum man es tut und was es für Folgen hat. Da gerade der letzte Punkt häufig schwer zu erkennen ist, ist allgemein große Vorsicht, Wachheit und Achtsamkeit beim Tun ratsam.


    Ja, Achtsamkeit bei der Übung ist immer wichtig. Hier geht es aber um die Frage, ob die Übung ("nicht töten") besser formuliert werden sollte als Übung, verantwortlich mit Leben umzugehen. Wozu dann gegebenenfalls auch aktive Sterbehilfe gehört.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    4. In meiner eigenen Wahrnehmung habe ich verantwortlich gehandelt. Im Sinne der Übung, "verantwortlich mit Leben umzugehen". Aber kann man wirklich sagen, dass ich im Sinne der ersten Sila gehandelt habe?


    Was "man" da sagt, ist völlig unerheblich. Was sagst Du Dir? Was ist denn der Sinn von Sila (auch und gerade der ersten) und damit in ihrem Sinn? Duhkha mindern, an der Überwindung von Duhkha arbeiten.


    Ja, Dukkha lindern, genau. Und das ist der Grund, warum die Übung eben nicht darin besteht, sich in jedem Fall des Tötens zu enthalten.
    Dennoch wird in Einweisungen es immer so dargestellt, als ob Töten stets Leiden verursacht und das aus Hass geschehe.
    Und das stimmt eben nicht.
    Dass ich nach meiner eigenen Wahrnehmung richtig gehandelt habe, sagte ich bereits. Und wahrscheinlich würden die meisten von Euch das ebenso empfinden und handhaben.
    Dennoch ist das eben nicht die traditionelle buddhistische Auffassung. Die traditionelle Auffassung ist: Töten ist generell schlecht, ausnahmslos. Es verursacht Leiden, ausnahmslos. Und es geschieht aus Hass, ausnahmslos.


    Und diese traditionelle Auffassung ist falsch. Deshalb sollten wir die erste Sila neu formulieren.
    Das ist mein zentraler Punkt!



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Anders formuliert: Die buddhistische Ethik ist - zumindest im Ursprung - eine reine Gesinnungsethik, keine Verantwortungsethik.


    Nein. Buddhistische Ethik passt nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht in Max Webers Schema. In westlichen Termen ausgedrückt, ist buddhistische Ethik eine teleologische oder Zweckethik. Sie ist, wie ich schon oben angerissen habe, an der Überwindung von Duhkha orientiert. Enger gefasst (für diejenigen, die sich schon eingehender mit westlichen Ethikkonzepten beschäftigt haben) würde ich buddhistische Ethik als negativen konsequentialistischen Handlungsutilitarismus charakterisieren. Das geht - wegen des Gewichts, das da auf Bewertung der Handlungsfolgen gerichtet ist - schon eher in Richtung Verantwortungs- als Gesinnungsethik. Die Entwicklung einer Gesinnung, aus der sich ein entsprechendes Handeln natürlich entwickelt, ist Mittel zum Zweck (dem Telos) - und Gegenstand beständiger Übung. Und in diesem Sinn des Sich-Einübens in 'Rechte Gesinnung' - als tägliche Aufgabe - ist sie auch eine Gesinnungsethik.


    ()


    Man könnte die buddhistische Ethik natürlich so umformulieren, dass daraus ein "negativer konsequentialistischer Handlungsutilitarismus" wird.
    Es ist aber ein Irrtum zu glauben, der Buddha habe einen solchen Handlungsutilitarimus gelehrt.
    Was er gelehrt hat, ist eine Heilstechnik, also ein Weg zur Überwindung von dukkha.
    Eine solche Heilstechnik ist zunächst gar keine Ethik im Sinne philosophischer Ethik-Konzeptionen. (Wenn man das mit der Terminologie von Kant beschreiben möchte, handelt es sich dabei um hypothetische Imperative, nicht um kategorische.)
    Die Silas werden traditionell aufgefasst als "Reinigung" des Geistes. Es geht nicht primär darum, in der Außenwelt etwas zu bewirken mit seinen Handlungen.
    Insofern ist es verfehlt, die Silas konsequentialistisch bzw. utilitaristisch aufzufassen.


    Ellviral:

    Ich mach das schon sehr lange so das ich nur dann "töte" wenn ich weder Hass noch Gier noch Glauben wollen als Gefühle habe. Entweder ist da Neutralität, Mitgefühl oder bedingungslose Liebe. Dann tue ich das was zu tun ist und dann brauch ich weder Regeln noch Riten. Auch wenn das in den Augen anderer Herzlos ist macht mir das kein Leiden.


    Das kann ich gut nachvollziehen.
    Wobei es ja schon eine "Regel" ist, wenn Du Dein Handeln an dem orientierst, was Du beschreibst.


    pamokkha:
    Frieden-und-Freude:

    Also ein Töten ohne Hass.


    Das ist schlicht nicht möglich.


    Könntest Du das näher erläutern? Warum sollte das nicht möglich sein?


    Konkret: Wenn ein Tierarzt einer Katze eine tödliche Spritze gibt, um sie von Leiden zu befreien: Wo ist dabei der Hass?


    Wenn der Halter dieser Katze dieser Handlung zustimmt: Wo ist dabei der Hass?


    (Ich finde jedenfalls keinen Hass bei mir. Und habe auch bei der Tierärztin keinen wahrgenommen.)


    _()_

    Was sich gerade ziemlich merkwürdig anfühlt: Einige Menschen in meinem persönlichen Umfeld verstehen es nicht, dass ich keine Trauer empfinde. Gerade Menschen, die bereits ein geliebtes Tier verloren hatten und tief trauerten deswegen, verstehen das als eine Art "Herzlosigkeit" bzw. als eine komische buddhistische Moral. So als ob da eine Religion den Menschen aus ideologischen Gründen verbieten würde zu trauern.


    Das habe ich bisher noch nie so klar empfunden, dass Trauer regelrecht erwartet wird.




    Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!


    Ja, es ist eine Übung. Im Gegensatz zu der in unserem Kulturkreis üblichen Ethik der strikten Gebote und Verbote.
    Bei dem, was Du schreibst, beschäftigen mich gerade vier Punkte:


    1. Wenn man normalerweise von "Übung" spricht, meint man damit eine Aufgabe, die zumindest theoretisch erfüllt werden kann. Das ist bei der "Übung" der ersten Sila nicht der Fall, wie Du zurecht schreibst. (Auch der Veganer muss Leben nehmen, weil im Zusammenhang mit der Produktion der Nahrung Lebewesen getötet werden. Etc. Etc.)
    Wie kann man etwas als "Übung" ansehen, was nicht erfüllbar ist?


    2. Anscheinend hast Du einen Lehrer, der diese Probleme mit der ersten Sila thematisiert. Ich frage mich, warum in allen Unterweisungen, an denen ich teilnehmen durfte, niemals auf diese wirklich grundlegenden Probleme eingegangen wurde. Mein Gefühl ist, dass das auch für buddhistische Lehrer sehr heikle und kontroverse Fragen sind.


    3. Als Begründung für die erste Sila wird häufig angegeben, dass es bei der Übung darum geht, sich von Hass freizumachen. Denn mit dem Töten sei Hass verbunden. Und außerdem produziere das Töten Leiden. Was ist aber nun mit all den Fällen, in denen das Töten weder mit Hass verbunden ist noch Leiden produziert. In der aktiven Sterbehilfe ist das Töten mit Liebe verbunden und reduziert Leiden!


    Müsste man dann nicht sagen, dass die "Übung" hier ganz anders formuliert werden müsste?
    Nicht "davon abzustehen, Leben zu nehmen", sondern eben "verantwortlich mit Leben umgehen". (Was dann doch eine andere Übung ist, auch wenn jemand in seiner Praxis vielleicht beides miteinander vereinen kann.)


    4. In meiner eigenen Wahrnehmung habe ich verantwortlich gehandelt. Im Sinne der Übung, "verantwortlich mit Leben umzugehen". Aber kann man wirklich sagen, dass ich im Sinne der ersten Sila gehandelt habe? Auch aktive Sterbehilfe nimmt Leben.





    Sudhana:


    Eine Anmerkung noch zu dieser Geschichte:

    Frieden-und-Freude:

    Ich muss bei solchen Sachen immer gleich an die Geschichte mit dem Zen-Kloster denken, in dem ein Hund für das Töten zuständig ist, damit die Mönche friedlich und vermeintlich im Einklang mit allen Tugendregeln meditieren können.


    Katzen stellen für japanische Tempel - insbesondere in Städten - häufig ein echtes Problem dar. Und zwar, weil viele Japaner, die ihrer Hauskatze überdrüssig sind, sie dort aussetzen und sich damit beruhigen, dass die Mönche sich ihrer aus Mitgefühl annehmen. Wenn die Zahl der Katzen zu sehr zunimmt, steht man dann irgendwann vor der Entscheidung, ob man aus dem Tempel ein Tierasyl macht. Oder, ob man statt 20 oder 30 Katzen einen Hund mit durchfüttert. Nicht unbedingt, dass der dafür die Katzen tötet, sondern dass er sie fern bzw. 'Tierfreunde' davon abhält, dort Katzen auszusetzen. Sicher kann man geteilter Meinung darüber sein, ob das eine angemessene Lösung ist und ich weiss natürlich auch nicht, ob das in dem von Dir beschrieben Fall so ablief. Aber häufig stellen sich die Dinge bei näherer Betrachtung etwas anders dar als auf den ersten Blick.


    Ja, soweit ich mich erinnere, ist das genau die Situation, die in dem Buch beschrieben wird. Gut, dass Du das ergänzt, denn es macht das Handeln der Mönche ein wenig nachvollziehbarer. (Wobei der Hund in dem Fall offenbar tatsächlich stillschweigend die Aufgabe hatte, Katzen zu töten, nicht bloß Katzenbesitzer abzuhalten.)
    Trotz allem Verständnis für die Situation bleibt da etwas, was mich beschäftigt:
    Die buddhistische Ethik hat doch die Tendenz, in erster Linie dafür zu sorgen, sich die eigenen Hände nicht schmutzig zu machen. Das hängt damit zusammen, dass ihr Ausgangspunkt die Idee der "Reinigung" ist. (Die Silas dienen der Reinigung des eigenen Geistes.)
    Anders formuliert: Die buddhistische Ethik ist - zumindest im Ursprung - eine reine Gesinnungsethik, keine Verantwortungsethik.



    Vielen Dank auch für Deine Antwort!


    Das mit der "Tasse Blut trinken" ist eine starke Metapher.
    Anscheinend soll sie bedeuten, dass wir ständig "Blut trinken", also Leben nehmen müssen.
    Wenn das jetzt nur diesen beschreibenden Sinn hat, verstehe ich die Metapher.
    Oder geht der Sinn noch darüber hinaus? :)


    Wenn Du darauf verweist, dass die Silas "Übungen" sind, löst das noch nicht die Probleme, die ich angesprochen habe:
    Es kann in manchen Situationen wichtig und richtig sein, Leben zu nehmen. Solche Situationen werden bei der ersten Sila einfach gar nicht berücksichtigt!
    Das betrifft nicht bloß die aktive Sterbehilfe, so wie in der Situation mit meiner Katze.
    Wenn jemand "Ungeziefer" tötet, muss das nicht bedeuten, dass dieser Mensch noch mehr üben sollte, um die Situation in Zukunft besser zu bewältigen. Denn es kann sein, dass das Töten von "Ungeziefer" eine richtige und verantwortungsbewusste Entscheidung war.
    Stell Dir vor, Du bist als Familienvater verantwortlich für die Gesundheit Deiner Familie. Und die Hygiene in Eurer Wohnung wird beeinträchtigt durch Schädlinge, die sich nicht friedlich vertreiben lassen.
    Wenn Du sie tötest, ist das eine verantwortungsbewusste und ethisch richtige Handlung, obwohl es im Widerspruch zur "Übung" steht, kein Leben zu nehmen.


    Solche Fälle werden einfach nicht berücksichtigt ...


    Ich habe auch keine Lösung dafür. Nur das ganz deutliche Gefühl, dass da ein echtes Problem buddhistischer Ethik vorhanden ist. (Was dann wohl auch der Grund dafür ist, dass viele Dhamma-Lehrer bei Unterweisungen in Sila über solche Fragen gar nicht erst sprechen.)


    Herzliche Grüße
    _()_

    Heute Abend war es dann soweit, früher als gedacht. Die Tierärztin hat dringend dazu geraten, die Katze "gehen zu lassen". Ich habe mit der Tierärztin über mögliche Alternativen gesprochen, doch eine Behandlung mit Schmerzmitteln war gar nicht möglich.


    Also habe ich mich für aktive Sterbehilfe entschieden. Und ihren Kopf gehalten, während sie friedlich starb.


    Ich habe dabei "Mögest Du frei von Schmerzen sein" gedacht und das auch so gefühlt. Auch nach dem Tod der Katze. Auf der Heimfahrt mit dem Leichnam im Auto ein Moment der Trauer ("etwas verloren zu haben"), doch auch dieses Gefühl kam kurz auf und verschwand dann wieder.
    Ja, ich bin überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war.


    Habe ich nun ein "Gelübde" gebrochen?


    Wenn ja, stört es mich nicht. Denn dann passt das "Gelübde" nicht auf solche Situationen.
    (Die 5 Silas sind ja ohnehin keine starren Prinzipien, sondern eher Übungs-Regeln.)





    Ja, genau, lieber Rolf, mit Verantwortung meine auch ich keineswegs so etwas wie "Schuld". Das ist ja gerade das Gute am Buddhismus, dass dieser destruktive Schuld-Begriff hier nicht existiert.
    Wobei ich da sogar noch weiter gehe und auch meine, dass wir selbst bei aktiven Handlungen, die schädlich/"unheilvoll" waren, so ein selbstquälerisches Schuldgefühl gar nicht brauchen. (Also im Gegensatz zur christlichen Idee von Schuld oder Sünde, verbunden mit moralischer Zerknirschtheit und aggressiven Selbstanklagen.)


    Was ich meine, ist:
    Wir sind komplett verantwortlich für die Folgen unserer Taten, ebenso wie unserer Unterlassungen (die ja ebenfalls Taten sind), aber ohne deswegen "Schuld" empfinden zu müssen.
    Höchstens so ein Gefühl von "konstruktiver Reue/Scham", also etwas, was uns motiviert, es beim nächsten Mal besser zu machen.


    Zu dem Töten von "Ungeziefer": Ja, da sind wir derselben Meinung, Töten ist Töten. Auch ich übe mich darin, selbst "Schädlinge" leben zu lassen. Wobei es da tatsächlich ebenfalls Situationen gibt, in denen das mit so großen Nachteilen verbunden ist, dass es praktisch unmöglich ist. (Z.B. bei einem Befall des Wohnraumes mit bestimmten Schädlingen, die wirklich schädlich sind und sich nicht friedlich entfernen lassen.)


    451:

    @ F & F
    Kurzantwort


    Frettchenjagd ist jagdscheinpflichtig - das darf nur der Jäger! Das meinte ich auch nicht. Mir ging es nur um die eventuelle Abschreckung von Duftmarken, die das Frettchen vielleicht setzen könnte.
    Ansonsten sprichst du den Bereich Tierethik an. Da bin ich sehr vorbelastet, da ich viele Jahre für Tierrechte gestritten habe. Dieses Thema ist sehr vielschichtig und birgt viel Konfliktpotential ; o ) , dem ich mich heute in einem Forum keinesfalls mehr aussetzen werde.


    On topic: Du scheinst mir nun gefestigte Gedanken und Absichten für die Katze zu haben. Das ist eine gute Nachricht. Die besten Wünsche für alle Beteiligten!


    Vielen Dank! Sorry, dass ich das mit den Frettchen falsch verstanden habe. ;)


    Ich muss bei solchen Sachen immer gleich an die Geschichte mit dem Zen-Kloster denken, in dem ein Hund für das Töten zuständig ist, damit die Mönche friedlich und vermeintlich im Einklang mit allen Tugendregeln meditieren können.


    Liebe Grüße
    _()_

    Herzlichen Dank für die vielen Antworten!


    Ist es nicht erstaunlich, wie unterschiedlich wir mit dieser grundlegenden Übungs-Regel ("Enthalte Dich des Tötens!") umgehen?
    Die einen möchten diese Regel konsequent in allen Situationen und auf alle Lebewesen anwenden. Für die anderen gibt es Ausnahmen von der Regel und die Notwendigkeit, in Ausnahme-Situationen nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden. Also gegebenenfalls auch bewusst gegen die Regel zu handeln.
    Daneben gibt es auch Stimmen, die sagen, dass das Tötungsverbot für manche Lebewesen ("Ungeziefer") gar nicht gilt. Und zuletzt noch jemand, der meint, dass das Tötungsverbot gar keine Relevanz für die heutige Zeit hat.


    Das sind viele unterschiedliche Meinungen, die ich alle respektiere.
    Und in meiner eigenen Familie geht es mir ebenso: Ganz unterschiedliche Meinungen und Gefühle dazu, wie wir mit der Situation umgehen sollen.


    Unsere Katze bekommt die bestmögliche Behandlung. Dennoch kann es in Kürze soweit sein, dass wir uns für das "Einschläfern" entscheiden, und zwar genau dann, wenn eine Schmerztherapie nicht ausreicht, um ein friedliches Sterben zu ermöglichen.


    Ich danke allen für die konkreten Ratschläge. Es war hilfreich, das zu lesen. Dennoch geht es mir zu nahe, die konkrete Situation der Katze hier im Forum zu diskutieren. Stattdessen möchte ich nur das grundsätzliche Problem besprechen: Das Problem mit dem Tötungsverbot in bestimmten Situationen.
    Solche Situationen gibt es immer wieder - und deshalb hat das für alle Buddhisten große Relevanz, glaube ich.


    Enel:

    Wie bitte kann man mit den Tot umgehen, sagt es mir jemand der buddha?.
    Warum gehst du nach eine Lehre, die was weiss ich wie alt ist?.
    Wenn das Tier sich quält lass es einschläfern um Gottes willen.
    Das Tier ist kein Testobject für dich, wie gut du die Lehre beherrschst oder beherzigst.


    Nun ja, ich habe die 5 Silas übernommen, weil ich der Ansicht bin, dass es gute Auswirkungen hat auf mein Handeln, wenn ich mich - soweit möglich - nach diesen Regeln richte.
    Ich stimme Dir aber zu, dass die Ethik des Buddha problematische Aspekte hat: Es geht doch bei "Sila" ursprünglich hauptsächlich um die Idee der "Reinigung", d.h. sich selbst zu "reinigen".
    Deshalb sind die Gebote ja auch als Verbote formuliert: Man soll bestimmte Handlungen unterlassen, weil das zur "Reinigung" beiträgt.
    Bekanntlich haben neuere Entwicklungen im Buddhismus versucht, diese tendentiell auf eigene Befreiung/Reinigung orientierte Denkweise zu erweitern. Ich selbst habe die 5 Übungs-Regeln von Thich Nhat Hanh übertragen bekommen, der ja versucht hat, die Regeln auch "positiv" zu formulieren.

    Dennoch bleibt das Problem beim Tötungsverbot. Eine moderne Ethik untersucht einfach die Konsequenzen von Handlungen im Hinblick auf das Glück bzw. Leiden empfindungsfähiger Wesen. Da wäre es dann sogar ein Gebot, in bestimmten Situationen aktiv zu töten, wenn dadurch vermeidbares Leiden verhindert wird und man annehmen kann, dass die Handlung wirklich im Interesse des leidenden Wesens ist.
    Im Buddhismus gibt es diese Überlegung nicht. Und das ist auch aus meiner Sicht ein grundlegendes Problem, mit dem ich seit langer Zeit hadere.



    Ellviral:

    Die Katze die bei uns ist bleibt so lange bis sie gehen muss weil es eben Zeit ist zu sterben. Für mich mag es Leiden sein für die Katze ist es nur Verfall. Die Katze wird einen Weg finden mich zu bitten sie zu befreien. Ein Arzt nimmt mir das mit Sicherheit nicht ab!


    Ungeziefer das in dem Bereich lebet in dem es nichts zu suchen hat wird effektiv beseitigt. Da habe ich mit töten kein Problem ich seh das schon lange so das das Ungeziefer zu mir kommt um befreit zu werden. Morden tu ich nicht, aus Gier, Hass, Verblendung töten ist Mord. Es ist keine GHV wenn ich Ungeziefer beseitige das ist wichtig damit ich andere die mit mir leben keine Krankheiten bekomme.
    Wer GHV erkennt nimmt Abstand vom Töten dafür braucht es keine Regel damit über die Regel geredet werden kann um sich ein leichtes Gewissen zu schaffen.


    Was machst Du bei Leidenszuständen, die sich medikamentös nicht ausreichend behandeln lassen?
    Sagst Du dann: "Das ist nur Verfall und kein echtes Leiden, weil die Katze keine Ich-Illusion hat und das deshalb gar kein echtes dukkha ist?" Oder hab ich Dich da falsch verstanden?


    Zum "Ungeziefer", also z.B. Insekten, die sich im Haus vermehren:
    Ja, wenn es gar nicht möglich ist, diese Tiere gewaltfrei nach draußen zu befördern, handele ich auch so wie Du. Also ein Töten ohne Hass.
    Andererseits ist mir bewusst, dass ich damit gegen die Übungsregel verstoße. Es gibt in der Lehre des Buddha kein Recht, ein Tier zu töten, nur weil es im Weg ist und man keinen Hass beim Töten entwickelt.


    Mir ist auch keine Tradition innerhalb des Buddhismus bekannt, die diese Regel so auslegt, dass es ein Recht gibt, "Ungeziefer" zu töten, sofern man das ohne Hass tut.



    Ich handhabe es ebenso wie Du: Für mich bleibt das Tötungsverbot gültig und ich bemühe mich sehr, es einzuhalten. Aber in bestimmten Situationen wäre es unverantwortlich, und dann töte ich unter Umständen doch.


    Zur Verantwortlichkeit: Wir sind aus meiner Sicht nicht bloß für aktive Handlungen verantwortlich, sondern auch für Unterlassungen. Etwas nicht zu tun, ist doch ebenfalls eine Handlung.
    Wenn Du von der karmischen Wirkung des Tötungsakts sprichst, gehst Du davon aus, dass eine aktive Handlung Verantwortlichkeit nach sich zieht. Wenn jemand beispielsweise einen Menschen in eine Grube stößt, ist er verantwortlich für das Leiden des Menschen in der Grube. Wenn jemand sieht, dass sich ein Mensch in der Grube befindet und entscheidet, ihm nicht zu helfen (obwohl er das könnte), ist er ebenfalls verantwortlich für das Leiden.


    Das ist ebenfalls ein Problem der ursprünglichen buddhistischen Ethik aus meiner Sicht: Es wird ungenügend berücksichtigt, dass Unterlassungen ebenfalls Handlungen sind "mit karmischer Konsequenz".


    Sherab Yönten:
    Frieden-und-Freude:

    Einerseits möchte ich vermeidbares Leiden verhindern, andererseits bin ich verpflichtet, nicht zu töten.


    Der Tod ist nicht vermeidbar und das Sterben auch nicht. Was würdest Du Dir im Falle Deines eigenen Todes/ Sterbeprozesses wünschen? Alleine diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.
    Heutzutage ist es üblich, dass der Arzt das strebenskranke Haustier einschläfert. Ein Grund dafür könnte sein, dass Herrchen oder Frauchen überfordert sind, das sterbende Haustier zu Hause zu begleiten. Könntest Du das aushalten? Wenn ja gibt es sicher Möglichkeiten, die Schmerzen anhand von Medikamenten zu lindern und gleichzeitig den natürlichen Sterbeprozess zu akzeptieren.


    Auch im Falle meines eigenen Sterbens würde ich mir eine Schmerztherapie wünschen. Und sobald diese Schmerztherapie an Grenzen stößt, halte ich Sterbehilfe oder Freitod für eine sinnvolle Option, die ich jedoch nicht leichtfertig nutzen würde.
    Wie gesagt: Es gibt Grenzen der Schmerztherapie bei Tier und Mensch.


    451:


    das Leiden, aus der Sicht eines Tieres betrachtet, ist wohl auf das Aushalten von körperlichen Schmerzen begrenzt. Wir können wohl nicht davon ausgehen, dass sich die Katze ihres Sterbeprozeßes bewusst ist und dadurch egobehaftetes Leiden ("ich muss dieses unumkehrbare Leiden weiter aushalten.." "ich möchte das nicht mehr...") zusätzlich vorhanden ist.
    (...)


    Zur Problematik "unerwünschter" Tiere. Leider habe ich da keinen konkreten Tipp. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass Duftproben von anderen Tieren oder bestimmte unangenehme Düfte die "unerwünschten" Gäste vertreiben können. Vielleicht gibt es im Bekanntenkreis einen Besitzer eines zahmen Frettchens, der sein Tier mal in deinem Garten spazieren gehen lassen möchte?


    Ich weiß gar nicht so genau, ob wir Menschen die einzigen sind, die "egobehaftetes Leiden" kennen.
    Diese Ich-Konstruktion, das Bewusstsein seiner selbst, hat sich ja evolutionär entwickelt. Bei bestimmten Tierarten ist so ein Bewusstsein seiner selbst bereits nachgewiesen.
    Das ist schwer zu beurteilen.


    Davon abgesehen: Starke Schmerzen sind definitiv Leiden, auch wenn da gar kein Ich involviert ist.


    Zu den "Schädlingen": Du schlägst den Einsatz eines "zahmen Frettchens" vor. :D
    Ich hatte zwar an bestimmte Insekten gedacht, die sich gelegentlich verbreiten. Aber es stimmt natürlich, dass wir hier auf dem Land auch Mäuse haben.


    Findest Du es aber wirklich besser, Mäuse durch ein Frettchen töten zu lassen, als Schlagbügelfallen aufzustellen? Ist es moralisch besser, ein anderes Tier dafür einzusetzen? (Im Fall von Mäusen gibt es Lebendfallen, doch auch die Lebendfallen fügen oft erhebliches Leid zu: Eine Maus in einer "Lebendfalle" wird manchmal so panisch, dass sie halb-tot ist vor Angst oder sogar tatsächlich nach einigen Stunden Qual aus Panik stirbt. Auch dafür gibt es keine wirklich gute Lösung. Jedenfalls ist eine Schlagbügelfalle in der Regel mit weniger Qual verbunden als der gezielte Einsatz eines Frettchens oder einer Katze.)


    Mich erinnert das an das Buch "Der leere Spiegel". Dort wird berichtet, dass die Mönche eines japanischen Zen-Klosters einen Hund halten, der Katzen tötet. Das Miaue der Katzen stört beim Meditieren, aber aktiv wollen die Mönche nicht töten, also wählen sie diese "Lösung".
    Für mich ist das ein Beispiel für die Probleme und Grenzen buddhistischer Ethik.


    Speziell dafür, dass übersehen wird, dass Geschehen-Lassen ebenfalls eine Handlung ist, für die man verantwortlich ist.


    Das alles sind schwierige Probleme, die mich schon lange beschäftigen. Deshalb finde ich es gut, dass wir darüber diskutieren.


    _()_

    Hallo miteinander,


    bei der Übungs-Regel, sich des Tötens zu enthalten, gibt es ja verschiedene praktische Probleme.


    Mir waren diese Probleme zwar immer bewusst, ich finde aber in manchen Situationen keine gute Lösung dafür.


    Aktuell: Meine Katze ist sehr alt und krank. Wenn ich sie zum Tierarzt bringe, wird der Tierarzt vermutlich vorschlagen, sie "einzuschläfern". Mir ist im Moment nicht klar, wie ich mich in diesem Fall verhalten soll: Einerseits möchte ich vermeidbares Leiden verhindern, andererseits bin ich verpflichtet, nicht zu töten.


    Wenn ich mich aber gegen das "Einschläfern" entscheide, bin ich direkt verantwortlich für das Leiden, das dadurch entsteht.


    Ein anderes Problem ist der Umgang mit "Ungeziefer" im Haus. Ich wohne auf dem Lande und da gibt es immer mal wieder die eine oder andere Plage. Manchmal kann man das Problem mit Lebendfallen lösen, manchmal aber auch nicht. Und wenn man dann auf das Töten verzichtet, entstehen unhygienische Zustände.


    Wie geht Ihr damit um?


    Herzliche Grüße
    _()_