Das Hauptanliegen dieser Notizen zum Dhamma ist es, gewisse gängige, zumeist traditionelle Fehlinterpretationen der Pali-Suttas aufzuzeigen und als Ersatz dafür etwas anzubieten, das sicherlich weniger leicht, aber vielleicht auch weniger unzulänglich ist. Diese Notizen gehen daher davon aus, dass der Leser mit den Originaltexten vertraut ist (oder bereit ist, es zu werden), und
zwar in Pali (denn selbst die kompetentesten Übersetzungen machen Abstriche bei der erforderlichen Genauigkeit zu Gunsten des Stils, und die restlichen sind ernstlich irreführend). Außerdem gehen sie davon aus, dass das alleinige Interesse des Lesers an den Pali-Suttas eine Sorge um das eigene Wohlergehen ist. Es wird angenommen, dass sich der Leser subjektiv mit einem beunruhigenden Problem auseinandersetzt, dem Problem seines Daseins, das zugleich das Problem seines Leidens ist. Daher gibt es auf diesen Seiten nichts, was einen professionellen Gelehrten interessieren könnte, für den sich die Frage persönlicher Existenz nicht stellt; denn das gesamte Anliegen des Gelehrten besteht darin, den individuellen Blickwinkel auszulöschen oder zu ignorieren, in dem Bemühen, die objektive Wahrheit herzustellen – eine unpersönliche Möchtegern-Synthese öffentlicher Fakten. Die im Wesentlichen horizontale Betrachtung der Dinge seitens des Gelehrten, die nach Verknüpfungen in Raum und Zeit sucht, und sein historisches Herangehen an die Texte schließen ihn von jeglicher Möglichkeit aus, ein Dhamma zu verstehen,das der Buddha selbst akálika, „ZEITLOS” genannt hat. Nur in der vertikalen Betrachtung,
geradewegs hinab in den Abgrund des eigenen persönlichen Daseins, ist der Mensch fähig, die gefährliche Unsicherheit seiner Situation zu erfassen; und nur ein Mensch, der diese tatsächlich erfasst, ist bereit, der Buddhalehre zuzuhören. Aber das menschliche Wesen, so scheint es, kann nicht sehr viel Wirklichkeit ertragen: zum größten Teil ziehen sich die Menschen erschreckt und bestürzt von diesem schwindelerregenden Blick auf das Dasein zurück und suchen Zuflucht in
Ablenkungen.
(aus dem Vorwort von "Nottzen zum Dhamm" des ehrwürdigen Ñáóavìra Thera)