Beiträge von Myoho im Thema „Fragen: Chanten, SGI, Nichiren, Theorie, Praxis“

    Diesmal geht es mir konkret um die "Bedingte Entstehung". Weiß jemand, ob Nichiren was dazu geschrieben hat? Wenn ja, in welcher Gosho? Oder sucht man das besser bei anderen buddhistischen Denkschulen?


    Hallo NeuChanten,


    ich bin kein wirklicher Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich versuche mal einen einigermaßen informativen Bogen zu spannen :grinsen:


    das Bedingte Entstehen scheint bereits, laut diesem Wikipedia-Artikel durch Buddha Shakyamuni selbst dargelegt und im Pali-Kannon niedergeschrieben worden zu sein (ich bin kein Kenner des Pali-Kannon! :nosee:).


    Der indische Gelehrte und Mönch Nāgārjuna hat später dann die, für den Mahayana-Buddhismus elementare Sichtweise des "Madhyamaka" ("Mittlere Weg") begründet. Hier geht es vor allem um die richtige Sichtweise und das richtige Verständnis des Begriffs "Leerheit". Verbunden mit dem Bedingten Entstehen ist auch der Begriff der "zwölfgliedrigen Kette des Bedingten Entstehens". Eine gute Einarbeitung in diese Themen bildet meiner Meinung nach die Buchreihe "Gateway to Knowledge I-IV", die Übersetzung eines grundlegenden Textes des tibetischen Gelehrten Jamgon Mipham Rinpoche (1846-1912), da hier die Grundlagen des Abhidharma, Prajnaparamita und Madhyamka behandelt werden, als auch auf die unterschiedlichen Ansätze zwischen Hinayana und Mahayana eingegangen wird. Aber natürlich gibt es auch Übersetzungen der wichtigsten Schriften von Nāgārjuna selbst.


    In China formulierte und interpretierte der Mönch Tiantai Zhiyi die Madhyamaka-Philosophie etwas um und drückte es als die "Dreifache Wahrheit" aus, was sich auch wieder in seinem Konzept von Ichinen-Sanzen ("Dreitausend Bereiche in einem Einzigen Lebensmoment") wiederspiegelt. Eines seiner wichtigsten Werke aus denen Nichiren immer wieder zitiert ist Das Große Innehalten und Betrachten worin er auch die aufgeführten Ansichten darlegt.


    Über Tiantai Zhiyi aus China kam dann diese Philosophie nach Japan. Zuerst (oder hauptsächlich?:?) durch den japanischen Mönch Saicho (Dengyo Daishi) der den Tendai-Buddhismus gründete und später dann zu Nichiren (Dai)Shonin, der selbst ja innerhalb der Tendai-Linie zum Mönch geweiht und ausgebildet wurde.


    Nichiren (Dai)Shonins Intention war es meiner Meinung nach, die Lehren des Lotos-Sutra einer breiten Zuhörerschaft darzulegen und daher verzichtete er wohl auf umfangreiche philosophische Werke. Dennoch sind viele seiner Aussagen für mein Empfinden sehr tiefgründig und zeugen von einem tiefen Verständnis der buddhistischen Lehre. Mit Sicherheit gibt es viele Gosho von ihm, in denen er auf irgendeine Art und Weise Bezug auf das Bedingte Entstehen nimmt, nur kenne ich nicht alle auswendig :(. Soweit ich aber weiß, ist die erste von ihm verfasste Gosho "Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben" (Issho jobutsu sho) eine der elementarsten Schriften in Bezug auf das Bedingte Entstehen und die buddhistische Lehre im allgemeinen.


    Ich hoffe diese Infos und Links zu Literaturempfehlungen helfen dir weiter und noch mehr hoffe ich, dass mich jemand korrigiert, sollte ich irgendwo etwas grundlegend falsches geschrieben haben.



    Viele Grüße und weiterhin viel Inspiration

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    Myoho



    Hallo NeuChanten!


    Obwohl ich die Forumsbeiträge hier regelmäßig verfolgt habe, sah ich bisher keine Notwendigkeit mich an Diskussionen zu beteiligen. Doch deine Aussage (bitte nicht persönlich nehmen!) du seist Mitglied der SGI seit 14 Jahren und weißt eigentlich kaum etwas über die Inhalte oder Unterschiede hat mich dann doch etwas schockiert :?.


    Benkai hat ja bereits einige deiner Fragen beantwortet, und somit will ich mich auf deine dritte Frage beschränken:


    a) die Gosho von Nichiren sind seine eigenen Schriften, welche er zur Ausübung des Lotus-Sutra und zur Darlegung seiner Ansichten verfasst hat. Darunter sind folgende 5 Abhandlungen elementar:


    Rissho ankoku ron "Über das Etablieren der richtigen Lehre für Frieden im Land"

    Kaimoku sho "Das Öffnen der Augen"

    Nyorai metsugo gogohyakusai ni hajimu kanjin no honzon sho "Das Objekt der Widmung zum Betrachten des eigenen Lebens, errichtet in der fünften Fünfhundertjahr-Periode nach dem Dahinscheiden des So Gekommenen"

    Senji sho "Die Wahl der Zeit"

    Ho´on sho "Über das Begleichen der Dankesschuld"


    Darüber hinaus enthalten die Gosho auch Briefe an seine Schüler und Unterstützer in denen Nichiren (Dai)shonin ihnen Anleitungen, Belehrungen und Inspiration vermittelt.


    Von den Gosho gibt es, seitens der Soka Gakkai, eine vollständige, zweibändige Übersetzung ("The Writings of Nichiren Daishonin Vol. I+II"), sowie eine deutsche Übersetzung des ersten Bandes. Seitens der Nichiren Shu gibt es sowohl Übersetzungen der wichtigsten Schriften, als auch eine, bisher aus sieben Bänden bestehende neue Übersetzung in "moderner" englischer Sprache, welche ich für sehr gelungen und empfehlenswert halte --> Nichiren Shu Books.


    b) Das Lotus-Sutra gibt es in bereits in mehreren Übersetzungen, wobei ich persönlich die deutsche Übersetzung von Borsig nicht gut finde, da sie mir zu viele christlich geprägte Wortschöpfungen und Paralellen benutzt. Ich selber bevorzuge die englische Übersetzung von Burton Watson, da bei dieser Übersetzung bewusst auf christianisierte Worte und Vergleiche verzichtet wurde und diese Übersetzung auch die beiden sogenannten "Opening and Closing Sutras" beinhaltet. Aber auch bei dem Shop der Nichiren Shu gibt es eine englische Übersetzung.


    c) auch das von Benkai zitierte Buch "Nichiren - der Ausübende des Lotus Sutra" kann ich nur wärmstens empfehlen!


    d) auch gibt es gute Bücher zur Bedeutung des Gohonzon seitens der SGI-UK zum Nichikan Gohonzon der in der SGI vergeben wird oder zum Shutei Gohonzon der in der Nichiren Shu Verwendung findet. Anscheinend gibt es leider immer noch zuviele Praktizierende, die keine Ahnung von der Symbolik und Bedeutung der einzelnen Elemente eines Gohonzon haben und nach wie vor überzeugt davon sind, es sei irgendein "Harry-Potter-Zauberdingsbums" was Wünsche erfüllt. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als eine solche naive Ansicht!


    Ansonsten kann ich dir wirklich nur empfehlen dich zu informieren, zu lesen und zu studieren. Dies hat auch Nichiren (Dai)shonin selbst seinen Schülern empfohlen und ans Herz gelegt. Auch macht es großen Sinn, sich neben den Texten von Nichiren mit den Texten von Chih-i Tien-t´ai und Dengyo Daishi (Saicho) zu befassen. Gerade aus Chi-i Tien-t´ais "Das Große Innehalten und Betrachten" und "The Profound Meaning of the Lotus-Sutra" zitiert Nichiren immer wieder und baut seine Lehre auf Grundlage dieser Texte auf. Von beiden Werken gibt es englische Übersetzungen.


    Was deine Sache mit dem Herzblut angeht, es stellt sich immer die Frage mit was für einer Erwartungshaltung und Motivation jemand praktiziert. Wenn schon das grundlegende Verständnis der buddhistischen Lehren und der Lehren von Nichiren (Dai)shonin fehlt, ist es natürlich schwer langfristig einen Sinn in der Praxis zu sehen. Im Nichiren Buddhismus geht es meiner Ansicht nach um das Erkennen von Ichinen zansen und der damit einhergehenden Realisierung der Buddhaschaft. Dabei dient (auch meiner Ansicht nach) das Daimoku und der Gohonzon einerseits als Weg oder Tor/Durchgang zu dieser Erkenntnis und andererseits ist es gleichzeitig bereits der vollständige Ausdruck der Buddhaschaft. Ähnlich wie es Dogen über das shikantaza sinngemäß ausdrückt, dass das sitzen bereits Buddhaschaft ist.


    Die Kontinuität spielt bei nahezu allen buddhistischen Ausübungen eine große Rolle. Der tibetische Meditationsmeister Chögyam Trungpa Rinpoche, schrieb in einem seiner Bücher über das Thema "Langeweile" bei der Praxis sogar als Notwendigkeit, den erst wenn sich unsere kleinen und begrenzten Erwartungen, Konzepte und Vorstellungen in der Praxis erschöpf haben, ist Raum da um etwas Neues und tieferes zum Vorschein kommen zu lassen. Der Zen-Meister Dogen hat es, glaube ich, mit dem Abfallen von Körper und Geist beschrieben (hoffe ein Zen-Praktizierender verbessert mich hier, sofern ich falsche liege :grinsen:).


    Persönlich besteht meine Motivation zur Praxis aus der Einsicht meiner persönlichen Vergänglichkeit und derer meiner Mitmenschen die mir nahestehen. Diese Einsicht hat mich seit meiner Kindheit begleitet und war ausschlaggebend für meine Beschäftigung mit dem Buddhismus. Auch arbeite ich in einem Umfeld, bei dem ich mit Obdachlosen und Drogensüchtigen in Kontakt komme und damit auch mit deren seelischen und körperlichen Leiden konfrontiert werde. Darüber hinaus muss man nur mit offenen Augen in die Welt schauen um zu erkennen wie wichtig ein Umdenken und eine innere Transformation geworden sind. Politsche Unruhen, soziale Ungerechtigkeit, sinnentleerte Lebensweisen, Kriege und die systematische Zerstörung unserer Umwelt....das alles sind Faktoren die mich persönlich zum Nachdenken anregen und mich fragen lassen was kann ich persönlich dazu beitragen, was kann ich persönlich in meinem Umfeld ändern um weiteres Leid zu vermeiden? Ich glaube die Lösung für all unsere "Probleme/Krisen" tragen wir in uns und für mich bildet der Nichiren Buddhismus eine gute Grundlage dieses Potential mehr und mehr hervorzubringen und damit auch in der Welt (zumindst auch nur im Kleinen) etwas zu ändern.


    In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin viel Inspiration


    Viele Grüße

    Myoho