Fragen: Chanten, SGI, Nichiren, Theorie, Praxis

  • Guten Abend an alle. Ich habe mich angemeldet, der Anlass war eine Recherche im Internet. Mich interessiert es, ob jemand weiß, ob Daisaku Ikeda noch lebt. So kam ich hier her.

    Kurz zu mir: ich bin seit 14 Jahren Mitglied in der SGI. Daher habe ich einige der Diskussionen hier über den Nichiren Buddhismus und die SGI mit Spannung gelesen.

    Es gibt verschiedene Dinge, die mich interessieren und die ich mal in die Runde werfen will, vielleicht antwortet jemand. Würde mich sehr freuen.


    1.) Ich dachte immer als Mitglied der SGI-D ist man Mitglied im Verein (e.V.). Stimmt das nicht? Wenn nein, wo ist man denn Mitglied?

    2.) Wie ist die Praxis/Ausübung bei anderen Organisationen (z.B. Shu, Shoshu, etc.)? Ist das Gongyo SGI spezifisch oder wird das überall so gehandhabt?

    3.) Wo kann man am besten was über Nichiren und seine Lehre erfahren? Ich weiß, es gibt die Gosho. Aber die kann nicht einordnen.

    4.) Hat jemand Kenntnis davon, ob Präsident Ikeda lebt? Ich vermute (ohne Beweis, es kann auch ganz anders sein!), dass er lebt, aber schwer erkrankt ist (Parkinson, Alzheimer oder was in der Art). Ich kann mir nicht vorstellen, was passiert, wenn das wirklich stimmt und eines Tages rauskommt. Denn die Leute schreiben ihm immer noch Briefe - und kriegen Antwort von ihm. Er schickt immer noch Grußbotschaften. Das könnte eine böse Enttäuschung werden für viele, wenn so was rauskäme. Was dann der SGI angelastet würde, nicht ihm.


    Zu Frage 4: Für alle, die jetzt denken: "Wenn Du Mitglied bist, warum klärst Du das nicht dort?". Vollkommen richtige Frage Eurerseits. Ich habe schon gefragt, aber nichts rausgekriegt.


    Zu den Fragen 1-3: Ich bin Mitglied. Ich chante auch weiterhin. Aber ich bin in keiner Gruppe mehr. Es gab eine schlimme Sache, die nichts mit mir zu tun hat, aber so schlimm war, dass es mir unmöglich ist, weiter in dieser Gruppe zu sein. Es wurde jemanden großes Unrecht getan.


    In der Konsequenz gehe ich so oft ich kann nur so zum Daimoku (wo ohne Rede-Versammlung möglich) oder auch zum Weltfriedensgongyo (früher Kofu-Gongyo). Was mir fehlt, ist der Austausch mit Leuten über den Nichiren Buddhismus. Sowohl Theorie als auch Praxis. Vielleicht erhalte ich hier ein paar Antworten und Anregungen? Ich würde mich sehr freuen :).

  • kilaya

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Namaste!


    Hallo und herzlich willkommen NeuChanten!


    Vorweg: Ich bin kein Nichiren-Buddhist, verehre aber das Lotos-Sutra und sehe Nichiren Shonin als großen buddhistischen Denker. Ich habe einiges über ihn und seine Lehre und auch über die Schulen, die sich auf ihn beziehen, gelesen. Auch habe ich Erfahrungen bei den Besuchen von Andachten gemacht, allerdings nicht bei der SGI-D.


    zu 1.)

    Als Gruppen-/Sangha-Mitglied muss man nicht zwangsläufig Vereinsmitglied sein. Viele Vereine vermeiden es bewusst, alle Sangha-Mitglieder auch in den Verein aufzunehmen, denn Vereinsmitglieder haben Mitspracherechte in Bezug auf die Vereinssatzung, Mittelverwendung, Vorstandswahl, etc.



    zu 2.)

    Die Andacht bei der Nichiren Shû ist im Vergleich zu "Die Liturgie des Buddhismus Nichiren Daishonins" traditioneller und orientiert sich deutlich an Andachten der Tendai Shû, in welcher Nichiren Shonin ja ordiniert war. Die Liturgie der Nichiren Shû umfasst die Teile > Einleitung, Vers zur Öffnung des Sutras, diverse Kapitel des Sutras - hauptsächlich II und XVI aber auch andere, Odaimoku-Chanting, Bewusstmachung des Glücks dem Sutra begegnet zu sein, Gebet, Rezitation der Vier Großen Gelübde. < Sie kann auch um eine spezielle Meditation, der "Shodai Gyo Meditation" erweitert werden.


    Die Nipponzan Myôhôji-ha [die mit den Weltfriedenspagoden] chanten bei den Andachten oft ausschließlich stundenlang ununterbrochen das Daimoku und schlagen dazu im Takt ihre Trommeln.



    zu 3.)

    Das beste und umfassendste Werk ist wohl immer noch "Nichiren - der Ausübende des Lotos-Sutra". Das kann ich immer noch empfehlen, auch wenn der Autor mittlerweile nicht unumstritten ist.

    Und natürlich sollte man auch das Lotos-Sutra selbst gelesen haben. Sowohl die Ausgabe von Borsig als auch von Deeg sind gut; Thich Nhat Hanh's Buch über das Sutra ist eher eine kommentierende und interpretierende Zusammenfassung.


    zu 4.)

    Habe keine Kenntnis zu Herrn Ikedas Zustand.


    Viele Grüße,

    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Hallo Benkei,


    vielen lieben Dank für Deine ausführliche Antwort.


    Das, was Du zum Thema "Verein" geschrieben hast, ist einleuchtend. Was mit Herr Ikeda ist wird sich rausstellen.


    Ich bin Dir sehr dankbar für Deine Literaturempfehlungen. Das werde ich aufgreifen und mir anschauen.


    Du schreibst, Du bist kein Nichiren-Buddhist. Welche Art der Praxis übst Du aus?


    Ich selbst chante und finde diese Ausübung immer noch gut. Aber im Laufe der Jahre ist es mir leider so gegangen, dass ich zwar noch chante, aber mein Herzblut (wie am Anfang) fehlt. Eine Entwicklung wie man sie oft im Leben findet, sei es dass jemand mit Begeisterung ein Instrument lernt und dann nur noch so tröpfelnd übt. Mein Name hier ist bewusst gewählt: NeuChanten.


    Daher meine Frage, falls es für Dich in Ordnung ist: Welche Art der Praxis übst Du aus? Kennst Du so einen Verlauf wie ich ihn erleb(t)e auch? Hast Du die Freude und das Feuer wieder gefunden?


    Falls andere Nichiren-Buddhisten (egal ob SGI oder andere) hier sind: wie ist es bei Euch?


    Ich freue mich über jeden Austausch. Bitte seid mir nicht böse, wenn ich nicht gleich antworte, das liegt zur Zeit an einer privaten Verantwortung, so dass es leider manchmal auch länger dauern kann.


    Schön, dass es das Forum hier gibt. :heart:


    Viele Grüße

    NeuChanten

  • Ich entwickele meine Praxis kreativ immer wieder neu. Es gibt immer wieder neue Phasen. So bleibt es nie langweilig.

  • Hallo NeuChanten!


    Obwohl ich die Forumsbeiträge hier regelmäßig verfolgt habe, sah ich bisher keine Notwendigkeit mich an Diskussionen zu beteiligen. Doch deine Aussage (bitte nicht persönlich nehmen!) du seist Mitglied der SGI seit 14 Jahren und weißt eigentlich kaum etwas über die Inhalte oder Unterschiede hat mich dann doch etwas schockiert :?.


    Benkai hat ja bereits einige deiner Fragen beantwortet, und somit will ich mich auf deine dritte Frage beschränken:


    a) die Gosho von Nichiren sind seine eigenen Schriften, welche er zur Ausübung des Lotus-Sutra und zur Darlegung seiner Ansichten verfasst hat. Darunter sind folgende 5 Abhandlungen elementar:


    Rissho ankoku ron "Über das Etablieren der richtigen Lehre für Frieden im Land"

    Kaimoku sho "Das Öffnen der Augen"

    Nyorai metsugo gogohyakusai ni hajimu kanjin no honzon sho "Das Objekt der Widmung zum Betrachten des eigenen Lebens, errichtet in der fünften Fünfhundertjahr-Periode nach dem Dahinscheiden des So Gekommenen"

    Senji sho "Die Wahl der Zeit"

    Ho´on sho "Über das Begleichen der Dankesschuld"


    Darüber hinaus enthalten die Gosho auch Briefe an seine Schüler und Unterstützer in denen Nichiren (Dai)shonin ihnen Anleitungen, Belehrungen und Inspiration vermittelt.


    Von den Gosho gibt es, seitens der Soka Gakkai, eine vollständige, zweibändige Übersetzung ("The Writings of Nichiren Daishonin Vol. I+II"), sowie eine deutsche Übersetzung des ersten Bandes. Seitens der Nichiren Shu gibt es sowohl Übersetzungen der wichtigsten Schriften, als auch eine, bisher aus sieben Bänden bestehende neue Übersetzung in "moderner" englischer Sprache, welche ich für sehr gelungen und empfehlenswert halte --> Nichiren Shu Books.


    b) Das Lotus-Sutra gibt es in bereits in mehreren Übersetzungen, wobei ich persönlich die deutsche Übersetzung von Borsig nicht gut finde, da sie mir zu viele christlich geprägte Wortschöpfungen und Paralellen benutzt. Ich selber bevorzuge die englische Übersetzung von Burton Watson, da bei dieser Übersetzung bewusst auf christianisierte Worte und Vergleiche verzichtet wurde und diese Übersetzung auch die beiden sogenannten "Opening and Closing Sutras" beinhaltet. Aber auch bei dem Shop der Nichiren Shu gibt es eine englische Übersetzung.


    c) auch das von Benkai zitierte Buch "Nichiren - der Ausübende des Lotus Sutra" kann ich nur wärmstens empfehlen!


    d) auch gibt es gute Bücher zur Bedeutung des Gohonzon seitens der SGI-UK zum Nichikan Gohonzon der in der SGI vergeben wird oder zum Shutei Gohonzon der in der Nichiren Shu Verwendung findet. Anscheinend gibt es leider immer noch zuviele Praktizierende, die keine Ahnung von der Symbolik und Bedeutung der einzelnen Elemente eines Gohonzon haben und nach wie vor überzeugt davon sind, es sei irgendein "Harry-Potter-Zauberdingsbums" was Wünsche erfüllt. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als eine solche naive Ansicht!


    Ansonsten kann ich dir wirklich nur empfehlen dich zu informieren, zu lesen und zu studieren. Dies hat auch Nichiren (Dai)shonin selbst seinen Schülern empfohlen und ans Herz gelegt. Auch macht es großen Sinn, sich neben den Texten von Nichiren mit den Texten von Chih-i Tien-t´ai und Dengyo Daishi (Saicho) zu befassen. Gerade aus Chi-i Tien-t´ais "Das Große Innehalten und Betrachten" und "The Profound Meaning of the Lotus-Sutra" zitiert Nichiren immer wieder und baut seine Lehre auf Grundlage dieser Texte auf. Von beiden Werken gibt es englische Übersetzungen.


    Was deine Sache mit dem Herzblut angeht, es stellt sich immer die Frage mit was für einer Erwartungshaltung und Motivation jemand praktiziert. Wenn schon das grundlegende Verständnis der buddhistischen Lehren und der Lehren von Nichiren (Dai)shonin fehlt, ist es natürlich schwer langfristig einen Sinn in der Praxis zu sehen. Im Nichiren Buddhismus geht es meiner Ansicht nach um das Erkennen von Ichinen zansen und der damit einhergehenden Realisierung der Buddhaschaft. Dabei dient (auch meiner Ansicht nach) das Daimoku und der Gohonzon einerseits als Weg oder Tor/Durchgang zu dieser Erkenntnis und andererseits ist es gleichzeitig bereits der vollständige Ausdruck der Buddhaschaft. Ähnlich wie es Dogen über das shikantaza sinngemäß ausdrückt, dass das sitzen bereits Buddhaschaft ist.


    Die Kontinuität spielt bei nahezu allen buddhistischen Ausübungen eine große Rolle. Der tibetische Meditationsmeister Chögyam Trungpa Rinpoche, schrieb in einem seiner Bücher über das Thema "Langeweile" bei der Praxis sogar als Notwendigkeit, den erst wenn sich unsere kleinen und begrenzten Erwartungen, Konzepte und Vorstellungen in der Praxis erschöpf haben, ist Raum da um etwas Neues und tieferes zum Vorschein kommen zu lassen. Der Zen-Meister Dogen hat es, glaube ich, mit dem Abfallen von Körper und Geist beschrieben (hoffe ein Zen-Praktizierender verbessert mich hier, sofern ich falsche liege :grinsen:).


    Persönlich besteht meine Motivation zur Praxis aus der Einsicht meiner persönlichen Vergänglichkeit und derer meiner Mitmenschen die mir nahestehen. Diese Einsicht hat mich seit meiner Kindheit begleitet und war ausschlaggebend für meine Beschäftigung mit dem Buddhismus. Auch arbeite ich in einem Umfeld, bei dem ich mit Obdachlosen und Drogensüchtigen in Kontakt komme und damit auch mit deren seelischen und körperlichen Leiden konfrontiert werde. Darüber hinaus muss man nur mit offenen Augen in die Welt schauen um zu erkennen wie wichtig ein Umdenken und eine innere Transformation geworden sind. Politsche Unruhen, soziale Ungerechtigkeit, sinnentleerte Lebensweisen, Kriege und die systematische Zerstörung unserer Umwelt....das alles sind Faktoren die mich persönlich zum Nachdenken anregen und mich fragen lassen was kann ich persönlich dazu beitragen, was kann ich persönlich in meinem Umfeld ändern um weiteres Leid zu vermeiden? Ich glaube die Lösung für all unsere "Probleme/Krisen" tragen wir in uns und für mich bildet der Nichiren Buddhismus eine gute Grundlage dieses Potential mehr und mehr hervorzubringen und damit auch in der Welt (zumindst auch nur im Kleinen) etwas zu ändern.


    In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin viel Inspiration


    Viele Grüße

    Myoho

    Einmal editiert, zuletzt von Myoho ()

  • Hallo Myoho,


    vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für die ausführliche Antwort genommen hast. Was mir, außer den Lektüreempfehlungen, hilft sind Deine Ausführungen zur Praxis. Echt klasse, dass Du Dir die Zeit und Sorgfalt für die Antwort genommen hast.


    Dass Dich meine Unwissenheit schockt, kann ich verstehen. Zur Klarstellung: Natürlich kenne ich alle von Dir angeführten elementaren Abhandlungen. Natürlich kenne ich auch die Gosho. Allerdings gibt es sehr viel, was ich nicht weiß, da hast Du völlig Recht.


    Da ich mich als "Ahnungsloser Ausübender" geoutet habe, muss ich das jetzt auch aushalten. Klar, ist mir das peinlich. Aber es hat alles seine Richtigkeit und Gründe. Persönlich nehme "ich" es schon, aber auch das ist genau richtig so. ^^


    Ich hoffe, dass ich bald mehr schreiben kann.


    Jedenfalls DANKE: Nils, Benkei, Myoho.


    Liebe Grüße

    NeuChanten

  • Namaste!


    Hallo NeuChant,

    Ich übe japanisches Sôtô-Zen und vertraue auf das Grundgelübde des Buddha Amida, wie es Hônen Shonin und Shinran Shonin lehrten.


    Im Zen spricht man davon, dass man bei allen Übungen den "Anfänger-Geist" nicht verlieren soll.

    Natürlich schleicht sich irgendwann eine gewisse Routine ein; manchmal ist das Zazen eine Qual und gerade beim Sesshin fragt man sich nach der X-ten Runde irgendwann, was man hier eigentlich macht...

    Myoho zitiert ja Dôgen Zenji mit seinem "Körper und Geist sind abgefallen". Das kann man (vielleicht) in einen positiven Zusammenhang mit der Etablierung einer wünschenswerten Routine sehen, bei Meister Dôgen ist es aber auch immer ein Gleichnis für die Erleuchtung selbst... schwieriges Thema also ;)


    Ich habe für mich festgestellt, dass ich eine regelmäßige Praxis keinesfalls missen möchte.

    Dabei soll es mir egal sein, ob ich mich nun freue, Zen und / oder Nenbutsu ausüben zu können - wenn es ansteht, dann wird es vollzogen!

    Der Vergleich mit dem "Zähneputzen" drängt sich manchmal auf :zen::buddha:


    Und natürlich hat Nils recht: Praxis ist niemals statisch - sie verändert sich im Laufe der Zeit!

    Das ist ja auch eine der wesentlichen buddhistischen Wahrheiten - die Unbeständigkeit!


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Hallo NeuChanten,

    Nun werde ich auch versuchen Deine Fragen zu beantworten bzw. meine Meinung dazu abgeben:


    1. Du bist nicht Mitglied der SGI-D e.V.. Sollte sich kein dramatischer Wandel vollzogen haben, dann hat die SGI-D e.V. ziemlich genau sieben Mitglieder. Siehe hierzu auch §56 BGB. Gegen ein Entgelt kannst du über das Amtsgericht Darmstadt Einblick nehmen wer diese offiziellen Vereinsmitglieder aktuell sind. In UK firmiert die SGI als Charity in den USA meines Wissens als Corporation … allen Konstrukten ist gemein, dass die sog. Mitglieder keine Mitglieder sind. Im deutschen Vereinsrecht entstehen für Vereinsmitglieder (so wie in jedem Sport-, Taubenzüchter-, Kultur- oder Schützenverein) Rechte und Pflichten. Auch wenn manche es gerne (in gewisser Unwissenheit) es als Vereinsmeierei bezeichnen, so hat ein Verien dem Grunde nach recht demokratische Strukturen was die Mitbestimmung sowie Informations-und Offenlegungspflichten angeht – man muss eben Mitglied sein. Mir wurde einmal gesagt, dass sei ein „Schutz“ für die sog. „Mitglieder“ … die ja eigentlich gar keine Mitglieder sind. Meines Erachtens ist das eher ein Schutz der SGI vor ihren Anhängern, denn durch derlei Konstrukte bleibt die Kontrolle dort wo sie, in den Augen der SG, sein sollte – in Tokio.


    2. Sowohl die Nichiren Shu als auch die Nichiren Shoshu sind keine Organisationen sondern buddhistische Schulen. Das Gongyo bzw. die Liturgie wird in anderen Lehrrichtungen ausführlicher praktiziert – in der Nichiren Shu auch Otsutome oder auch Shōdaigyō genannt (Nichiren Shu in der Wikipedia). In der Nichiren Shu gibt es hierzu lediglich generelle Hinweise jedoch keine Regeln die in Stein gemeißelt sind, auch gibt es Ausübende die über einen gewissen Zeitraum das gesamte Lotos Sutra rezitieren.

    Besonders nach dem Ausschluss durch die Nichiren Shoshu wurde das Gongyo in der SGI kontinuierlich zusammengekürzt – ganz Kapitel als entbehrlich betrachtet. In meinen Augen auffällig ist die Tatsache in welchem Umfang den Worten Buddhas sowie den Lehren Nichirens weniger Aufmerksamkeit zuteilwurde, während im gleichen Zeitraum die „Lehren“ Ikedas bzw. der SG ein Mehr an Gewichtung erfuhren.


    3. Die Gosho heißen in der Nichiren Shu auch mitunter Goibun. Manche Schriften, die sowohl in der SGI als auch in der Nichiren Shoshu gelehrt werden, werden von der Nichiren Shu als nicht authentisch angesehen d.h. die Autorenschaft Nichirens wird angezweifelt. Diese Schriften werden in der Nichiren Shu nicht unbedingt vollkommen abgelehnt gelten jedoch als Apokryphen. Im Gegensatz zur SGI und ihren „Universitäten“ gibt es an der Risshō-Universität (Ehemals ein Priesterseminar der Nichiren Shu an dem bis in in die 1970er Jahre auch Priester der Nichiren Shoshu Buddhismuskunde studierten) einen Lehrstuhl zur Buddhismuskunde die sich derlei Themen widmet – meines Wissens in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten in Japan als auch der University of Hawaii. Gerade in englischer Sprache gibt es eine Vielzahl an Schriften die sich Nichiren widmen. Die Autorin Dr. Jacqueline Stone (Princeton University) sei hierbei besonders genannt oder auch Daniel B. Montgomery Autor von „Fire in the Lotus“, welches leider leider nicht mehr verlegt wird. Die Schriften nach Lesart der Nichiren Shu werden in englischer Sprache von der University of Hawaii Press veröffentlicht.


    4. Ob Ikeda noch lebt kann eigentlich niemand bzw. wenige Menschen mit Sicherheit sagen. Ich vermute jedoch – auch weil die Gerüchte in diese Richtung gehen – dass er unter Demenz leidet. Einige Anhänger der SGI sagen er hätte sich zurückgezogen andere sagen er werde abgeschirmt. Für sicher halte ich jedoch, dass an der Legendenbildung, die Ikeda ja selbst schon initiiert hat, weiterhin fleißig gearbeitet wird. Die Autorenschaft einiger seiner Bücher und „Werke“ wird zudem schon lange angezweifelt – sprich Ghost Writer.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass der Zerfall der SG in Japan nach Ikedas Ableben bevorsteht – Anzeichen hierfür gibt es ja jetzt schon – insofern würde man seinen Tod wohl schon erst mal nicht gleich öffentlich machen wollen. Sollte die Zersplitterung in Japan jedoch wirklich noch offensichtlicher werden, dann fällt das internationale Konstrukt durch seine zentralistische und restriktive Politik (hier wären wir wieder beim Verein in Deutschland) wohl erst einmal zusammen.

  • Antwort an Benkei:


    Liebe/r Benkei,


    vielen Dank für Deine Antwort und Ausführung bezüglich Deiner Ausübung.


    Ich habe mich länger nicht gemeldet, da ich jemanden helfen muss (auch helfen will). Das geht derzeit zeitlich vor.


    Aber Deine und Myoho's Literaturempfehlungen sind auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich bin echt froh, auch um das Buch den Gohonzon betreffend (diese Empfehlung kam von Myoho).


    Nun habe ich wieder ein Thema, was mich interessiert. Wieder oute ich mich sicherlich als Nichtwissender, aber ich vielleicht kann mir einer von Euch den Weg leuchten.


    Diesmal geht es mir konkret um die "Bedingte Entstehung". Weiß jemand, ob Nichiren was dazu geschrieben hat? Wenn ja, in welcher Gosho? Oder sucht man das besser bei anderen buddhistischen Denkschulen?


    Seit ich hier angemeldet bin, chante ich wieder regelmäßig. Mein nächstes Ziel ist das Chanten auch zu verlängern.


    Ganz liebe Grüße an Euch alle,

    NeuChanten

  • Antwort an catflap08:


    Liebe/r Catflap,


    vielen Dank für Deine Information, Wie ich schon sagte, bei Benkei, ich konnte leider nicht früher antworten.


    Für mich war es viele Jahre so, dass ich gechantet habe, auch zum Studium ging, in einer Gruppe war und auch bei Veranstaltungen. Da habe ich mich ein ganzes Stück rausziehen müssen. Dafür gibt es handfeste Gründe.


    Den Kult um Ikeda erleb(t)e ich als zwiespältig. Auf der einen Seite macht es mir zu schaffen, da ich die japanischen Versammlungen oft wie Propaganda wirkt, die man aus diversen Staatsformen kennt. Und weil das Thema "Partei" nicht wirklich thematisiert wird. Weil die Priester so schlecht gemacht werden. Ich kam erst nach dem Konflikt dazu. Einmal habe ich auch gesagt, dass die Priester doch sicher auch die Buddhanatur hätten. Das alles hat mir oft zu schaffen gemacht. Oder auch die Aussagen wie "Als Präsident Ikeda vor 30 Jahre in Deutschland war, hat er mich angelächelt, obwohl ich nur ein einfaches Mitglied war" und ähnliche Aussagen. Auf der anderen Seite hat er sicherlich mit dieser charismatischen Art vielen geholfen. Das, was er sagt, hat oft gar nicht so viel mit Buddhismus zu tun, hat aber auch auf mich oft aufbauend gewirkt, in schwierigen Zeiten. Daher denke ich, es ist wie es ist, was Daisaku Ikeda angeht, er hat auch sicherlich viel Gutes bewirkt.


    Zu Deiner Einschätzung, was die Zeit nach Ikeda angeht. Da liegst Du sicher nicht ganz falsch. Denn wie viele charismatische Machtmenschen hat er es versäumt, so weit ich es sehe, einen Nachfolger aufzubauen. Ich denke, es wird sehr spannend.


    Für mich gibt es einige Dinge, die nicht so ganz einfach sind, in der SGI, aber das hat sicher auch mit mir zu tun, wie könnte es auch anders sein? Auf der anderen Seite bietet die SGI eine Infrastruktur, die ich bei den anderen Schulen (die ja keine Organisationen sind, wie Du schreibst) nicht so einfach finden könnte.


    Aber der Austausch hier, die Beiträge von Dir und den anderen haben mir geholfen, wieder regelmäßiger zu Chanten. Außerdem bin ich motiviert die Bücher zu lesen, die Benkei und Myoho empfohlen haben.


    Herzliche Grüße

    NeuChanten

    Einmal editiert, zuletzt von NeuChanten ()

  • Diesmal geht es mir konkret um die "Bedingte Entstehung". Weiß jemand, ob Nichiren was dazu geschrieben hat? Wenn ja, in welcher Gosho? Oder sucht man das besser bei anderen buddhistischen Denkschulen?


    Hallo NeuChanten,


    ich bin kein wirklicher Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich versuche mal einen einigermaßen informativen Bogen zu spannen :grinsen:


    das Bedingte Entstehen scheint bereits, laut diesem Wikipedia-Artikel durch Buddha Shakyamuni selbst dargelegt und im Pali-Kannon niedergeschrieben worden zu sein (ich bin kein Kenner des Pali-Kannon! :nosee:).


    Der indische Gelehrte und Mönch Nāgārjuna hat später dann die, für den Mahayana-Buddhismus elementare Sichtweise des "Madhyamaka" ("Mittlere Weg") begründet. Hier geht es vor allem um die richtige Sichtweise und das richtige Verständnis des Begriffs "Leerheit". Verbunden mit dem Bedingten Entstehen ist auch der Begriff der "zwölfgliedrigen Kette des Bedingten Entstehens". Eine gute Einarbeitung in diese Themen bildet meiner Meinung nach die Buchreihe "Gateway to Knowledge I-IV", die Übersetzung eines grundlegenden Textes des tibetischen Gelehrten Jamgon Mipham Rinpoche (1846-1912), da hier die Grundlagen des Abhidharma, Prajnaparamita und Madhyamka behandelt werden, als auch auf die unterschiedlichen Ansätze zwischen Hinayana und Mahayana eingegangen wird. Aber natürlich gibt es auch Übersetzungen der wichtigsten Schriften von Nāgārjuna selbst.


    In China formulierte und interpretierte der Mönch Tiantai Zhiyi die Madhyamaka-Philosophie etwas um und drückte es als die "Dreifache Wahrheit" aus, was sich auch wieder in seinem Konzept von Ichinen-Sanzen ("Dreitausend Bereiche in einem Einzigen Lebensmoment") wiederspiegelt. Eines seiner wichtigsten Werke aus denen Nichiren immer wieder zitiert ist Das Große Innehalten und Betrachten worin er auch die aufgeführten Ansichten darlegt.


    Über Tiantai Zhiyi aus China kam dann diese Philosophie nach Japan. Zuerst (oder hauptsächlich?:?) durch den japanischen Mönch Saicho (Dengyo Daishi) der den Tendai-Buddhismus gründete und später dann zu Nichiren (Dai)Shonin, der selbst ja innerhalb der Tendai-Linie zum Mönch geweiht und ausgebildet wurde.


    Nichiren (Dai)Shonins Intention war es meiner Meinung nach, die Lehren des Lotos-Sutra einer breiten Zuhörerschaft darzulegen und daher verzichtete er wohl auf umfangreiche philosophische Werke. Dennoch sind viele seiner Aussagen für mein Empfinden sehr tiefgründig und zeugen von einem tiefen Verständnis der buddhistischen Lehre. Mit Sicherheit gibt es viele Gosho von ihm, in denen er auf irgendeine Art und Weise Bezug auf das Bedingte Entstehen nimmt, nur kenne ich nicht alle auswendig :(. Soweit ich aber weiß, ist die erste von ihm verfasste Gosho "Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben" (Issho jobutsu sho) eine der elementarsten Schriften in Bezug auf das Bedingte Entstehen und die buddhistische Lehre im allgemeinen.


    Ich hoffe diese Infos und Links zu Literaturempfehlungen helfen dir weiter und noch mehr hoffe ich, dass mich jemand korrigiert, sollte ich irgendwo etwas grundlegend falsches geschrieben haben.



    Viele Grüße und weiterhin viel Inspiration

    _()_

    Myoho



    Einmal editiert, zuletzt von Myoho ()

  • Namaste!


    Einen guten Tag allerseits!


    Neuchant:

    Diesmal geht es mir konkret um die "Bedingte Entstehung". Weiß jemand, ob Nichiren was dazu geschrieben hat? Wenn ja, in welcher Gosho? Oder sucht man das besser bei anderen buddhistischen Denkschulen?


    Ist zwar nicht von Nichiren Shonin, aber just wieder zufällig gelesen von Kôshô Uchiyama Rôshi in seinem Zen für Küche und Leben:

    "Im Flusse der Unbeständigkeit ist unsere zeitliche Form gleich einem Wirbel im Strom. Obwohl das Wasser immer weiterfließt, zeigt sich der Wirbel, ebenso wie die Flamme der Kerze, in einer beständigen Form. Die Erscheinung dieser anscheinend beständigen Form, der verschiedenen Bedingungen zugrunde liegen, nennt man die bedingte Entstehung.

    Im Falle der Flamme ist es eine Entstehung, die von Dingen wie Wachs, der Temperatur und der Luft abhängt. Im Falle des Wasserwirbels bedingen die Ausdehnung und Geschwindigkeit der Strömung, die örtliche Lage und so weiter seine Existenz."


    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Myôhô-Renge-Kyô

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Vielen Dank an Benkei und Myoho für die Erklärungen/Hinweise zu Bedingtes Entstehen. Und Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt melde. Ich bin zur Zeit sehr eingespannt, durch einen Menschen, der Pflege braucht, usw. Also hoffentlich seid Ihr nicht sauer.


    Für mich jedenfalls ist alles, was ich von Euch beiden sowie allen anderen hörte, sehr hilfreich.


    DANKE wirklich von Herzen,

    NeuChanten

  • Namaste!


    Ich wollte mal dieses Topic wieder aufgreifen, da ich eine Frage zur Ausübung und ggf. den Unterschieden in den einzelnen Nichiren-Schulen habe.

    Vielleicht kann mir der ein- oder andere Leser/Schreiber ja "Licht ins Dunkel" bringen.


    Ganz allgemein besteht der Buddha-Weg ja aus der Dreifachen Übung aus Ethik, Praxis und Erkenntnis/Einsicht [Traditionell eher "Ethik, Meditation und Weisheit" oder "Sîla, Samadhi und Prajna"].


    Im Nichiren-Buddhismus sind die letzten beiden Aspekte meines Wissens durch das Daimoku-Chanten, die Lehren des Lotos-Sutra und die überlieferten Schriften Nichiren Shonins abgedeckt.


    Wie verhält es sich aber mit dem Ethik-Aspekt?

    [Das wäre meine allgemeine Frage.]


    Und welchen Stellenwert haben die Pancasîla [jap. "Gokai"] - "Nicht Töten, nicht stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten, nicht lügen und Verzicht auf Rauschmittelgebrauch" - in den unterschiedlichen Traditionen des Nichiren-Buddhismus?

    [Wie stehen Nichiren Shû, Nichiren Shôshû, SGI, etc. jeweils zu diesen speziellen Lehren?]


    Vielen Dank vorab!

    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Namste Benkei,


    endlich habe ich etwas Zeit für ein Aufgreifen einiger deiner Fragen.


    Ich kann für die Nichiren Shu berichten, dass meistens (wahrscheinlich nicht in allen Tempeln und immer) im Rahmens der Zeremonie der Zufluchtnahme beim "Ewigen Buddha, dem Dharma und der Sangha", die 5 Silas als Gelöbnis einen Teil der Aufnahme in die Sangha ausmachen. Dabei geht es in der Interpretation aber vorwiegend darum, nicht sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen.

    Da sich diese aus dem "Edlen achtfachen Pfad" ableiten, spielen sie zusammen mit dem Pfad auch in regelmäßigen Abständen beim Studium eine Rolle. Ebenso wie die "Vier edlen Wahrheiten" Bestandteil des Studiums sind.


    Für die Aufnahme als Novize (Nyudo oder Shami) gelten dann noch andere Regeln mit der Annahme der zehn Glaubensregeln (engl. precepts), einmal die von dir oben genannten und dann:


    • Die Missetaten oder Fehler der buddhistischen Versammlung nicht zu verbreiten oder andere dazu zu ermutigen.
    • Sich nicht selbst zu loben und schlecht von anderen zu sprechen oder andere dazu zu ermutigen.
    • Nicht geizig sein oder andere dazu ermutigen.
    • Wut nicht hegen oder andere ermutigen, wütend zu sein.
    • Nicht schlecht über den Buddha, den Dharma oder die Sangha (Die drei Juwelen) zu sprechen oder andere zu ermutigen, dies zu tun.


    Diese 10 sind auch als Bodhisattva Regeln "Bosatsukai" bekannt und stammen aus dem Brahmajala Sutra (Mahayana).


    Der Weg der dreifachen Übung geht nach meinem Verständnis in der Rezitation des Odaimoku als Hauptausübung auf. Die Kultivierung des achtfachen Pfades als ethischer Leitfaden ebenso.


    Mit Gassho

    :buddha::rad:_()_

  • Namaste!


    Vielen Dank für die Infos.


    Du bestätigst meine Vermutung, dass die Nichiren Shû sich bezogen auf die Ethik ebenso wie die meisten anderen japanischen Schulen nicht vom japanischen Mainstream unterscheidet.

    Die Jukai / Bosatsukai werden genauso auch in der Tendai Shû (der "Mutterschule"), der Jôdo Shû und auch den Zen-Schulen angenommen und aufrechterhalten.


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin