Beiträge von Sudhana im Thema „Kann man durch Meditieren freiwillig in den Tod übergehen?“

    Es gibt Situationen, in denen man namarupa echt verfluchen kann, weil es einfach nicht aufgeben will und leben zu Leiden wird, nicht zu Dukkha (Leiden durch Entscheidung).

    Das sehen wir wohl ähnlich, auch wenn ich da nicht differenzieren würde. Das mit der 'Entscheidung' ist ein zumindest schwieriges Kriterium, da der Lebensbereich, der nicht in irgendeiner Form aus vergangenen Entscheidungen resultiert, nicht isoliert werden kann. Die pañca niyāma (fünf Arten von Kausalität, nur eine davon ist karmisch) sind so miteinander verwoben, dass ihre Aufschlüsselung sinnlos, reiner Theoriensport ist.


    Nehmen wir etwa den Fall einer erworbenen Genmutation, durch die die Produktion eines als Botenstoff fungierenden Enzyms nicht mehr abgeschaltet werden kann, was dann zu einer Überproduktion bestimmter Zellen führt, einer Neoplasie ('Krebs'). Wie "erwirbt" man so etwas? Im Fall der JAK2-Mutation (JAK steht für "just another kinase") soweit bekannt durch Strahlenexposition (Radioaktivität) oder eine Benzolvergiftung - nur liegen in geschätzt 98% der Fälle andere, unbekannte Ursachen vor. Da kann man natürlich spekulieren. Etwa, inwiefern für die Erkrankung die Entscheidung, etliche Jahre im 10 km - Radius eines Atomkraftwerks zu leben und zu arbeiten, eine Rolle gespielt haben könnte. Bei Erbkrankheiten ist es ja auch u.a. eine Entscheidung - die Partnerwahl der Eltern - die zur Erkrankung führt. Natürlich bringen solche Spekulationen nichts.


    Es ist eine besondere Herausforderung, wenn sich der Verfall des rupakaya in einer stark überdurchschnittlich schmerzhaften Form vollzieht - also der Faktor 'Krankheit', häufig zusätzlich zum Faktor 'Alter', dem Faktor 'Tod' den Schrecken nimmt. Was man durchaus als Chance begreifen darf, weil es das schon angesprochene 'Loslassen' erleichtert. Nur sollte es eben kein Loslassen aus Widerwille oder Resignation sein - das wäre kein mittlerer Weg, sondern 'Vernichtungssicht' (uccheda-ditthi).

    Noreply : Dein Hinweis, dass ein gewolltes Beschleunigen genauso illusionäre Spiegelfechterei ist wie ein gewolltes Aufhalten, ist sicher richtig. Es ist die Frage, ob dieser namarupa seine Funktion erfüllt hat. Es heisst, ein Erwachter sei Meister über sein Leben und Sterben - und als Buddha sah, dass niemand ihn darum bat, weiter zu leben und zu lehren, konnte er der Vergiftung seines Körpers ihren Lauf lassen. Wobei das Nirvanasutra versichert, Buddha habe nicht nur das Gift erkannt, bevor er es als dana annahm und aß, sondern er hätte auch die Fähigkeit besessen, das Gift zu neutralisieren - wenn er es denn als sinnvoll erachtet hätte.* Insofern berichtet die Überlieferung von einem "freiwilligen" (besser: durch Willen unbeeinträchtigten, nicht verhinderten) Tod; einem geschehen-lassen. In Samadhi, versteht sich. Wobei dieses nicht die Todesursache war, sondern eben eine Lebensmittelvergiftung.


    Generell ist im buddhadharma durch die erste der pañcaśīla auch Selbsttötung als unheilsam gekennzeichnet. Die Ermutigung oder Unterstützung zur Selbsttötung (Sterbehilfe) ist ein (von vier) pārājika; ein Verstoß gegen die Ordensregel, der durch Begehen zum Ausschluss aus dem Sangha führt. Pikanterweise eingeführt nach einer 'Selbstmordepidemie' im Sangha, ausgelöst durch asubha - Meditation. Freilich griff man da zu zuverlässigeren Mitteln als Meditation ... Wobei Buddha - wie ich schon angedeutet habe - bei speziellen Umständen eine Selbsttötung durchaus differenziert beurteilte. Überliefert sind die Fälle Vakkali, Godhika und Channa. Insofern hier etwas offtopic, da der Selbsttötung durch Öffnung der Pulsadern mechanisch "nachgeholfen" wurde. Der Tod trat aber wohl in Samadhi ein - in den drei Fällen (von offensichtlich weit fortgeschrittenen Praktizierenden) bestätigte Buddha das Erlangen des nibbana. Woraus sich die Doktrin ergab, dass noch im Laufe des Sterbeprozesses Arhatschaft erlangt werden kann - um so mehr ein Grund, sich hinsichtlich Tod in Geduld zu fassen und sicherheitshalber zu probieren, es schon etwas früher zu schaffen. Weil - wenn das schief geht, hat man keinen zweiten Versuch mehr ... ;)


    Das sollte und soll also in keinster Weise zur Selbsttötung ermutigen. Es sollte vielmehr Menschen mit schweren gesundheitlichen Problemen ermutigen, um so intensiver an der endgültigen Überwindung von duhkha zu arbeiten. Akzeptabel, 'heilsam', ist die Selbsttötung nur, wenn es der letzte Schritt ist. Und da sollte man sich schon sehr sicher sein, dass das wirklich der letzte Schritt ist.


    *Das ist natürlich zunächst einmal Hagiographie, deren historischer Hintergrund unsicher ist. Aber es verdeutlicht die Position des Buddhismus (zumindest des frühen) zur Selbsttötung.

    Wenn man Sterbende begleitet (etwa in der Altenpflege), kann man häufig recht gut den Moment beobachten, an dem der/die Sterbende "loslässt". Insbesondere natürlich bei Menschen, die sich besonders stark an das Leben geklammert haben. Danach geht es dann recht schnell, bis die Körperfunktionen erlöschen.


    Dieses "Loslassen" ist zum einen für geübte Meditierende einfacher und zum anderen dürfte zumindest bei buddhistischen Meditierenden das Anklammern an die Lebensreste, die letzten Reflexe des Ergreifens, (hoffentlich) eher unterdurchschnittlich ausgeprägt sein.


    Nach dem Zeugnis des Palikanon soll ein mentaler Suizid durchaus möglich sein und Buddha beurteilte so etwas in Ausnahmefällen (insbesondere bei erlangter Arhatschaft) auch als akzeptabel. Das ist als Grundbedingung schon eine ziemlich hohe Hürde. Und selbst dann sollte es einen weiteren Grund geben - etwa starke chronische Schmerzen und/oder die Gefahr eines Rückfalls.