Es gab im Verlauf dieser Diskussion vereinzelte Ansätze, das Phänomen ON soziologisch zu begreifen, so etwa Sudhanas Einführung des Begriffs 'symbolisches Kapital' von Bourdieu oder ein allgemeines - ich möchte sagen: vortheoretisches - Erstaunen über gruppendynamische Prozesse im 'Diamantweg'. Im allgemeinen ist die Diskussion allerdings - wie mir scheint - festgefahren in Grabenkämpfen zwischen jenen, die den Nydahl-Diamentweg' für eine legitime, 'moderne' Version des Buddhismus halten und jenen, die diesen Anspruch bestreiten, in der Regel mit der Behauptung, ON verletze mit einzelnen Aussagen buddhistische Standards und schade so der Sache des Buddhismus.
Ich persönlich finde nicht, dass eine Diskussion der Vorgänge aus sozusagen 'buddhistischer Innensicht' auf längere Zeit besonders viel bringt. Selbst wenn die Kritiker Nydahls ihre Ziele erreichen (Nydahl läutert sich, der Diamantweg wird aus der DBU ausgeschlossen, unter dem Nachfolger Nydahls wird alles ganz anders usw.), wird es im Buddhismus dann morgen einen Bengt Oluffson, übermorgen einen Rolf Mayer, überübermorgen einen Marcel Dufour geben, und die Diskussion geht von vorne los.
Ich möchte deshalb gerne einen Denkanstoss liefern, sich die Dynamik im Nydahl-Diamentweg einmal aus einer soziologischen Aussenperspektive anzusehen.
Vorher möchte ich ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich den Diamantweg nicht (!) für eine faschistische Bewegung halte. Es geht mir um gruppendynamische Prozesse, die sich in jedem Briefmarkensammler-Verein oder in einem Ortsverband der Grünen abspielen können. Genauso wenig geht es um eine Kritik am tibetischen Buddhismus. Auch wenn Mahakala und das Phänomen der sog. Schützer Elemente des tibetischen Buddhismus sind, böten andere Formen des Buddhismus wohl ähnliche 'Einfallstore' (siehe Myanmar, ceylonesischer Sangha im Tamilenkonflikt, Japan in den 30er und 40er Jahren).
Ole Nydahl und sein 'Diamantweg' teilen meines Erachtens nach wesentliche Aspekte mit den entstehenden faschistischen Bewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ich möchte betonen, dass ich vom 'klassischen' Faschismus in seiner Entstehungsphase rede, nicht vom Nationalsozialismus oder von einer Vulgär-Definition, nach der alles irgendwie 'faschistisch' ist, was irgendein sich links meinender Depp für politisch inkorrekt hält.
Was meine ich damit?
1. Eine charismatische Führerfigur
Jeder, der mehr als oberflächliche Bekanntschaft mit dem Nydahl-Diamantweg gemacht hat, kennt den Satz: 'Ole hat gesagt...' womit dann irgendwas begründet werden soll. Und wir brauchen uns nur Aufnahmen von seinen Reden anzuschauen: Da lauschen Gläubige dem Evangelium.
2. Sangha als 'Bewegung'
Da wird dauernd für irgendwas gesammelt, noch eine Gruppe, noch ein Land, nur kein Stillstand. Drei Jahre in einer Höhle sitzen und nachdenken. Nur nicht!
3. Bedrohung der Kultur durch Horden von aussen
Jeder in meinem Alter könnte zwar wissen, dass europäische Kultur nicht von muslimischen Horden sturmreif geschossen wurde, sondern von den Deals der CDU mit Leo Kirch zur Einführung des Privatfernsehens und von Schröder und Fischer mit Hartz IV, wo man ganze Familien zerreissen konnte, weil's 500 km weiter weg einen Job gab.
4. Männliches Kriegerethos
Hier erspare ich's nun wirklich niemanden, Julius Evola und seine Rezeption des Buddhismus zu lesen und das dann mit ON zu vergleichen
5. Massenaufmärsche
Lasst fünf Jahre wegen Unwägbarkeiten des Wetters oder sonstwas keinen Marsch auf Rom stattfinden und das war's...
6. Probleme der Nachfolge
Alles ist auf ON zugeschnitten. Nach seinem Tod oder erzwungenen Rücktritt ist niemand da, der den Laden zusammenhält.