Beiträge von Sudhana im Thema „Anatta“

    Die geistigen Funktionen ziehen sich im Schlaf zurück denke ich, sind dann sozusagen samenhaft vorhanden und entfalten sich wieder mir dem Aufwachen.

    Diesmal nur ein kurzer (versprochen) philologischer Einwurf. In solchen Konzepten arbeiteten die Sautrāntika und insbesondere das Konzept mit den bīja ('Samen', praktisch so etwas wie karmische Restmüllcontainer) wurde dann vom Yogācāra aufgegriffen. Das ist mahāyāna-Ursuppe. Heiß und fettig ....


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    Die beständigen Phänomene sind die Nicht-Produkte, also all die Phänomene, die nicht kausal enstanden sind, aber trotzdem abhängig bestehen, weil sie abhängig von ihren Teilen und ihrer Benennung sind. Beständige Phänomene sind dadurch definiert, dass sie sich nicht von Moment zu Moment wandeln wie die kausal entstandenen Produkte.

    "Das Unbefleckte(1) sind die wahren Pfade und ebenso die drei Arten von Nicht-Produkten: der Raum und die zwei Beendigungen. Der Raum ist Nicht-Behinderung.

    Die Beendigungen durch Analyse sind Freiheiten. Andere Beendigungen als die analytischen Beendigungen sind die nicht-analytischen Beendigungen. Sie bestehen darin, dass sie das Entstehen eines Phänomens endgültig verhindern."

    (Vasubandhu, Abhidharmakosa, I, 5-6)


    In den anderen Lehrmeinungsystemen des indischen Buddhismus werden noch mehr beständige Phänomene aufgezählt als von den Vaibashikas. So zählen die Sautrantikas, die der Logik folgen, auch viele begriffliche und logische Kategorien zu den beständigen Phänomen.

    Die Verständnisprobleme mit dieser kurzen Darstellung resultieren mE vor allem auf der Verwendung des Begriffs 'Phänomen' als Übersetzung für den Begriff dharma / dhamma. Gemeint mit 'dharma' ist hier nicht 'Lehre' oder 'Gesetz', sondern dharmas sind 'Gegebenheiten', gewissermaßen die Bausteine alles Seienden. Der Begriff 'Phänomen' / Erscheinung ist insofern irreführend, als er etwas voraussetzt, das ('in' dieser Erscheinung) erscheint - zu Phainomenon (der Erscheinung) gehört unvermeidlich das Noumenon (das Erscheinende), so wie zu den empirisch erfahrbaren Attributen die empirischer Erfahrung nicht zugängliche (metaphysische) Substanz gehört. Dem liegt die dualistische Ontologie des abendländischen Idealismus zugrunde; so sind Noumenon / Substanz beispielsweise Wechselbegriffe etwa zu Kants 'Ding an sich'. Das hat nun allerdings mit buddhistischer Lehre herzlich wenig zu tun - die bestreitet eben diesen Dualismus und macht vielmehr geltend, dass personale 'Gegebenheiten' (die skandhas) keine Substanz haben bzw. spätestens seit Nagārjuna auch explizit, dass eben dies für alle 'Gegebenheiten' (dharmas) gilt. Das sind die beiden Formen der 'Leere' (śūnyatā): pudgalaśūnyatā (das personale anātman) und dharmaśūnyatā (das universale anātman). Entsprechend werden die 'drei Seinsmerkmale' (trilakṣaṇa) definiert: sarve saṃskārā anitya / sarve samskārā duhkhāh / sarve dharmā anatman. Bzw. in Pali: sabbe sankhāra aniccā / sabbe sankhāra dukkhā / sabbe dhammā anattā, vgl. Uppādā Sutta A.III.137.


    Dabei sind unter saṃskāra / sankhāra (das 'Zusammengesetzte') saṁskṛta dharma ('zusammengesetzte Gegebenheiten') zu verstehen im Gegensatz zu asaṁskṛta dharma ('nicht-zusammengesetzte Gegebenheiten'). 'Zusammengesetzt' darf man hier nicht wörtlich (im Sinne eines Atomismus) verstehen. Die dharmas sind keine Bausteine oder 'Atome', saṃskāra oder saṁskṛta dharma sind vielmehr aus Ursachen und Bedingungen (hetupratyāya) heraus existierende dharmas. Die jeweiligen Ursachen und Bedingungen ihrerseits sind natürlich selbst dharmas, idR saṁskṛta dharmas. Damit, was in dem Zitat irreführend "beständige Phänomene" genannt wird, sind nun asaṁskṛta dharma gemeint. Vasubandhu nennt im Abhidharmakośa, einer Zusammenfassung des Abhidharma der Sarvāstivādin, drei asaṁskṛta dharmas: ākāśā, pratisaṃkhyānirodha und apratisaṃkhyānirodha - also der Raum sowie die im Zitat genannten "analytischen Beendigungen" und "nicht-analytischen Beendigungen". Beide nirodhas sind Formen von nirvāṇa / nibbāna, das wiederum nach dem Abhidhamma der Theravadin das einzige asaṁskṛta dharma ist. "Analytisch" ist Auslöschung durch geistige Tätigkeit, "nicht-analytisch" die Auslöschung durch Fehlen produktiver Ursachen - also das "fixierte" nirvāṇa oder parinibbāna.


    Die saṁskṛta dharma wurden gemäß Abhidharmakośa in vier Kategorien unterteilt - 11 dharmas der Form-Gruppe, Geist, 46 Begleitfaktoren (caitta, cetasika) sowie 14 unabhängige (weder Form noch Geist). Der Unterschied zwischen Vaibhāṣika und Sautrāntika (beides Unterschulen des Sarvāstivāda) lag nicht in einer anderen Systematik der dharmas, sondern hauptsächlich in unterschiedlicher Auffassung der temporalen Natur der dharmas; für die Vaibhāṣika existierten sie 'in allen drei Zeiten' (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft), während die Sautrāntika ihnen nur eine momentane Existenz zusprachen ('Augenblickstheorie'). Es gibt noch andere, nach Schulen verschiedene Systematiken der dharmas, wobei heute lediglich noch die der (entwickelten) Yogācāra-Schule von Bedeutung ist. Diese unterscheidet 100 dharmas; davon sind 5 asaṁskṛta dharma: außer den genannten drei noch zwei weitere Beendigungen (die "bewegungslose" sowie die Beendigung von assoziativem Denken und Empfindung) sowie 'Soheit' (tathatā).


    Den entscheidenden Hinweis zu unserem Thema hier findet man in den o.g. trilakṣaṇa: hinsichtlich der Merkmale Leidhaftigkeit und Vergänglichkeit (duḥkhatā / dukkhatā und anityatā / aniccatā) sind diese lediglich den saṁskṛta dharma gemein, anātman hingegen kennzeichnet ausnahmslos alle dharmas. Die (oder das) asaṁskṛta dharma hat außer anātman keine weiteren Merkmale, es ist bzw. sie sind nicht leidhaft (worum es in der buddhistischen Lehre schließlich geht) und eben auch "beständig" - wenn auch keine "Phänomene".


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