Ich bin kein Anhänger von H. Nydahl, aber dennoch stellte sich mir die Frage, aus welchen Gründen immer wieder verschiedene Aspekte diesbezüglich in den Vordergrund gerückt werden.
Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten. Letzlich handelt es sich dabei darum, wie Menschen, die sich von ihrer Lebenspraxis her als Buddhisten verstehen, mit der Gesellschaft in der sie leben interagieren sollten - wie also ihre Praxis in dieser Beziehung aussieht. Eine ethische Grundsatzfrage, die sich natürlich nicht nur Buddhisten stellt - nur folgen Buddhisten bei ihrer Beantwortung bestimmten Vorgaben. Diese Interaktion findet auf individueller Ebene unvermeidlich statt - und ich denke, es ist unstrittig, dass die Wirkungen, die von solcher Interaktion bei Buddhisten ausgehen, der Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes heilsame Impulse im Sinne des Buddhadharma geben sollten.
Darüber hinaus: solche individuellen Impulse lassen sich bündeln, was ihre Wirksamkeit erhöht. Das birgt ein Risiko, denn die Bündelung verstärkt eben nicht nur kusala karma, sondern auch akusala karma. Damit stellt sich insbesondere für eine traditionsübergreifende Organisation wie z.B. die DBU das Problem, einen Konsens darüber zu erarbeiten, was in Bezug auf die Gesellschaft heilsam / kusala ist und was nicht und damit dem Handeln eine Orientierung gibt. Anders gesagt geht es dabei darum, welche Intentionen man da bündeln will und welche nicht.
Die "verschiedenen Aspekte", die hinsichtlich Ole Nydahl und seiner Gefolgsleute "in den Vordergrund gerückt werden" sind genau die, über die in der DBU (und nicht nur dort) konträre Auffassungen hinsichtlich ihrer Heilsamkeit bestehen. Nun hat zweifellos Jeder das Recht, seine eigenen Auffassungen über Heilsamkeit und Unheilsamkeit zu hegen - ob die nun die Bezeichnung 'buddhistisch' verdienen, ist allerdings eine andere Frage. In einer Organisation wie der DBU, die Buddhisten in Deutschland als religionspolitisches Instrument, als upaya dienen soll, um heilsam in die deutsche Gesellschaft hinein zu wirken ist jedoch ein Konsens über heilsame und unheilsame Handlungsoptionen unabdingbar, wenn eine solche Organisation ihren Zweck erfüllen soll.
An die drei Jahrzehnte hat die DBU im Interesse der Einbindung des Diamantweg das Agieren Ole Nydahls ertragen. Eine Abwägung, die schon immer umstritten war. In Zeiten allerdings, wo auch in Deutschland rechtspopulistische, fremdenfeindliche und rassistische Tendenzen an Stärke zunehmen, wird die oben erwähnte "Bündelung" mit solchen Triebkräften zunehmend inakzeptabler. Da ist es überfällig, dass die DBU als eine politische Organisation auch politisch Stellung hinsichtlich des Umgangs mit Migranten und mit der islamischen Religion in Deutschland bezieht - wobei sie da schon zeitlich weit hinter den christlichen Organisationen (konkret EKD und Deutsche Bischofskonferenz) hinterherhinkt. Wenn sich die DBU dabei auf den Konsens bezieht, auf den sich ihre Mitglieder geeinigt haben, dann ist eine Diskussion und ein Urteil darüber, wie weit Ole Nydahl und seine Organisation noch auf dem Boden dieser gemeinsamen "Geschäftsgrundlage" der DBU stehen, unvermeidlich.
Um diesen Konsens kurz zu umreissen: "Die DBU fördert die Rahmenbedingungen für die Bewahrung, Darlegung und Praxis der Lehre des Buddha auf der Grundlage des Bekenntnisses" (§ 2 der Satzung, "Zweck und Ziele des Vereins") - wobei dieses
Bekenntnis u.a. ausdrücklich auf die brahmavihara verweist: "Zu allen Lebewesen will ich unbegrenzte Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und
Gleichmut entfalten, im Wissen um das Streben aller Lebewesen nach
Glück" - von einer Ausnahme hinsichtlich Muslime ist da nicht die Rede. Zumal das gemeinsam verabschiedete Leitbild der DBU diesen Ansatz wie folgt präzisiert: "Wir üben uns darin, auf der Grundlage der Lehre des Buddha und unseres
„Buddhistischen Bekenntnisses“ zum Wohle aller fühlenden Wesen im
Bewusstsein der Verbundenheit und Mitverantwortung des Einzelnen für die
Gesamtheit zu leben und zu wirken. In Übereinstimmung mit dem
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen
Menschenrechtskonvention treten wir für die Umsetzung der Menschenrechte
und Gerechtigkeit sowie für Gleichheit vor dem Gesetz - ungeachtet
ethnischer oder sozialer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung,
Sprache, Religion, Nationalität oder sozialem Status ein."
Es setzt sich zunehmend in der DBU die Auffassung durch, dass die Äußerungen Herrn Nydahls, verbunden mit der Weigerung des DBU-Mitglieds 'Buddhistischer Dachverband Diamantweg', sich von solchen Äußerungen und der dahinter stehenden Geisteshaltung unmissverständlich zu distanzieren, "das Ansehen oder die gemeinsamen Interessen der DBU schädigt" (§ 3 Nr. 8 der DBU-Satzung), was nach Satzung zum Ausschluss aus der DBU führen kann.
Das sind die Gründe, nach denen Du fragst. Es geht darum, ob das, was Herr Nydahl sagt und tut, auf Grundlage buddhistischer Ethik akzeptabel ist oder ob man sich als Buddhist davon distanzieren sollte. Vor allem, wenn man mit der von ihm geführten Organisation in einem gemeinsamen Dachverband ist und damit ein solches Verhalten als akzeptabel im Sinne buddhistischer Ethik vor der Öffentlichkeit legitimiert. Meiner persönlichen Auffassung nach aber auch eine Frage, die nicht nur DBU-Mitglieder etwas angeht. Es geht dabei darum, in ethischen Fragen Stellung zu beziehen.
Eine abschließende Anmerkung noch: eigenartigerweise hat die überwiegende Mehrheit der Buddhisten kein Problem damit, sich von vorgeblich buddhistischen Organisationen wie 969 und MaBaTha in Myanmar oder Bodu Bala Sena und Ravana Balakaya in Sri Lanka deutlich zu distanzieren und deren Agieren als unbuddhistisch bzw. zur buddhistischen Ethik in Widerspruch stehend zu bezeichnen. Hinsichtlich Diamantweg in Deutschland ist da offensichtlich Vielen die Wahrnehmung getrübt ... Da kann man schon sagen:
Um wie viel wichtiger ist es, dass wir selbst achtsamer gegenüber unseren eigenen Umständen unseres Lebens praktizieren?
Ole Nydahl und Diamantweg gehören mE durchaus zu den "eigenen Umständen unseres Leben" als Buddhisten in Deutschland - und wenn wir mit anderen Buddhisten in der DBU zusammenarbeiten, auch zu den Umständen unserer Praxis.