Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Freude“
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Eine Katze ist kein Hund und kann auch keiner werden.
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Hallo Stevie.
Die erste edle Wahrheit, die Wahrheit vom Leiden, hat ihren Platz im Bereich "Allgemeines zum Buddhismus" verdient, nicht?
Zudem gibt es die sogenannten vier Siegel, den kleinsten gemeinsamen Nenner aller buddhistischen Richtungen. Da steht:
Alles Bedingte ist unbeständig.
Alles Bedingte ist leidvoll.
Alles ist ohne eigenständiges Selbst.
Nirvana ist Frieden.
Wem diese keinesfalls optionalen sondern grundlegenden Ansichten fremd sind, weil er sie erst gar nicht kennt, oder wem sie fremd sind, weil er sie aus guten Gründen nicht teilen kann, der hat möglicherweise mit Buddhismus nicht besonders viel am Hut.
Liebe Grüße
Thorsten
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Hallo Helmut.
Hier ist noch eine weiter Definition:
A.III.56 Das sichtbare Nibbāna - 5. Nibbuta Sutta
Zitat»'Das sichtbare Nibbāna, das sichtbare Nibbāna', so sagt man, Herr Gotama. Inwiefern nun aber, Herr Gotama, ist das Nibbāna klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich?« - »Aus Gier, Brahmane, von der Gier übermannt - aus Haß, vom Hasse übermannt - aus Verblendung, von der Verblendung übermannt, umstrickten Geistes, trachtet man nach seinem eigenen Schaden, trachtet man nach anderer Schaden, trachtet man nach beiderseitigem Schaden, erleidet man geistigen Schmerz und Kummer.
Ist aber die Gier aufgehoben - ist der Haß aufgehoben - ist die Verblendung aufgehoben, so trachtet man weder nach eigenem Schaden, noch nach dem Schaden anderer, noch nach beiderseitigem Schaden, erleidet man keinen geistigen Schmerz und Kummer. Derart, o Brahmane, ist das Nibbāna klar sichtbar. Insofern man, Brahmane, diese restlose Erlöschung der Gier erfährt, die restlose Erlöschung des Hasses und der Verblendung erfährt, ist das Nibbana klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.« -
Die beiden Definitionen sind insofern identisch, als dass Heiligkeit der Zustand ist, in dem man Nirvana erfährt. Das, was man erfährt, ist aber dieser Zustand. Daher ist sind sie identisch.
Viele Grüße
Thorsten
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Was die absolute Wahrheit (wenn es denn was Absolutes ist) betrifft hat er nur ein Wort: Nirvana. Und das erklärt er nicht weiter.
Hallo Rudolf.
Es gibt eine sehr klare und einfache Definition dessen, was Nirvana ist:
Samyutta Nikaya 38. (4.) Jambukhādaka Saṃyutta
Zitat1. Nibbānapañhā Sutta
(1) "Nirvāna, Nirvāna, Bruder Sāriputto, sagt man. Was ist nun, Bruder, Nirvāna?"
"Was da, Bruder, das Versiegen von Reiz, das Versiegen von Abwehr, das Versiegen von Verblendung ist, das nennt man Nirvāna".2. Arahattapañhā Sutta
(2) "Heiligkeit, Heiligkeit, Bruder Sāriputto, sagt man. Was ist nun, Bruder Sāriputto, Heiligkeit?"
"Was da, Bruder, das Versiegen von Reiz, das Versiegen von Abwehr, das Versiegen von Verblendung ist, das nennt man Heiligkeit".
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Guten Morgen.
Es gibt (mindestens) drei Wege, "den völlig geläuterten, völlig geklärten Brahma-Wandel führen und zeitlebens dabei bleiben.".
Der erste:
ZitatDer Erhabene, Großer König, der Kenner, der Seher, der Heilige, der vollkommen erwachte, hat gesagt: 'Kommt, ihr Mönche, an Mutter statt möget ihr ein Mutterherz euch erwerben, an Schwester statt möget ihr ein Schwesterherz euch erwerben, an Tochter statt möget ihr ein Tochterherz euch erwerben'. Das ist der Grund, Großer König, das ist die Ursache, daß junge Mönche, glänzend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, ohne sich ins Getändel mit den Wünschen zu verstricken, den völlig geläuterten, völlig geklärten Brahma-Wandel führen und zeitlebens dabei bleiben".
aber:
Zitat"Lüstern, Bhāradvājo, ist das Herz, und nicht selten werden an Mutter statt begehrliche Gedanken aufsteigen, werden an Schwester statt begehrliche Gedanken aufsteigen, werden an Tochter statt begehrliche Gedanken aufsteigen. Gibt es da nun, Bhāradvājo, noch einen andern Grund, noch eine andere Ursache, daß junge Mönche, glänzend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, ohne sich ins Getändel mit den Wünschen zu verstricken, den völlig geläuterten, völlig geklärten Brahma-Wandel führen und zeitlebens dabei bleiben?"
Deshalb gibt es noch eine zweite Strategie:
Zitat"Der Erhabene, Großer König, der Kenner, der Seher, der Heilige, der vollkommen Erwachte, hat gesagt: 'Kommt, ihr Mönche, betrachtet eben diesen Körper da, von der Sohle aufwärts, vom Scheitel abwärts, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreines ausfüllt. Es gibt an diesem Körper: Kopfhaare, Körperhaare, Nägel und Zähne; Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen und Mark; Nieren, Herz, Leber, Zwerchfell, Milz, Lungen; Magen, Eingeweide, Darm, Kot; Galle, Schleim, Eiter, Blut; Schweiß, Fett, Tränen, Ohrenschmalz, Speichel, Rotz, Gelenköl, Urin.
Aber auch hier:
ZitatFür die Mönche, Bhāradvājo, die den Körper beherrscht, die Tugend beherrscht, das Herz beherrscht, die Weisheit beherrscht haben, für die ist das leicht zu tun. Aber, Bhāradvājo, für die Mönche, die den Körper nicht beherrscht haben, die Tugend nicht beherrscht haben, das Herz nicht beherrscht haben, die Weisheit nicht beherrscht haben, ist es schwer zu tun. Es kann doch manchmal sein, Bhāradvājo, daß jemand seine Aufmerksamkeit auf die Unschönheit richten will, aber daß er es doch als schön angeht."
Deshalb gibt es noch diese dritte Strategie:
Zitat"Der Erhabene, Großer König, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte hat gesagt: 'Kommt, ihr Mönche, die Tore der Sinne möget ihr hüten: Erblickt ihr mit dem Auge eine Form, hört ihr mit dem Ohr einen Ton, riecht ihr mit der Nase einen Duft, schmeckt ihr mit der Zunge einen Saft, tastet ihr mit dem Körper einen Gegenstand, wird euch mit dem Geist ein Ding bewußt, so greift nicht nach den Vorstellungen und greift nicht nach den Assoziationen. Da Begierde und Mißmut, böse, unheilsame Dinge, gar bald den überwältigen, der die Sinne nicht bewacht, so befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet die Sinne, er wacht eifrig über die Sinne'. Das ist der Grund, großer König, das ist die Ursache, daß junge Mönche, glänzend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, ohne sich ins Getändel mit den Wünschen zu verstricken, den völlig geläuterten, völlig geklärten Brahma-Wandel führen und zeitlebens dabei bleiben".
Hellmuth Hecker schreibt in einem Kommentar zu dieser Stelle:
ZitatDie drei Übungen stellen eine Rangordnung dar:
- Die beste Übung ist die Ich-Du-Gleichheit der Metta: Ist alles ein Herz und eine Seele, dann gibt es keine Gier nach einem Gegenüber mehr. Das ist die Schönheit des reinen Herzens und selbsterleuchteten Gemütes.
- Das zweitbeste ist, im Wissen um die wahre Schönheit des Lichtes die Unschönheit des Körpers zu durchschauen.
- Und das drittbeste ist, überhaupt gegenüber den Sinnesobjekten Zurückhaltung zu üben und sich durch sie nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
Einen schönen Tag wünscht euch
Thorsten
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Hallo Rudolf.
Es ist immer eine Frage, welche Konsequenzen man aus einer Erkenntnis zieht. Aus einer bestimmten Perspektive ist möglicherweise alles leidhaft, ist jede Wahrnehmung, ist das Sein insgesamt leidhaft. Erstens aber ist diese Perspektive ebenso "leer" von absoluter Wahrheit, wie jede andere. Zum anderen ist sie in keiner Weise zielführend. Denn jetzt, aus meiner derzeitigen Perspektive, ist eben nicht alles leidhaft. Es gibt viele Dinge, die mich freuen, und es gibt viele Erlebnisse, an die ich mich gerne erinnere. Wenigen Erlebnissen oder Situationen nur trauere ich hinterher. Ich empfinde die Vergänglichkeit bei weitem nicht in jedem Fall als leidhaft.
Es wäre komplett künstlich, wenn ich nun plötzlich diese Erlebnisse der Freude als Leid deklarieren würde, nur weil es irgendwo, irgendwer gesagt hat, und sei es auch der Buddha. Dennoch befinde ich mich nach wie vor in vielen Abhängigkeiten, die mich immer wieder in Leid, Angst oder Unzufriedenheit stürzen. Diese Abhängigkeiten kann ich authentisch als Dukkha erkennen. Von diesem Leiden kann ich mich zu befreien versuchen.
Durch die Beschäftigung mit der buddhistischen Lehre hat die Menge der Strukturen, die mich in Abhängigkeit unfrei gemacht haben, abgenommen. Diese aufgehobenen Abhängigkeiten (z.B. von beruflichem Erfolg oder einer bestimmten Form der Anerkennung, Ehrgeiz und diversen Ängsten) kehren, soweit ich das bisher sehe, nicht zurück, weil ich ihre Sinnlosigkeit und ihre Leidhaftigkeit für mich erkannt und begriffen habe. Diese Erkenntnis kann ich gar nicht rückgängig machen, selbst wenn ich es wollte. Ich werde durch den Buddhismus nach und nach freier. Das mag nichts besonderes sein, es ist aber höchst angenehm.
Einen weiteren Prozess kann ich beobachten: Dinge, die ich früher für erstrebenswert hielt, sind mir heute nicht mehr der Aufregung wert. Die Freude, die ich früher in verschiedenen Situtionen erlebt habe, erscheint mir heute als Konsequenz einer Abhängigkeit von verschiedenen Süchten. Es ist zumeist eine Suche nach bestimmten Formen des gesellschaftlich definierten Glücks, die mich abhängig gemacht haben und abhängig machen. Ich habe sehr gerne geraucht, die Zigaretten beim morgentlichen Kaffee oder beim Rotwein oder nach diesem und jenem waren großartig. Dennoch bin ich froh, die Sucht nach Zigaretten los zu sein. Ich habe auch gerne Wein und Bier und Schnaps getrunken, nur schätze ich die Klarheit ohne Drogen im Kopf so sehr, dass ich seit vielen Jahren gerne und freiwillig auf Alkohol, sonstige Drogen und Zigaretten verzichte. Ich würde nie sagen, dass diese Dinge schlecht sind oder leidhaft. Sie machen oft genug richtig Spaß! Es gibt eben nur etwas deutlich besseres. Nur in Relation zu Gesundheit, Freiheit und Klarheit sind Alkohol, Drogen und Zigaretten weniger gut.
Ich denke, das betrifft alle Formen des "weltlichen" Glücks. Irgendwann erkenne ich die Dinge, die mich jetzt glücklich machen vielleicht in Relation zu etwas anderem, besserem, in Relation zu einer Erkenntnis als störend oder weniger gut, so dass ich zugunsten eines tieferen Glücks, einer tieferen Freiheit gerne darauf verzichten werde. Jetzt ist das aber nicht der Fall.
Die Lehre des Buddha führt zu immer größerer Freiheit, weil die Abhängigkeiten, in denen wir uns befinden, nach und nach sichtbar werden, und man in die Lage kommt, diese Abhängigkeit zugunsten einer Freude der Freiheit abzulegen. Jede erkannte und aufgelöste Abhängigkeit ist eine Überwindung der jeweiligen Sucht. Man muss und kann aber dieser Freiheit nicht künstlich vorweggreifen, indem man Dinge als leidhaft deklariert, die es im eigenen Leben offenbar nicht sind. Man muss den Weg der allmählichen, aufrichtigen Erkenntnis gehen. Im ZEN bitten wir mehrfach am Tag um die Echtheit der eigenen Praxis.
Das wichtigste Erlebnis, die wichtigste Entdeckung war und ist für mich das der inneren Freude, die nicht oder nur sehr wenig von "weltlichen" Dingen abhängig ist. Diesen "Ort" kann ich in der Meditation immer wieder aufsuchen. Dieser "Ort" stellt vieles an "weltlichem" Glück in den Schatten, so dass ich gerne auf viele Formen des weltlichen Glücks verzichte. Diese Freude ist klar und ruhig, ist ein Produkt der Freiheit, nicht der Abhängigkeit. Ich kann immer mehr Dinge unterscheiden, die mich in Aufregung und Verwirrung stürzen, die aus meiner heutigen Perspektive unheilsam sind, von solchen, die mir Ruhe und Klarheit geben. Ruhe und Klarheit ziehe ich immer häufiger der Aufregung und Verwirrung vor. Aber nicht weil Aufregung und Verwirrung per se schlecht oder leidhaft sind, sondern weil Ruhe und Klarheit für mich und jetzt und im Vergleich besser sind. Die wüsten, rauschhaften Partys meiner Studentenzeit waren sehr schön, auch wenn sie mich oft genug in der Folge in Aufregung, Beschämung und Verwirrung gestürzt haben. Ich habe es genossen! Heute kenne ich für mich besseres. Für manche Menschen (wie für mich früher) sind exzessive Partys befreiend. Sie müssen vielleicht diesen Schritt gehen, um sich dann wiederum von den Partys zu befreien. Was leidhaft ist oder nicht, muss jeder selbst herausfinden, damit er oder sie sich davon überhaupt befreien kann. Niemand kann einem sagen, dies oder das ist leidhaft. Das ist vollkommen sinnlos!
Irgendwann, in fernster Zukunft werde ich aus meiner Perspektive und für mich vielleicht sagen können: Alles ist leidhaft, denn ich habe dann erst in Relation zu ALLEM etwas besseres gefunden, das jenseits von allem ist. Aber diese Aussage kann, weil sie nur in Relation zu dem eigenen subjektiven Erleben Sinn macht, nie allgemeingültig sein. Wenn also sich jemand hinstellt und sagt: Alles ist leidhaft, so kann das immer nur aus dessen Perspektive und für ihn oder sie richtig sein. Absolut gesehen ist dieser Satz Unsinn.
Viele Grüße
Thorsten
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Denn wenn ich meinen Durst gestillt habe, bleibt es nich dabei, ein neue Durstphase fängt an und der Durst wird immer größer, nie geringer, er wird so groß wie möglich, bis ich sterbe, Und da ist das Ende des Durstes (in diesem Leben). Das ist die Vollkommenheit des Durstes bis zur Vollendung dieser Entwicklung.
Ach Rudolf...
So schlimm es es nun auch nicht. Vielleicht solltest Du mal einen anderen Lehrer in Erwägung ziehen? Bei mir jedenfalls nimmt der Durst durch die buddhistische Praxis allmählich etwas ab. Ist immer noch genug, aber nicht mehr so viel wie früher. Dafür leuchten manchmal Flecken blauen Himmels durch die dichten Wolken.
Liebe Grüße
Thorsten
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Ich habe eine interessante Parallele (Vers 15 - 17) gefunden:
ZitatHabt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
Denn alles, was in der Welt ist: des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit. -
Guten Morgen Rudolf.
ZitatDas Leiden, das mit den Objekten der Sinne einhergeht und mit der bloßen körperlichen Existenz zu tun hat verschwindet nicht.
Da bin ich anderer Ansicht. Unangenehme und angenehme Empfindungen gibt es weiterhin, nur findet kein Ergreifen mehr statt, weil der Durst versiegt ist. Und damit auch kein Leiden.
Siehe Kommentar von Hellmuth Hecker im Salāyatana-Samyutta,129.: Ghosito, Buch IV in der Beyerlein-Ausgabe des Samyutta Nikaya (S.70).
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Hallo und guten Morgen Rudolf.
Es gibt nicht nur Leiden. Man kann zwar an allen Dingen leiden, allerdings nur, wenn Durst zum Ergreifen führt. Dieses Sutra, in dem von dem austrocknenden Herz gesprochen wird (S.35.97 Lässig weilen - 4. Pamādavihārī Sutta) macht das sehr deutlich. Der Durst und das Ergreifen trocknen das Herz aus. Damit wird ein Verhältnis zur Wirklichkeit beschrieben, das zu Blindheit führt. Dieses Verhältnis basiert auf Begierde und Abneigung. Dieses Verhältnis kann man ändern.
Ich denke, dass eine Veränderung dieses Verhältnisses schon bei den ersten kleinen Schritten heilsame Tendenzen im Geist hinterlässt. Darum ist die Lehre nicht nur für Mönche geeignet. Letztlich geht es darum, zu erkennen, dass, solange man die Leere im Herzen durch äußere Quellen füllen möchte, die innere Freude verdunkelt ist. Das ist eine Wechselwirkung. Je weniger Begierde und Abneigung das Verhältnis zur Wirklichkeit bestimmt, desto mehr innere Freude scheint auf, die das Herz satt macht.
Alan Wallace hat den Begriff Genuine Happiness verwendet, den er vom Hedonismus abgrenzt. Eine Abkehr von der Wirklichkeit heißt nicht mehr und nicht weniger, als sich von der Wirklichkeit als Quelle der Freude abwenden, nicht weil die Wirklichkeit so furchtbar schlecht und düster ist und immer enttäuschen muss, sondern weil die Wirklichkeit einfach nicht die Quelle der Freude sein kann, sie hält das nicht bereit. Die Quelle der Freude liegt ganz wo anders, jenseits der Wirklichkeit. Die Täuschung ist, dass man glaubt, bestimmte äußere Bedingungen seien nötig und in der Lage, diese Art der Freude zu erzeugen. Solange man aber Freude oder Glück von sich ständig verändernden inneren oder äußeren Gegebenheiten abhängig macht, muss jede Freude in Verlust enden. Diese Abhängigkeit ist aber nicht notwendig, da echte Freude paradoxerweise gerade dort aufscheint, wo der Durst versiegt und die Abhängigkeit aufgehoben ist. Die Wirklichkeit ist weder leidvoll noch freudig noch neutral. Das Gewohnheit gewordene Verhältnis zur Wirklichkeit macht sie erst dazu. Für sich ist sie leer von all diesen Bewertungen.
Viele Grüße
Thorsten
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Guten Morgen.
Danke, Sudhana, für Deine detailreichen Ausführungen.
Ich habe eine interessante Passage im Samyutta Nikaya gefunden:
S.35.97 Lässig weilen - 4. Pamādavihārī Sutta
ZitatHat man, ihr Mönche, den Sinn des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens, Denkens nicht gezügelt, dann wird das Herz bei den durch das Auge, das Ohr, die Nase, die Zunge, den Körper, den Geist ins Bewußtsein tretenden Formen, Tönen, Düften, Säften, Gegenständen und Dingen ausgetrocknet. Ist das Herz trocken, dann hat es keine Freude. Ist da keine Freude, dann ist es nicht entzückt. Ist da kein Entzücken, dann ist da keine Gestilltheit. Ist da keine Gestilltheit, dann verweilt er in Leiden. Dem Leidenden einigt sich das Herz nicht. Ist das Herz nicht geeinigt, kommen die Dinge nicht zum Vorschein.
Hellmuth Hecker schreibt in einer Fußnote zu dieser Passage:
ZitatDie Austrocknung an innerlichem Wohl ist ein Aspekt für sinnlichen Durst. Durst ist Trockenheit. Der innerlich Trockene ist wie ein Schwamm, der von außen alles aufsaugt und so "reizüberflutet" wird.
Das kennen wahrscheinlich viele von uns, ich zumindest kenne es gut: Je leerer ich mich innerlich fühle, desto mehr muss ich im mich hineinstopfen (Essen, Medien, Unterhaltung, Beschäftigung, etc.), was mich noch leerer und ausgedörrter empfinden lässt.
"Ist das Herz trocken, dann hat es keine Freude", auch wenn man noch so viel Genuss über die sechs Sinnesbereiche in sich hineintrinken mag. Aber auch umgekehrt: Wenn man andauernd Genuss über die sechs Sinnesbereiche in sich hineintrinkt, wird das Herz immer trockener, weil etwas wesentliches fehlt: Eine Einigung des Herzens, die aus der Gestilltheit erwächst.
Ich kenne das gut: Es gibt dieses rastlose Suchen und Fressen und Suchen und Fressen und Suchen und Fressen, das immer leerer, das immer hungriger macht. Erfolg im Beruf, gutes Essen, sich was schönes Kaufen, einen spannenden Film anschauen, interessante Gespräche führen, Sex, alles gut und schön... aber die zunehmende Leere im Herzen wird davon nicht oder zeitlich nur sehr begrenzt gefüllt, und danach kommt der Kater, die Frustration, gerade nach "großen Erfolgen". Nach Ausstellungseröffnungen, in denen meine Werke gut präsentiert wurden, mit guter Resonanz in wichtigen Institutionen habe ich mich immer besonders leer gefühlt, dass ich bei den Vernissagen um so mehr Wein in mich hineingeschüttet habe.
Hingegen gibt es eine Freude, die der Ruhe und der Stille entspringt, wenn man die Füße einmal still hält, aufhört zu suchen und zu fressen, die in mildem, klaren Licht strahlt und das Fieber des Suchens und Fressens allmählich abklingen lässt. Meiner Erfahrung nach wird alles Erleben aus dieser Stille heraus kühler, weniger fiebrig, wie ein kühlender Windhauch nach einer anstrengenden Arbeit in großer Hitze.
Die Wirklichkeit wird friedvoller, eine Schönheit offenbart sich, bei der der Nutzen der Dinge für mein Wohlbefinden seine Bedeutung verliert, so dass diese Schönheit bei den Dingen bleibt, ohne dass ich sie zum Füllen meines leeres Herzens benutzen müsste. Im Gegenteil: Es scheint, als würde die "Einigung des Herzens" und die Freude, die daraus resultiert, den Dingen ihr eigenes, wirkliches Gesicht zurückgeben, weil sie nicht mehr durch meinen unstillbaren Durst verzerrt sind.
Sobald ich allerdings eine Begierde nach diesem Zustand entwickel, sobald mit dieser Erfahrung der Durst danach wiederkehrt, ist der Zauber vorbei. Dann falle ich wieder zurück in den Durst, in das große Fressen und Suchen:
S.35.96 Rückfall - 3. Parihānadhamma Sutta
ZitatHat da, ihr Mönche, der Mönch mit dem Auge eine Form erblickt, mit dem Ohr einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Körper einen Gegenstand getastet, mit dem Geiste ein Ding erkannt, und es steigen ihm böse, unheilsame Dinge auf, Entschlüsse und Erinnerungen, die ihn fesseln, - wenn er sie duldet, nicht verleugnet, nicht vertreibt, nicht beendet, nicht vernichtet, dann ist bei diesem Mönch, ihr Mönche, zu merken: 'In heilsamen Dingen falle ich zurück"'. Dies wird vom Erhabenen Rückfall genannt.
Ich ertappe mich oft dabei, wie ich anhand bestimmter Erinnerungen, anhand bestimmter positiver wie negativer Erfahrungen, beginne, mein Erleben zu planen, um bestimmte Emotionen erleben zu können. Verbunden ist das mit Vorstellungen, wie etwas sein sollte, damit es bestimmte Gefühle in mir auslöst. Das ist auch Durst, weil ich wieder versuche, mit der Wirklichkeit, die Trockenheit meines Herzens zu kompensieren. So gehe ich manchmal spazieren, um bestimmte Naturstimmungen zu sehen, bei denen ich mich an intensive Erfahrungen erinnert habe. Sinnlos. Sich auf diese Weise der Natur zu erfreuen, ist nicht als eine Ausprägung des Durstes.
Die Kultivierung einer inneren Freude, die das Herz nicht austrockenen lässt, die das Herz füllt und satt macht, führt dazu, dass diese Freude in allen Dingen sichtbar wird, ohne dass ich sie besitzen oder begehren muss. Es ist tatsächlich ein Wahn, wenn man glaubt, das Suchen und Fressen dessen, was die sechs Sinnesgebiete bieten, würde das Herz satt machen. Das ist wirklich eine Krankheit, wie ich am eigenen Leibe immer wieder erfahren muss. Allerdings sind die Ausformungen dieser Krankheit so gewaltig und zugleich so subtil, dass sie wie ein Pilzmyzel ALLES durchdringen.S.35.74 Krankheit I - 1. Paṭhama-gilāna Sutta
ZitatDie Entreizung vom Reiz ist nämlich der Sinn der von mir verkündeten Lehre.
Es ist schwer, als Alkoholiker in einer Kneipe "trocken" zu werden. Es ist schwer in dieser Welt, das Herz von seinem Durst frei zu machen. Wenn es aber gelingt, und Meditation ist ein Weg, das wächst eine innere Freude, die die ganze Wirklicheit durchdringt. Dann kommt die Freude von mir in die Dinge und nicht von den Dingen in mich.
Das große Suchen und Fressen aber verdunkelt die Sinne:
ZitatAlles, ihr Mönche, ist verdunkelt. Und was ist verdunkelt?
- Das Auge ist verdunkelt, das Ohr, die Nase, die Zunge, der Körper, der Geist ist verdunkelt.
- Die Formen sind verdunkelt, die Töne, die Düfte, die Säfte, die Gegenstände, die Dinge sind verdunkelt
- Das Sehbewußtsein, das Hörbewußtsein, das Riechbewußtsein, das Schmeckbewußtsein, das Körperbewußtsein, das Geistbewußtsein sind verdunkelt.
- Die Augberührung, die Ohrberührung, die Nasenberührung, die Zungenberührung, die Körperberührung, die Geistberührung sind verdunkelt.
- Und was durch die Berührung bedingt an Fühlbarem aufsteigt, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wehe-noch-wohl, auch das ist verdunkelt.
Inwiefern ist es verdunkelt? Durch Geburt, Alter und Sterben, durch Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung ist es verdunkelt, sag ich.
Je gestillter das Herz in desto größer die innere Freude, desto lichter auch alle Sinne, alles Bewusstsein. Aber dieses Lichtwerden kommt nicht von Außen! Im Gegentei: Je stärker Begierde und Abneigung, desto größer und brennender sind Lust und Leid. Wie bei einem Süchtigen können schon geringe Mengen Begierde und Abneigung das Herz wieder austrockenen lassen, und "Ist da keine Gestilltheit, dann verweilt er in Leiden."Viele Grüße
Thorsten
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Genau, und von den Früchten Freude, Leiden, Begierde, Abneigung, Verblendung, Meditation, Glück, Angst und Vergänglichkeit haben wir alle schon gekostet. Und auch mit den Früchten der Erfahrung, damit umgehen zu wollen im Sinne des Buddha. Nicht?
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Zitat
Daher hat ja auch der Buddha darauf verzichtet seine Gefühle oder seine früheren Leiden und Gefühle und (vielleicht) Verwirrungen und Sehnsüchte ganz persönlich zu schildern. Beim Buddha findet man Logik (z.B. Leerheit), oder er fordert uns auf seine generellen Aussagen selbst zu überprüfen durch unsere eigenen Erfahrungen, nur die können wir genau erfassen.
Es gibt im Palikanon zahllose Gleichnisse, die sehr genau beschreiben können, wie sich etwas anfühlt. Die ganze Literatur (weltlich wie religiös) besteht aus mehr oder weniger gelungenen Versuchen, Erfahrung vermittelbar zu machen. Eine Erfahrung wird das nicht ersetzen. Aber das muss es ja auch nicht.
Wenn ich Dir sage, ein Bonbon schmeckt nach Orange, wirst Du eine Vorstellung bekommen, auch wenn die eigentliche Erfahrung nie mit der Sprache, die sie beschreibt, identisch ist oder sein kann.
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Hallo Jianwang.
Ich weiß, ich weiß... Es gibt einige Buddhisten, die schon so weit fortgeschritten sind, dass sich bei Ihnen "die Weisheit des Dharma" bis zur totalen Sprachlosigkeit hin geöffnet hat (Ich gehöre auch zuweilen dazu)... Schwer allerdings sich mit diesen "großen Weisen" zu unterhalten.
Ich neige alle paar Jahre mal zu einer vielleicht vergleichbaren Haltung (Ich nenne das für mich persönlich Hybris). Allerdings ist es nach meiner Erfahrung nicht gut, sich auf der einmal erlangten "Weisheit" auszuruhen. Für mich ist die Lehre ein Weg, der aus drei gleichzeitigen Formen der Reflexion – intellektuellem Verstehen, kontemplativem Begreifen, meditativem Erfahren – besteht, die alle drei gleich wichtig sind – und es zeitlebens bleiben.
Die "Sprachlosigkeit der Weisheit" schützt mich unter Umständen davor, Verständnisfehler, Trugschlüsse und Illusionen bei mir selbst entdecken zu müssen. Etwa nach dem Motto: "Ich weiß Bescheid und muss mich nicht mehr um das intellektuelle Verständnis der Lehre kümmern."
Tja. Pustekuchen!
Selbst die ganz alten Mönche kommen immer wieder zum Buddha, um sich die Lehre erklären zu lassen. Und das nicht etwa, weil sie in jungen Jahren nicht gut aufgepasst hätten. Die Themen wiederholen sich, das intellektuelle und intuitive Verständnis wandelt sich immer wieder mit den Jahren.
Zum Thema Logik. Es geht mir nicht um Logik. Ich frage mich, ob ich die pauschale Bewertung des Lebens als Leiden, für mich so stehen lassen kann. Ich habe eine kleine Tochter, sie ist sieben Jahre alt und sehr fröhlich. Sie liebt den Wind, die Tiere, die Natur, die Sonne, sie freut sich auf ihren Geburtstag, weil sie Geschenke bekommt, oder auf den Winter, weil sie da Schlitten fahren kann. Ich schaue sie an und frage mich, ob Freude am Dasein immer eine Freude am Leiden bedeutet, in welchem Falle sie das nicht tut. Welche Anteile daran Anhaftung sind. Was hat das mit Logik zu tun? Es geht um lebendige Erfahrung mit der Lehre.
Warum kannst Du nicht erklären, was in Deinem Leben Freude, Leiden und den Umgang damit bedeutet? Würdest Du die Lehre auf Dein konkretes Leben anwenden, würde es Dir keine Probleme bereiten, über Deine Erfahrungen in dieser Sache zu schreiben. Sooo schrecklich kompliziert ist das nun auch nicht. Immerhin habe ich Dich ja nicht nach einer Erklärung der Leerheit oder des Nirvana gefragt!
Aber ich kenne das auch schon aus anderen buddhistischen Kontexten. Ein wirklicher Austausch über die Lehre anhand des eigenen Lebens findet eher selten statt. Entweder die Diskutanten sind schon zu "weise", zu weit fortgeschritten, um über solche Dinge überhaupt reden zu können (oder zu wollen), oder sie haben Angst, sich offentlich eine Blöße zu geben, oder sie trennen Leben und Lehre überhaupt komplett.
Irgendwie nervt das, und nicht nur mich alleine...
Viele Grüße
T
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Hallo Monika.
ZitatWas also willst Du, Thorsten, eigentlich mit der Zerpflückung der Texte erreichen? Hilft es Dir irgendwie weiter? Macht es Dich gelassener, friedvoller?
Wieso zerpflücken? Ich folge dem Ratschlag des Buddha. Ich prüfe, ob seine Lehre, seine Auffassung von Wirklichkeit für mich stimmen. Ich durchdenke die Konsequenz dessen, was er gesagt hat, und versuche das auf mein Leben anzuwenden und es in der Meditation nachzuempfinden. Und ich frage mich, wie andere damit umgehen. Ich finde das wichtig, um mir nicht einen Buddhismus zurechtzulegen, der dann irgendwie schon passen wird, indem ich das ausblende, was mir nicht passt. Und ja, es hilft mir weiter, sehr sogar. Zwischendurch regt es mich auf, weil mich die buddhistische Lehre beschäftigt. Lies mal hier, nichts anderes mache ich:
ZitatAber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für das endgültige Erlangen der Wahrheit? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für das endgültige Erlangen der Wahrheit ist."
"Bemühen ist am hilfreichsten für das endgültige Erlangen der Wahrheit, Bhāradvāja. Wenn man sich nicht bemüht, wird man die Wahrheit nicht endgültig erlangen; aber weil man sich bemüht, erlangt man die Wahrheit endgültig. Deshalb ist Bemühen am hilfreichsten für das endgültige Erlangen der Wahrheit."
23. "Aber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für das Bemühen? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für das Bemühen ist."
"Genaues Prüfen ist am hilfreichsten für das Bemühen, Bhāradvāja. Wenn man nicht genau prüft, wird man sich nicht bemühen; aber weil man genau prüft, bemüht man sich. Deshalb ist genaues Prüfen am hilfreichsten für das Bemühen."
24. "Aber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für genaues Prüfen? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für genaues Prüfen ist ist."
"Die Anwendung des Willens ist am hilfreichsten für genaues Prüfen, Bhāradvāja. Wenn man seinen Willen nicht anwendet, wird man nicht genau prüfen; aber weil man seinen Willen anwendet, prüft man genau. Deshalb ist die Anwendung des Willens am hilfreichsten für das Bemühen."
25. "Aber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für die Anwendung des Willens? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für die Anwendung des Willens ist."
"Eifer ist am hilfreichsten für die Anwendung des Willens, Bhāradvāja. Wenn man keinen Eifer hervorbringt, wird man seinen Willen nicht anwenden; aber weil man Eifer hervorbringt, wendet man seinen Willen an. Deshalb ist Eifer am hilfreichsten für die Anwendung des Willens."
26. "Aber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für den Eifer? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für den Eifer ist."
"Ein reflektives Annehmen der Lehren ist am hilfreichsten für den Eifer, Bhāradvāja. Wenn man kein reflektives Annehmen der Lehren erlangt, wird kein Eifer hervortreten; aber weil man ein reflektives Annehmen der Lehren erlangt, tritt Eifer hervor. Deshalb ist ein reflektives Annehmen der Lehren am hilfreichsten für den Eifer."
27. "Aber was, Meister Gotama, ist am hilfreichsten für ein reflektives Annehmen der Lehren? Wir fragen Meister Gotama nach der Sache, die am hilfreichsten für ein reflektives Annehmen der Lehren ist."
"Untersuchen der Bedeutung ist am hilfreichsten für ein reflektives Annehmen der Lehren, Bhāradvāja. Wenn man ihre Bedeutung nicht untersucht, wird man kein reflektives Annehmen der Lehren erlangen; aber weil man ihre Bedeutung untersucht, erlangt man ein reflektives Annehmen der Lehren. Deshalb ist Untersuchen der Bedeutung am hilfreichsten für ein reflektives Annehmen der Lehren."
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Hallo Grashüpfer.
ZitatDas ist für mich keinesfalls eine Beschreibung dessen, was der Buddhismus lehrt.
Ich glaube schon, denn es gibt einige Sutren, in denen es als Krankheit beschrieben wird, sich an den sechs Sinnesbereichen zu erfreuen. Vielleicht ist es ein Ausdruck der "Sucht nach dem Sein", sich gegen diese Auffassung zu wehren?
Viele Grüße
Thorsten
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Hallo mkha.
ZitatSelbstverständlich kann ich mich an allem erfreuen: an der Farbenpracht eines Vogelgewandes, an der Wärme der Sonnenstrahlen auf meiner Haut, an den, bei Windstille gut zu beobachtenden, Schatttierungen eines dunkelblau bis moosgrün schillernden spiegelglatten Seens, ...
Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Erfreuen nicht auch schon Ausdruck der Anhaftung ist, denn "bei Gegenwärtigen ist er beflissen, nichts daran zu finden, es zu entreizen und es aufzulösen."
Zudem werden ja schon die sechs Sinnesbereiche und das Bewusstsein dessen für sich genommen als leidhaft beschrieben. Wenn man sich daran erfreut, so das Eingangszitat, so erfreut man sich am Leiden. Das, was Du beschreibst, fällt eindeutig in diesen Bereich, oder?
Viele Grüße
Thorsten
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Ich verstehe, dass es sinnvoll ist, Begierde, Abneigung und Unwissenheit zu bekämpfen. Ich verstehe auch, dass Begriffe, Vorstellungen, Hoffnungen und Befürchtungen die Wirklichkeit zu einem Gefängnis machen. Ich verstehe auch, dass die Subjekt-Objekt-Trennung ein leid-erzeugendes Konstrukt ist. Ich verstehe auch, dass in letzter Konsequenz von nichts die Aussage gemacht werden kann: Es existiert für sich.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist diese grundsätzlich negative Bewertung der Wirklichkeit des Lebendigen. Ich sehe nicht, dass Wahrnehmung, oder das Bewusstsein davon für sich genommen (Ohne Anhaftung) dukkha ist. Vielleicht erklärst Du es mir Jianwang? Du scheinst es ja sehr gut zu verstehen.
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Guten Morgen.
So unbegreiflich finde ich das nicht. Lies mal in diesem Sutra hier:
ZitatRegung, ihr Mönche, ist ein Gebrechen, ein Geschwür, ein Dorn. Darum, ihr Mönche, Verweilt der Vollendete ohne Regung, frei vom Dorn. Darum, ihr Mönche, sollte ein Mönch etwas wünschen, dann dies: 'Möge ich ohne Regung, frei vom Dorn, verweilen'.
Ist das für Dich, Monika (aber auch für die anderen hier), ein Ziel: Möge ich ohne Regung verweilen?
Oder hier:
S.35.7-12 Drei Merkmale und drei Zeiten
ZitatDas vergangene und das zukünftige Auge ist leidig, ist nicht das Ich, ihr Mönche.
Das vergangene und zukünftige Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist sind leidig und nicht das Ich.
Die vergangenen und zukünftigen Formen, Töne, Düfte, Säfte, Gegenstände und Dinge sind leidig und nicht das Ich.
Was soll man da erst von den gegenwärtigen sagen? So sehend, sehnt sich der erfahrene edle Jünger nicht nach dem Vergangenen, freut sich nicht auf Künftiges und beim Gegenwärtigen ist er beflissen, nichts daran zu finden, es zu entreizen und es aufzulösen.
Ist das Dein, euer Ziel?
Viele Grüße
Thorsten
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Also ich bin jedenfalls mit diesen Aussagen nicht einverstanden. Wäre Buddha ein heutiger, zeitgenössischer Philosoph oder Religionsstifter, würde ich alleine schon die Zielsetzung bezweifeln. Was soll das für eine Heilslehre sein, die alles, was existiert, als Krankheit bezeichnet, und die Heilung darin sieht, sich von allem abzuwenden?! Auch die Ängstlichkeit, mit der in allem, was im Moment an freundlichen und freudigen Aspekten besteht, die Vergänglichkeit betont wird, erinnert mich an meine vollkommen desillusionierte und frustrierte Oma, die bei allen Plänen und Hoffnungen, die mich in meiner Jugend bewogen haben, meine Leben zu gestalten, kopfschüttelnd sagte: Komm erst einmal in mein Alter, dann kommt der Ernst der Lebens, dann wirst Du Deine Flausen schon verlieren... Jetzt bin ich in dem Alter, in dem meine Oma damals war. Und weiß mehr denn je, dass sie Quatsch erzählt hat.
Ich sehe keine Weisheit darin, alles vom Aspekt der Vergänglichkeit ausgehend als leidhaft oder frustrierend zu betrachten. Auch mit der grundsätzlichen Bewertung des Lebens als suchtinduziertem Irrweg der in Leid und Verzweiflung enden muss bin ich überhaupt nicht einverstanden. Für mich ist Leben in seiner prachtvollen Vielfalt ein Reichtum und ein Geschenk. Vollkommene Bezugslosigkeit kann für mich niemals ein Ziel sein, weil mir viel zu viel an anderen Wesen, an dieser Welt und ihrem Glück liegt. Der Buddhismus, der sich mir zumindest im Samyutta Nikaya präsentiert, basiert offenbar auf der Lebensanschauung eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen, die aufgegeben haben, die von allem enttäuscht sind, die Verlust und Vergänglichkeit als Teil der Schönheit der Welt nicht akzeptieren können oder wollen, und somit das Sein generell als wertlos und deprimierend ablehnen. Ich bin froh um Augen, Ohren, Haut, Zunge, und Nase. Ich bin froh über die kognitiven Fähigkeiten und die Fähigkeit der Vorstellungskraft. Damit bin ich in der Lage, Freude und Leid in der Welt zu erfahren (beides ist wertvoll), damit bin ich in der Lage, mit anderen Wesen zu kommunizieren und ihnen zu helfen, damit bin ich in der Lage, die Schönheit und Tiefe des Seins zu erfahren. Es wäre schön, im Theravada auch einmal diese Aspekte des Seins berücksichtigt zu finden, und zwar nicht aus einer vollig abgeklärten Position, die diese Sichtweise auf das Sein als Verblendung und Unwissenheit abtut.
Viele Grüße
Thorsten
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Guten Morgen.
Es gibt in dem, was erlebt werden kann, nichts, das nicht unbeständig wäre. Buddha argumentiert immer wieder auf die gleiche Art und Weise.
ZitatWas aber unbeständig ist, ist das Wehe oder Wohl?
Die Antwort der jeweiligen Fragensteller in den Schriften ist dann auch immer die gleiche (Ich wünschte, auch nur einer würde mal anders antworten!).
Sobald ihr euch also an irgendetwas freut, egal an was, freut ihr euch am Leiden, denn für den Buddha sind Welt, Wesen und Leiden mehr oder weniger synonym:
S.35.65-68 Samiddhi I-IV - 3-6. Paṭhama-samiddhi-mārapañhā
Zitat"Māro, Māro, sagt man. Was ist nun, o Herr, Māro? Was ist unter dem Begriff Māro zu verstehen? Wesen, Wesen, sagt man. Leiden, leiden, sagt man. Welt, Welt sagt man. Was ist nun, o Herr, darunter zu verstehen?"
Wo es Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist gibt, wo es Formen, Töne, Düfte, Sähe, Gegenstände, Dinge gibt, wo es das sechsfache Bewußtsein gibt und die durch es bewußt werdenden Dinge, da ist Māro, Wesen, Leiden, Welt, und das ist unter diesen Begriffen zu verstehen.
Wo es jene Sechsheiten nicht gibt, da gibt es weder Māro, Wesen, Leiden und Welt noch diese Begriffe".
Buddha empfiehlt sich von dem Gebiet, wo es Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist gibt, wo es Formen, Töne, Düfte, Sähe, Gegenstände, Dinge gibt, wo es das sechsfache Bewußtsein gibt und die durch es bewußt werdenden Dinge, komplett abzuwenden. Jede Freude, die sich auf dieses Gebiet bezieht, ist Zeichen der Sucht. Nur in vollkommener Bezugslosigkeit zur Wirklichkeit, ist Erlösung und Erlöschung.
Ich weiß, dass man (vor allem im Mahayana) diese recht pessimistischen Aussagen gerne anders "interpretiert". Nachdem ich mich aber nun durch über 1000 Seiten Samyutta Nikaya gelesen habe, sehe ich, ehrlich gesagt, wenig Anlass für einen Interpretationsspielraum. Und es ist hier kaum möglich, etwas aus dem Zusammenhang zu reißen, da es kaum etwas anderes dort zu lesen gibt.
Für Buddha bedeutet offenbar jede Ausprägung von Leben, jede auf die Welt bezogene Wahrnehmung, jeder auf die Welt bezogene Gedanke Leiden, Frustration, Ungenügen, weil sie alle unbeständig sind. Wahrnehmen ist dabei schon zwangsläufig der erste Schritt zum Ergreifen, zum Leiden. Es gibt kein Wahrnehmen ohne Ergreifen, kein Ergreifen ohne Leiden. Man kann das eine nicht vom anderen trennen. Alleine schon Wesen zu sein, bedeutet eine Wirkung des Durstes zu sein, bedeutet eine Ausprägung der Vergänglichkeit und damit des Leidens zu sein. Positive Gefühle, die nicht in Leiden enden, gibt es nur in kompletter Entsagung von allem, was mit Welt und Leben zu tun hat, in der kompletten Abkehr. Es gibt nur die echte Freude, die darin besteht, mit der ganzen Leidensmasse nichts (!) mehr zu tun zu haben. Zusammengefasst:
ZitatIch bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.Wenn jemand Stellen im Palikanon findet, die eine andere Interpretation zulassen, nur zu! Ich bin gespannt.
Viele Grüße
Thorsten
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Guten Morgen.
Im Samyutta Nikaya 35.19 sagt Buddha folgendes:
Zitat"Wer, ihr Mönche, sich am Auge freut, an Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist und Formen, Tönen, Düften, Säften, Gegenständen, Dingen, der freut sich am Leiden.
Wer sich aber, ihr Mönche, nicht daran freut, der freut sich nicht am Leiden. Wer sich nicht am Leiden freut, der ist befreit vom Leiden, sag ich."
Einverstanden?
Viele Grüße
Thorsten