Beiträge von Rudolf im Thema „Von Ursachen, Steinen, Gier, Hass und Nutella“

    Was auch immer Buddhismus für ein Konzept ist, so fehlt niemals das Konzept des Abhängigen Entstehens.

    Und da gibt es kein sein muss ohne es zu wollen.

    Das Wollen, das Verlangen, der Durst ist bei Lebewesen immer dabei beim Abhängigen Entstehen. Und auch das Wollen entsteht in Abhängigkeit.

    So wie die Unwissenheit in Abhängigkeit existiert . Und die Aufhebung der Unwissenheit.


    Ein Muss gibt es, wie ich gehört habe, nur bei Immanuel Kant: du musst wollen, weil du kannst. :)

    Oder habe ich das falsch verstanden?

    Vielleicht magst Du es einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass es buddhistische Richtungen gibt, die solche Ziele komplett loslassen, um keine Energie in unnötige Anhaftungen zu stecken, und die einfach Schritt für Schritt den Pfad laufen.


    Nur noch ein letztes: mir ist vollkommen bewusst, dass es Buddhisten gibt, die solche Ziele erst gar nicht haben und dann auch nicht loslassen müssen. Das sagte ich schon.

    Schriftlich zu diskutieren ist nicht einfach, aber wir können ja weiter üben...... :)

    Ich wollte zu Anbeginn sofort Erleuchtung, hab dann gesehen, dass da ein Pfad, der zu begehen ist, und das Ziel loszulassen, um mich erstmal um meine Hindernisse zu "kümmern", hinzuschauen, wo ich hake und wo ich stehe. Ganz abgesehen vom Karma, ob es mir überhaupt möglich ist, das Ziel zu erreichen.


    1. Sofort Erleuchtung wollte ja noch nicht mal Buddha Sakyamuni. - Warst du am Afang im Zen-Buddhismus unterwegs?

    2. Das Ziel loslassen kann man m.E. nur wenn man es schon hat. - Die Ausrichtung auf das Ziel, also den Pfad, würde ich nicht loslassen wollen.

    3. Die eigenen Hindernisse zu erkennen ist ja Teil des Pfades, Teil der Praxis.

    4. Zum Zweifel, ob man das Ziel überhaupt erreichen kann, gibt es ein Gegenmittel: das Verständnis der Leerheit des Ichs. Ein sehr gutes intellektuelles Verständnis reicht aus: denn Leerheit des Ichs bedeutet, dass alles möglich ist: eben weil es keinen Kern, nichts Fixes, nichts Unveränderbares gibt, gar nichts, kein bisschen an dir in unveränderlich. Man muss dabei allerdings "den weiten Blick haben" (sagt mein Lehrer): nicht nur an dieses eine Leben denken, sondern noch an viele, viele andere Leben: jede Wiedergeburt in Samsara ist so wie ein neuer Tag in diesem Leben. Wenn wir mal einen schlechten Tag haben, wo kaum etwas gelingt, folgen andere bessere Tage.


    Vertrauen ist die Basis aller Praxis.

    Gier, Hass und Verblendung aufzugeben beginnt man in dem Moment, in dem man von der Lehre hört und sie als nicht unbedeutend erkennt. Und danach jeden Tag.


    Das ist genau der Punkt, an dem wir uns nicht verstehen. Du willst meiner Unterscheidung in Prozess und Ziel nicht folgen. No worries.


    Der erste Satz könnte auch von mir sein. :)


    Der zweite Satz: aber das mache doch gerade ich: in Prozess (Weg oder Pfad) und Ziel unterscheiden. Meiner Minung nach hat das auch der Buddha getan.

    Da stimmen wir auch überein.

    Möglicherweise ist es falsch angekommen bei dir, dass ich sofort das Ziel will oder nur an das Ziel denke?

    * dass der Wille, Nirvana erreichen zu wollen, Motivation und Ausrichtung sein kann, aber eben über Anhaftung auch zum Hindernis werden kann.

    * dass mein Ziel die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung ist, aber jetzt und jeden Moment, und nicht als hehres Ziel in der Zukunft.


    die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung: was ist da der Unterschied zu Nirvana?

    Du hast also auch ein Ziel: die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung jetzt und jeden Moment.

    Aber kann das nicht über Anhaftung ein großes Hindernis sein? ;)

    Vielleicht sagt du, du haftest hier und jetzt an dieses Ziel nicht an.

    Aber dann kann jeder andere auch sagen: ich hafte an das zukünftige Ziel nicht an. Meiner Meinung nach ist das sogar eher möglich, daran nicht anzuhaften, weil man ja weiß, dass es noch dauern wird ........


    ok, kann sein, dass ich etwas nerve mit meinem nicht locker lassen von meiner Praxis.

    Aber es ist ja sehr schwierig zu verstehen, wie man eine Motivation und Ausrichtung auf die Zukunft haben kann, und gleichzeitig aus Furcht vor Anhaftung diese Motivation besser aufgibt? Oder wie meinst du das?


    Ich denke, dass das Problem der "Anhaftung" in beiden Fällen da sein kann: in der Gegenwart und auf die Zukunft gerichtet.


    Zitat

    .......aber jetzt und jeden Moment, und nicht als hehres Ziel in der Zukunft.


    ich finde, dass es eher ein hehrer Anspruch ist, jetzt schon Gier, Hass und Verblendung aufgeben zu können - ohne noch eine Zeit lang zu meditieren......


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    hehr = durch seine Großartigkeit, Erhabenheit beeindruckend; erhaben, Ehrfurcht gebietend (Duden)

    Für mich ist ein Unterschied, ob man einen Pfad geht, oder einem Ziel folgt.


    Als Wanderer sage ich mir oft: der Weg ist das Ziel. Da kann man auch einfach eine Rundwanderung durch einen Wald machen.

    Aber wenn es das Ziel Nirvana nicht gäbe, gäbe es auch Weg, den Achfachen Pfad nicht. Der ist kein Rundweg

    Denn der Buddha hat nicht rein zufällig die Reihenfolge der Vier Wahrheiten so gewählt: 1) da ist das Leiden (was es zu erkennen gilt), 2) dieses Leiden hat bestimmte Ursachen, 3) es gibt aber auch Frieden=Nirvana, 4) und dann hat er den Weg zu diesem Frieden erklärt.

    Also für mich ist dieser Weg dann zielgerichtet. Wie kann das anders sein?

    Wie ich schon sagte, wollen die meisten Buddhisten, die ich kenne, aktuell ja gar nicht Nirvana erreichen, sondern erstmal nur eine gute Wiedergeburt, oder auch das nicht, wenn ich so die "säkularen" Buddhisten höre, oder diejenigen, die es so toll finden "nur in der Gegenwart zu leben", ohne Konzepte (die eine ganz furchtbare Sache sein sollen). So sehe ich das.

    Daher ist es für die meisten sicher ok, wenn sie nur einen Pfad gehen "ohne Ziel". Obwohl eine gute Wiedergeburt ist doch auch ein Ziel, oder nicht? Allerdings habe ich bei manchen, wenn ich sie so höre und lese, den Eindruck, das sei unter ihrer Würde, das sei primitiv, einfachste Volksreligion, oder nur egoistisch, eine gute Wiedergeburt anzustreben. Dazu sind sie viel zu cool 8)



    Lustigerweise habe ich heute einen Text von Ajahn Chah gelesen, in dem genau das angesprochen wurde:


    ................."Solange Du erleuchtet sein willst, wirst Du niemals erleuchtet werden. Verlange gar nichts."


    Da habe ich etwas anderes in Erinnerung. In einem Sutta kritisiert jemand den Buddha, nachdem er das willentliche Streben nach Nirvana geschildert hat: "Den Willen mit dem Willen besiegen: das geht nicht."

    Darauf der Buddha: "Hattest du nicht vorhin den Willen, in den Hirschpark zu gehen, um meine Rede zu hören?" - "Ja." - "Und hast du diesen Willen jetzt immer noch?" - Nein, denn ich bin ja jetzt da." usw.

    Also: wenn man Nirvana erreicht hat (oder wenn es dir lieber ist: Samsara abgeschüttelt hat) , dann kann man da bleiben. Oder vermutest du noch etwas jenseits von Samsara und Nirvana, was man dann anstreben könnte?

    Motivation aus äußeren Dingenn ist nicht schlecht, aber die eigentliche Arbeit muss man selber machen, da gibt es kein Entrinnen.


    Ich habe nicht so sehr an äußere Dinge gedacht, sonderen an andere Menschen, an Vorbilder, an Lehrer.

    Allerdings hat das "mit erreichen wollen" wenig zu tun. Nirvana erreichen zu wollen, scheint mir recht unrealistisch und eher hemmend. In "meiner" Richtung würde das eher als Hindernis angesehen, aber auch da gibt es ganz verschiedene Ansichten.

    Mit "erreichen wollen" meine ich im Theravada-Kontext: den Entschluss "den Achtfachen Pfad" zu gehen. Warum soll das eher hemmend sein?



    Hey, Du Schlingel, ich habe das Gefühl, jetzt schummelst Du! Gerade hast Du noch davon geredet, wie wichtig es für den Buddha war, 7 Jahre mit den Asketen in Abgeschiedenheit zu leben.


    ja, da hast du mich erwischt. Dieser möglicherweise Widerspruch fiel mir kurz nach Abschicken des Beitrages auch auf, bzw. dass du das so siehst.

    Ja, gut. Aber es ist ja keine völlige Isolation gewesen. Der Buddha hatte auch hinduistische Lehrer während dieser 7 Jahre, er ist jeden Morgen als Wandermönch Almosen sammeln gegangen. Dabei hat er doch wohl auch das Leben in den verschiedenen Dörfern etwas mitbekommen. Ausserdem ist es ja eine kleine Welt, wenn man mit anderen 5 spirituell Strebenden zusammen ist.

    Ich dachte ich hätte klargemacht, dass der Fokus "auf dem Pfad" nicht auf Isolation liegt, sondern auf Hauslosigkeit und Besitzlosigkeit und möglichst wenig "action."


    Vielleicht magst Du mal von den Erfahrungen mit Deiner Hauslosigkeit erzählen, das interessiert mich sehr.


    Ich bin nicht hauslos. Besser ausgedrückt: nicht wohnungslos. :)

    Ich habe zwar bei einem Mahayana-Lehrer Zuflucht genommen, trotzdem bin ich kein Bodhisattva. Eher ein Möchtegern-Bodhisattva.

    Ich will sagen: wenn ich nur bei meinen eigenen Erfahrungen bliebe (die sind natürlich sehr wichtig), wäre das für mich zu wenig, das wäre spirituell ziemlich armselig.

    Ich bin überzeugt, dass man sich durch Wünsche, durch Ziele, durch Vorbilder langfristig auch weiterentwickeln kann, auch wenn man noch nicht die Erfahrungen dieser Vorbilder hat. Kennnen wir nicht alle das Leben des Buddha? Mehr oder weniger?

    Am liebsten lese ich im "Weg eines Bodhisattva" von Shantideva.

    Oder ich lese Texte über das richtige Verständnis der Leerheit.

    Über beides habe ich noch keine eigene "Erfahrung".

    Ist das verkehrt? Sollte man alles, wenn es erst noch nur Theorie ist, fahren lassen?

    Aus eigener Erfahrung; in der Hauslosigkeit, in meinen Fall ein ein paar monatiger Aufenthalt im Kloster, kann ich sagen, dass man dort sogar noch konfrontierter sein kann mit den "Unzulänglichkeiten" der anderen (also eher seinen eigenen😉).


    Hallo Lilli,


    hattest du von vornherein nur ein paar Monate im Kloster geplant? Dann war es keine Hauslosigkeit.

    Oder hast du dich ungeplant wieder aus dem Kloster zurückgezogen? Dann warst du nie in der Hauslosigkeit.

    Bin ich zu streng?

    Ich bin übrigens auch nicht in der Hauslosigkeit.


    Die Hauslosigkeit, vermute ich, funktioniert ja nur, wenn man auch im Inneren, in seinem Herzen, in der Hauslosigkeit ist. Äußeres und Inneres müssen hier übereinstimmen. Sonst geht es schief.

    Daher hat der reiche Jüngling im Evangelium richtig gehandelt: er hat gesehen, dass er nicht in die Hauslosigkeit ziehen konnte. Er war (noch) nicht bereit dazu.

    Andere bleiben aber im Kloster, trotz ihres Egos und der anderen Egos. Ihr Wille zur Befreiung ist wohl stärker?

    Ich selbst lerne aus der Konfrontation mit der Welt am meisten, aber das kann von Person zu Person sicher sehr unterschiedlich sein. Wie sagt mein Lehrer: Da, wo der Widerstand ist, da geht's lang.


    Ja, so spricht jemand, der das häusliche Dasein nicht verlassen will, nicht verlassen kann. ;)

    Man sieht immer das Leben als das beste an, wozu man fähig ist.


    Buddha hat aber auch einen Mitstreiter:

    Fragt ein reicher Jüngling den Jesum: "Was muss ich machen, damit ich in den Himmel komme?"

    Jesus: "Verkaufe alles was du hast, gib das Geld den Armen, und folge mir nach."

    Der reiche Jüngling: "Das kann ich nicht."

    Darauf folgt der bekannte Spruch Jesu an seine Jünger: "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ........"


    Wenn man aber gar nicht Nirvana erreichen will (wie 99,9 % aller Buddhisten :)), bist du, Aravind, genau richtig mit deiner Einstellung.


    Mir ist aber noch aufgefallen, dass du und Monika offensichtlich die Begriffe "Hauslosigkeit" und "Weltabgewandtheit" im Buddhismus-Kontext etwas anders versteht als ich. Ich habe da auf keinen Fall die Vorstellung von "völliger Isolation", vielleicht zeitweise mal in einer Klausur, aber ansonsten meint der Buddha besonders mit "Hauslosigkeit" eben das, was seine Mönche, seine Jünger, gelebt haben. Sie verlassen ihr eigenes Haus und Besitz. Das ist nicht automatisch immer Abgeschiedenheit. Das ist Besitzlosigkeit und Heimatlosigkeit. Das ist etwas anderes als Abgeschiedenheit.


    Liebe Grüße

    Die "falsche Richtung" wäre für mich: Zu meinen, die Schubser wären das Problem (die Ursache des Leidens), und der Versuch, die Schubser zu vermeiden, anstatt die Steine zumindest mittelfristig in die Ebene zu bringen, wo sich nicht mehr rollen können. Trotzdem kann es Sinn machen, manche Schubser zumindest vorübergehend zu reduzieren, wie stevie12 sagt, um Energie und Raum für Veränderung zu schaffen.


    Das Leben des Gotamo Shakyamuni: ist es vorstellbar, dass er Nirvana erlangt hätte, wenn er am Königshof (mit all den Schubsern dort) geblieben und Nachfolger seines Vaters geworden wäre?

    Wenn ja, dann hat er aber wenigstens für uns den Weg angezeigt: damit wir in die "Hauslosigkeit" ziehen, wenn wir Nirvana erlangen wollen. (Ich lasse jetzt mal den Bodhisattvapfad beiseite)

    Denn wenn selbst der Buddha sieben Jahre in Weltabgewandtheit, unter Bäumen im Wald meditiert hat, zeitweise nur von fünf Gleichgesinnten begleitet, wie sollen wir diesen Weg denn gehen, ohne vor den Schubsern zu fliehen?

    Das Leben des Buddha gehört ja auch zu seiner Lehre.


    So wie es auch zu seiner Lehre gehört, dass er als Prinz mit allem Komfort in die Hauslosigkeit zog. Müssen wir - unwillkürlich - jetzt nicht denken: wenn selbst ein Prinz mit 28 Jahren kein Genügen mehr am weltlichen Leben findet - was sollen wir denn erst empfinden?


    Alle Prinzen und Reiche dieser Welt finden auch kein Genügen in ihrem Wohlstand, aber sie sind zu sehr verblendet und denken bloß, sie seien glücklich, oder hoffen sie werden bald glücklich, oder sie wollen glücklich scheinen, nicht sich selbst, sonder anderen.


    Seneca sagt aber: ...... id ages ut sis felix, non ut videaris, et ut tibi videaris

    Epistulae Morales CX,20