Von Ursachen, Steinen, Gier, Hass und Nutella

  • Dein Steinbeispiel gefällt mir gut! (Stimmt, "Orbit" passt gar nicht, das hätte "ohne Schwerefeld" heißen müssen).


    Dass die Schwerkraft keine Ursache sein soll, dafür, dass der Stein den Berg herunterrollt, finde ich nicht schlüssig. Aber es ist tatsächlich nicht die einzige; der Schubs gehört auch dazu, wie Du sagst.


    Die "falsche Richtung" wäre für mich: Zu meinen, die Schubser wären das Problem (die Ursache des Leidens), und der Versuch, die Schubser zu vermeiden, anstatt die Steine zumindest mittelfristig in die Ebene zu bringen, wo sich nicht mehr rollen können. Trotzdem kann es Sinn machen, manche Schubser zumindest vorübergehend zu reduzieren, wie --- sagt, um Energie und Raum für Veränderung zu schaffen.


    Zitat

    Ja, genau so: Solange Wollen da ist, sind auch Gier und Hass da, als innewohnende Eigenschaften des Wollens. Was zu einer Zeit gewollt wird, das hängt von Ursachen ab. Dieses triebhafte Wollen kann nur durch Beseitigung der Unwissenheit beendet werden. Unwissenheit ist auch keine Ursache, oder welche Ursache hat sie?


    Genau. Gier und Hass fand ich nur anschaulicher in Bezug auf die Beispiele, aber sie sind natürlich untrennbar mit der Unwissenheit verknüpft.


    ("Untrennbar", stimmt das? Durch die Beschäfigung mit Gier&Hass erkennt man man Teile der Unwissenheit. Durch Überwindung der Unwissenheit fallen auch Gier und Hass Stück für Stück weg. Also wahrscheilnlich shcon "untrennbar".)


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Die "falsche Richtung" wäre für mich: Zu meinen, die Schubser wären das Problem (die Ursache des Leidens), und der Versuch, die Schubser zu vermeiden, anstatt die Steine zumindest mittelfristig in die Ebene zu bringen, wo sich nicht mehr rollen können. Trotzdem kann es Sinn machen, manche Schubser zumindest vorübergehend zu reduzieren, wie stevie12 sagt, um Energie und Raum für Veränderung zu schaffen.


    Das Leben des Gotamo Shakyamuni: ist es vorstellbar, dass er Nirvana erlangt hätte, wenn er am Königshof (mit all den Schubsern dort) geblieben und Nachfolger seines Vaters geworden wäre?

    Wenn ja, dann hat er aber wenigstens für uns den Weg angezeigt: damit wir in die "Hauslosigkeit" ziehen, wenn wir Nirvana erlangen wollen. (Ich lasse jetzt mal den Bodhisattvapfad beiseite)

    Denn wenn selbst der Buddha sieben Jahre in Weltabgewandtheit, unter Bäumen im Wald meditiert hat, zeitweise nur von fünf Gleichgesinnten begleitet, wie sollen wir diesen Weg denn gehen, ohne vor den Schubsern zu fliehen?

    Das Leben des Buddha gehört ja auch zu seiner Lehre.


    So wie es auch zu seiner Lehre gehört, dass er als Prinz mit allem Komfort in die Hauslosigkeit zog. Müssen wir - unwillkürlich - jetzt nicht denken: wenn selbst ein Prinz mit 28 Jahren kein Genügen mehr am weltlichen Leben findet - was sollen wir denn erst empfinden?


    Alle Prinzen und Reiche dieser Welt finden auch kein Genügen in ihrem Wohlstand, aber sie sind zu sehr verblendet und denken bloß, sie seien glücklich, oder hoffen sie werden bald glücklich, oder sie wollen glücklich scheinen, nicht sich selbst, sonder anderen.


    Seneca sagt aber: ...... id ages ut sis felix, non ut videaris, et ut tibi videaris

    Epistulae Morales CX,20

    :rainbow:

  • Seneca: "....... handle so, dass du glücklich bist, nicht dass du es scheinst, und dass du es dir scheinst." (Übersetzung ohne Gewähr ;))

    :rainbow:

  • Das Leben des Gotamo Shakyamuni: ist es vorstellbar, dass er Nirvana erlangt hätte, wenn er am Königshof (mit all den Schubsern dort) geblieben und Nachfolger seines Vaters geworden wäre?

    Wenn ja, dann hat er aber wenigstens für uns den Weg angezeigt: damit wir in die "Hauslosigkeit" ziehen, wenn wir Nirvana erlangen wollen. (Ich lasse jetzt mal den Bodhisattvapfad beiseite)

    Ja, das ist eine wirklich spannende Frage, die wir aus praktischer Sicht nicht beantworten werden können (ich zumindest nicht).

    Mein Ziel ist der Pfad, nicht Nirvana (nicht aus Prinzip, sondern aus Realismus), deshalb finde ich das im Moment nicht wirklich entscheidend.


    Zitat

    Denn wenn selbst der Buddha sieben Jahre in Weltabgewandtheit, unter Bäumen im Wald meditiert hat, zeitweise nur von fünf Gleichgesinnten begleitet, wie sollen wir diesen Weg denn gehen, ohne vor den Schubsern zu fliehen?


    Einen riesigen Unterschied zu uns gibt es natürlich: Der Buddha kannte den Weg und die vier Edlen Wahrheiten noch gar nicht, als er los zog; er musste sich alles selbst "erarbeiten". Der Weg von Gotama vor dem Erwachen war kein buddhistischer Weg.


    Was für ein Glück für uns! Ich bin mir gar nicht sicher, ob "wir" das immer zu würdigen wissen.

    Sieben Jahr würde ich für mich allerdings selbst in Hauslosigkeit als extrem optimistisch ansehen. ;)


    Wessen ich mir sicher bin: Die Vermeidung der Einflüsse von außen alleine bringt einen nicht wirklich weiter, sondern kann Gier und Hass massiv verstärken, wenn man sich darauf fokusiert. Vor allem, wenn man denkt, sie wären das Problem.

    Ganz davon abgesehen, dass das gar nicht komplett geht. Auch in der Hauslosigkeit gibt es Lärm, Moskitos, nervende Mit-Buddhisten, Krankheiten, Regenzeit, überhebliche Asketen, besserwisserische Brahmanen, ...


    Ich selbst lerne aus der Konfrontation mit der Welt am meisten, aber das kann von Person zu Person sicher sehr unterschiedlich sein. Wie sagt mein Lehrer: Da, wo der Widerstand ist, da geht's lang.

    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Ich selbst lerne aus der Konfrontation mit der Welt am meisten, aber das kann von Person zu Person sicher sehr unterschiedlich sein. Wie sagt mein Lehrer: Da, wo der Widerstand ist, da geht's lang.

    Das denke ich auch, Aravind. In der Abgeschiedenheit kann sich das "System" beruhigen, aber wird es wieder konfrontiert, kann es ziemlich schief gehen. Wie im Film "Samsara" drastisch gezeigt.


    Auch der Buddha blieb ja nicht in der Abgeschiedenheit, gerade weil er den Mittleren Weg "sah". Deshalb wurde er ja auch von seinen Asketen zunächst verachtet. Verachtet, welches Wort. Sie hatten also noch nicht viel gelernt trotz Abgeschiedenheit.


    Der Buddha ließ zu, dass Unwissende ihn umringten, er besuchte Hausleute und Reiche, Könige und Brahmanen. So hauslos ist das also gar nicht. Er hat lediglich auf jeglichen Komfort verzichtet und auf die Rechte und Pflichten eines Hausvaters.

    Aber er musste sich mit den "Scheinheiligen" und "Verblendeten" abmühen, wobei das eben bei seinem Geisteszustand kein Abmühen war. Er ließ sie auch stehen, wenn es zu bunt wurde.


    Und was die Sucht nach Nutella betrifft, es gibt nur Sucht. Diese ist einerseits genetisch, überwiegend jedoch anerzogen. Da spielen die Eltern, das Umfeld, die Gewohnheiten eine große Rolle. Als karmisch würde ich das nicht bezeichnen. Denn die Sinne - wie der Geschmackssinn - sind notwendige Bestandteile dieses Körper-Geist-Organismus, um unterscheiden zu können, z.B. giftige Pflanzen von heilsamen.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Aus eigener Erfahrung; in der Hauslosigkeit, in meinen Fall ein ein paar monatiger Aufenthalt im Kloster, kann ich sagen, dass man dort sogar noch konfrontierter sein kann mit den "Unzulänglichkeiten" der anderen (also eher seinen eigenen😉). Es konzentriert sich alles viel mehr, als im normslen Alltag, denn dort kann man sich ja auch so schön ablenken.

    Auch in der Abgeschiedenheit hat jeder sein Ego im Gepäck.

    Der Abt muss sich mit Vielem rumschlagen (e ist ja im Grunde Firmenchef:grinsen:) mit den Schülern, mit den anderen Mönchen, mit den Mitgliedern usw...

  • Ich selbst lerne aus der Konfrontation mit der Welt am meisten, aber das kann von Person zu Person sicher sehr unterschiedlich sein. Wie sagt mein Lehrer: Da, wo der Widerstand ist, da geht's lang.


    Ja, so spricht jemand, der das häusliche Dasein nicht verlassen will, nicht verlassen kann. ;)

    Man sieht immer das Leben als das beste an, wozu man fähig ist.


    Buddha hat aber auch einen Mitstreiter:

    Fragt ein reicher Jüngling den Jesum: "Was muss ich machen, damit ich in den Himmel komme?"

    Jesus: "Verkaufe alles was du hast, gib das Geld den Armen, und folge mir nach."

    Der reiche Jüngling: "Das kann ich nicht."

    Darauf folgt der bekannte Spruch Jesu an seine Jünger: "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ........"


    Wenn man aber gar nicht Nirvana erreichen will (wie 99,9 % aller Buddhisten :)), bist du, Aravind, genau richtig mit deiner Einstellung.


    Mir ist aber noch aufgefallen, dass du und Monika offensichtlich die Begriffe "Hauslosigkeit" und "Weltabgewandtheit" im Buddhismus-Kontext etwas anders versteht als ich. Ich habe da auf keinen Fall die Vorstellung von "völliger Isolation", vielleicht zeitweise mal in einer Klausur, aber ansonsten meint der Buddha besonders mit "Hauslosigkeit" eben das, was seine Mönche, seine Jünger, gelebt haben. Sie verlassen ihr eigenes Haus und Besitz. Das ist nicht automatisch immer Abgeschiedenheit. Das ist Besitzlosigkeit und Heimatlosigkeit. Das ist etwas anderes als Abgeschiedenheit.


    Liebe Grüße

    :rainbow:

  • So hauslos ist das also gar nicht. Er hat lediglich auf jeglichen Komfort verzichtet und auf die Rechte und Pflichten eines Hausvaters.


    Sie verlassen ihr eigenes Haus und Besitz. Das ist nicht automatisch immer Abgeschiedenheit. Das ist Besitzlosigkeit und Heimatlosigkeit. Das ist etwas anderes als Abgeschiedenheit.

    Ja, sach ich doch ...

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  • Aus eigener Erfahrung; in der Hauslosigkeit, in meinen Fall ein ein paar monatiger Aufenthalt im Kloster, kann ich sagen, dass man dort sogar noch konfrontierter sein kann mit den "Unzulänglichkeiten" der anderen (also eher seinen eigenen😉).


    Hallo Lilli,


    hattest du von vornherein nur ein paar Monate im Kloster geplant? Dann war es keine Hauslosigkeit.

    Oder hast du dich ungeplant wieder aus dem Kloster zurückgezogen? Dann warst du nie in der Hauslosigkeit.

    Bin ich zu streng?

    Ich bin übrigens auch nicht in der Hauslosigkeit.


    Die Hauslosigkeit, vermute ich, funktioniert ja nur, wenn man auch im Inneren, in seinem Herzen, in der Hauslosigkeit ist. Äußeres und Inneres müssen hier übereinstimmen. Sonst geht es schief.

    Daher hat der reiche Jüngling im Evangelium richtig gehandelt: er hat gesehen, dass er nicht in die Hauslosigkeit ziehen konnte. Er war (noch) nicht bereit dazu.

    Andere bleiben aber im Kloster, trotz ihres Egos und der anderen Egos. Ihr Wille zur Befreiung ist wohl stärker?

    :rainbow:

  • Es kam alles anders als geplant...wie so oft im Leben:).


    Ob ich selbst in der Hauslosigkeit war oder nicht, darum ging es mir nicht, ist mir auch nicht wichtig.


    Aber ich bekam einen Einblick in das Leben der Mönche und vor allem des Abtes dort - quasi ein Blick hinter die Kulissen.

    Und das war auch nicht nur mein persönlicher Eindruck; man unterhält sich ja auch mit dem Abt und bekommt mit, wie es ihm so geht.


    Ich versteh schon auch, was Du sagen willst, und sage ja nicht, dass Du unrecht hast.

  • Ja, so spricht jemand, der das häusliche Dasein nicht verlassen will, nicht verlassen kann. ;)

    Man sieht immer das Leben als das beste an, wozu man fähig ist

    Da habe ich mich offensichtlich nicht deutlich genug ausgedrückt, danke für die Rückmeldung. Ich rede ausschließlich von meiner Praxis und meiner Erfahrung (wie fast immer). Ich komme besser voran, wenn ich mich liebevoll um meine Anhaftungen kümmere, im Vergleich dazu, die äußeren Einflüsse dazu zu ignorieren. Es ist ja nicht so, dass ich keine Erfahrungen mit Vermeidungsstrategien hätte... :)


    Wenn man aber gar nicht Nirvana erreichen will (wie 99,9 % aller Buddhisten :) ), bist du, Aravind, genau richtig mit deiner Einstell

    Na, dann habe ich ja Glück gehabt... ;)

    Allerdings hat das "mit erreichen wollen" wenig zu tun. Nirvana erreichen zu wollen, scheint mir recht unrealistisch und eher hemmend. In "meiner" Richtung würde das eher als Hindernis angesehen, aber auch da gibt es ganz verschiedene Ansichten.


    Mir ist aber noch aufgefallen, dass du und Monika offensichtlich die Begriffe "Hauslosigkeit" und "Weltabgewandtheit" im Buddhismus-Kontext etwas anders versteht als ich. Ich habe da auf keinen Fall die Vorstellung von "völliger Isolation",

    Hey, Du Schlingel, ich habe das Gefühl, jetzt schummelst Du! Gerade hast Du noch davon geredet, wie wichtig es für den Buddha war, 7 Jahre mit den Asketen in Abgeschiedenheit zu leben.

    Das war doch die Ausgangsfrage: Führt die Vermeidung der Anstöße von außen zur Überwindung von Gier und Hass. Und meine Position war: Ja, in eingschränktem Maße, wenn es darum geht, Energie und Freiraum für den Weg zu finden; nein, wenn es tatsächlich um Befreiung geht.

    --------


    Der Lehrer meines Lehrers hat ihm übrigens tatsächlich die (dauerhafte) Hauslosigkeit im Kloster verweigert, mit dem Argument: Seine jetzigen Aufgaben liegen in der Welt; darin, sich seinen gegenwärtigen Aufgaben zu stellen, und nicht im Rückzug.


    Trotzdem ist Hauslosigkeit natürlich ein wichtiges buddhistisches Konzept, da möchte ich gar nicht dagegen argumentieren. Vielleicht magst Du mal von den Erfahrungen mit Deiner Hauslosigkeit erzählen, das interessiert mich sehr.


    Liebe Grüße und vielen Dank für die anregende Diskussion,

    Aravind.

  • Zitat

    Wie, ihr Mönche, eine blaue, rote oder weiße Lotusblüte, im Wasser entstanden, im Wasser gewachsen, über das Wasser sich erhebend dasteht, unbefleckt vom Wasser:

    Ebenso, ihr Mönche, ist der Vollendete in der Welt erwachsen; die Welt überwunden habend, weilt er unbefleckt von der Welt."

    S.22.94.


    :rad:

    Mein Motto: "Nur Materie ist real." Probier's mal aus :)

  • Allerdings hat das "mit erreichen wollen" wenig zu tun. Nirvana erreichen zu wollen, scheint mir recht unrealistisch und eher hemmend. In "meiner" Richtung würde das eher als Hindernis angesehen, aber auch da gibt es ganz verschiedene Ansichten.

    Mit "erreichen wollen" meine ich im Theravada-Kontext: den Entschluss "den Achtfachen Pfad" zu gehen. Warum soll das eher hemmend sein?



    Hey, Du Schlingel, ich habe das Gefühl, jetzt schummelst Du! Gerade hast Du noch davon geredet, wie wichtig es für den Buddha war, 7 Jahre mit den Asketen in Abgeschiedenheit zu leben.


    ja, da hast du mich erwischt. Dieser möglicherweise Widerspruch fiel mir kurz nach Abschicken des Beitrages auch auf, bzw. dass du das so siehst.

    Ja, gut. Aber es ist ja keine völlige Isolation gewesen. Der Buddha hatte auch hinduistische Lehrer während dieser 7 Jahre, er ist jeden Morgen als Wandermönch Almosen sammeln gegangen. Dabei hat er doch wohl auch das Leben in den verschiedenen Dörfern etwas mitbekommen. Ausserdem ist es ja eine kleine Welt, wenn man mit anderen 5 spirituell Strebenden zusammen ist.

    Ich dachte ich hätte klargemacht, dass der Fokus "auf dem Pfad" nicht auf Isolation liegt, sondern auf Hauslosigkeit und Besitzlosigkeit und möglichst wenig "action."


    Vielleicht magst Du mal von den Erfahrungen mit Deiner Hauslosigkeit erzählen, das interessiert mich sehr.


    Ich bin nicht hauslos. Besser ausgedrückt: nicht wohnungslos. :)

    Ich habe zwar bei einem Mahayana-Lehrer Zuflucht genommen, trotzdem bin ich kein Bodhisattva. Eher ein Möchtegern-Bodhisattva.

    Ich will sagen: wenn ich nur bei meinen eigenen Erfahrungen bliebe (die sind natürlich sehr wichtig), wäre das für mich zu wenig, das wäre spirituell ziemlich armselig.

    Ich bin überzeugt, dass man sich durch Wünsche, durch Ziele, durch Vorbilder langfristig auch weiterentwickeln kann, auch wenn man noch nicht die Erfahrungen dieser Vorbilder hat. Kennnen wir nicht alle das Leben des Buddha? Mehr oder weniger?

    Am liebsten lese ich im "Weg eines Bodhisattva" von Shantideva.

    Oder ich lese Texte über das richtige Verständnis der Leerheit.

    Über beides habe ich noch keine eigene "Erfahrung".

    Ist das verkehrt? Sollte man alles, wenn es erst noch nur Theorie ist, fahren lassen?

    :rainbow:

  • Ist das verkehrt? Sollte man alles, wenn es erst noch nur Theorie ist, fahren lassen?

    Nein, natürlich nicht. Was stören kann, ist höchstens - und da geht es mir nicht anders, dass ich in ein Fahrwasser gerate von "das ist so und nicht anders, basta".

    Ich erwische mich immer wieder dabei, hole mich zurück und beginne neu. Ich fürchte, es ist mein Temperament und wird mir noch einige Steine in den Weg legen. :erleichtert:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ist das verkehrt? Sollte man alles, wenn es erst noch nur Theorie ist, fahren lassen?

    Nein, natürlich nicht. Was stören kann, ist höchstens - und da geht es mir nicht anders, dass ich in ein Fahrwasser gerate von "das ist so und nicht anders, basta".

    Ich erwische mich immer wieder dabei, hole mich zurück und beginne neu. Ich fürchte, es ist mein Temperament und wird mir noch einige Steine in den Weg legen. :erleichtert:


    Liebe Monika ,


    ich denke das geht allen mehr oder weniger ausgeprägt so. Schließlich erscheint in der Vielfalt des gelehrten Buddha-Dharma vieles widersprüchlich und jeder sucht Orientierung. Die Herausforderung ist aber auch groß, nicht nur, was die Widersprüche zwischen unterschiedlichen Traditionen angeht. Sie ist besonders groß dann, wenn sogar in einer Tradition Widersprüche erscheinen zwischen dem gelehrten Wort und dem praktizierten Verhalten.


    _()_

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  • Allerdings hat das "mit erreichen wollen" wenig zu tun. Nirvana erreichen zu wollen, scheint mir recht unrealistisch und eher hemmend. In "meiner" Richtung würde das eher als Hindernis angesehen, aber auch da gibt es ganz verschiedene Ansichten.

    Mit "erreichen wollen" meine ich im Theravada-Kontext: den Entschluss "den Achtfachen Pfad" zu gehen. Warum soll das eher hemmend sein?


    Lieber Rudolf,


    in dem Pfadmodell, welches mir derzeit zusagt, ist ein Entschluss ganz wesentlich. Entweder der Entschluss die Befreiung eines Arhats oder die Erleuchtung eines Buddha zu erlangen.

    Dieser Entschluss muss quasi irreversibel sein und ist dann wie ein Pfeil, der - einmal abgeschossen - einen zum Ziel führt. Ein ständiger Begleiter, der verschiedene Formen annehmen kann: zunächst mag er etwas 'kontaminiert' sein, wird dann aber schließlich zur Gewissheit des Stromeingetretenen, die überweltlich ist.


    :rad::heart:

    Mein Motto: "Nur Materie ist real." Probier's mal aus :)

  • Lieber Rudolph,


    das habe ich mir schon gedacht, dass unsere Postitionen nur marginal auseinander liegen, wenn man genauer hin schaut.

    Mit "erreichen wollen" meine ich im Theravada-Kontext: den Entschluss "den Achtfachen Pfad" zu gehen. Warum soll das eher hemmend sein?

    In dieser Interprettaion gar nichts! ;) Für mich ist ein Unterschied, ob man einen Pfad geht, oder einem Ziel folgt. Das mögliche Ziel, Befreiung, spielt halt oft eine Doppelrolle. Als Motivation, aber auch als Hemmnis, das irgendwann überwunden werden muss. Es hilft mir, das regelmäßig zu überprüfen.


    Lustigerweise habe ich heute einen Text von Ajahn Chah gelesen, in dem genau das angesprochen wurde:


    Zitat

    Wofür praktizieren wir? Wir praktizieren, um loszulassen, nicht, um etwas zu erlangen. Heute Nachmittag war eine Frau hier, die mir erzählte, dass sie leide. Ich fragte sie, was sie gern hätte, und sie sagte, sie wäre gern erleuchtet. Ich sagte: "Solange Du erleuchtet sein willst, wirst Du niemals erleuchtet werden. Verlange gar nichts."

    Ich dachte ich hätte klargemacht, dass der Fokus "auf dem Pfad" nicht auf Isolation liegt, sondern auf Hauslosigkeit und Besitzlosigkeit und möglichst wenig "action."

    Genau, dem kann ich folgen. Auch hier unterscheidet sich glaube ich nur unsere Perspektive. Gegen wenig Action spricht ja nichts, wenn man das nicht als Ausrede oder Flucht benutzt, sich seinen Anhaftungen zu stellen. Wichtig erscheint mir wie immer die Motivation.

    Ich will sagen: wenn ich nur bei meinen eigenen Erfahrungen bliebe (die sind natürlich sehr wichtig), wäre das für mich zu wenig, das wäre spirituell ziemlich armselig.

    Ja, das sind "unsere" Richtungen wirklich sehr verschieden. Im Vipassana gibt es nichts als die eigene Erfahrung (ein wenig pointiert ausgedrückt), im besten Falle regelmäßig überprüft durch den Kontakt zu einem erfahrenen Lehrer. Motivation aus äußeren Dingenn ist nicht schlecht, aber die eigentliche Arbeit muss man selber machen, da gibt es kein Entrinnen.


    Am liebsten lese ich im "Weg eines Bodhisattva" von Shantideva.

    Oder ich lese Texte über das richtige Verständnis der Leerheit.

    Über beides habe ich noch keine eigene "Erfahrung".

    Ist das verkehrt? Sollte man alles, wenn es erst noch nur Theorie ist, fahren lassen?

    Sicher nicht, so lange man die Beschäftigung damit nicht als Ersatz dafür verwendet, die Erfahrung durch Praxis selbst zu machen. Man kann ja nicht alles auf einmal machen. Schritt für Schritt geht es voran; eine andere Methode gibt es wohl gar nicht.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Lieber Stevie,

    ich wollte Dich in dem anderen Faden nicht abwürgen, Sherab hatte uns nur gebeten, woanders weiter zu diskutieren. Deshalb meine Antwort hier:


    Zitat

    ich drücke mich gemäß meiner Erfahrung und meiner Praxis aus.

    natürlich.


    Zitat

    Äußere Ursachen führen zu inneren Wirkungen.

    Gegen den Satz ist aus buddhistischer Sicht nichts einzuwenden, solange man damit bedingtes Entstehen meint. Wenn damit gemeint ist: "Wenn diese äußeren Ursachen wegfallen, fällt das Leiden weg", dann entspricht das nicht dem, wie ich die Lehre des Buddhas verstanden habe, sondern ist Teil der Verblendung. Das war ja der Ausgangspunkt unserer Diskussion.


    Die äußeren Ursachen sind fast beliebig austauschbar. Es findet sich immer etwas, an dem wir unsere Gier und unseren Hass entwickeln können. Wenn wir nicht an die Wurzel gehen, und die Gier und den Hass selbst überwinden.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Liebe(r) Aravind,


    ich verstehe nicht,was das nun an meiner Aussage ändern sollte, die da lautete:

    Zitat

    Liebe(r) Aravind,


    das ist relativ, weil die Welt ja auch Ursache für meine Beziehung zu ihr ist.


    Abkehr von der Welt ist Vermeidung. Wenn ich die äußere Ursache niemals vermeide, bin ich ihr immer ausgesetzt und kann mich nicht 'ungestört' mit meinem Inneren auseinandersetzen bzw ich kann nicht erfahren wie es ist, wenn die äußere Ursache fehlt. Wenn ich die Abwesenheit der äußere Ursache niemals erfahre, kann ich niemals erfahren, ob es auch innere Ursachen gibt.


    Diese Abkehr besteht bereits darin, dass ich der Welt nicht in Gedanken nachhänge, weil jeder Gedanke an die Welt die Befreiung hinauszögert. bestehende Konditionierungen festigt (Karma), wenn ich noch nicht befreit bin.


    Gier, Hass und Verblendung sind z.T. erworben und z.T. angeboren. Die erworbenen Anteile haben ihre Ursache in der Welt, weil ohne die Welt es keine Objekte gäbe, die mich Gier, Hass und Verblendung gelehrt haben.


    :rose:

    Mein Motto: "Nur Materie ist real." Probier's mal aus :)

  • An dem, was Du sagst. ändern meine Worte gar nichts. Wie sollte das gehen?

    Wenn ich die Abwesenheit der äußere Ursache niemals erfahre, kann ich niemals erfahren, ob es auch innere Ursachen gibt.

    Ich verstehe, dass Du das so empfindest, der Satz ist im Allgemeinen aber einfach nicht richtig. Du bist doch ein Mensch, der die Fähigkeit zur Reflexion hat.

    Wenn ein Freund von Dir aus Spass eine flapsige Bemerkung über Dich macht, und Du wütend wirst, weil Du eh schon schlechte Laune hast, bist Du doch grundsätzlich in der Lage, das zu reflektieren. Dazu musst Du nicht Deinen Freund los werden, und seine Bemerkung rattert eh schon in Deinem Kopf. Es reicht, Dich zu sammeln und Deine Gedanken und Empfindungen zu beobachten.


    Ein Teil des Pfades ist es, diese Fähigkeit zu kultivieren. Methoden zu erlernen und anzuwenden, die es ermöglichen, solche Erfahrungen zu machen, ohne die Welt komplett auszusperren. Gleichmut entwickeln auf der Basis von Achtsamkeit und Liebender Güte (u.a. natürlich).

    Selbst wenn Du die Welt komplett aussperrst, trägst Du immer noch Dein Bild von ihr in Dir, Deine Erinnerungen, Zukunftsgedanken und Gewohnheiten.


    Wie bereits gesagt, spricht das nicht dagegen, die Einflüsse der Welt vorübergehend zu reduzieren, beispielsweise in einem Retreat, um diese Methoden besser lernen zu können.


    Wahrscheinlich liegen unsere Erlebniswelten einfach zu weit auseinander, no problem. Auf allgemeiner Basis ist IMHO alles gesagt.

    Liebe Grüße,

    Aravind.

    PS: Habe Deinen Beitrag noch mal gelesen. Reden wir vielleicht über völlig verschiedene Sachen, wenn wir von "Welt" reden?

    Wenn Du weiter diskutieren willst, wie wäre es mit einem konkreten Beispiel? "Die Welt" ist ja doch ein sehr weites Feld! ;)

  • Für mich ist ein Unterschied, ob man einen Pfad geht, oder einem Ziel folgt.


    Als Wanderer sage ich mir oft: der Weg ist das Ziel. Da kann man auch einfach eine Rundwanderung durch einen Wald machen.

    Aber wenn es das Ziel Nirvana nicht gäbe, gäbe es auch Weg, den Achfachen Pfad nicht. Der ist kein Rundweg

    Denn der Buddha hat nicht rein zufällig die Reihenfolge der Vier Wahrheiten so gewählt: 1) da ist das Leiden (was es zu erkennen gilt), 2) dieses Leiden hat bestimmte Ursachen, 3) es gibt aber auch Frieden=Nirvana, 4) und dann hat er den Weg zu diesem Frieden erklärt.

    Also für mich ist dieser Weg dann zielgerichtet. Wie kann das anders sein?

    Wie ich schon sagte, wollen die meisten Buddhisten, die ich kenne, aktuell ja gar nicht Nirvana erreichen, sondern erstmal nur eine gute Wiedergeburt, oder auch das nicht, wenn ich so die "säkularen" Buddhisten höre, oder diejenigen, die es so toll finden "nur in der Gegenwart zu leben", ohne Konzepte (die eine ganz furchtbare Sache sein sollen). So sehe ich das.

    Daher ist es für die meisten sicher ok, wenn sie nur einen Pfad gehen "ohne Ziel". Obwohl eine gute Wiedergeburt ist doch auch ein Ziel, oder nicht? Allerdings habe ich bei manchen, wenn ich sie so höre und lese, den Eindruck, das sei unter ihrer Würde, das sei primitiv, einfachste Volksreligion, oder nur egoistisch, eine gute Wiedergeburt anzustreben. Dazu sind sie viel zu cool 8)



    Lustigerweise habe ich heute einen Text von Ajahn Chah gelesen, in dem genau das angesprochen wurde:


    ................."Solange Du erleuchtet sein willst, wirst Du niemals erleuchtet werden. Verlange gar nichts."


    Da habe ich etwas anderes in Erinnerung. In einem Sutta kritisiert jemand den Buddha, nachdem er das willentliche Streben nach Nirvana geschildert hat: "Den Willen mit dem Willen besiegen: das geht nicht."

    Darauf der Buddha: "Hattest du nicht vorhin den Willen, in den Hirschpark zu gehen, um meine Rede zu hören?" - "Ja." - "Und hast du diesen Willen jetzt immer noch?" - Nein, denn ich bin ja jetzt da." usw.

    Also: wenn man Nirvana erreicht hat (oder wenn es dir lieber ist: Samsara abgeschüttelt hat) , dann kann man da bleiben. Oder vermutest du noch etwas jenseits von Samsara und Nirvana, was man dann anstreben könnte?

    Motivation aus äußeren Dingenn ist nicht schlecht, aber die eigentliche Arbeit muss man selber machen, da gibt es kein Entrinnen.


    Ich habe nicht so sehr an äußere Dinge gedacht, sonderen an andere Menschen, an Vorbilder, an Lehrer.

    :rainbow:

  • Als Wanderer sage ich mir oft: der Weg ist das Ziel. Da kann man auch einfach eine Rundwanderung durch einen Wald machen.

    Lieber Rudolf,


    es scheint mir nicht zu gelingen, Dir meine Sicht deutlich zu machen, die Unterscheidung zwischen Ziel und Prozess:


    * dass der Wille, Nirvana erreichen zu wollen, Motivation und Ausrichtung sein kann, aber eben über Anhaftung auch zum Hindernis werden kann.

    * dass mein Ziel die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung ist, aber jetzt und jeden Moment, und nicht als hehres Ziel in der Zukunft. Nirvana mag dann das sein, das dabei raus kommt, keine Ahnung.


    Lassen wir es dabei bewenden.

    Ich habe nicht so sehr an äußere Dinge gedacht, sonderen an andere Menschen, an Vorbilder, an Lehrer.

    Klar, die würde ich zu den äußeren "Dingen" zählen. "Äußeres" als Substantiv hätte wohl besser gepasst, klingt aber so holprig. :)

    Liebe Grüße,

    Aravind.

    PS:

    Also: wenn man Nirvana erreicht hat (oder wenn es dir lieber ist: Samsara abgeschüttelt hat) , dann kann man da bleiben. Oder vermutest du noch etwas jenseits von Samsara und Nirvana, was man dann anstreben könnte?

    Da scheint es ein Missverständnis zu geben. Ajahn Chah redet vom Weg, nicht vom Zustand im Nirwana.

  • * dass der Wille, Nirvana erreichen zu wollen, Motivation und Ausrichtung sein kann, aber eben über Anhaftung auch zum Hindernis werden kann.

    * dass mein Ziel die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung ist, aber jetzt und jeden Moment, und nicht als hehres Ziel in der Zukunft.


    die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung: was ist da der Unterschied zu Nirvana?

    Du hast also auch ein Ziel: die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung jetzt und jeden Moment.

    Aber kann das nicht über Anhaftung ein großes Hindernis sein? ;)

    Vielleicht sagt du, du haftest hier und jetzt an dieses Ziel nicht an.

    Aber dann kann jeder andere auch sagen: ich hafte an das zukünftige Ziel nicht an. Meiner Meinung nach ist das sogar eher möglich, daran nicht anzuhaften, weil man ja weiß, dass es noch dauern wird ........


    ok, kann sein, dass ich etwas nerve mit meinem nicht locker lassen von meiner Praxis.

    Aber es ist ja sehr schwierig zu verstehen, wie man eine Motivation und Ausrichtung auf die Zukunft haben kann, und gleichzeitig aus Furcht vor Anhaftung diese Motivation besser aufgibt? Oder wie meinst du das?


    Ich denke, dass das Problem der "Anhaftung" in beiden Fällen da sein kann: in der Gegenwart und auf die Zukunft gerichtet.


    Zitat

    .......aber jetzt und jeden Moment, und nicht als hehres Ziel in der Zukunft.


    ich finde, dass es eher ein hehrer Anspruch ist, jetzt schon Gier, Hass und Verblendung aufgeben zu können - ohne noch eine Zeit lang zu meditieren......


    -----------------

    hehr = durch seine Großartigkeit, Erhabenheit beeindruckend; erhaben, Ehrfurcht gebietend (Duden)

    :rainbow:

  • ich finde, dass es eher ein hehrer Anspruch ist, jetzt schon Gier, Hass und Verblendung aufgeben zu können - ohne noch eine Zeit lang zu meditieren......


    -----------------

    hehr = durch seine Großartigkeit, Erhabenheit beeindruckend; erhaben, Ehrfurcht gebietend (Duden)

    Gier, Hass und Verblendung aufzugeben beginnt man in dem Moment, in dem man von der Lehre hört und sie als nicht unbedeutend erkennt. Und danach jeden Tag.


    Das ist genau der Punkt, an dem wir uns nicht verstehen. Du willst meiner Unterscheidung in Prozess und Ziel nicht folgen. No worries.


    Danke für die spannende Diskussion!

    Aravind.